HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Seele [2] HIS-Data
5028-36-1051-4-02
Titel: Seele [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 36 Sp. 1060
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 36 S. 543
Vorheriger Artikel: Seele [1]
Folgender Artikel: Seele [3]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 1 Artikelübersicht Teil 3  Fortsetzung

Übersicht
Beschaffenheit der Seele
  Wesen
 
  1) Wirkungen
  2) Kräfte
  3) Eigenschaften
  Stand
 
  Verderbnis
  Geschicklichkeit
  Historie dieser Lehre
 
  ältere Zeiten
 
  Hebräer
  Juden
  Heiden
 
  Barbaren
 
  Chaldäer
  Ägypter

Stichworte Text   Quellenangaben
  Beschaffenheit der Seele:  
Wesen Was wir bisher gesagt, betrifft die Existentz der Seelen. Nun wollen wir auch deren Wesen und die übrigen Umstände erklären. Wenn gefragt wird: worinnen das Wesen der Seele eigentlich bestehe? so ist hierinnen unsere Erkenntniß sehr schwach. Man nennet sie eine geistliche Substantz, und das ist ihr gemeines Wesen, welches sie mit den andern Geistern gemein hat, und weil sie eine Art solcher Geister ist, so kommt eher alles dasjenige zu, was einem solchen Geist zukommt.  
  Durch einen solchen Geist verstehet man überhaupt eine Substantz, die von Materie nichts an sich hat, und mit Verstand und Willen begabet ist, mithin muß man auch von der menschlichen Seele sagen, sie sey ein immaterielles Wesen, ein Wesen, das nichts von der Materie an sich hat. Aber eben dieses ist der vornehmste Punct, wodurch die Erkenntniß der Seele so schwach wird, daß auch die Seele von sich selbst keine deutliche und hinlängliche Erkenntniß hat, ob sie schon so viel andere Sachen deutlich und hinlänglich erkennet. S. Adam Bernds Diss. physic. de ignorantia mentis humanae circa se ipsam. Leipzig 1705.
  Denn der Begriff von einem immateriellen Wesen ist nur verneinend, da man zwar weiß, was die Seele nicht an sich habe; wenn es aber darauf ankommt, was sie würcklich an sich habe, und was dasjenige sey, so würcklich ihr Wesen ausmachet, so kan man sich davon gar keine Vorstellung machen. Wenn die Seele  
  {Sp. 1061|S. 544}  
  nichts von der Materie an sich hat, so darff man sich bey derselbigen keine Theile, keine Gestalt, keine Ausdehnung einbilden, und das macht, daß man sich davon keine Vorstellung machen kan. Auf solche Weise gehöret dieses mit unter die Philosophischen Geheimnisse, da man zwar die Existentz oder Würcklichkeit, aber nicht die Beschaffenheit eines Dinges weiß. Es ist genug, daß man erkennet, wie unserer Seele die Immaterialität zukommt, wenn man gleich von der Beschaffenheit der Immaterialität keinen Begriff hat.  
  Die Seele ist mit dem menschlichen Cörper vereiniget, durch welche Vereinigung die völlige Natur des Menschen entstehet, welches das Wesen, so ihr eigen ist, und dadurch sie sich von den andern Geistern unterscheidet. Denn so wird das Wort Seele ordentlich genommen, daß es allezeit eine Absicht auf den menschlichen Cörper hat; betrachtet man sie aber an sich selbst, ausser der Gemeinschafft mit dem Leibe, so nennet man sie auch einen Geist. Diese Vereinigung mit dem Cörper macht zwar in ihrem geistlichen Wesen keine Veränderung; sie gibt aber Anlaß, daß sich ihre Wirckungen anders äussern, als bey den Geistern geschicht, die mit keinem Leibe vereiniget sind.  
  Denn unsere Seele hat alle ihre Begriffe, welche das Object ihrer Gedancken sind, von der äusserlichen Empfindung, wenn gleich nicht unmittelbar, doch mittelbar, dergleichen Ursprung der Gedancken den andern Geistern, die mit keinem Leibe umgeben sind, nicht beyzulegen, welches sich auch so auf Seiten des Willens verhält, was die sinnlichen Begierden, Affecten, habituellen Neigungen, darzu die Beschaffenheit des Cörpers Anlaß giebet, betrifft. Hier dürffte jemandem bedencklich vorfallen, daß wir die Seele mit den andern Geistern verglichen, da doch noch nicht ausgemacht sey: ob andere Geister vorhanden? wenn man die Sache nach der Vernunft ansähe.  
  Von GOtt ist die Sache ausgemacht; nur fragt sichs aber: ob ausserdem noch andere erschaffene Geister sind, welche zwischen GOtt u. der menschlichen Seele gleichsam mitten inne stünden. Von der Existentz der bösen Geister, oder der Teufel, hat man nach der Vernunft eine wahrscheinliche Erkenntniß; von dem guten hingegen weiß man wohl nichts. Doch wenn auch dieses alles wegfiele, so hätte man gleichwohl einen hinlänglichen Grund der oben angestellten Vergleichung, indem man wenigstens einen Begriff eines Geistes auf Seiten GOttes vor sich hat; auch die heilige Schrifft vor sich nehmen kan, welches wohl angehet, wenn man nur die Grentzen der beyden Lichter, der Natur und Gnade beobachtet.  
  Obgleich unsere Erkenntniß von dem Wesen der Seele sehr schwach; so weiß man doch verschiedenes mit mehrerer Deutlichkeit von derselbigen, welches nemlich ihre Wirckungen, Kräffte und Eigenschafften sind, von denen man durch einen doppelten Weg, als durch die eigene Empfindung und durch das Nachdencken eine Erkenntniß erlangen, ob sie wohl auch nicht in allen Stücken deutlich und hinlänglich ist, welches wir von einem jeden insbesondere sehen wollen.  
  Es kommen also bey der Seele vor  
Wirkungen
1) ihre Wirckungen, die wir eher, als ihre Kräffte betrachten, wenn gleich die Kräffte der natürlichen Ordnung nach vor den Wirckungen hergehen. Denn wir folgen hier der Ordnung
 
  {Sp. 1062}  
 
  unserer Erkenntniß, nach welcher wir die Wirckungen eher als die Kräffte erkennen, indem wir diese aus jedem schliessen müssen. Der Grund, woraus wir die Wirckungen der Seele erfahren, ist die eigene Empfindung, massen wieder dasjenige empfinden, was in unserer Seele vorgehet. Es sind selbige zweyerley: die Empfindungen, sowohl äusserliche, als innerliche; die Gedancken und Begierden, wovon besondere Artickel handeln.
 
 
  Ausser diesen solten wir auch die Bewegungen, so die Seele in den Gliedern des Leibes verrichte, anführen, welches wir aber hier mit Fleiß übergehen, nicht deswegen, als ob man dafür hielte, es könne kein Geist in einen Cörper wircken, welches ausser Streit; sondern weil die Sache auf die Art ankommt, wie Leib und Seele mit einander vereiniget sind, davon weiter unten besonders gehandelt wird.
 
 
  Die angeführten Wirckungen sind die Haupt-Wirckungen, davon eine jede wieder ihre Arten unter sich fasset. Denn wie schon von der Empfindung angemercket worden, daß sie entweder eine äusserliche oder innerliche sey; also hat man auch mancherley Gattungen von Gedancken, indem wir entweder etwas mercken, und uns dessen wieder erinnern; oder allerhand mögliche Connexionen der Ideen anstellen; oder nach der Wahrheit urtheilen und Vernunft-Schlüsse machen.
 
 
  Haben wir Begierden, so bestehen sie entweder in einem wircklichen Verlangen, oder in einer Neigung: und das Verlangen ist entweder gelinde oder starck, welches der Affect, es mag nun eine solche Bewegung auf was gutes durch die Liebe; oder auf was böses durch den Haß gehen. Bey diesen Wirckungen verhält sich die Seele entweder leidend, als wenn sie empfindet, in einen Affect gebracht wird; oder thätig, indem sie von einer Sache urtheilet, daher man sie auch in Actiones und Passiones eintheilet. Aus diesen erkennen wir
 
Kräfte
2) die Kräfte der Seele, und zwar durch das Nachdencken.
 
 
  Denn die Wirckungen müssen ihre Ursache haben, und die Ursach muß mit den Kräfften, solche hervorzubringen, begabet seyn, woraus wir denn schliessen, daß die Seele, als die Ursach, mit gewissen Kräfften versehen sey. Die Wirckungen sind von ungleicher Beschaffenheit, und deswegen muß in der Seele mehr, als eine Krafft liegen. Man kan sie in die Haupt- und Neben-Kräffte theilen. Jene sind der Verstand, welcher empfindet und gedencket, und der Wille, von dem die Begierden herkommen; man wolte denn die Empfindungen aus einer besondern Krafft herführen, und also drey Kräffte der Seele setzen, als die Empfindungs-Krafft, den Verstand, und den Willen.
 
 
  Diese Kräffte sind in der Seele, als in einer eintzigen Substantz, und äussern sich nach Beschaffenheit des Objects, so ihr vorgestellet wird, bald auf diese, bald auf jene Art. Denn kommt ihr etwas vor, so zu erkennen, so zeigt sich die Krafft des Verstandes; ist es aber eine moralische Sache, entweder etwas gutes; oder etwas böses, so wircket sie durch den Willen.
 
 
  Man pfleget dieses mit verschiedenen Gleichnissen zu erläutern, wie nemlich sich eine Sache nach dem Unterscheid des Objects durch verschiedene Kräffte und Wirckungen äussere. Die Sonne ist eine eintzige Substantz, und doch habe sie das Vermögen, nicht nur die Cörper zu erleuchten; sondern auch zu erwärmen; oder sie mache manche Cör-
 
  {Sp. 1063|S. 545}  
 
  per hart, und manche weich, welches durch eine Krafft geschähe, und rühre der Unterscheid der Wirckungen von dem Unterscheid der Cörper, in welchen sie würcke. Aus der Moral nimmt man zum Gleichniß die Majestät, welche die höchste Gewalt, und also was eintziges sey, und dennoch theile sie sich nach den mancherley Arten der Dinge, dabey sie beschäfftiget, in viele besondere Rechte ein.
 
 
  Bey diesen Haupt-Kräfften äussern sich auch Neben-Kräffte, als wie der Verstand mit dem Gedächtniß, der Einbildungs- und Urtheilungs-Krafft versehen ist. Die Art, wie sie wircken, kan man nicht begreiffen, und man weiß daher nicht, wie es zugehe, wenn man gedencket, etwas gedencket, sich einer Sache erinnert, u.s.f. Alle solche Kräffte hat ein jeder Mensch in seiner Seele; nur sind sie nicht bey allen in gleicher Lebhafftigkeit, daher die verschiedene Naturelle des Verstandes und Willens entstehen.
 
  Es sind noch übrig  
Eigenschaften
3) die Eigenschafften der Seele, deren man vier setzet, daß sie nemlich sey ein unsichtbares, unsterbliches, endliches und freyes Wesen; welches man theils durch das Nachdencken, theils durch die Empfindung erkennet. Denn daß sie unsichtbar sey, schliesset man aus ihrer Immaterialität, indem wir mit unsern leiblichen Augen nichts, als was cörperlich ist, sehen können, welches auch die Erfahrung bestätiget. Ist sie von aller Materie befreyet, so folgt auch daraus in soweit die Unsterblichkeit, daß sie an sich nicht untergehen kan, und daher unsterblich seyn müsse, weil keine Trennung der Theile geschehen kan.
 
 
  Ihre Endlichkeit oder Einschränckung erkennen wir auch unter andern aus ihren Wirckungen, daß, wenn wir unsere Gedancken betrachten, so wissen wir ja, wie unserer Erkenntniß gewisse Grentzen gesetzet sind, indem wir von der Empfindung anfangen, und bey derselbigen stehen bleiben müssen; wir erkennen alles nach und nach, eines aus dem andern: und wie viele Dinge sind nicht, wie uns gantz verborgen, oder die wir nur wahrscheinlich erkennen.
 
 
  Die Freyheit der Seele wissen wir auch aus der Empfindung und Erfahrung, indem wir uns bewust sind, wie wir uns diese und jene Vorstellung machen, und den Willen bald da; bald dorthin lencken können. Wolte man zu dieser Freyheit auch rechnen, daß die Seele durch keine äusserliche Gewalt könne gezwungen werden, so erkennet man dieses aus ihrer Natur, nach welcher sie keiner äusserlichen Herrschafft kan unterworffen werden.
 
Stand So viel hat man von der Natur der Seele erinnern wollen. Nun kan man auch den Stand betrachten, in welchem sie sich wircklich bey den Menschen befindet. Denn was wir von Natur haben, sind blosse Fähigkeiten; weil aber dieselbe nach dem Fall immer schwächer, und die Neigung zu einem unvernünfftigen Gebrauch immer stärcker worden, so hat man anfangen müssen, auf die Verbesserung derselbigen zu dencken. Wie aber solche Verbesserung von einigen unterlassen, von andern übernommen wird; also entstehet daher ein gedoppelter Stand der Seele, der Verderbniß und der Geschicklichkeit, den man blos nach dem Licht der Natur betrachtet.  
Verderbnis Der Stand der Verderbniß ist bey denen, welche die Fähigkeiten ihrer Seele nicht verbessern, und da sie ohne dem von Natur schwach und verderbt sind, solche durch ihre Nachläßigkeit  
  {Sp. 1064}  
  noch mehr verderben lassen. Auf Seiten des Verstandes begreifft solche Verderbniß Unwissenheit, dunckle, verworrene, unzulängliche, unrichtige Begriffe, Irrthümer, falsche Vernunfft-Schlüsse, Dummheit, Einfalt, Stupidität, Narrheit; auf Seiten des Willens die verderbliche und herrschende Eigen-Liebe, nebst den drey daraus entstehenden Haupt-Neigungen, dem Ehr-Geitz, Geld-Geitz und Wollust, davon eine jede wieder ihre besondere Neigungen und Laster hat, wenn man nemlich selbige herrschen läst.  
Geschicklichkeit Der Stand der Geschicklichkeit ist bey denen, welche Fleiß und Mühe angewendet, und ihre natürliche Fähigkeiten dergestalt verbessert, daß sie gewisse Fertigkeiten, oder Habitus erlanget, auch die Wirckungen ihrer Seele nach den Regeln des Wahren und Guten einrichten. Sie ist entweder eine gemeine, darum sich alle Menschen ohne Unterscheid zu bekümmern haben, als die Weisheit, Klugheit, Geschicklichkeit, von den vorkommenden Dingen vernünftig zu urtheilen, die ordentlich eingerichtete Liebe nebst der Tugend; oder eine besondere, wohin die Erlernung der Künsten und Wissenschafften gehören.  
Historie dieser Lehre Es wird hier nöthig seyn, die Historie dieser Lehre, so viel sich thun lässet, ordentlich durchzugehen. Die Sache ist weitläufftig und dabey ziemlich verworren, wenn man sonderlich auf die ältere Zeiten siehet. Denn man hat nicht nur das Wort Seele, oder Anima, in so vielerley Bedeutungen gebrauchet, sondern auch allerhand Arten derselbigen gesetzet, und insonderheit einen Unterscheid unter der Seele und Gemüth gemacht; in ihren Erklärungen aber nicht allezeit darauf gesehen, welches eine Schwierigkeit verursachet, wenn man ihre Meynungen recht einsehen und sagen soll, was ein jeglicher eigentlich gelehret hat.  
ältere Zeiten: Hebräer Aus den ältern Zeiten kommen erstlich vor die Hebräer. Diejenigen, denen der heilige Geist die göttlichen Wahrheiten eingab, wurden auch hierinnen unterrichtet, wie man in den Büchern alten Testaments verschiedene Seelen findet, daraus man die Beschaffenheit der Seele erkennen kan. Der vornehmste Ort ist 1 B. Mos. II, 7. wo Moses sagt: Und GOtt der HErr machte den Menschen aus einem Erden-Kloß, und er bließ ihm einen lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele, in welchen Worten er nicht nur den Ursprung, sondern auch zugleich die Beschaffenheit der Seele vorstellet. Denn wenn es heißt, GOtt habe ihm eingeblasen [zwey Wörter Hebräisch] animam vitarum, welches Luther gegeben, einen lebendigen Odem, so wird das Wort [ein Wort Hebräisch] auch von der vernünfftigen Seele gebraucht, wovon Sprüchw. XX, 27 zu lesen.
  Es giebt aber auch der gantze Zusammenhang deutlich zu erkennen, wie diese Worte etwas besonders und von dem Cörper unterschiedenes anzeigen. Denn es heißt ja ausdrücklich, nachdem GOtt den Menschen, nemlich dem Leibe nach, aus einem Erden-Kloß gemachet, so habe er ihm darauf den lebendigen Odem eingeblasen. Indem es aber heißt, GOtt habe eingeblasen animam vitarum, so klingt das Wort [ein Wort Hebräisch] in Plurali auf die unterschiedene Kräffte, womit die menschliche Seele begabet sey, und das Einblasen zeigte an, daß die Seele von aller Materie entfernet sey, weil er von GOtt, als einem Geist, kein  
  {Sp. 1065|S. 546}  
  materielles Einblasen kan verstanden werden. Buddeus in institut. theol. dogmat. lib. 2. c. 2. §. 16. und Deyling in observat. sacr. part. 2. observ. 3. p. 23.
  Es könten noch andere Stellen angeführet werden, welche von dem Wesen der Seele zeugen. Denn wenn 1 B. Mos. I, 26 gelehret wird, wie der Mensch nach dem Ebenbilde GOttes erschaffen worden, so hat schon Eusebius lib. 8. cap. 27. praepar. evangel. angemercket, daß er zugleich die Unsterblichkeit der Seele, wie nicht weniger ihr geistliches Wesen damit andeuten wollen.  
Juden Diese reine Lehre ist nachgehends bey den Juden sehr verderbt worden, als unter ihnen allerhand Secten entstanden. Denn die Sadducäer sagen, es sey keine Aufferstehung, noch Engel, noch Geist, heißt es in der Apostel-Geschicht XXIII, 8. Die Rabbinen und Cabbalisten haben allerhand Fabeln und ungereimte Dingen von der Seele erdichtet. Unter andern scheinen sie fünf Grade, oder Kräfte der menschlichen Seele zuzulassen, davon der erste nephesch, der andere ruach, der dritte neschama, der vierte chaiah, und der fünfte iechidah genennet wird, davon die Cabbalisten hin und wieder reden. Weil die beyden letzteren Grade nicht zum Wesen des Menschen gehören, und nur besondere Vollkommenheiten der menschlichen Seele anzeigen, so lassen es andere nur bey den dreyen, nephesch, ruach und neschama bewenden, welche mit der gemeinen Scholastischen Lehre von der wachsthümlichen, sinnlichen und vernünfftigen Seele überein kämen. Sie sagen auch, daß neschema oder mens ein Stück des göttlichen Wesens sey.
  • Knorr a Rosenroth tom. 2. cabbalae denudat. part. 3. p. 247;
  • Wachter in elucidar. Cabbalistic. cap. 3. §. 4.
  • Buddeus in introduct. ad historiam philosophiae ebraeorum p. 429. edit. 2. lesen kan.
Heiden: Barbaren: Chaldäer Nach den Hebräern kommen die heydnischen Philosophen zu betrachten vor, von denen zuerst die so genannten barbarischen anzuführen sind. Unter diesen sind die Chaldäer die vornehmsten, deren Meynung von der Seele man einiger massen aus den oraculis des Zoroasters erkennen kan. Denn ob sie gleich keine ächte Schrifft des Zoroasters sind, so haben doch die Gelehrten angemercket, daß man darinnen viele Spuren der alten Chaldäischen Philosophie anträffe. Insonderheit wird darinnen der Ursprung der Seele berühret, daraus sich schlüssen lässet, was sie derselbigen vor ein Wesen beygeleget.  
  Sie machen drey Arten der Seelen oder der Gemüther. Die eine begreifft die mentes supracoelestes, welche von der Materie gantz und gar abgesondert; die andere die mentes irrationales, welche auf das genaueste mit der Materie verknüpfet, daß, wenn selbige zu Grund gienge, sie auch ihr Wesen verlöhren. Zwischen diesen stünden die animi humani oder ratione praediti, welche zwar nicht materiell wären; aber doch eine Materie neben sich hätten. Es sey eine solche Seele ein immaterielles und uncörperliches Feuer, von aller Materie abgesondert, und daher unsterblich. Sie habe essentiam [drei Wörter Griechisch], per se genitam et animatam.  
  Von ihrem Ursprung lehrten sie, daß sie aus GOtt geflossen wären, welchen sie fontem animarum nenneten, wiewohl  
  {Sp. 1066}  
  sie auch einen zweyfachen Ursprung oder caussam fontanam angaben, als paternam mentem und animam fontanam, aus welcher letztern nach dem Willen des Vaters die besondere Seele herfür käme. So dunckel auch die Sache in den oraculis vorgetragen wird, so siehet man doch so viel daraus, daß sie die Seelen der Menschen vor einen Ausfluß, vor ein Stück des göttlichen Wesens gehalten haben, welche Lehre sich nachgehends weit unter den Griechischen Philosophen ausgebreitet hat.  
  Nachdem sie dem Vater nicht hätte gehorchen wollen, wäre sie von ihrer anerschaffenen Vollkommenheit abgewichen, in den Leib gestecket worden, daß, wenn sie darinnen gutes thäte, so käme sie wieder an ihren vorigen Ort; wo sie sich aber böse aufführete, so werde sie in finstere Örter verstossen. Man lese, was Pletho und Psellus über die oracula angemercket; ordentlich und kurtz hat die Sache Stanley in historia philosophiae orientalis lib. 1. Sect. 2. cap. 10 zusammengefasset, darinnen auch Jacob Thomasius in Diss. de fonte animarum, welche p. 240. exercit. de Stoica mundi exustione sich befindet, ein Licht geben kan.
Ägypter Eben dieses haben auch die Egyptier dafür gehalten, daß da sie die menschliche Seele vor unsterblich ausgegeben, so hat ihre Unsterblichkeit darinnen bestanden, daß sie in GOtt wieder zurück kehrten, wie man dieses aus den Worten des Jamblichi, der nach dem Sinn der Egyptier redet, de myster. lib. 8. cap. 8 abnehmen kan, wenn er saget: [zwey Zeilen griechischer Text], a primo descensu propterea dimisit Deus animas, ut rursus in ipsum revertantur.  
     

vorhergehender Text  Teil 1 Artikelübersicht Teil 3  Fortsetzung

HIS-Data 5028-36-1051-4-02: Zedler: Seele [2] HIS-Data Home
Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries