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Zedler: Noth-Zucht HIS-Data
5028-24-1455-10
Titel: Noth-Zucht
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 24 Sp. 1455
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 24 S. 747
Vorheriger Artikel: Nothzögen
Folgender Artikel: Nothzüchtigen
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Noth-Zucht, Stuprum violentum, ist diejenige That, da eine Weibs-Person, sie sey eine Jungfrau oder eine Ehefrau, oder eine Wittwe, und überhaupt eine jedwede Weibs-Person sie sey, wes Standes, oder Alters sie wolle, mit Gewalt wider ihren Willen geschändet wird.  
  Der Weibs-Person kan dieses nicht zugerechnet werden, weil sie nicht darein gewilliget, und also leidet sie an ih-  
  {Sp. 1456}  
  ren Rechten keinen Abgang; ob sie aber wider den, der sie anfället, mit dessen Entleibung ihre Ehre retten könne? solches ist in dem Artickel von der Nothwehr untersuchet worden.  
  Der Thäter aber ist, wenn er auch entkommet, und man seiner habhaft werden kan, nach Maßgebung derer Rechte mit dem Schwerde vom Leben zum Tode zu straffen.
  Diese Straffe wird ebenfalls auf die Unterhändler, Gelegenheitsmacher und andere Rathgeber erstrecket.
  • l. raptores. 54. C. de Episc.
  • Damhouder in Prax. Crim. …
  • Berlich in Concl. …
  Und da jemand auch eine Jungfrau schändete, und dieselbe wäre unter 12 Jahren, jedoch ohne sonderliche gebrauchte Gewalt; so wird er mit Staupenschlägen des Landes ewig verwiesen, sonst aber, und nach zugefügter Gewalt so wohl, als wenn es ein noch zwar zartes Kind ist, an dem er Schaden übete, ebenfalls mit dem Schwerdte vom Leben zum Tode bestraffet.
  • Carpzov l.c.
  • Berlich l.c.
  • Haunold
  Wobey aber sonderlich nach Carpzovs l.c. Meynung nöthig ist, daß vor Erkennung der ordentlichen Straffe, die Hebammen oder Wehemütter erst das genothzüchtigte Mägdlein besichtigen u. wenigstens ihre eydliche Aussage von sich geben müssen, daß wegen geschwollener oder aufgelauffener heimlicher Stäte glaubwürdig sey, daß die Unzucht vollbracht worden.  
  Jedoch befreyen auch die Criminalisten denjenigen von der ordentlichen Lebens- und Leibes-Straffe, der seine unmanbare, ihm aber bereits versprochene Braut gewaltthätiger Weise erkennet.
  • Menoch
  • Berlich Concl. …
  Desgleichen da ein unvogtbarer Knabe ein unmannbares Mägdlein genothzüchtiget hätte. In welchem Falle ebenfalls die Schwerdt-Straffe nur in eine ausserordentliche, als z.E. einen guten Product in der Küchen auszustehen, zu verändern ist. Berlich l.c.
  Einen besondern Fall der Gewaltthat erwehnen sonst noch die Criminalisten, da nemlich einer ehrlichen Jungfrau oder andern Weibs-Person mit starckem Geträncke dermassen zugesetzet worden, daß selbige davon gantz eingeschläffert und der Macht sich zu widersetzen beraubet wird. Denn obgleich eine dergleichen That dem strengen Rechte nach allerdings für eine rechte Nothzucht zu halten wäre; dafern aber die Trunckenheit derselben nur nicht alle Krafft und Gewalt sich zu widersetzen, gäntzlich benommen, sondern nur zu Unzucht Anlaß und Beförderung gegeben hätte, so ist solches gestalten Sachen nach dennoch nicht für einen vollkommenen Nothzwang anzusehen. Haunold l.c.
  Also auch der eine ledige Manns-Person ein sinnloses oder wahnwitziges Weib beschlaffen würde; so muß der Verbrecher nicht allein der Beschlaffenen, nach billiger Ermässigung einen Unterhalt machen, sondern er wird auch hierüber noch mit Staupenschlägen des Landes verwiesen. Const. El. Sax. …
  Nachdem aber auch bißweilen die zu Falle gerathenen Dirnen, wenn ihre Schande kund und offenbahr wird, sich darauf be-  
  {Sp. 1457|S. 748}  
  ziehen, ob wären sie an einsamen Orten durch unbekannte und solche Personen, deren man zur Erforschung der Wahrheit nicht mächtig seyn kan, genothzüchtiget worden, auch wohl bereit seyn, einen Eyd darauf abzulegen, wobey doch sehr zu befahren, daß dißfalls gar leicht ein Meineyd begangen werden möchte; so ist an etlichen Orten von der hohen Obrigkeit heilsamlich verordnet, daß eine jede Weibs-Person, so durch Nothzucht, zumahl aber von Unbekannten, zu Falle gebracht seyn will, und den Schänder nicht alsbald dergestalt, daß andere Leute, so dißfalls für sie zeugen möchten, darzu kämen, beschreyen können, ungesäumt darauf, und ehe ihr Zustand oder die vielleicht geschehene Schwängerung offenbahr wird, den ihr begegneten Unfall entweder zum wenigsten zweyen Bluts-Freunden, oder Herren und Frauen, oder sonst zween ehrlichen Leuten, zwar nur im Vertrauen, jedoch beweißlich angezeiget, und von ihnen, dieser geschehenen Anzeige halber, einen vermittelst Meldung vorgegangener Umstände, so hernachmahls, auch wohl mit Vorforderung derer zeugenden Personen, gerichtlich zu erforschen wären, glaubwürdigen Schein, sich dessen ins künfftige, bey Entdeckung der Sache, zu bedienen, nehmen, oder in dessen Verbleibung, daß man weder ihr Nein sagen, noch anerbotenes Schwören achten, sondern sie vielmehr nach Beschaffenheit ernstlich bestraffen werde, gewärtig seyn solle.  
  Wenn nun aber die geschwängerte Person sich der erstgedachten Denunciation gebrauchet, und doch aus denen angegebenen Umständen die vorgeschützte Gewalt nicht allerdings gewiß erscheinet; so ist dieselbe gleichwohl, allem Betruge vorzukommen, mit einem Eyde, auf vorhergehende ernste Verwarnung für der schweren Straffe des Meineydes, ihrer Unschuld halber sich zu reinigen, anzuhalten.  
  Dafern aber solche gebührende Denunciation unterlassen, und der vorgewendete Nothzwang verschwiegen worden; so ist, beschaffenen Umständen nach, mit der Dirnen zu verfahren, und dieselbe, da sie nichts sonderliches vor sich anzuführen hat, wie eine andere Geschwächte zu bestraffen.  
  Ob aber eine solche genothzüchtigte Person annoch im Krantze gehen möge, wollen einige bejahen, weil sie an ihrem Gebrechen nicht Schuld sey. Welches aber gleichwohl von andern billiger verneinet wird, weil der Krantz ein Kennzeichen der noch unverletzten cörperlichen Jungfrauschafft seyn soll.
  • c. 11. C. 32. qu. 5.
  • Carpzov l.c.
  • Meyer de Serto, Virginali, vom Jungfer-Krantze, Erffurt 1693.
  Die Weibsbilder hingegen, die sich unterstehen, die Mannsbilder und Jünglinge zur Unzucht mit Gewalt anzuhalten, werden bloß willkührlich und nach richterlichem Ermessen abgestrafft, massen auf die Weiber deßfalls keine ausdrückliche Straffe gesetzt ist, auch selbige in denen Pönal-Gesetzen unter dem männlichen Geschlechte nicht begriffen werden.
  • Boer in Decis. …
  • Menoch de arbitr. …
  Im übrigen aber ist die sonst darauf gesetzte Straffe des Schwerdes nach Beschaffenheit derer dabey vorkommenden beschwerenden und mildernden Umstände, so wohl zu erhöhen, als zu mindern.  
  Wenn bey denen Jüden ein  
  {Sp. 1458}  
  Mann eine verlobte Jungfrau auf dem Felde nothzüchtigte, so muste derselbe nach dem Befehl des HErrn im 5. B. Mose XXII, 25. 26. 27. des Todes sterben, und zwar durch die Steinigung, wie daselbst aus dem vorhergehenden 24 Vers zu schlüssen; die Dirne aber wurde gestrafft, weil, wie allda gesagt wird, sie keine Sünde des Todes werth gethan. Denn der Mann habe sie mit Gewalt ergriffen, und sie habe sich seiner allein nicht erwehren, und auf dem Felde habe ihr auch niemand zu Hülffe kommen können: Da sie nun also keinen Gefallen an der That gehabt, sondern darzu gezwungen, und wider ihren Willen genothzüchtiget worden, so hat sie keine Sünde des Todes werth gethan.  
  Welches daselbst mit einem Gleichniß erläutert wird: Denn gleichwie, wenn jemand auf dem Felde mit Gewalt todt geschlagen würde, der Erschlagene nicht Schuld daran wäre; also sey diß auch, indem sie der Mann auf dem Felde gefunden, sie ergriffen, und mit Gewalt bey ihr geschlaffen, ohngeacht sie nun geschrien, sey doch niemand gewesen, der ihr geholffen.  
  Abulensis bemercket hierbey dieses: Man praesumirte, daß die Dirne geschryn, ob man gleich nicht wuste, obs geschehen sey oder nicht? Denn was gleich gut oder böse seyn könne, das müsse man doch allemahl zum besten auslegen. Und also glaubte mans aus Liebe, daß sie genothzüchtiget worden, und daß ihr niemand auf dem Felde zu Hülffe kommen können; der Mann hingegen, so es gethan, war nicht zu entschuldigen, und muste daher billig sterben. Bes. Burmanns Auslegung und Betrachtung des 5 B. Mose ad h. l. …
  Wer aber eine ledige und unverlobte Jungfrau genothzüchtiget, wurde auf zweyerley Art gestraffet: Einmahl am Gelde, denn er muste ihrem Vater funffzig Seckels Silber geben; so dann an der Freyheit, denn er muste sie zum Weibe nehmen, und durffte sie sein Lebenlang nicht lassen, v. 28. 29.
  wenn anders der Vater seinen Willen zur Heyrath geben, und ihm seine Tochter zum Weibe überlassen wolte.  
  Wegerte er sich aber, aus gewissen Ursachen, sie ihm zu geben, so muste ein solcher Jungfrauschänder, ausser den funffzig Seckeln, der geschändeten Jungfrau noch eine Morgengabe, nach ihrem Stande, geben. Bes. 2 B. Mose XXII, 16. 17.
  Dieses aber ist von einer ledigen Manns-Person zu verstehen: Denn wäre er ein Ehemann, und hätte schon ein Weib, so könnte er ja nicht die Geschwächete zum Weibe nehmen, sonst müste er zwey Weiber haben, und würde von dem Gesetze selbst zur Vielweiberey genöthiget und gezwungen.  
  Ubrigens finden sich in der heiligen Schrifft Exempel, daß die Nothzüchtigung scharff gerächet worden. Als Dina, Jakobs Tochter, geschändet war, wurden deswegen von Simeon und Levi die Sichemiter erwürget, und ihre Stadt ausgeplündert, 1 B. Mose XXXIV.
  Wegen des geschändeten Kebsweibes des Leviten muste der gantze Stamm Benjamin leiden, daß 25000 Mann hinfielen, B. der Richt. XIX, und XX. etc.
     

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Stand: 14. Februar 2014 © Hans-Walter Pries