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Quellenangaben und Anmerkungen
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Seele, Anima. |
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Nach der
gewöhnlichen
Bedeutung dieses
Worts ist die Seele diejenige
geistli- |
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{Sp.1052} |
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chen
Substantz,
welche mit dem
menschlichen
Cörper
vereiniget, so daß durch diese Vereinigung der Seelen und des Cörpers das
völlige
Wesen des
Menschen
entstehet. |
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Zuweilen wird das
Wort Seele auch in weitern
Verstande gebraucht, wenn unter
andern die Scholastici eine dreyfache Seele, eine wachsthümliche,
empfindliche
und vernünftige, statuirten, auch in dem
Lateinischen der Weltgeist eine
Anima Mundi genennet wird, in welchem
Sinn aber das Wort so gewöhnlich
nicht ist. Bey der Scholastischen Lehre kan auch die Seele nichts anders als ein
Principium bedeuten, von welchem eine gewisse
Bewegung dependiret; weil sie nun
sahen, daß dergleichen bey dem Wachsthum, bey der
Empfindung und
Vernunft
anzutreffen, so lehrten sie von einer dreyfachen Seele.¶ |
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Existentz der Seele.¶ |
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Handeln wir also von der menschlichen Seelen, so können wir ihr
Wesen nicht
ehe untersuchen, bis wir vorher erwiesen, daß sie würcklich existire. Wollen wir
dieses darthun, so haben wir eigentlich die Frage vor uns: ob die Seele
eine von dem
Cörper wesentlich unterschiedene
Substantz sey ? Wir
behaupten dieses
billig und setzen den
Grund dieser
Wahrheit darinnen, daß der
Mensch sich solcher
Wirckungen, die in ihm geschehen, bewust ist, welche von dem
Cörper, als einer
Ursach, nicht herkommen können. Denn wenn dieses richtig ist,
wie wir gleich darthun wollen, so muß eine besondere Substantz, als eine Ursach
vorhanden seyn, indem zweyerley wesentlich von einander unterschiedene
Wirckungen auch zweyerley wesentlich von einander unterschiedene Ursachen
supponiren. |
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Solche
Wirckungen, welche dem
Leibe nicht zukommen können sind die
Gedancken
und
Begierden, so daß der
Mensch dabey seine
Freyheit hat, welche von der
Materie, oder vom
Cörper nicht herkommen können, weil es dessen
Wesen zu wider
ist. Wir können uns an der Materie keine andere
Eigenschaften einbilden, als daß
sie sich ausdehnen,
zertheilen lasse und das
Vermögen
habe, eine
Bewegung und
allerhand Figuren anzunehmen, welches alles anzeiget, daß sie ein leidendes und
kein wirckendes Wesen sey. |
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Legt man ihr gleich mit einigen neuern eine wirckende
Kraft bey, so siehet
man doch selbige nicht als was wesentliches; sondern als was zufälliges von
derselbigen an. Nun halte man gegen diesen
Zustand der
Materie die
Wirckungen,
die man
billig der Seelen zuschreibet, so wird man davon in derselbigen keinen
Grund finden. Eine solche Wirckung ist das Dencken, daß wenn
wir
empfinden, uns Vorstellungen von den
Dingen machen, die
Ideen gegen einander
halten, urtheilen, raisonniren, etwas mercken, uns dessen wieder erinnern
können, und zwar so, daß wir dabey eine
Freyheit
haben. |
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Die
Sachen, die wir
erkennen und daran gedencken, sind unzehlig, darunter
selbst die abstracte Concepte und die
Begriffe der geistlichen
Substantzen mit
vorkommen; die
Arten der
Gedancken sind auch mannigfaltig, nicht nur in Ansehung
der unterschiedenen
Menschen; sondern auch in Ansehung sein selbst, daß man sich
eine Sache bald auf diese, bald auf jene Art vorstellet, heute so, morgen wieder
anders gesinnet ist. Gewiß, wenn auch |
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{Sp. 1053|S. 540} |
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1000 Menschen einerley Sachen zu betrachten vor sich nähmen, so würde bey
einem jeden eine besondere Einrichtung der Gedancken geschehen. Wer wolte nun
sagen, daß das Dencken von der
Materie, oder dem
Cörper könne verrichtet werden?
und wenn ja dieses jemand behauptete, so müste die
Materie entweder keine
Materie bleiben, oder man nehme etwas an, so contradictorisch wäre. |
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So verhält sich die
Sache auch mit den
Begierden. Von den natürlichen wollen
wir deswegen nichts gedencken, weil sie was nothwendiges sind, und bleiben daher
nur bey den
moralischen oder willkührlichen, welche der
Mensch nach seinem
Gefallen in sich erwecken und wieder dämpffen kan; dadurch aber das vornehmste
Stück seiner
Freyheit
sehen läst. Der Unterscheid solcher Begierden ist
allzugroß und da müste man zeigen, in was vor
Ordnung die Theilgen der
Materie
stehen müsten, wenn so vielerley Begierden bald auf diese, bald auf jene Art
herfür kommen solten. Kurtz: wenn bey einer mechanischen Einrichtung und
Ordnung
alles nothwendig geschicht; der Mensch aber hat eine Freyheit, so muß ein
Grund
der Freyheit da seyn; dieser ist in der Materie nicht zu finden, folglich muß
eine andere
Substantz seyn, welche vom
Cörper wesentlich unterschieden, die den
Grund der Freyheit in sich hält, welches die Seele.¶ |
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Materialisten |
Doch so klar auch diese
Wahrheit, so wird sie doch von den Materialisten
geleugnet, welche alles aus der Beschaffenheit der
Materie herleiten wollen.
Wenn wir in dem folgenden von der Seelen Beschaffenheit handeln, und des
Aristoteles
Meynung, was die Seele sey, werden erkläret haben, so wird
sichs zeigen, ob er unter diejenigen gehöre, welche dieselbige nicht vor eine
Substantz, sondern vor ein Accidens des Cörpers ansehen. |
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Cicero lib. 1. c. 10. quaestion.
Tusculanar. meldet von dem Dicäarchus, daß er die Seelen
vor nicht angesehen, dessen
Meynung er also vorgetragen: Mit der Seele
sey es überall nichts, und dieser gantze Nahme bedeute nichts. Es werden die
Menschen und Thiere vergebens davon animantia
genennet: weder in den Menschen, noch in den Thieren sey eine
anima oder animus. Alle die Kraft,
wodurch wir angetrieben werden, etwas zu thun, oder zu empfinden, sey allen
lebendigen Cörpern auf gleiche Masse mitgetheilet, könne auch nicht vom Leibe
getrennet werden, indem sie nichts, ja nichts anders wäre, als ein Cörper, und
zwar ein so eingerichteter und beschaffener Cörper, daß er vermöge der
ordentlichen Beschaffenheit der Natur lebhaft und empfindlich wäre,
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welche Meynung auch
Bayle in dem diction. hist. unter
dem
Wort Dicearque mit Fleiß untersuchet. |
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Unter den neuern Materialisten ist sonderlich Spinoza und
Hobbesius bekannt. Denn da Spinoza nur eine
einige
Substantz zugiebet, so kan er die Seele vor keine andere von dem
Cörper
wesentlich unterschiedene Substantz halten, indem, wenn er dieses thäte, und
sie vor einen
Geist hielte, er nothwendig 2 unterschiedene Substantzen zulassen
müste. |
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Hobbesius leugnet in dem Leviathan c. 4. alle |
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{Sp. 1054} |
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Substantzen, die keinen Cörper haben, ja c. 34. wil er behaupten,
daß das
Wort
Substantz und Cörper einerley
bedeute, woraus man leicht schliessen kan, was er vor einen Unterscheid unter
der Seele und dem
menschlichen Cörper gemachet habe. |
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Eben dahin läuft die
Meynung des William Cowards, eines
Medici zu Londen, hinaus. Er gab cogitationes posteriores de anima
heraus, welche zu Londen 1704 wieder gedruckt worden, worin er sich zu erweisen
bemühete, daß die Lehre von der Seelen, die heut zu Tage von den Christen
angenommen werde, als wäre sie eine immaterielle und mit dem
Leibe vereinigte
Substantz, von den Heydnischen Erdichtungen her käme, sich mit den
Principiis
der
Philosophie, der
Vernunft und der Religion gar nicht zusammen reime. Nach
der
Schrift sey die Seele nichts anders, als das
Leben der
Menschen, das ist,
eben dieselbige
Kraft, wodurch der Mensch beweget wird, lebet,
empfindet,
Vernunft-Schlüsse machet, welche auch so lange im menschlichen
Cörper
gefunden
werde, als er lebe; gäntzlich aber aufhöre, sobald er untergehe, und wenn bey
der Auferstehung der Todten die Cörper wieder leben würden, so werde sie auch
wieder da seyn. |
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Es fanden sich verschiedene, welche diese gottlose und gefährliche Meynung
wiederlegten, und wie man damahls berichtet, wurden die
Schriften des
Cowards auf
Königl.
Befehl verbrannt. |
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Unter andern gab Johann Broughton psychologiam;
oder tractatum de natura animae rationalis zu Londen 1703 heraus, und
beschuldigte den Coward der
Atheisterey, welches ihm
Gelegenheit gab, daß er zu Londen 1704 heraus gabe Vindicationem rationis et
religionis contra imposturas philosophiae und darinnen seine metaphysische
Principia, welche er hier zum
Grund legte, weiter erklärte. Denn er behauptet, |
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1) |
daß die
Existentz einer immateriellen
Substantz
eine philosophische Betrügerey wäre, die sich auch unmöglich concipiren
liesse: |
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2) |
daß eine jede
Materie den
Grund der
Bewegung bey
sich selbst habe, der ihr mit anerschaffen sey, und |
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3) |
daß die Materie und
Bewegung der eintzige
Grund
der
Gedancken bey den Menschen und den Bestien sey. |
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Das erste, so ohnmöglich eine
Substantz ohne
Materie seyn könte, wil er
daher
beweisen, weil die
Begriffe der Substantz und der Immaterialität
contradictorisch wären, da einer den andern aufhebe. Denn man könte sich keine
Substantz ohne der Extension einbilden, wo aber ein Wesen ausgedehnet sey, da
müsse es seine Theile haben, mithin wäre es theilbar, es könne etwas leiden, es
seit der Zeit und dem
Ort nach in einer
Bewegung, es könne empfunden und
gefühlet werden, welches sonst die
Eigenschaften einer materiellen Substantz
wären, und weil man sich keine ohne denselbigen einbilden könte, so müsse
folgen, daß eine jede Substantz materiell sey. |
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GOtt könte man keine
Substantz nennen. Denn eine Substantz habe ein
eingeschräncktes
Wesen; GOtt aber sey unendlich. Er sey eine ewige, allmächtige,
allgegenwärtige Kraft; woraus aber nicht zu folgern, daß er auf diese Art ein
Accidens sey. Denn die Eintheilung in die Substantz und in das Accidens gienge
nur auf die Creaturen, und wäre auch nicht einmahl hinlänglich. |
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{Sp. 1055|S. 541} |
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Die erschaffene
Geister wären auch nur gewisse
Kräfte, welche der
Materie
eingepflantzet, weswegen man sich keinen andern, als einen materiellen
Geist
einbilden könte; daher auch die
Schrift bezeuge, daß alle Engel
cörperlich
erschienen wären, und sich durch cörperliche
Eigenschaften zu
erkennen gegeben:
Man könte wohl
sagen, daß die Engel geistlich wären, indem die Spiritualität
auch dem
Cörper, oder der Materie zukomme; aber nicht die Immaterialität. Wenn
gesaget werde, daß der Teufel die
Menschen besäße, so wäre dieses nicht leiblich
zu
verstehen; sondern es geschähe dieses nur durch eine geistliche Kraft. |
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Kommt er insonderheit auf die menschliche Seele, so
saget er, daß die
Gedancken von der
Materie herkämen, weil man an denselbigen alle wesentliche
Eigenschaften der Materie anträfe; es wäre aber eine Gedancke nichts anders, als
ein beständiges Herumlauffen der
Ideen im Gehirn. Die Art, wie eine Materie
gedencken könte, wüste man zwar nicht, es könne aber doch dieses durch die
Allmacht GOttes bewerckstelliget werden. |
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Im Jahr 1706 gab er zu Londen auch in Englischer Sprache heraus:
Scrutinium exactum [acht Zeilen lateinischer Text]. Dieses
Werckgen
bestehet aus 3 Briefen. In dem ersten will er seine vorher angeführte Lehre von
dem Geist und von der menschlichen Seele wider die Einwürfe seiner Gegner
vertheidigen. In dem andern verlangt er von dem Dodwell und
Clarck, sie solten sich erstlich erklären, was sie sich vor
einen
Begriff von der menschlichen Seele machten, ehe sie
disputiren wolten, ob
selbige sterblich, oder unsterblich sey, und in dem dritten Theil will er mit
Toland den
Ursprung der gewöhnlichen Lehre von der Seele von
den Egyptiern herführen. |
Es sind noch mehr
Schrifften wieder Coward heraus gekommen,
als
- la doctrine de l'ecriture sainte sur la nature de l'ame, sur son origine
et sur son etat apres la mort von Menard zu Londen 1703
- und andere, die Fabricius in Syllabo scriptorum de veritate
religionis christianae p. 439 angeführet.
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Von der Controvers selbst kan man lesen die
acta Eruditorum 1707 p. 352 und unschuldige Nachrichten
1703 p. 653. 1704 p. 352. 1707 p. 745. wie
denn auch Pfaff in introduct. in histor. theologiae
literar. part. 2. p. 269 die in dieser Cowardischen und
Dodwellischen Streitigkeit gewechselte Schrifften erzehlet; |
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was aber den
Dodwell betrifft, von dem wollen wir unten bey der
Materie von der
Seelen Unsterblichkeit
reden. |
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Wir haben vorhin des Tolands gedacht, welcher auch in diese
Classe gehöret. Denn wie er ein eifriger Nachfolger des Spinoza
gewesen; also hat er sich auch von der menschlichen Seele keinen andern
Begriff
gemacht, als sein Lehrmeister gehabt, wie sie nehmlich keine vom
Cörper
wesentlich unterschiedene
Substantz sey. Im Jahr 1704 gab er die epistolas
ad Se- |
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{Sp. 1056} |
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renam in Englischer Sprache heraus in deren andern er eine Historie
der Lehre von der Unsterblichkeit der Seelen unter den Heyden geben will, und
darinnen ausdrücklich
schreibet, daß die Meynung von der unsterblichen
Natur der menschlichen Seele erstlich von den Egyptiern auf die Perser; hernach
auf die Griechen, und von den Griechen auf die Römer und andere Europäische
Völcker abgestammet und fortgepflantzet sey. Die Egyptier aber selbst hätten sie
zuerst aus der grossen und abergläubischen Verehrung der Verstorbenen
geschöpffet. |
Man lese zugleich nach Fayus in
defension. relig. part. I. c. 24. p. 133. und Mosheim
in vita Tolandi p. 140. so sich bey dessen Vindiciiis antiquae
christianorum disciplinae befindet. |
Briefwechsel 1713 |
Es kam 1713 zum Vorschein: Zweyer Freunden vertrauter Brief-Wechsel
vom Wesen der Seelen. Es bestehet diese kleine
Schrifft aus 3 Briefen,
davon der erste die
Meynung behauptet, daß die Seele des
Menschen nichts anders
sey, als eine mechanische Beschaffenheit des Cörpers, folglich keine
Substantz,
sondern nur ein Accidens, welches in dem andern, als einer Antwort auf den
ersten, widerleget wird; in dem dritten aber sucht man diese Meynung wider
solche Einwürffe zu vertheidigen. Es stellet sich der Verfasser den Menschen
ohne Seele für, und was man sonst Seele nennt, hält er nur vor gewisse
Kräfte,
die aus einer mechanischen
Wirckung ihren Anfang nehmen, daraus er das gantze
Werck des
Verstehens und
Wollens erklären will. |
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Denn p. 26 nach der neuesten Auflage
saget er: der Processus
intelligendi geschiehet folgender massen: Wenn das
organum sensus, sonderlich visus und
auditus, auf das Objectum gerichtet
wird, so geschehen unterschiedene Bewegungen in den fibris cerebri,
die, wie bekannt, sich allzumahl an einem organo
sensorio terminiren. Solche Bewegung in cerebro
ist, da die radii ab objectis protensi auf
unterschiedene Art auf das album in der
camera obscura auffallen und eine gewisse Idee formiren, einerley,
welche Idee doch nicht realiter auf dem
albo ist, sondern pro varia dimotione fibrillarum
tunicae retinae in oculo entstehet. Wie nun hier diese auf
unterschiedene Art beweget werden, so wird dieser motus
im Gehirn continuiret, also daß darinnen eben dergleich Idee, oder
motus, wenn schon das Objectum
weg ist, formiret wird. Die Combination aber dieser Ideen oder
conceptuum geschiehet vermittelst eben dieser
fibrillarum cerebri auf die Art, als wir sehen, daß sich die Zunge
beweget, wenn sie die Worte formiren will, daher auch die
cogitationes logos internus
genennet werden. |
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Von dem Willen fährt er p. 28 fort: der Wille ist nichts
anders, als eine stärckere Nachhängung eines Concepts, und die daraus folgende
leichtere Bewegung gewisser Musculn oder Glieder, die entweder die
aptitudo seu promtitudo naturalis, oder ein vorgeschriebenes Gesetz
verursachet, welche stets in den Gedancken schwebet. |
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Es heißt weiter p. 31. daß nun alles auf diese
fibras ce- |
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{Sp. 1057|S. 542} |
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rebri ankommt, siehet man ex statu opposito
in den deliriis. So lange in hitzigen
Fiebern das Geblüt tumultuiret und die Fibrae
ungleich und confus beweget werden, so lange ist
phrenitis, das Rasen, da; geschiehet
aber confuse Bewegung ohne Fieber, so wird mania
daraus, die aber desto länger währet. Ist hingegen das Geblüt schwer, und also
von langsamer Bewegung, und können deswegen die fibrae cerebri
von dem einmahl gefasten tremore nicht
gebraucht werden, so entstehen allerhand närrische Einbildungen und Arten der
Melancholie. Ja daß auch vermittelst des Geblüts gewisse Ideen dem Gehirn können
beygebracht werden, die hernach so fix darinnen sitzen bleiben, daß sie kaum
heraus zu bringen sind, siehet man an der so genannten rabie
canina, die von tollen Hunds-Bissen entstehet, Ingleichen der, die
von den Stichen in der Tarantuln; oder anderer sonderlich erzürnten Thiere
herrühret. |
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Nach diesem sucht der Verfasser die
Schriftstellen, die von der Seelen als
einer besondern
Substantz handeln, auf seine Meinung zu appliciren, oder
vielmehr zu verdrehen. Denn wenn Matth. Cap. 10. v. 28. stehet:
Fürchtet euch nicht für denen, die den Leib töten etc.so soll
p. 36. die Seele von dem zukünftigen; der
Leib von dem gegenwärtigen
Leben zu
verstehen seyn, als wäre der
Verstand dieser: Fürchtet euch
nicht für denen, die den Leib thödten, und danach nichts mehr thun können:
Fürchtet euch viel mehr vor dem, der nachdem er getödtet hat, auch Macht hat zu
werffen in die Hölle. |
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Auf eben diesem Blatt sollen die
Worte
im Buch der Weisheit Cap. 3. v. 1.
Der Gerechten Seelen sind in GOttes Hand, weiter
nichts bedeuten, als daß die verstorbenen Gerechten bey GOtt in solchem
gnädigen Andencken wären, daß sie nun ausser aller Gefahr seiner Ungnade und
Zorns wären, indem sie nicht mehr einige Quaal berühren kan. p.
37. wird der Spruch
Matth. Cap. 22. v. 32. da sich GOtt einen
GOtt der Lebendigen genennet, so erkläret, daß die
Lebendige überhaupt, die Frommen bedeuten, gleichwie sonst die
Gottlosen die Todten genennet würden. |
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Sagt bey dem
Luc. Cap. 23. v. 43. Christus zu dem Schächer:
Heute wirst du mit mir im Paradies seyn, so soll p.
38. das
Wort Heute nicht den gegenwärtigen Tag, sondern nur
eine instehende Zeit anzeigen, welches Versprechen erfüllet worden, als die
Heiligen nach Christi Auferstehung auferstanden. |
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Nach diesem setzt der Verfasser hinzu: Es erhellet aber hieraus, daß
ohngeachtet ich die Selbstanständigkeit der Seelen abspreche, selbige deswegen
kein inane vocabulum, wie Dicäarchus und andere
gewolt, bleibe, denn niemand leugnen wird, daß die accidentia
und qualitates nicht etwas seyn solten, ob sie
es gleich nur so lange sind, als das Wesen der Sachen, quibus
inhaerent, währet, und nach deren Zerstörung wieder vergehet. Doch,
daß der Mensch, was die Zerstörung seines |
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{Sp. 1058} |
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Wesens betrifft, vor andern was besonders habe, sind wir aus
heiliger Schrifft versichert. Denn diese gibt uns die Verheissung, daß wir auch
nach dem Tode leben sollen, und zwar dem Leibe nach, nach der allgemeinen
Auferstehung; vor derselben aber im Geist bey GOtt, das ist, im
Andencken GOttes, wie die folgenden
Worte lauten. |
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In dem dritten Brief p. 83. erkläret er sich noch deutlicher, was
er durch die Seele
verstehet, wenn er
saget: Ich halte die Seele vor
nichts anders, als vor die potentias, die GOtt dem
Leibe imprimiret hat, oder vor den Trieb, dergleichen Wirckungen zu verrichten,
die ihn von den andern Geschöpffen unterscheiden. Wie nun der Mensch nach diesen
potentiis GOtt gleichkommt, aber nicht GOtt selbst wird; also
halte ich sie vor attributa divina, dadurch die
Gleichheit GOttes ausgedrucket wird: Gleichwie ich mit von dem höchsten GOtt
gantz keinen Concept machen kan, als nach menschlichem, wiewohl im höhern und
höchsten Grad ihm zugeeigneten Eigenschaften, dabey ich aber niemahls die
einander entgegen gesetzten Wesen, nemlich materiale
und immateriale, confundiren muß. |
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Diese anstößige und gefährliche Lehre ist von verschiedenen widerleget
worden, als von |
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Buddeo in dem programmate de Arabicorum haeresi,
so in dem Syntagm. dissert. theolog. p. 738 zu finden;
- August Friedrich Cämmerer in der Untersuchung der Seele
p. 10. s.q.
- Gottfr. Polycarpus Müller in 2 Dissertationen de
mente substantia a corpore essentialiter distincta zu Leipzig 1714.
- Johann Hermann von Elswich in
apologetic. pro subsistentia, immaterialitate et immortalitate animae
rationalis;
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wobey man auch die unschuldige Nachrichten 1713. p.
155. und die
Teutsche
Acta Eruditorum
t. 1. p. 862. sqq. lesen kan. |
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Im Jahr 1723 ist dieser Brief-Wechsel wieder gedruckt worden, wobey sich
p. 99. eine Declaration des Verfassers der ersten und letzten Epistel
befindet. Er will darinn versichern, daß diese Briefe wider sein Wissen und
Willen zwar verstummelt heraus gekommen; habe auch keine andere Absichten
gehabt, als diese
Meinung von der Seelen als wie ein Dubium
vorzustellen. Zuletzt p. 104. thut er noch diese Erklärung: Ich
gestehe, daß die Seele allerdings was diverses vom Leibe und ein immaterielles
und uncörperliches Wesen ist; allein wenn ich um ihren Sitz in dem Leibe; ihre
Fortpflantzung und dergleichen gefragt werde, so wird man mir erlauben, daß ich
nach dem Logischen Canone: talia sunt praedicata, qualia subjecta
permittunt, antworte: Ist die Seele ein Geist, so wäre besser, man
bliebe mit dergleichen Fragen zu Haus, die uns den Concept von einem
cörperlichen Dinge beybringen. |
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Was die Verfasser dieser Briefe betrifft, so hat der Professor
Stolle in der ersten Auflage der Historie der Gelahrheit part.
2. c. 3. §. 42. erzehlet, wie er die Nachricht bekommen, daß die
Verfasser dieser Briefe wären der zu Breslau als Professor verstorbene M.
Hocheisen und D. Rö- |
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{Sp. 1059|S. 543} |
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schel zu Wittenberg, davon jener den ersten und den
dritten; dieser aber den andern, als eine Widerlegung des ersten aufgesetzet; in
der neuen Auflage aber p. 504 führt er noch an, wie er aus den
summarischen Nachrichten von auserlesenen in der Thomasischen Bibliothec
vorhandenen Büchern, t. 2. p. 276 ersehen, daß nicht
Hocheisen, sonder Bucher, gewesener Leib-Arzt
bey dem Fürsten von Fürstenberg, der wahre Verfasser sey. |
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Stoschius 1692 |
Es ist 1692 zu Amsterdam eine
Schrifft unter dem Titul: Concordia
rationis et fidei, sive harmonia philosophiae moralis et religionis Christianae
herausgekommen, die man einem
Chur-Brandenburgischen Geheimden Secretario,
Nahmens Stoschius, beygeleget. Es bestehet dieselbige aus 9
Capituln, und wenn der Verfasser auf die Seele kommt, so
schreibt er p.
11. Mens est melior pars hominis, constans cerebro et infinitis ejus organis
varie modificatis, affluxu et circulatione materiae subtilis. Man hat einen
Anhang beygefüget, der handelt auch von der Seelen nach dem
Begriff, den wir
ietzo angeführet. Es heist, sie wäre vor sich nicht unsterblich; sondern sterbe
und werde von
GOtt nebst dem
Leibe erwecket; der Gottlosen Seelen aber würden
von GOtt zernichtet. Der
Menschen Seelen wären nur gradu von den Seelen
der Bestien, wie eine subtilere
Maschine von einer gröbern unterschieden.¶ |
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General-Anmerkungen |
Alle diese itzt angeführte
Meinungen kommen darinnen überein, daß die Seele
keine
Substantz; sondern ein Accidens der
Materie, oder des
Cörpers sey. Nachdem
wir schon vorher die Selbstanständigkeit der Seelen, wie sie von dem Cörper
wesentlich unterschieden sey, erwiesen, so haben wir nicht nöthig auf alle Sätze
der Gegner zu antworten, und wollen nur einige General-Anmerckungen machen. Die
Meinung, daß die Seele nur ein Accidens sey, ist |
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1) |
höchstgefährlich. Denn geschicht
alles, wie diese Leute vorgeben, durch eine mechanische Disposition des
Leibes, so hat der Mensch keine
Freyheit, und geschicht alles
nothwendig. Fällt die Freyheit weg, so kan kein
Gesetz, keine Moralität,
keine
Straffe, keine Religion statt finden, und der Mensch ist bloß eine
Maschine, nach deren Einrichtung alle
Wirckungen notwendig erfolgen
müssen; |
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2) |
höchst unvernünfftig, welches
aus unterschiedenen Umständen überhaupt darzuthun. Man könte schon daher
sehen, daß diese Meinung wider alle
Vernunfft, weil daraus so
gefährliche Folgerungen fliessen; wir wollen aber dieses als eine
besondere
Eigenschafft ansehen, und zum
Beweis, daß sie unvernünfftig
sey, nur dieses anmercken. |
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Sie stossen sich ihrem Vorgeben nach an die
gewöhnliche Lehre von der Seelen, daß sie eine vom
Cörper wesentlich
unterschiedene
Substantz sey, deswegen, weil sie nicht zu begreiffen;
indem sie aber die Seele als ein Accidens ansehen, und ihre
Wirckungen
aus einer mechanischen Structur des Cörpers herführen wollen, so ist
ihre Hypothesis noch weit unbegreiflicher, ja offenbar falsch, weil sie
contradictorisch ist. Denn eine mechanische Einrichtung und Wirckung ist
allezeit mit einer
Nothwendigkeit
verknüpffet; bey den Wirckungen der
Seelen aber treffen wir eine
Frey- |
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{Sp. 1060} |
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heit
an, daß wir nach Belieben
Gedancken und
Begierden erregen können. |
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Man wird auch bey diesen Leuten wahrnehmen, daß
sie solche
Principia als ausgemacht voraus setzen, davon noch der Streit
ist, welches auch was unvernünfftig. Denn unter andern
sagt
Coward, man könne sich keine andere
Substantz, als eine
materielle einbilden, woraus er schliesset, daß unsere Seele nicht
immateriell sey, und nur als eine
Krafft des
Cörpers müsse angesehen
werden, welches eine offenbare Falschheit im Schliessen anzeiget. Denn
wir dürffen hier von unserer
Einbildung auf die Beschaffenheit der
Sache
nicht schliessen, sondern unser
Begriff muß sich vielmehr nach der Sache
richten. Befinden wir nun aus den
Wirckungen, die ein materielles Wesen
nicht hervor bringen kan, daß besondere Substantzen, die man
Geister
nennet, vorhanden seyn müssen, so bekommen wir die
Idee einer
geistlichen Substantz. |
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Bey derselbigen müssen wir die Vorstellung ihrer
Existentz und ihres
Wesens nicht mit einander vermischen. Denn es folgt
nicht, wenn ich mir nicht deutlich vorstellen, noch begreiffen kan, was
eine geistliche
Substantz sey, folglich hab ich gar keinen
Begriff von
einem
Geist. Endlich ist auch dieses unvernünfftig und ärgerlich, daß,
wenn man mit seiner ungereimten
Meinung fertig, man hernach über die
Schrifft kommt, und selbige darnach zu verdrehen sich unterstehet. Weil
die
Erkenntniß der
Vernunfft hierinnen so schwach ist, so muß man die
Schrifft zu Hülffe nehmen, und sich nach deren Anleitung zugleich die
Vorstellung von einem Geist und von der menschlichen Seele machen.¶ |
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