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Text |
Quellenangaben |
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Zorn,
Latein. Ira, ist derjenige
Affect, welcher
aus der
Vorstellung einer geschehenen
Beleidigung, sie mag einen entweder selbst, oder
einen andern, dem man wohl
will, betreffen,
entstehet, und da man angetrieben wird, das
desfalls zu besorgende
Übel abzuwenden.¶ |
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I. Zorn des Menschen. ¶ |
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(A) Philosophische Abhandlung. ¶ |
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(1) Unterscheid des Zorns von dem
Schmertze, der Traurigkeit, der Kühnheit und andern Gemüths-Bewegungen. ¶ |
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Mit dem Zorne muß man den Schmertz, die
Traurigkeit, die Kühnheit und andere
Gemüths-Bewegungen nicht vermischen. |
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Denn Schmertz ist wohl mit dem Zorne
verknüpffet, daß ein zorniger Mensch über das
ihm angethane
Unrecht einen Schmertz
empfindet, man kan aber nicht
sagen, daß ein
jeder Schmertz einen Zorn ausmache, indem
man nicht nur einen Schmertz, oder eine
unangenehme
Empfindung über ein
gegenwärtiges, künftiges und vergangenes Übel
haben kan; sondern auch dergleichen Empfindung
ohne einer starcken Gemüths-Bewegung statt
haben kan. |
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Von der Traurigkeit ist er darinn
unterschieden, daß er eine Gattung derselbigen
ist, in sofern man zugleich bemühet ist, das
bevorstehende Übel abzuwenden, woraus leicht
abzunehmen, wie er noch von der Kühnheit
unterschieden, welche Gemüths-Bewegungen
sonst mit einander überein zu kommen scheinen.
Die Kühnheit ist nehmlich eine Gattung der
Liebe:
der Zorn aber eine
Art der Traurigkeit, oder des
Hasses. Bey jener findet sich eine
Begierde, die
Mittel zu
gebrauchen, doch
vornehmlich das
Gute
zu überkommen; in diesem aber das
Böse weg
zuschaffen. |
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Es stehen einige in den
Gedancken, der Zorn
sey ein aus vielen Gemüths-Bewegungen
zusammen gesetzter Affect, weil |
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{Sp. 502} |
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bey demselbigen Haß, Traurigkeit und
Begierde, sich des Bösen zu entschlagen,
zusammen kämen. Allein wie die Traurigkeit,
davon der Zorn eine Art ist, an sich einen Haß,
und deßwegen eine Begierde, das Böse
wegzuschaffen, bey sich führet, also kan man
nicht sagen, daß der Zorn selbst aus
unterschiedenen Affecten zusammen gesetzt sey.
Er kan Anlaß zu
verschiedenen Affecten geben,
als zu der Schaam, zu der Verzweifelung; die aber
das
Wesen derselbigen nicht ausmachen.¶ |
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(2) Die Ursachen des Zorns. ¶ |
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Die nächste
Ursache dieses Affects ist die
Imagination, daß wie selbige bey dem Menschen
veränderlich und unterschieden; also merckt man
auch bey ihnen in dem Zorne einen grossen
Unterscheid,
z.E. es werden zwey
Personen, eine
wie die andere, mit einander
verknüpffet, dabey
die eine zornig wird; die andere hingegen macht
sich nichts daraus, welches von der
Einbildung
herkommt, daß der zornige
Mensch sich die
Beschimpffung als was grosses
vorstellet; der
andere aber solche vor eine Kleinigkeit achtet.
Doch thut auch viel die Beschaffenheit des
Gemüths dabey, nachdem man empfindlich ist,
oder nicht, indem die Empfindlichkeit nichts
anders ist, als eine Neigung sich bald über etwas
zu erzörnen.¶ |
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(3) Gegenstand oder Object des
Zorns. |
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Die
Sache, darüber man sich erzörnet, ist
entweder ein
würckliches
Übel, wenn einem in der
That etwas widriges begegnet; oder nur ein
eingebildetes, wie man aus der
Erfahrung
weiß,
daß Leute durch blosse Gedancken, wenn sie sich
einbilden, als dürfte ihnen dieses, oder jenes
begegnen, sich zornig machen. Doch
muß das
Object des Zorns so beschaffen seyn, daß
zugleich eine Begierde, selbiges aus dem Wege
zu räumen, dabey statt haben kan. Denn über
solche widrige Begebenheiten, die man nicht
ändern kan, z.E. Wenn
GOtt eine Theurung ins
Land schickte, betrübt man sich zwar, man wird
aber nicht zornig, und wenn man dieses auch
thun
wolte, so würde es was
unvernünftiges seyn, und
billig heissen: Vana est sine viribus ira.¶ |
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(4) Eintheilung des Zorns. ¶ |
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Man kan den Zorn auf
verschiedene Art in
gewisse Gattungen
eintheilen, als¶ |
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1) in Ansehung der Quantität, wenn man die
unterschiedliche Stuffen desselbigen zum
Grunde
setzet. |
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Der niedrigste Grad des Zorns heist der
Unwille, der
Widerwille, der
Verdruß, im
Lateinischen indignatio, wenn man sagt, er ist
verdrießlich, unwillig darüber worden, und
bestehet der Unwille in einer kaltsinnigen
Bewegung, das
Böse von sich zu treiben. |
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Der andere Grad ist der Zorn selbst, in
eigentlichem
Verstande, Lat. Ira, welcher eine
stärckere Bewegnis ist, sich solchem Übel zu
widersetzen. |
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Der dritte Grad ist der Jachzorn, der
geschwinde Zorn, Lat. Excandescentia, der bald
und um einer geringen
Ursache halber kommet,
aber auch bald wieder vergehet, |
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{Sp. 503|S. 265} |
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wie bey denen Sanguinischen Leuten der
Zorn wie ein Loh-Feuer ist. |
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Der vierdte Grad ist die
Bitterkeit, Lat.
Amaritudo, wenn der Zorn lange im Hertzen
bleibet, wie bey Leuten vom melancholischen
Temperamente. Es ist wie
Feuer bey nassem
Holtze, das bald brennet, bald spriet, bald glüet.
Hieher gehöret der
Eyfer in der Religion, Lat.
Zelus, da man sich was Böses
vorstellet, und
verbunden erachtet, sich zu widersetzen. Heut zu
Tage spotten viele der Prediger Eyfer. Nun geben
diese wohl
Gelegenheit darzu, wenn Thorheiten
mit unterlauffen, aber solchen Eyfer spotten, ist
noch eine noch grössere
Sünde. Der erste
soll
nicht von einer fleischlichen, sondern
geistlichen
Absicht herkommen. Mancher eyffert starck wider
die Hurerey; er stecket aber wohl selbst darinnen,
weil er alles recht abzumahlen
weiß. |
Hilligens Anatomie der
Seelen ... |
|
Der höchste Grad des Zorns pfleget der
Grimm oder die
Wuth
genennet zu werden, der
bisweilen nicht viel von einer Raserey
unterschieden, daher man
spricht: er hat geraßt
und getobet. Solche Zornige fangen an mit einer
Hefftigkeit und Geschwindigkeit harte
Worte
auszustossen; andere beissen die Zähne
zusammen, und machen eine Mine, als wenn sie
einen mit den Augen erstechen
wolten; noch
andere stampfeln mit den Füssen, und fechten mit
den Händen. |
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Insgemein werden dem Zorne drey Stufen
gegeben, der Jachzorn oder Eyfer, wenn einer
plötzlich von einem hefftigen Zorne überfallen
wird; Die Bitterkeit, welcher ist ein anhaltender
Zorn, der das
Gemüth wie ein widerlicher
Geschmack dem Mund quälet, und daraus nicht
weichen will; und der Grimm, oder ein rasender
Zorn, der seiner Rache kein Ziel zu setzen
weiß. |
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|
Andere machen den Zorn nur zweyerley,
einen schnellen, und geschwind auffahrenden,
der aber eben so geschwind übergeht, und sich
wieder legt; und einen langsamen, der sich
unvermerckt erhebt, aber desto fester hafftet, und
tieffer eindringet. |
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|
Der erste kan auch fromme Leute übereilen,
entweder weil ihre
Leibes-Beschaffenheit solcher
Bewegungen leicht fähig ist, oder weil ihre
Frömmigkeit über die
Bosheit der andern
dermassen eyfert, daß sie den Regungen des
Zorns nicht genugsam widerstehen kan. |
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Der zweyte ist
sündlich, und hafftet nur bey
ehrgeitzigen, hochmüthigen,
eigensinnigen und
boshafften Leuten, die mit einer hefftigen
Begierde
woran hangen, und nicht leiden können, daß
ihnen darinne die geringste Hinderung oder
Eintrag geschehe. |
Jablonski Allgemeines
Lexicon der Künste und
Wissenschafften. |
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Schlechterdings wird das
Wort Zorn von dem
Affecte zwischen dem
Unwillen und der
Wuth
gebrauchet, und man
saget von einem
Menschen,
bey dem ein solcher Affect anzutreffen: Er sey
zornig, er sey böse. ¶ |
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2) In Ansehung der Qualität ist der Zorn
entweder vernünftig, oder unvernünftig. |
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Vernünfftig wird der Zorn, wenn sich der
Wille von einer gesunden
Urtheilungs-Krafft
(Judicio)
regieren, folglich durch
gründliche
Vorstellungen einnehmen lässet, daß man sich
nehmlich nicht ehe, als bis es die
Noth erfordert,
erzörnet, und in |
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{Sp. 504} |
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dem Zorne selbst gehörige Maasse hält;
woraus leicht zu
schliessen, worinnen der
unvernünftige Zorn bestehe. Unvernünftig wird
er, wenn der Wille durch blosse sinnliche
Vorstellungen eingenommen wird, daß man sich
daher nicht nur über Kleinigkeiten erzörnet;
sondern auch bey dem Zorne keine Maasse zu
halten weiß. |
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Ob der Zorn durchgehends als etwas
Böses zu verwerffen und zu verdammen
sey? ¶ |
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Zwar sind die
Philosophen hierinn noch nicht
einig. Ob nicht der Zorn durchgehends als was
Böses zu verwerffen und zu verdammen sey:
unter den
Alten
meynte Aristoteles, es sey der
Zorn nicht
gantz, sondern nur der Überfluß
desselbigen zu verwerffen, indem er L. IV.
ethicorum ad Nicomach. …
schreibt: Die sich nicht
gehöriger massen erzürnen, kommen mir vor, wie
tolle Leute, weil sie keine
Empfindung sehen
lassen. Wer sich nicht erzürnet, der scheint auch
nicht
geschickt sich zu rächen; nun ist aber
Schmach vertragen, und gar nicht auf die
Seinigen sehen, in
Wahrheit was recht
knechtisches. |
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Bey dem Seneca de ira … lesen wir, daß er
gesagt; man
solle sich des Zorns, als eines
Soldaten, und nur nicht als eines Feldherrns
bedienen. Die Stoicker, weil sie alle Affecten für
böse hielten, verdammten auch schlechterdings
den Zorn. Unter denselbigen hat der angeführte
Seneca
gewisse
Bücher vom Zorne geschrieben.
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|
In dem ersten wird derselbige beschrieben,
und zugleich behauptet, daß derselbige nur den
Menschen
eigen sey: daß er, wenn er auch schon
gemäßiget werde, doch nichts nütze sey, und daß
man sich über die lasterhafften nicht erzürnen
müsse, wenn sie auch den
Vater ermordet, oder
die
Mutter entführet, ob man sich schon der
Beleidigten annehmen, und die Missethäter
strafen soll. |
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|
In dem andern Buche lehret er, |
|
|
- daß der Zorn nicht ein lauterer, ohngefehrer,
sondern mit dem
Verstande vergesellschaffteter
Trieb sey. Daher er auch die
Vernunfft anhöre, und
gebändiget werden könne.
- Daß die Grausamkeit
und Wuth nicht eine
Eigenschafft des Zorns,
sondern eine gantz andere Begierde sey, ob sie
wohl ihren Anfang, auch ihre
Nahrung vom öfftern
Zorne haben könnten.
- Daß ein
tugendhaffter und
weiser Mann sich über die
Sünden und Sünder
nicht erzürne;
- daß der Zorn nicht so wohl die
angethane Schmach auswische, als offt vermehre,
und daß, ob er schon bey andern
Furcht und
Schrecken errege, er dennoch damit nicht
gut
werde, denn man fürchte sich auch für die wilden
Bestien, und denen Kranckheiten:
- daß sich ein
Weiser wohl zornig anstellen
möge, aber nicht
würcklich erzürnen dürffe, ja daß der Zorn
vielmehr eine Anzeige eines wilden und
unverständigen, als aufrichtigen Gemüths sey,
daß man sich also vor dem Zorne hüten, und
sonderlich in Acht nehmen solle,
- daß man im
Zorne nicht sündige:
- daß zur Verhütung des
Zorns die
Auferziehung viel diene, desgleichen
auch, wenn man die Haupt-Ursachen desselben
bestreite, und sich nicht übereile,
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{Sp. 505|S. 266} |
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sondern auch bey den scheinbarsten
Ursachen zum Zorne sich
Zeit nehme, dieselben
recht zu
untersuchen. |
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- Daß man aber darbey allen Argwohn bey
Seite setzen, und die Unmäßigkeit meiden müsse:
- daß man sich weder über sinnliche Dinge, noch
über Leute von schlechtem Verstande noch über
Dinge, welche der
Natur nach, oder auch wohl zu
unserm Besten geschehen, zu erzürnen habe:
- Daß der, so seine eigene Sünden und
Schwachheiten recht
erkennet, sich über andrer
ihrer Fehler nicht leicht erzörnen werde:
- daß man,
um den Zorn zu vermeiden, andern nicht bald
glauben müsse:
- daß, wenn man selbst Zeuge von
einer
That ist, man dennoch die Beschaffenheit
derselben, und denn auch die Bewandniß und den
Willen des Thäters in reiffe Betrachtung ziehe:
- daß man
vornehmlich den Hochmuth, und die so
grosse Eigenliebe weglege:
- daß man das uns
angethane
Unrecht lieber vertrage und
verschmertze, als dasselbe zu rächen suche,
- und
daß man sich des Zorns auch nur wegen seiner
Schändlichkeit, womit er das Gesicht und
Gemüthe verstellet, enthalten solle.
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Im dritten Buche wird vieles wiederholet, was
schon da gewesen, welchen Innhalt dieser Bücher
Lipsius so
vorstellet, und
Stolle in der Historie
der Heydnischen Moral … ins
Deutsche gebracht
hat. |
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Von den neuern hat
Thomasius in der
Ausübung der Sitten-Lehre … auch
gemeynet, es
wäre der Zorn allezeit was
Böses, weil er eine
Frucht des Ehrgeitziges, und §. 38 macht er einen
Unterscheid
unter dem
Worte Zorn und dem
Worte zürnen, welches letztere nur die
Empfindung eines Schmertzes oder
Verdrusses
über etwas anzeiget. Es kommt aber der
gantze
Streit darauf an, was man durch den Zorn
verstehet, und da Thomasius das
Wesen
derselben in der Rachgierigkeit setzet, so muß
nothwendig daraus fliessen, daß man ihm allezeit
als was Böses anzusehen habe. Doch da man
den Zorn auch ohne den
Umständen der
Rachgierigkeit betrachten, und ihn als diejenige
Art der Traurigkeit ansehen kan, die mit einer
Begierde ein bevorstehendes
Übel abzuwenden,
verknüpft ist, so kan man nicht sehen, warum man
allen Zorn böse
nennen solte. |
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|
Denn das ist wohl ausser Streit, daß die
Abwendung des Übels bisweilen zugelassen und
löblich sey, folglich auch die Begierde solche
Abwendung zu befördern nicht böse seyn könne.
Sind gleich die Menschen bey ihrem Zorne
rachgierig, so ist das ein Fehler, der nicht so wohl
von dem Zorne selbst, als von der menschlichen
Verderbniß herrühret. Dieser
Affect wird in
Heil. Schrifft
Gott dem Herrn beygeleget, woraus wir mit
Recht
schliessen: er
müsse an und vor sich nicht
böse seyn. |
|
|
Ein unvernünftiger Zorne kan vieles Böses anrichten, dessen höchst traurige
und schädliche
Würckungen Seneca L. I, de ira c. 2. sehr lebhafft
vorstellet, wenn er schreibt: |
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|
Nun aber, wenn du auf dessen schädliche
Würckungen die Augen richten wilst, so wirst du
finden, daß keine Pest den menschlichen
Geschlechte mehr Verderben zugezogen. Du wirst
Mordthaten, Gifftmischungen und tausend
Schelmereyen der |
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{Sp. 506} |
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|
Missethäter gegen einander, manche
Verwüstungen der Städte, und den Untergang der
gantzen Völcker sehen, ja wie man gecrönte
Häupter bey öffentlichen Verkauffe um Geld feil
bietet, und die Häuser in Brand steckt, wie das
Feuer innerhalb der Mauer einer Stadt nicht allein
bleibt, sondern wie gantze Länder weit und breit
durch feindliche Mordbrenner im Rauche
aufgehen. |
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|
Siehe nur die geringen Überbleibsale und
Grundsteine von den berühmtesten Städten,
davon man kaum einige Spuren hat: Der Zorn hat
sie über den Hauffen geworffen. Siehe die
Einöden, wo kein Mensch auf viele Meilen wohnet,
der Zorn hat sie verwüstet. Siehe so viel in
Historien gerühmte Printzen, als Beyspiele eines
traurigen Schicksals; einen hat der Zorn auf
seinem Bett durchbohret, einen andern hat er über
der Tafel durchstossen, einen hat er mitten unter
den Gesetzen, vor Gerichte und bey voller
Versammlung ermordet. Einer hat durch des
Sohns mörderische Faust sein Blut vergossen;
einer hat den Königlichen Hals Sclaven Händen
zum Schlacht-Opffer darreichen müssen; ein
anderer ist mehr als an ein Creutz geschlagen
worden; und das alles hat der Zorn
verursachet. |
|
|
Doch was halte ich mich bey den Mordthaten
eintzeler Personen auf? wie wenn dir beliebte,
diejenigen bey Seite zu setzen, die nur gleichsam
Mann vor Mann dem Zorne herhalten müssen und
hingegen anzusehen, wie gantze Hauffen durch
die Schärffe des Schwerds aufgerieben, wie der
Pöbel von den Soldaten überfallen und zusammen
nieder gemetzelt worden, ja wie man gantze
Völcker ohne Unterscheid in Tod und Verderben
gestürtzet hat, gleich als wenn die Götter alle
Sorge für uns aufgegeben hätten, oder ihr eigen
Ansehen selbst nicht mehr achteten. |
|
|
Was soll ich sagen? Warum ist doch der
Pöbel auf die Fechter erbost, und in so unbilligen
Grimme entbrannt, daß er als einen Schimpf
ansiehet, wenn sie nicht gerne sterben wollen? er
meynt, man verachte ihn, und wird aus einen
Zuschauer mit Minen, Geberten und erhitzten
Gemüthe zum Widersacher des Fechters
u.s.w. |
Wider des obgedachten
Thomasii
Meynung sehe man die
Unschuld. Nachr. des Jahrs 1706 …¶ |
|
3) Kan man den Zorn auch
erwegen in
Ansehung der
unterschiedenen
Gemüths-Arten,
so fern im
Willen entweder der
Ehrgeitz oder
die
Wollust, oder der Geldgeitz herrschet. Denn
etliche lassen sich geschwind zum Zorn
aufbringen, geben auch demselbigen wichtigem
Nachdruck; allein wenn sich der Feind demüthiget,
geben sie sich zufrieden und sind bereit zu
vergeben; in dem sie meynen, es stehe einem
edlen Gemüthe übel an, gegen diejenigen noch
zornig zu seyn, die entweder nicht können, oder
doch nicht wollen schaden. |
|
|
Einen solchen Zorn findet man bey
denjenigen, die ehrgeitzig sind, und ein
Cholerisches Temperament haben. Andere sind
hitzig vor der Stirn, aber mit schlech- |
|
|
{Sp. 507|S. 267} |
|
|
ten Nachdruck. Sie werden bald böse, aber
auch bald wieder gut, indem sich die
Furcht mit
einmischet, welche Gattung des Zorns ein
Auffahren, eine Hitze pflegt genennet zu werden,
wie man bey
Wollüstigen antrifft. |
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|
Wiederum sind andere, bey denen es gar
langsam hergehet, ehe sie aufgebracht werden,
wenn sie aber einmahl in Harnisch gejagt sind, so
hälts schwer, sie wieder zu besänfftigen. Sie
gehen auf die äusserste Rache loß, wüten gegen
ihre Feinde, und lassen sie ihren Grimm fühlen,
welche Art des Zorns die Bitterkeit genennet
wird, die man sonderlich bey denen findet, die von
einem Melancholischen Temperamente, und von
einer geitzigen Gemüths-Art sind.¶ |
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5)
Practisch-Philosophische
Erwegung des
Zorns.¶ |
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Dasjenige, was man bey dem Zorne in Acht
zu nehmen, kommt auf drey Stücke an: als¶ |
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|
(a) wie man den Zorn zu verhüten?¶ |
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Es ist vorher
erinnert worden, daß der Zorn
aus der Einbildung eines angethanen
Unrechts
entstehe; wenn man ihn nun vermeiden
will, so
muß man sich nicht einbilden, daß man von
andern sey beleidiget worden. Um deswegen ist
nöthig, daß man vorher, ehe dergleichen Fälle
kommen,
fleißig überlegt, was man als eine
Beleidigung anzusehen: was man vor
nützlich und
schädlich zu halten, damit bey ereigneten Fällen,
da uns jemand was zuwider
thut, solche
judiciöse
Gedancken wieder vorkommen, und wenigstens
verhindern können, daß der Zorn nicht so hefftig
ausbreche. Man muß vorher, ehe der Zorn das
Gemüth einnimmt, fleißig bedencken, was
derselbige durch seine Hefftigkeit vor
Schaden
erwecke, damit man durch dergleichen
Vorstellungen dem Gemüthe eine Abneigung vor
demselben beybringe. |
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|
(b) Wenn der Zorn bereits entstanden, wie
er gestillet werde?¶ |
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Wenn der Zorn bereits entstanden, so hat
man dahin zu sehen, wie er
möge gestillet
werden, welches ebenfalls durch Vorstellungen
und durch die Gedancken geschehen muß;
entweder muß man dencken, es sey uns nichts zu
Leide geschehen; oder man habe von der
Beleidigung so grossen
Schaden nicht, als man
sich einbilde, oder man mache durch die
Hefftigkeit des
Affects das Übel nur grösser.¶ |
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|
(c) oder wie er wenigstens zu mäßigen
sey?¶ |
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|
Hat man nicht so viel
Gewalt hierinnen über
sich, daß man den Zorn selbst stille, so muß man
wenigstens in so weit
Herr über seinen Zorn
werden, daß er äusserlich in solche
Reden und
Thaten nicht ausbreche, die einem nur mehr
Verdruß erwecken. |
|
|
Von dem Plato wird berichtet, daß als er einst
auf seinem
Knechte erzürnt gewesen, weil er
gesündigt hatte, so habe er zu dem Speusippus
gesagt: Prügle doch diesen Knecht da ein wenig
ab, denn ich bin zornig, |
wie wir bey dem Valerius
Maximus … lesen, |
|
Eine grosse Mäßigung im Zorn wird von dem
Archita,
gebürtig von Tarent,
gerühmt. Denn
nachdem er zu Metapont der
Philosophie obgele-
|
|
|
{Sp. 508} |
|
|
gen, und nach seiner Zurückkunfft befunden,
daß der Bauer, dem er seine Ländereyen
anvertraut, alles eingehen und verderben lassen,
soll er sich bloß dieser
Worte gegen ihm bedienet
haben: Ich wolte dich gewiß gut abstraffen, wenn
ich nicht zornig wäre, |
wie wir ebenfalls bey dem
Valerius Maximus in dem angezogenen Ort
lesen. |
|
Solche Mäßigung will Lactantius nicht loben,
in dem er unter andern dde ira Dei … sagt; Non
propter irae magnitudinem donanda erat poena,
sed differenda, ne aut peccanti majorem justo
dolorem inureret, aut castiganti furorem. |
|
|
Man wird aber den Zorn mäßigen können,
daß er nicht äusserlich in solche Reden und Worte
ausbreche, die einem nur mehr Verdruß
erwecken, wenn man in Betrachtung ziehet, eines
Theiles, was uns in allerhand Fällen von diesem
und jenem, gegen den wir Zorn hegen, kan
zuwider gehandelt werden, und was solches uns
schaden könne; andern Theils wie wir dadurch
selbst
Gelegenheit andern Leuten geben, daß,
wenn sie unsere Aufführung gegen dem
Beleidiger
erkennen, sie sodann vieles von der
vorigen Hochachtung gegen uns,
verlieren. |
- Gottscheds Gründe
der Welt-Weisheit, Practisch. Theil ...
- Böldickens
abermahliger Versuch einer Theodicee …
- Bernds
Abhandlung von Gott und der menschlichen Seele
...
- Walchs Philosophisches
Lexicon.¶
|
|
(6) Ob, was man in einem hefftigen Zorne
thut, zuzurechnen sey?¶ |
|
|
Ob zwar das, was man im hefftigen Zorne
thut, in einem
Stande geschiehet, da man des
Gebrauches der
Vernunfft, nicht, oder doch nicht
sattsam, mächtig ist, und es dahero scheinen
mögte, als ob man keines Verbrechens und
solchergestalt auch keiner
Straffe fähig sey, als
welche allezeit voraussetzet, daß die zu
bestraffende
That dem, der die Straffe leiden soll,
zugerechnet werden, er selbst auch solche
Zurechnung, und daß die Straffe ein
Effect
derselben sey,
erkennen könne: Dieweil man aber
dennoch den Zorn zu mäßigen
verbunden ist,
allermeist, wenn man
weiß, daß man im Stande
des Zorns seiner selbst nicht mächtig sey; so mag
der Zorn die Zurechnung eines Verbrechens nicht
verhindern. |
Müllers Philosophie Theil
III
... |
|
Siehe auch weiter unten die juristische
Abhandlung des Zorns.¶ |
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|
|
(7) Wie der Zorn zu den Gewissens-Bissen
kommen kan?¶ |
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Es kan der Zorn unter die
Gewissens-Bisse
aus zweyerley
Ursachen kommen? Einmahl
geschiehet es, wenn wir
erwegen, daß wir durch
des andern Einreden zum
Bösen verleitet worden:
Darnach wenn wir uns selbst als die
Urheber
unsers
Unglücks ansehen, und uns gleichsam als
eine von uns
unterschiedene
Person, betrachten,
in welchem letztern Falle wir auch in Haß und
Neid gegen uns selbst entbrennen können, in so
weit wir uns nehmlich des
gegenwärtigen elenden
Zustandes werth achten, und
unwürdig des vorhin
ge- |
|
|
{Sp. 509|S. 268} |
|
|
nossenen, oder noch bey gegenwärtigen
Zustande überbliebenen
Guten. Man siehet aber
gar leicht, daß, wenn die Gewissens-Bisse biß
dahin kommen, sie den höchsten Grad erreichet,
und der Mensch in dem Stande ist, ihm und
andern auf die grausamste Art das
Leben zu
nehmen. |
Wolffs Gedancken von der
Menschen Thun und Lassen ...¶ |
|
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|
(B) Oratorische Abhandlung.¶ |
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In dieser Abhandlung werden wir zeigen, wie
ein Redner seinen Zuhörern einen Zorn gegen
jemanden erwecken könne? Es entstehet der
Zorn, wie allbereit oben gesaget worden, aus der
grossen
Unlust, die man über das
Unrecht
empfindet, daß uns ein anderer angethan hat. Will
man also den Zorn seiner Zuhörer gegen
jemanden erwecken; so
muß man ihnen zeigen,
wie sehr sie von demselben
beleidiget worden.
Dazu ist nun dienlich, daß man theils
darthut, wie
wenig sie solches an ihm
verdienet hätten; indem
sie ihm niemahls etwas zuwider
gethan, wohl aber
viel
Gutes gegönnet und erwiesen; theils aber, wie
boshaft und muthwillig er solche Beleidigung
unternommen. |
|
|
Man muß ferner zeigen, daß solches sein
erstes nicht sey; oder wenn es ja sein erstes wäre,
so hätte es ihm bisher nur an
Gelegenheit darzu
gefehlet: Ja es läge an ihm nicht, daß er es nicht
noch viel ärger gemacht hätte; sondern nur an den
Umständen, und an seinem
Unvermögen. Man
kan hinzusetzen, seine Beleidigung sey mit einer
Verachtung der Beleidigten verbunden; indem er
sie nicht für fähig hielte, sich an ihm zu rächen. Er
hätte so und so davon
gesprochen, und wohl gar
Spöttereyen und Drohungen hinzugesetzt. |
|
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Ferner kan man
sagen, daß die
Unempfindlichkeit gegen einen so frechen Feind
ihn nur noch trotziger machen, und dem
Beleidigten noch viel mehrern
Schaden zuziehen
würde. Zuweilen ist der Beleidiger wohl gar
geringer vom
Stande,
Vermögen,
Wissenschafft,
Geschicklichkeit,
Jahren und
Kräfften; und
alsdann kan man es also desto schimpflicher
vorstellen, daß ein so
nichtswürdiger Mensch das
Hertz gehabt, Leute, die besser sind, als er, zu
beleidigen.
Zum Exempel kan hier des
Demosthenes I philippische
Rede dienen, darinn
er den König in Macedonien verhaßt zu machen
suchet. Es heißt im Eingange? |
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„Ihr sehets ja wohl, wie es steht, ihr
Athenienser, und wie verwegen der Mensch schon
geworden ist. Er läßt euch ja nicht mehr die
Freyheit, ob ihr Krieg oder Frieden haben wollet?
sondern er drohet euch, und bedienet sich darbey
der hochmüthigsten Ausdrücke. Er ist damit nicht
zu frieden, was er schon hat, sondern unternimmt
immer grössere Dinge, und verstricket euch rings
umher in eurer Trägheit und Langsamkeit. Wenn
werdet ihr Athenienser einmahl anfangen, eurer
selbst wahrzunehmen? Vielleicht wenn die
höchste Noth euch darzu zwingen wird! Was
düncket euch aber von dem allen, was jetzo
geschiehet? Meines Erachtens kan ja freye Leute
keine grössere Noth betreffen, als die Gefahr, in
Schimpff und Schande zu gerathen.„ |
Gottscheds Rede-Kunst
...¶ |
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{Sp. 510} |
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(C) Abhandlung aus der Bilder Kunst.¶ |
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In der Bilderkunst wird der Zorn fürgestellet,
als ein Geharnischtes junges
Weib, auf dem Helm
einen Feuer-speyenden Drachenkopff, in der
rechten ein Schwerdt, und in der lincken Hand
eine brennende Fackel führend, wodurch seine
schädliche Art und
Würckungen klar abgebildet
werden. |
Jablonski Allgemeines
Lexicon der Künste und
Wissenschafften.¶ |
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(D) Medicinische Abhandlung.¶ |
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Es lehret Friedrich Hofmann im siebenden
Theile seiner gründlichen Anweisung, wie ein
Mensch bey verschiedenen Umständen und
Zufällen seine Gesundheit erhalten und grösseren
Übel vorbauen könne, … daß sich
alte Leute gar
sehr vor unmäßigen Zorne in Acht zu nehmen
hätten. Denn wenn dieser sich einfinde, da der
Cörper mit unreinem Geblüte angefüllet sey, oder
die untern Theile eben mit Krampfe und
Schmertzen behafftet wären; so verursache er
leicht einen Anstoß vom Schlage, oder halben
Schlage, oder auch eine Entzündung des
Magens. |
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Und p. 176.
schreibet er, daß hefftiger Zorn
gar leicht
Gelegenheit zu einem Anfalle von
Nieren- und Stein-Beschwerungen gebe, und
solche Würckung dadurch thue, indem er ein
krampfhafftes Ziehen in den Nieren mache. Denn
dadurch werde der Stein aus dem Nierenbecken,
wo er in Ruhe liege, in die Harngänge geworffen,
und errege hierinne grausame Schmertzen. Denn
es sey, der
Wahrheit gar nicht entgegen, daß von
grossem Zorne und Schrecken in den
gantzen
Nervenwesen ein hefftiger Kampf entstehe, und
hierdurch der Fortgang der Säffte und anderer
Dinge, die sich
bewegen liessen, in
Unordnung
geriethe und stärcker würde. |
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Daß der Zorn die Milch in dem Brüsten der
säugenden
Frauen
verderbet,
beweiset Christ.
Joh. Lange, Oper. ... |
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Und im Medicinischen Hauptschlüssel wird
dargethan, daß der Zorn bey Kopff-Schmertzen zu
vermeiden, |
p. 10. und 19. |
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ingleichen, daß er nicht selten das schwere
Gebrechen verursache, … und deswegen
ebenfalls zu meiden ... Auch könne er
Convulsionen und den Krampf erwecken. |
p. 118. |
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Bräuner schreibt in seinem Pest-Büchlein ...
Es
sollen sich die Patienten zu Pest-Zeiten
sonderlich vor dem Zorne hüten: Denn von dem
Zorne werden sie erhitzet, und ist nicht anders, als
wenn man Schwefel ins Pulver schüttet, und ins
Feuer stiesse: angesehen sich dadurch das Pest-Gifft in alle Glieder ausbreiten, und den
Menschen
desto eher ums
Leben bringen kan. |
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Weißbach saget in dem Vorberichte über
seine Curen …: Der Zorn sey ein plötzlicher
Affect, welcher die Menschen recht übereile, ehe
sie
Zeit bekämen, sich zu besinnen, und sich
eines bessern zu belehren. Daher Leute, welche
dazu geneigt wären, zu klagen pflegten, sie
würden davon recht übernommen, und wenn sie
sich bißweilen nur soviel begreiffen könnten, daß
sie nur ein Vater Unser lang an sich hielten, so
sey es gleich vorüber, und sähen sie die Sache
alsdenn gantz anders an, als sie dieselbe vorher
im Affecte angesehen hätten. Der
Schrifftsteller
sage dannenhero, wenn |
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{Sp. 511|S. 269} |
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der
Leib mit der
Seele nicht in einer zu engen
Vereinigung stünde, so
möchte sich diese so
lange erzörnen, als sie
wolte, es würde jenen
nichts angehen, noch ein Unheil daraus
erwachsen; Allein, so errege die Seele den Affect
des Zorns nirgends anders, als in ihrem Leibe,
und rase damit in demselben herum, daß er
unstreitig das meiste davon fühlen müsse. |
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Der Zorn sey eigentlich eine Raserey oder
Wuth wieder dasjenige, so sich mit Hartnäckigkeit,
uns zu schaden oder zu beleidigen, rüste, als
welches die
Natur mit
Gewalt zernichten, und ihr
Müthlein daran kühlen wolle. Zu dem Ende werde
das Geblüte in die äussern Glieder getrieben, um
dieselben starck zu machen, damit der Feind recht
könne angegriffen werden, als welches die
plötzliche Erröthung eines Zornigen anzeige. |
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Geschehe es nun, daß es der Zornige seinem
Widersacher recht einträncken könne, so werde er
zufrieden, wo nicht so kehre er diese Wuth gegen
sich selbst und gegen das, was er in seinem
eigenen Leibe, ihm
schädlich und hinderlich zu
seyn, finde. Wäre er
z.E. mit dem Steine beladen,
so wolle die Natur demselben mit Gewalt zum
Leibe hinaus schaffen, welches aber ohne
grausame Schmertzen nicht geschehen könne;
und dieses sey die
wahre
Ursache, weswegen
Leute die mit dem Steine, Podagra oder der
reissenden Gicht beschweret wären, recht
entsetzliche Schmertzen zu
empfinden pflegten,
wenn sie sich erzörneten. |
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Weiter meldet Weißbach, in seinen Curen,
von dem Zorne, daß er den Rothlauff errege, …
wenn man auf den Zorn esse oder trincke,
bekomme man die Gallen-Colick, … er gebe
Gelegenheit zum Podagra, … und zur Brechsucht,
... |
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Die Kranckheiten, schreibet Grüling, in
seinem deutschen Artzney Buche, … welche auf
den Zorn offtmahls erfolgen, sind: Hitzige Fieber,
Zipperlein, Rose, fallende Sucht, und andere
mehr; Dahero sich jedermann davor hüten
solle.
Wenn aber ja dergleichen vorfiele, so sey es
rathsam, daß man darauf alsobald einen Löffel
voll Schlag-Wasser trincke, den Urin lasse, und zu
Stuhle gehe. Allein diesem
Rathe wird in der
beygefügten Anmerckung widersprochen, allwo es
heißt: Wenn man sich hefftig erzörnet habe, so
könne man, um die Galle zu temperiren, oder zu
dämpffen, etwas von einer Zitrone essen, oder, in
deren Ermangelung, eine in Wein- oder andern
guten Eßig, geweichte Schnitte Brod genüssen,
welches Mittel denn in diesem Falle besser, als
das Schlag-Wasser sey: indem solches die vom
Zorne herrührende Aufwallung des Geblütes nur
vermehre, und also eher schade, als nutze. |
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Von dem Zorne der Schwangern sehe man
den
Artickel:
Schwangern, (Schrecken und Zorn
der), im XXXV Bande, p. 1858.¶ |
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