|
Text |
|
|
VI. Exegetische Abhandlung. |
|
|
Es kommen in der
H. Schrifft
viele
Stellen vor, in welchen das
Wort: Zeichen,
gebrauchet wird. Wir
wollen die
vornehmsten davon hersetzen, und dieselben so viel
nöthig seyn wird,
erklären.
¶ |
|
|
1) |
Die Beschneidung der Vorhaut soll seyn
ein Zeichen des Bundes, |
|
1 B. Mos. XVII, 11. |
|
|
Gleich vorher hatte
GOtt die Beschneidung seinen Bund genennet, v. 10.
Nun aber nennet er die Beschneidung der Vorhaut ein Zeichen des Bundes
zwischen ihm und Abrahams Nachkommen. Es ist hier zu
mercken, daß er die Beschneidung selbst nicht ein Zeichen heisset,
sondern den Bund selbst, in dem die Beschneidung im Alten Testamente
wahrhafftig ein Mittel der Wiedergeburt war, wie Neuen Testamente die
heilige Tauffe das Mittel unserer Wiedergeburt ist, durch welches wir
gerecht und Erben seyn des ewigen Lebens. Tit. II. 5: Aber,
indem er die Erklärung hinzu thut, daß die Vorhaut am Fleische hatte
sollen beschnitten werden, nehmlich deswegen, weil es solte ein Zeichen
seyn, daß Christus nicht von Unbeschnittenen, sondern von Beschnittenen
Eltern solte herkommen. Gleichwie hinwiederum, wenn von der Beschneidung
Christi gefragt wird, warum er sich habe beschneiden lassen, geantwortet
wird: es sey darum geschehen, daß er hierdurch lehrete; er sey aus dem
Saamen Abrahams gebohren worden. Denn er solte und
wolte ein Diener der Beschneidung werden, Röm. XV, 8. Und also
hat Moses hiermit von der Beschneidung des Herrn
Meßias geweissaget. ¶ |
|
|
|
2) |
Und das Blut soll euer Zeichen seyn an
den Häusern darinne ihr seyd etc. |
|
2 B. Mos. XII, 13. |
|
|
Es solte nicht Menschen- Kälber- oder Ochsen-Blut
seyn, noch von dem Blute Isaacs, wie es einige Jüdische
Lehrer
verstehen wollen, noch das Blut der Beschneidung, sondern des
geschlachteten Osterlammes Blut solte es seyn. Dieses Blut, sagt der
Herr, soll euer Zeichen seyn an den Häusern, das ist, die beyden Pfosten
samt der Oberschwelle sollen damit bestrichen werden, damit wenn ich das
Blut sehe, ich für euch übergehe, oder eure Häuser überhüpfe, wie es R.
Salomo gegeben, und euch nicht die Plage wiederfahre,
die euch verderbe, oder, wie es eigentlich nach dem
Hebräischen heisset:
et non erit in vobis plaga percussoris. Er will sagen: So wird
euch der Würg-Engel nicht können
Schaden thun; er wird keine
Macht
haben euch zu schaden. Denn ich werde es hindern, und ihm nicht
gestatten, sintemahl
GOtt neben dem Würg-Engel durch Egypten
Land zog,
als daß er keinem Thiere noch
Menschen
Schaden zufügen konnte, wo es ihm |
|
|
|
{Sp. 557|S. 292} |
|
|
|
GOtt nicht zuließ; und darum wird hinzu gesetzt:
wenn ich Egypten schlage. ¶ |
|
|
|
3) |
Zeichen und Wunder wird geben ein Prophet
oder Träumer, der unter euch aufstehen wird. |
|
5. B. Mos. XIII, 1. |
|
|
Die Ausleger sind nicht einig, was durch Zeichen
und Wunder verstanden werde. Einige halten sie für gleichgeltende
Wörter,
und meinen eins bedeute soviel als das andere, wie der Verfasser des
Buches
Siphra. Allein dieses kan nicht wohl seyn. Denn vors
erste braucht Moses hier zwey besondere Worte: hernach unterscheidet er
sie auch mit dem
oder; und endlich sind sie an sich selbst unterschieden, und eines
bedeutet mehr als das andere. Denn ein jedes Wunder ist wohl ein Zeichen
aber ein jedes Zeichen ist nicht gleich ein Wunder. Daher machen andere
diesen Unterschied, und sagen: ein Zeichen geschehe am Himmel, ein
Wunder aber auf
Erden.
Und dahin rechnen sie was dort stehet, daß etliche mit dem Wunder auf
Erden, so Christus an dem Besessenen erwiesen, nicht wären zu frieden
gewesen, sondern auch über dieses ein Zeichen begehret hätten von ihm
vom Himmel |
|
Lucä XI. 16. |
|
|
Lyranus machet noch einen andern
Unterschied und spricht: ein Zeichen ist, das in der Nähe, ein Wunder
aber, so von weitem her geschiehet. Abulensis will, ein
Zeichen sey, daß bald geschehe und unmittelbar erfolge; bedeute aber
nichts wunderbahres: ein Wunder hingegen sey, das lange hernach erst
geschehe, und bedeute allemahl, was sehr wunderbahres. Allein am besten
ists, wenn man mit Gerharden sagt: ein Zeichen sey ein
Merckmahl eines gewiß erfolgenden
Dinges,
und ein Zeichen geben so viel, als vorher sagen, daß
etwas gewiß erfolgen werde; so aber nicht über die
Natur,
und nicht ausser der Natur, noch derselben ungewöhnlich ist; sondern
etwa zur Gewißheit göttlicher Verheißung oder Drohung gegeben wird. So
gab Samuel dem Saul unterschiedliche solche Zeichen, als einen
Beweis
seiner Verheißung, und das er gewiß
König
werden würde in Israel, 1 Samuel X, 2. ein Wunder hingegen
geschehe ausser der Natur, und ein Wunder thun heisse so viel, als etwas
verrichten, so über die Natur ist. Z.E. Da Mosis Stab
zur Schlangen wurde, und was dergleichen Wunder in Egypten mehr waren. |
|
2 B. Mos. VII u.ff. |
|
|
Solche Wunder konnten nun zugleich auch Zeichen
seyn: Also da dort zu Hiskiä
Zeiten der Schatten am
Zeiger Ahas zehn Stuffen zurück gieng, das war so wohl
ein Zeichen, wie es genennet wird 2. B. König. XX.
9, Jes. XXXVIII, 7; als auch ein Wunder, wie es heißt 2
Chronic. XXXII, 24. und durch solche Zeichen und Wunder würden
falsche Propheten Israel zur Abgötterey zu verführen suchen. |
|
|
|
|
Fragt man aber: Wie es möglich sey, daß solche
falsche Propheten Zeichen und Wunder geben können; so antworten einige
der Jüden, es würden nur solche Zeichen allhier verstanden, die etwas
repräsentiren, oder bedeuten und vorbilden sollen, wie also
Jeremias ein Joch an seinem Halse getragen, zum Zeichen daß
Israel gefangen weggeführt werden solle. |
|
Jerem. XXVII, 2. |
|
|
|
|
{Sp. 558} |
|
|
|
Zeichen hätten nun auch die falschen Propheten
gebraucht; so hätte sich Zedekias, der falsche Prophet,
eiserne Hörner gemacht und dadurch den Ahab fälschlich
versichert, daß er hiermit die Syrer stossen würde, |
|
1 B. Kön. XXII, 11. |
|
|
Allein weil hier nicht bloß von Zeichen, sondern
auch von Wundern geredet wird, und daß die falschen Propheten beyde zur
Verführung Israels geben würden: so kan diese
Meynung nicht wohl statt finden. Daher sagen andere der
Jüden, es würden solche Zeichen und Wunder allhier gemeynet, die durch
Beschwörung und Zauberey geschehen, dergleichen die Zauberer in Egypten
gethan hätten, u.s.w. welchem wir eben nicht widersprechen wollen. Denn
ob es wohl an dem ist, daß der Teuffel und seine Werckzeuge keine
wahrhaftigen und also genannten Wunder thun können, weil solches
GOtt allein zukommt, Ps. CXXXVI, 4: so kan er doch,
weil er die
Natur
verstehet, vielerley Wunder-Dinge ins
Werck
richten, die wir
Menschen
für Wunder halten, weil wir ihre
Ursachen
nicht wissen, und nicht sehen, wie es zugehet. So ist auch der Teuffel
ein listiger Geist, und kan den Menschen gar leicht ein Blendwerck
vormachen, daß sie meynen, dieses oder jenes zu sehen, welches sie doch
nicht sehen. Und so können auch seine Werckzeuge, falsche Propheten,
solche wunderliche Dinge den Menschen vormachen, welche sie mit Augen
und äusserlichen
Sinnen von göttlichen Wunderwercken nicht leicht zu
unterscheiden wissen. |
|
|
|
|
Und von dergleichen redet auch Christus Matth.
XXIV, 24, und Paulus nennet sie Zeichen und
Wunder der Lügen, oder wie es Luther gegeben,
lügenhafte
Kräffte,
Zeichen und Wunder, 2 Theß. II, 9. nicht allein weil sie offt
durch Betrug, Beschwehrung, und Zauberey geschehen, nur dem Scheine
nach; sondern auch deswegen, weil, ob es gleich wahrhaftige Wunderwercke
sind, ihr
Zweck und Ende doch die Lügen zu bestätigen sey. Solche
Zeichen sind entweder an sich selbst falsch und erdichtet, und viel mehr
Wunder als Wunderwercke; oder wenn sie gleich wahrhaftig sind, so sind
sie doch in Ansehung ihrer Zeichen Lügen, und in Ansehung der Kirchen,
Versuchungen und Proben
GOttes. ¶ |
|
|
|
4) |
Du hast aber doch ein Zeichen gegeben
denen, die dich fürchten, Ps. LX, 6. das ist: Du hast
eine herrliche Sieges-Fahne aufgerichtet. |
|
|
|
|
Der
Verstand von diesen
Worten ist folgender: Wir sehen jetzt
augenscheinlich, daß du zu deinem
Volcke dich wieder in
Gnaden wendest,
indem du ihm einen herrlichen Sieg über den andern
verleihest wider die
Feinde, darüber wir in Zuversicht auf deine Güte und Treue desto
behertzter, frölicher und sicherer gemacht werden. Luthers Randglosse:
Die Historia bezeuget, daß
GOtt von einer Zeit zur andern
Hertzoge
erweckt habe, durch welche das Volck Israel zur Ruhe gebracht, und von
den Feinden erlöset worden. ¶ |
|
|
|
5) |
Zeichen, kömmt im LXXIV Ps. 9. vor. |
|
|
|
|
Es bedeutet das
Hebräische
Wort
eigentlich ein solches Zeichen durch welches uns entweder etwas vor
Augen gestellet, und zu
Gemüthe geführet wird, was längst geschehen, oder was
Künfftig für |
|
|
|
{Sp. 559|S. 293} |
|
|
|
Gutes und
Böses geschehen solle, |
|
Ps. CV, 27. |
|
|
Hernach wird es auch gebraucht von äuserlichen
Policey und Feldzeichen, dergleichen
GOtt der Herr seinem
Volcke
schon in der Wüsten aufzurichten befohlen hatte, 4 B. Mos. II,
2: Da denn die Talmudisten anmercken, ein jeder
Stamm habe seyn
besonderes Panier und Zeichen gehabt: |
|
|
|
|
- Der Stamm Ruben das Bild eines Menschen,
- der Stamm Juda das Bild eines Löwen,
- Ephraim das Bild eines Ochsen,
- Dan einen Adler;
- der Stamm Juda eine grüne Fahne,
- Ruben eine rote,
- Ephraim eine Goldgelbe,
- und der Stamm Dan eine bunte, aus weiß und roth vermengt.
|
|
|
|
|
Hier
verstehet man es theils von dem Policey- und
Feldzeichen, theils aber von Lehr- und Kirchenzeichen, so sie zur Zeit
der Babylonischen Gefängniß beydes verlohren, ja den Gesalbten des Herrn
selbst, Klagl. IV. 20, da die Alten nicht mehr sassen unter dem
Thor. V. 14, daß sie solten das
Volck
richten; ja sie sahen die Feldzeichen nicht mehr, ihre Armeen waren
geschlagen, und in die
Dienstbarkeit
geführet. Da hat es geheissen: Unsere Zeichen sehen wir nicht
mehr. ¶ |
|
|
|
6) |
Zeichen thun, wie David zu
GOtt sprach: Herr thue ein Zeichen an mir, |
|
Ps. LXXXVI, 17. |
|
|
Sonst wird das Zeichenfordern, nicht allemahl in
GOttes Wort gebilliget, wie unser Heyland zeigt, als die Pharisäer ein
Zeichen von ihm sehen wolten, |
|
Matth. XII, 39. |
|
|
Als er zum Königischen hinab gehen wolte sprach
er: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder sehet etc.: |
|
Joh. IV, 48. |
|
|
Eben wie es auch Paulus den
Jüden verwiesen, daß sie gerne Zeichen forderten, |
|
1 Corinth. I 22. |
|
|
Deswegen auch der Heuchlerische Ahas
kein Zeichen fordern wolte, |
|
Jes. VII, 11. 12. |
|
|
Allein unter solche verwegene Zeichenforderer,
die
GOtt versuchen, kan man den frommen David
nicht zählen. Denn die Zeichen sind mancherley. Es sind Wunderzeichen,
Gnadenzeichen, Zornzeichen; es giebt auch gewisse Hülfs- und
Liebeszeichen, wobey man
Gottes Gnade und Huld verspüren kan, sie mögen
nun mit, oder ohne Wunder geschehen seyn; und diese lassen sich von
unsern GOtt gar wohl bitten, wenn sie nur in wahrer Busse, Demuth und
Glauben gebeten werden. Denn ist die
Person
gläubig: so ist auch die Bitte heilig und GOtt nicht zuwider.
¶ |
|
|
|
7) |
Zeichen, von welchem
GOtt durch den Propheten Ezechiel IX, 4. u.ff.
sagt:
Zeichne mit einem Zeichen an die Stirne die Leute. |
|
|
|
|
Was dieses für ein Zeichen gewesen, davon haben
die Kirchen-Väter und andere Ausleger unterschiedener
Gedancken.
Etliche halten dafür der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] welcher in
dem
Hebräischen Alphabet der letzte ist, sey ihnen an die Stirnen
gezeichnet und das
Wort
[ein Wort Hebräisch] das
Gesetz
damit bedeutet worden, daß GOtt diejenigen zeichnen und erhalten wolle,
die nach seinem Gesetz und Zeugniß im Glauben und
Leben einher gehen
etc. Andere haben vermeynt: Der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] habe
das tröstliche Wort bedeutet, welches der
Sohn GOttes beym Ezechiel
seiner Kirche zuspricht: Du sollst leben etc. XVI. 6. |
|
|
|
|
Viele unter den Kirchen-Lehrern geben vor, als
hätten die Knechte GOttes das Zeichen des Creutzes an der Stirne |
|
|
|
{Sp. 560} |
|
|
|
getragen, zum Zeugniß, das sie Erben des
gecreutzigten Heylandes aller
Welt
seyn; daß also
GOtt zu dem
Mann in Leinwand gesagt hätte: Zeichne den
Buchstaben [ein Buchstabe Hebräisch] an die Stirne der Leute, so da
seufzen. Zu der Zeit, sagen sie, brauchten die Juden nicht die heutiges
Tages gebräuchlichen
Hebräischen Buchstaben, sondern die alten, welches
die Samaritischen sind. Bey den Samaritern nun hat das [ein Buchstabe
Hebräisch] welches ihr letzter Buchstabe ist, unter andern die
Gestalt
eines Creutzes, nicht allein eines solchen, daß da bestehet aus einem
langen Holtze, darüber ein Zwerch-Holtz gehet, wie ein
Lateinisches
grosses T, sondern auch eines solchen, welches aus zweyen Höltzern, wie
wir sagen, Creutz-weiß über einander liegt †. Diese beyde Gestalten,
sagen sie, habe der Buchstabe [ein Buchstabe Hebräisch] auf den alten
Müntzen der Ebräer, und wird nicht nur allein solches vom Origines,
sondern auch vom Hieronymus bezeuget. |
|
|
|
|
Wiewohl nun dieses alles feine
Gedancken
sind: So haben sie doch keinen gewissen und beständigen
Grund;
zumahl daß man vor
Zeiten bey den Juden Samaritische Buchstaben
gebraucht, und daß im Samaritanischen A.B.C. das [ein Buchstabe
Hebräisch] wie ein Creutz formiret gewesen: Wiewohl im Abyßinischen
dieser Buchstabe einem Creutze ähnlich siehet. Am besten trifft man es
wohl, wenn man sagt, daß das Hebräische Wort, welches beym
Ezechiel stehet, nicht den Buchstaben [ein Buchstabe Hebräisch]
bezeichne, sondern mit Luthern für ein Zeichen genommen
werden müsse. Denn hier stehet nicht der blosse Buchstabe [ein Buchstabe
Hebräisch] sondern das
Wort,
das von einem solchen Worte herstammet, welches ein Zeichen bedeutet. So
haben es auch verstanden die LXX Dollmetscher, die Chaldäische
Paraphräsis, nebst dem Syrischen und Arabischen Übersetzer, sonderlich
Cyprianus, welcher es also giebt: Du solt ein Zeichen
zeichnen auf die Stirne der Männer. |
|
|
|
|
Was es aber eigentlich für ein Zeichen seyn
solte, wird daselbst nicht ausgedruckt; vermuthlich, daß, wie die
Kriegs-Knechte die
Nahmen
der Kayser,
die Hohenpriester den allerheiligsten Nahmen ihres
Gottes, 2 B. Mos. XXVIII, 36. an ihren Stirnen
getragen: Also sind auch im Gesichte die
Knechte GOttes mit diesem Nahmen des Herrn Jehovah gezeichnet
worden. |
|
|
|
|
Dem sey nun, wie ihm wolle, so hat GOtt der HErr
vermuthlich dieses Mahl-Zeichen darum verschweigen wollen, damit man
solches nicht zum Aberglauben mißbrauche, wie mit dem Heiligen Creutz
Zeichen geschiehet. Schneider in seinem Biblischen
Lexico, unter dem
Worte:
Zeichen, schreibt über obige
Stelle also: Von was für
Art und
Form
dieses Zeichen seyn sollen, ist verschiedentlich untersuchet, und
geschlossen worden, es deute auf ein Creutz-förmiges Zeichen.
Amelius hat in der Erörterung der schwerrsten Schrifftstellen
Alt. Test. … alles, was hin und wieder
gesagt
worden, zusammen gezogen, welches hier zu lesen nicht unangenehm seyn
wird. ¶ |
|
|
|
|
Es sind viele, welche meynen, daß dieses Zeichen
der Buchstabe T gewesen, welcher sonderlich bey den alten
Hebräern ein Creutz vorgestellet. |
|
Baronius … |
|
|
|
|
{Sp. 561|S. 294} |
|
|
|
wird gesetzet, daß die Ebräer vor dem der
Samariter Buchstaben gebraucht, wie denn Origines
solche alten Buchstaben nennet, und in dem Verzeichnisse der
Samaritanischen Buchstaben der Buchstabe T bald durch
† bald durch X abgebildet worden.
Man will dieses Vorgeben dadurch
beweisen, daß man noch heutiges Tages
einige Siclos finde, welche unter andern Samaritanis.
Buchstaben auch den Buchstaben T Creutzweise vorstellen: es
wäre auch ein Verzeichniß der Buchstaben bekannt, darinne man
dergleichen T Creutzweise geschrieben sähe. Daß man aber
insgemein heutiges Tages dergleichen Buchstaben bey den Samaritanern
vergeblich suchte, wäre ohne Zweiffel daher gekommen, weil die Samariter
als ein listiges verschlagenes
Volck,
nach dem
Tode unseres Heylandes den Buchstaben T in so fern
derselbe Creutzweise geschrieben wird, gar selten gebraucht, damit die
Christen keinen
Beweiß-Grund
von dem Creutze Christi aus dem Ezechiel hernehmen
könnten. Allein |
|
|
|
|
1) |
ist es sehr ungewiß, ob die alten Juden die
Samaritanischen Buchstaben vor diesem gebrauchet. Denn obgleich
Waltonus dieses zu behaupten gesucht, und zum Schein des
Origines und Hieronymus Zeugniß
brauchet: so sind doch andere gelehrte
Männer, welche diesen Satz mit
vielen
Gründen
umstossen. |
|
|
Peter Zorn T. I, Bibliothecae
Antiquario-Exegeticae … |
|
|
2) |
Was die Samaritanischen Siclos betrifft,
so ist dieses ebenfalls sehr ungewiß, oder so beschaffen, daß man es
billig gantz und gar verwerffen kan. Denn weil man auf solchen
Müntzen oder Siclis diese Worte findet: Das heilige
Jerusalem; so ist wohl nicht zu glauben, daß die Samariter als
Feinde Jerusalems und des Tempels einer bey ihnen sehr verhassten
Stadt
ein solches Lob beygelegt haben. Wie? wenn man sagte, daß die Jüden vor
dem Gefängnisse solche Müntze geschlagen, oder daß man deren Alterthum,
als wenn sie gar erdichtet wären, in Zweiffel zu ziehen gedächte. |
|
|
|
|
|
Indessen wollen wir die Mittelstraße ergreiffen.
Wir gestehen, daß vor dem bey den Samaritern der Buchstabe T
Creutzweise geschrieben gewesen. Denn dieses bejahet Hieronymus,
und es ist gar keine Folge, daß, weil gedachter Buchstabe in dem
heutigen Samaritanischen Alphabet gantz anders gefunden wird, deswegen
Hieronymi Zeugniß müsse verworffen werden. Vielmehr ist
wahrscheinlich, daß die Samariter, damit sie desto geschwinder schreiben
könnten, die alte
Form
des Buchstabens in etwas, wie derselbe anjetzo aussiehet, geändert. |
|
|
|
|
Doch dem sey wie ihm wolle: so wird hier gar
nicht auf diesen Buchstaben angespielet. Das
Hebräische
Wort
[ein Wort Hebräisch] heisset ein Zeichen, womit etwas versiegelt wird.
Es stammet auch von einem Hebräischen Worte [ein Wort Hebräisch] her,
welches versiegeln heisset, vornehmlich, da die ältesten Ausleger hier
keinen Buchstaben, sondern ein Siegel
verstehen. |
|
|
|
|
Hierzu dienet auch die
Verknüpffung dieser Worte
mit dem vorhergehenden.
GOtt hatte vorher weitläufftig allen Greuel, der in
Jerusalem war, erzehlet; Hierauf thut er folgende schreckliche Droh- |
|
|
|
{Sp. 562} |
|
|
|
Worte
hinzu: Darum will ich auch wider sie mit
Grimm handeln, und mein Auge
solte ihrer nicht verschonen, und will nicht
gnädig seyn. Und wenn sie
gleich mit lauter Stimme vor meinen Ohren schreyen, will ich sie doch
nicht hören. Gleich hierauf wurde mit lauter Stimme vor des Propheten
Ohren geruffen: Lasset herzu kommen die Heimsuchung der Stadt
und ein jeglicher habe ein mörderlich Waffen in seiner Hand. |
|
|
|
|
Bey solcher allgemeinen verderblichen Land-Strafe
konnte es gar leicht geschehen, daß die Frommen mit denen Gottlosen
aufgerieben und ausgerottet würden. Ob hiermit auf die
Kinder Israel
gesehen werde, welche die Pfosten ihrer Thüren mit dem Blute des
geschlachteten Oster-Lämmleins bezeichnen musten, damit der Würg-Engel
vorüber gienge, solches lässet man dahin gestellet seyn. Dieses aber ist
gantz gewiß, daß das Zeichen an der Stirne ein Merckmahl gegeben, damit
man wissen konnte, wer ihr
Herr
sey. |
|
|
|
|
Bey den Römern war dieses zwar auch gebräuchlich,
allein es hatte eine gantz andere Bewandniß, indem es den
Knechten zu einer schweren
Leibes-Straffe, keinesweges aber
zur
Erkenntniß des
Nahmens ihrer
Herren dienete. Ausser dem ist doch
auch gewiß, daß man an der Stirne, Prachts und
Ehren halber güldene oder
silberne Bleche mit darauf geschriebenen Nahmen oder Buchstaben
getragen. War nicht das Stirnen-Band des Hohenpriesters etwas
dergleichen? Im gegenwärtigen
Orte werden die Frommen vor der Stirne
gezeichnet, weil sie Knechte GOttes sind, und durch das Siegel des
lebendigen GOttes von den Gottlosen und Heuchlern sollen unterschieden
werden. |
|
|
|
|
Dieses Zeichen kan ferner auf eine zwiefache Art
und Weise betrachtet werden; entweder wie solches alle Auserwählten
insgemein haben, oder wie solches nach den Umständen der
Sachen
und
Zeiten an den Auserwählten sonderlich muß beobachtet werden.
Überhaupt und insgemein begreiffet dieses Zeichen in sich die Gaben des
Heiligen
Geistes, den Glauben, die
Weisheit, die
Hoffnung, die
Liebe,
die Evangelische Heiligkeit, den
Frieden, und die Freude in dem Heiligen
Geist, dadurch die Gläubigen bis zur Zeit ihrer Erlösung behalten und
versiegelt werden. |
|
|
|
|
Gewiß durch dieses Zeichen werden |
|
|
|
|
1) |
die Frommen von denjenigen unterschieden, die
Christi
Eigenthum
nicht sind, sondern vielmehr mit dem Teuffel und der
Welt
in einer Gemeinschafft leben. |
|
|
|
|
|
2) |
Können die Frommen von dem höchsten Gute des
zukünfftigen
Lebens, und von der himmlischen Seeligkeit durch diese
Gaben ein rechtes Pfand und völlige Versicherung haben. |
|
|
|
|
|
3) |
Werden sie durch diese Wohltaten
GOttes gestärcket, befestiget, und in aller Gewißheit
erhalten, damit sie GOtt in allen Fällen und Gelegenheiten dienen, die
er an die Hand giebt. Denn, wie wir dasjenige, welches wir von dem
gemeinen Gebrauch absondern, und bewahren wollen, versiegeln: also
zeichnet der Herr seine
Knechte, die er erhalten will zu dem
Dienste, zu welchem er
sie erwählet und ausersehen. |
|
|
|
|
|
Jedoch ist unsere
Meynung nicht, daß hier ein solches allgemeines Zei- |
|
|
|
{Sp. 563|S. 295} |
|
|
|
chen aller Gläubigen müste verstanden werden;
sondern daß hier die
Rede von dem Zeichen sey, welches den sonderbaren Umständen
nach, muß in Augenschein genommen werden. Es wird nachdrücklich gesagt,
daß sie vor der Stirne gezeichnet worden, zur Anzeige, daß gedachtes
Zeichen allen solte in die Augen leuchten, und also gantz offenbar seyn:
Dahingegen oben gedachte Gaben des
Geistes
inwendig in den Hertzen meistentheils verborgen, und vor der Welt
unbekannt bleiben. Mit einem
Worte dieses Zeichen vor der Stirne ist ein
öffentliches Bekenntniß der wahren und reinen Glaubens-Lehre, welche von
denjenigen öffentlich durch ein Bekenntniß wird dargethan werden, welche
die wahre Kirche vorstellen. Hierzu werden sie wider alle Anfechtung der
Welt gestärcket, und durch die Versiegelung des
Heiligen
Geistes
bewahret. ¶ |
|
|
|
8) |
Zeichen dieser Zeit, Matth.
XVI, 1-3, sind gewisse Begebnisse, welche nach den Weissagungen der
Propheten auf
gewisse Zeiten geschehen, und sich zutragen musten, aus
welchen geschehenen oder sich zu getragenen
Dingen
die gewissen Zeiten könnten
erkannt werden, und darneben zu schliessen
war, daß dasjenige, was auf gewisse Zeiten verheissen worden, muste
erfüllet werden, oder schon erfüllet war. ¶ |
|
|
|
9) |
Zeichen des Menschen Sohnes am jüngsten
Tage, |
|
Matth. XXIV, 30. |
|
|
Was hierunter verstanden werde, ist unter den
Gelehrten nicht völlig ausgemacht. Die meisten
sagen es sey das Zeichen
des Creutzes, an welchem Christus das
Werck
der Erlösung verrichtet, und dieses würde an dem Himmel erscheinen, wenn
Sonne und Mond verfinstert seyn würden, so wohl zum Troste der
Gläubigen, als zur Verdammniß der Ungläubigen. Andere sagen das Zeichen
werde seyn die Narben der Wunden in der Seite, Händen und Füssen des
verklärten
Leibes
Jesu Christi, weil in der
Heiligen Schrifft
stünde: Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben, |
|
- Zachar. XII, 10.
- Offenbahr. I, 7.
|
|
|
Man kan nicht wohl anders
sagen,
als daß die obigen
Worte
unsers Jesu, dem
Sinn
und der
Meynung nach, eines sind mit seinen vor dem Hohenpriester
ausgesprochenen
Reden: ich sage euch: von nun an wirds geschehen,
daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Krafft und
kommen in den Wolcken des Himmels, |
|
Matth. XXVI, 64. ¶ |
|
10) |
Zeichen an Sonne, Mond und Sterne,
|
|
Lucä XXI, 25. |
|
|
Etliche legen dieses verblümt aus: Die Sonne sey
die Religion, der Mond die Policey und das
Regiment, die Sterne aber beyder ihre Vorsteher, als da sind
im
geistlichen Stande
Lehrer und Prediger; im
weltlichen
Könige,
Fürsten,
und
Regenten:
so daß des Herrn
Meynung sey, es würde vor dem jüngsten Tage die Religion und
der wahre Gottesdienst verdunckelt, das Regiment auf
Erden
zerstöret, und so wohl hohe Potentaten als auch Lehrer und Prediger
gewaltige Fälle thun. |
|
|
|
|
Andere aber meynen, daß hierunter eine
pathetische Beschreibung des schrecklichen bevorstehenden Ge- |
|
|
|
{Sp. 564} |
|
|
|
richts des grossen Jammers, der sich vorher bey
den
Menschen
würde spüren lassen, enthalten sey. Denn, wie denen, so in grossem
Elende sind, der Himmel dünckt auf den Schultern zu liegen, die
Erde
unter ihnen erbeben, und der helle Tag finster seyn, wie es also den
Israeliten zu seyn dünckte, da sie von Salmanasser überfallen, und
weggeführet wurden, nehmlich daß ihnen die Sonne am hellen Mittage
untergienge, und der Tag für ihren Augen dunckel, Amos VIII,
9.: So würde es auch hier seyn, die Leute würden für Schrecken und
Hertzeleid den Tag nicht wahrnehmen, es würde ihnen scheinen, als sey
keine Sonne mehr am Himmel und als sey der Mond gar verloschen. |
|
|
|
|
Allein es treibet uns keine Noth, hier von den
Buchstaben abzuweichen. Man muß vielmehr davor halten, daß
wahrhafftig
an der Sonne, Mond und auch an den Sternen übernatürliche Zeichen, das
ist, Finsterniß werden geschehen, |
|
Matth. XXIV, 29. |
|
|
Denn es ist ja bekannt, daß bey gemeinen
Finsternissen der Sonne die Sonne an sich nicht finster werde, sondern
vor, wie nach ihren Schein behalte, nur wird dieselbe durch die
Entgegenstellung des Mondes verhindert, ihre Strahlen wie vorher, auf
die Erde zu werffen. Hier aber vor dem jüngsten Tage soll die Sonne an
sich finster werden, und der Mond seinen Schein
verlieren, als welcher
seinen Schein der Sonne abborgt. ¶ |
|
|
|
|
|