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Beschaffenheit der
Seele:
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Wesen |
Was wir bisher
gesagt, betrifft die
Existentz der Seelen. Nun
wollen wir
auch deren
Wesen und die übrigen
Umstände
erklären. Wenn
gefragt wird: worinnen
das Wesen der Seele eigentlich bestehe? so ist hierinnen unsere
Erkenntniß sehr
schwach. Man
nennet
sie eine
geistliche
Substantz, und das ist ihr gemeines
Wesen, welches sie mit den andern
Geistern gemein hat, und weil sie eine
Art
solcher Geister ist, so kommt eher alles dasjenige zu, was einem solchen Geist
zukommt. |
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Durch einen solchen Geist
verstehet man überhaupt eine Substantz, die von
Materie nichts an sich hat, und mit
Verstand und
Willen begabet ist, mithin muß
man auch von der menschlichen Seele
sagen, sie sey ein immaterielles
Wesen, ein
Wesen, das nichts von der Materie an sich hat. Aber eben dieses ist der
vornehmste Punct, wodurch die
Erkenntniß der Seele so schwach wird, daß auch die
Seele von sich selbst keine deutliche und hinlängliche Erkenntniß hat, ob sie
schon so viel andere
Sachen deutlich und hinlänglich erkennet. |
S. Adam Bernds Diss. physic. de
ignorantia mentis humanae circa se ipsam. Leipzig 1705. |
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Denn der
Begriff von einem immateriellen
Wesen ist nur verneinend, da man
zwar weiß, was die Seele nicht an sich habe; wenn es aber darauf ankommt, was
sie würcklich an sich habe, und was dasjenige sey, so würcklich ihr Wesen
ausmachet, so kan man sich davon gar keine Vorstellung machen. Wenn die Seele |
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{Sp. 1061|S. 544} |
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nichts von der
Materie an sich hat, so darff man sich bey derselbigen keine
Theile, keine
Gestalt, keine Ausdehnung einbilden, und das macht, daß man sich
davon keine Vorstellung machen kan. Auf solche Weise gehöret dieses mit unter
die Philosophischen Geheimnisse, da man zwar die
Existentz oder
Würcklichkeit,
aber nicht die Beschaffenheit eines
Dinges weiß. Es ist genug, daß man
erkennet,
wie unserer Seele die Immaterialität zukommt, wenn man gleich von der
Beschaffenheit der Immaterialität keinen
Begriff hat. |
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Die Seele ist mit dem
menschlichen
Cörper vereiniget, durch welche
Vereinigung die völlige
Natur des
Menschen entstehet, welches das
Wesen, so ihr
eigen ist, und dadurch sie sich von den andern
Geistern unterscheidet. Denn so
wird das
Wort Seele ordentlich genommen, daß es allezeit eine Absicht auf den
menschlichen Cörper hat; betrachtet man sie aber an sich selbst, ausser der
Gemeinschafft mit dem
Leibe, so nennet man sie auch einen Geist. Diese
Vereinigung mit dem Cörper macht zwar in ihrem geistlichen Wesen keine
Veränderung; sie gibt aber Anlaß, daß sich ihre
Wirckungen anders äussern, als
bey den Geistern geschicht, die mit keinem Leibe vereiniget sind. |
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Denn unsere Seele hat alle ihre
Begriffe, welche das Object ihrer
Gedancken
sind, von der äusserlichen
Empfindung, wenn gleich nicht
unmittelbar, doch
mittelbar, dergleichen
Ursprung der Gedancken den andern Geistern, die mit
keinem Leibe umgeben sind, nicht beyzulegen, welches sich auch so auf Seiten des
Willens verhält, was die sinnlichen
Begierden,
Affecten, habituellen Neigungen,
darzu die Beschaffenheit des Cörpers Anlaß giebet, betrifft. Hier dürffte
jemandem bedencklich vorfallen, daß wir die Seele mit den andern Geistern
verglichen, da doch noch nicht ausgemacht sey: ob andere Geister vorhanden? wenn
man die Sache nach der
Vernunft ansähe. |
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Von
GOtt ist die
Sache ausgemacht; nur fragt sichs aber: ob ausserdem noch
andere erschaffene
Geister sind, welche zwischen GOtt u. der menschlichen Seele
gleichsam mitten inne stünden. Von der
Existentz der
bösen Geister, oder der
Teufel, hat man nach der Vernunft eine wahrscheinliche
Erkenntniß; von dem guten
hingegen weiß man wohl nichts. Doch wenn auch dieses alles wegfiele, so hätte
man gleichwohl einen hinlänglichen Grund der oben angestellten Vergleichung,
indem man wenigstens einen
Begriff eines Geistes auf Seiten GOttes vor sich hat;
auch die
heilige Schrifft vor sich nehmen kan, welches wohl angehet, wenn man
nur die Grentzen der beyden Lichter, der
Natur und
Gnade beobachtet. |
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Obgleich unsere Erkenntniß von dem
Wesen der Seele sehr schwach; so weiß man
doch verschiedenes mit mehrerer Deutlichkeit von derselbigen, welches nemlich
ihre
Wirckungen,
Kräffte und
Eigenschafften sind, von denen man durch einen
doppelten Weg, als durch die eigene
Empfindung und durch das Nachdencken eine
Erkenntniß erlangen, ob sie wohl auch nicht in allen Stücken deutlich und
hinlänglich ist, welches wir von einem jeden insbesondere sehen wollen. |
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Es kommen also bey der Seele vor |
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Wirkungen |
1) |
ihre
Wirckungen, die wir eher, als ihre
Kräffte
betrachten, wenn gleich die Kräffte der natürlichen
Ordnung nach vor den
Wirckungen hergehen. Denn wir folgen hier der Ordnung |
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{Sp. 1062} |
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unserer
Erkenntniß, nach welcher wir die
Wirckungen eher als die Kräffte
erkennen, indem wir diese aus jedem
schliessen müssen. Der
Grund, woraus wir die Wirckungen der Seele
erfahren, ist die eigene
Empfindung, massen wieder dasjenige empfinden,
was in unserer Seele vorgehet. Es sind selbige zweyerley: die
Empfindungen, sowohl äusserliche, als innerliche; die
Gedancken und
Begierden, wovon besondere
Artickel handeln. |
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Ausser diesen solten wir auch die
Bewegungen, so
die Seele in den Gliedern des
Leibes verrichte, anführen, welches wir
aber hier mit Fleiß übergehen, nicht deswegen, als ob man dafür hielte,
es könne kein
Geist in einen
Cörper wircken, welches ausser Streit;
sondern weil die Sache auf die Art ankommt, wie Leib und Seele mit
einander vereiniget sind, davon weiter unten besonders gehandelt wird. |
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Die angeführten
Wirckungen sind die
Haupt-Wirckungen, davon eine jede wieder ihre
Arten unter sich fasset.
Denn wie schon von der
Empfindung angemercket worden, daß sie entweder
eine äusserliche oder innerliche sey; also hat man auch mancherley
Gattungen von
Gedancken, indem wir entweder etwas mercken, und uns
dessen wieder erinnern; oder allerhand mögliche Connexionen der
Ideen
anstellen; oder nach der
Wahrheit urtheilen und Vernunft-Schlüsse
machen. |
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Haben wir
Begierden, so bestehen sie entweder in
einem wircklichen Verlangen, oder in einer Neigung: und das Verlangen
ist entweder gelinde oder starck, welches der
Affect, es mag nun eine
solche
Bewegung auf was gutes durch die
Liebe; oder auf was
böses durch
den Haß gehen. Bey diesen
Wirckungen verhält sich die Seele entweder
leidend, als wenn sie
empfindet, in einen Affect gebracht wird; oder
thätig, indem sie von einer
Sache urtheilet, daher man sie auch in
Actiones und Passiones eintheilet. Aus diesen
erkennen wir |
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Kräfte |
2) |
die
Kräfte der Seele, und zwar durch das
Nachdencken. |
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Denn die
Wirckungen müssen ihre
Ursache haben,
und die Ursach muß mit den Kräfften, solche hervorzubringen, begabet
seyn, woraus wir denn schliessen, daß die Seele, als die Ursach, mit
gewissen Kräfften versehen sey. Die
Wirckungen sind von ungleicher
Beschaffenheit, und deswegen muß in der Seele mehr, als eine Krafft
liegen. Man kan sie in die Haupt- und Neben-Kräffte theilen. Jene sind
der
Verstand, welcher empfindet und gedencket, und der
Wille, von dem
die
Begierden herkommen; man wolte denn die
Empfindungen aus einer
besondern Krafft herführen, und also drey Kräffte der Seele setzen, als
die Empfindungs-Krafft, den Verstand, und den Willen. |
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Diese Kräffte sind in der Seele, als in einer
eintzigen
Substantz, und äussern sich nach Beschaffenheit des Objects,
so ihr vorgestellet wird, bald auf diese, bald auf jene Art. Denn kommt
ihr etwas vor, so zu
erkennen, so zeigt sich die Krafft des
Verstandes;
ist es aber eine
moralische
Sache, entweder etwas gutes; oder etwas
böses, so wircket sie durch den
Willen. |
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Man pfleget dieses mit verschiedenen Gleichnissen
zu erläutern, wie nemlich sich eine
Sache nach dem Unterscheid des
Objects durch verschiedene
Kräffte und
Wirckungen äussere. Die Sonne ist
eine eintzige
Substantz, und doch habe sie das
Vermögen, nicht nur die
Cörper zu erleuchten; sondern auch zu erwärmen; oder sie mache manche
Cör- |
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{Sp. 1063|S. 545} |
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per hart, und manche weich, welches durch eine
Krafft geschähe, und rühre der Unterscheid der
Wirckungen von dem
Unterscheid der Cörper, in welchen sie würcke. Aus der Moral nimmt man
zum Gleichniß die
Majestät, welche die höchste
Gewalt, und also was
eintziges sey, und dennoch theile sie sich nach den mancherley
Arten der
Dinge, dabey sie beschäfftiget, in viele besondere
Rechte ein. |
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Bey diesen Haupt-Kräfften äussern sich auch
Neben-Kräffte, als wie der
Verstand mit dem Gedächtniß, der
Einbildungs-
und Urtheilungs-Krafft versehen ist. Die Art, wie sie wircken, kan man
nicht begreiffen, und man weiß daher nicht, wie es zugehe, wenn man
gedencket, etwas gedencket, sich einer
Sache erinnert, u.s.f. Alle
solche Kräffte hat ein jeder
Mensch in seiner Seele; nur sind sie nicht
bey allen in gleicher Lebhafftigkeit, daher die verschiedene
Naturelle
des
Verstandes und
Willens entstehen. |
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Es sind noch übrig |
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Eigenschaften |
3) |
die
Eigenschafften der Seele, deren man vier
setzet, daß sie nemlich sey ein unsichtbares, unsterbliches, endliches
und freyes Wesen; welches man theils durch das Nachdencken, theils durch
die
Empfindung
erkennet. Denn daß sie unsichtbar sey, schliesset man aus
ihrer Immaterialität, indem wir mit unsern leiblichen Augen nichts, als
was
cörperlich ist, sehen können, welches auch die
Erfahrung bestätiget.
Ist sie von aller
Materie befreyet, so folgt auch daraus in soweit die
Unsterblichkeit, daß sie an sich nicht untergehen kan, und daher
unsterblich seyn müsse, weil keine Trennung der Theile geschehen kan. |
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Ihre Endlichkeit oder Einschränckung
erkennen wir
auch unter andern aus ihren
Wirckungen, daß, wenn wir unsere
Gedancken
betrachten, so wissen wir ja, wie unserer
Erkenntniß gewisse Grentzen
gesetzet sind, indem wir von der
Empfindung anfangen, und bey
derselbigen stehen bleiben müssen; wir erkennen alles nach und nach,
eines aus dem andern: und wie viele
Dinge sind nicht, wie uns gantz
verborgen, oder die wir nur wahrscheinlich erkennen. |
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Die
Freyheit der Seele wissen wir auch aus der
Empfindung und
Erfahrung, indem wir uns bewust sind, wie wir uns diese
und jene Vorstellung machen, und den
Willen bald da; bald dorthin
lencken können. Wolte man zu dieser Freyheit auch rechnen, daß die Seele
durch keine äusserliche
Gewalt könne gezwungen werden, so
erkennet man
dieses aus ihrer
Natur, nach welcher sie keiner äusserlichen
Herrschafft
kan unterworffen werden. |
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Stand |
So viel hat man von der
Natur der Seele erinnern wollen. Nun kan man auch
den
Stand betrachten, in welchem sie sich wircklich bey den
Menschen befindet.
Denn was wir von Natur haben, sind blosse Fähigkeiten; weil aber dieselbe nach
dem
Fall immer schwächer, und die Neigung zu einem unvernünfftigen Gebrauch
immer stärcker worden, so hat man anfangen müssen, auf die Verbesserung
derselbigen zu dencken. Wie aber solche Verbesserung von einigen unterlassen,
von andern übernommen wird; also entstehet daher ein gedoppelter Stand der
Seele, der Verderbniß und der
Geschicklichkeit, den man blos nach dem Licht der
Natur betrachtet. |
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Verderbnis |
Der
Stand der Verderbniß ist bey denen, welche die Fähigkeiten ihrer Seele
nicht verbessern, und da sie ohne dem von
Natur schwach und verderbt sind,
solche durch ihre Nachläßigkeit |
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{Sp. 1064} |
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noch mehr verderben lassen. Auf Seiten des
Verstandes begreifft solche
Verderbniß Unwissenheit, dunckle, verworrene, unzulängliche, unrichtige
Begriffe, Irrthümer, falsche Vernunfft-Schlüsse, Dummheit, Einfalt, Stupidität,
Narrheit; auf Seiten des
Willens die verderbliche und herrschende
Eigen-Liebe,
nebst den drey daraus entstehenden Haupt-Neigungen, dem Ehr-Geitz, Geld-Geitz
und Wollust, davon eine jede wieder ihre besondere Neigungen und Laster hat,
wenn man nemlich selbige herrschen läst. |
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Geschicklichkeit |
Der
Stand der
Geschicklichkeit ist bey denen, welche Fleiß und Mühe
angewendet, und ihre natürliche Fähigkeiten dergestalt verbessert, daß sie
gewisse Fertigkeiten, oder Habitus erlanget, auch die
Wirckungen ihrer Seele
nach den
Regeln des Wahren und Guten einrichten. Sie ist entweder eine gemeine,
darum sich alle
Menschen ohne Unterscheid zu bekümmern haben, als die
Weisheit,
Klugheit, Geschicklichkeit, von den vorkommenden
Dingen
vernünftig zu urtheilen,
die ordentlich eingerichtete Liebe nebst der Tugend; oder eine besondere, wohin
die Erlernung der
Künsten und
Wissenschafften gehören. |
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Historie dieser Lehre |
Es wird hier nöthig seyn, die Historie dieser Lehre, so viel sich thun
lässet, ordentlich durchzugehen. Die
Sache ist weitläufftig und dabey ziemlich
verworren, wenn man sonderlich auf die ältere
Zeiten siehet. Denn man hat nicht
nur das
Wort Seele, oder Anima, in so vielerley Bedeutungen gebrauchet, sondern
auch allerhand
Arten derselbigen gesetzet, und insonderheit einen Unterscheid
unter der Seele und
Gemüth gemacht; in ihren Erklärungen aber nicht allezeit
darauf gesehen, welches eine Schwierigkeit verursachet, wenn man ihre
Meynungen
recht einsehen und
sagen soll, was ein jeglicher eigentlich gelehret hat. |
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ältere Zeiten: Hebräer |
Aus den ältern
Zeiten kommen erstlich vor die Hebräer. Diejenigen, denen der
heilige Geist die göttlichen Wahrheiten eingab, wurden auch hierinnen
unterrichtet, wie man in den
Büchern alten Testaments verschiedene Seelen
findet, daraus man die Beschaffenheit der Seele
erkennen kan. Der vornehmste Ort
ist 1 B. Mos. II, 7. wo Moses
sagt: Und GOtt der HErr machte den
Menschen aus einem Erden-Kloß, und er bließ ihm einen lebendigen Odem in seine
Nase. Und also ward der
Mensch eine lebendige Seele, in welchen
Worten er nicht
nur den
Ursprung, sondern auch zugleich die Beschaffenheit der Seele vorstellet.
Denn wenn es heißt,
GOtt habe ihm eingeblasen [zwey Wörter Hebräisch] animam
vitarum, welches Luther gegeben, einen lebendigen Odem, so wird das
Wort
[ein Wort Hebräisch] auch von der vernünfftigen Seele gebraucht, |
wovon Sprüchw. XX,
27 zu lesen. |
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Es giebt aber auch der gantze Zusammenhang deutlich zu
erkennen, wie diese
Worte etwas besonders und von dem
Cörper unterschiedenes anzeigen. Denn es heißt
ja ausdrücklich, nachdem GOtt den Menschen, nemlich dem
Leibe nach, aus einem
Erden-Kloß gemachet, so habe er ihm darauf den lebendigen Odem eingeblasen.
Indem es aber heißt, GOtt habe eingeblasen animam vitarum, so klingt
das Wort [ein Wort Hebräisch] in Plurali auf die unterschiedene
Kräffte, womit die menschliche Seele begabet sey, und das Einblasen zeigte an,
daß die Seele von aller
Materie entfernet sey, weil er von GOtt, als einem
Geist, kein |
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{Sp. 1065|S. 546} |
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materielles Einblasen kan verstanden werden. |
Buddeus in institut. theol. dogmat. lib.
2. c. 2. §. 16. und Deyling in observat. sacr.
part. 2. observ. 3. p. 23. |
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Es könten noch andere Stellen angeführet werden, welche von dem
Wesen der
Seele zeugen. Denn wenn
1 B. Mos. I, 26 gelehret wird, wie der Mensch
nach dem Ebenbilde GOttes erschaffen worden, so hat schon Eusebius
lib. 8. cap. 27. praepar. evangel. angemercket, daß
er zugleich die Unsterblichkeit der Seele, wie nicht weniger ihr geistliches
Wesen damit andeuten wollen. |
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Juden |
Diese reine Lehre ist nachgehends bey den Juden sehr verderbt worden, als
unter ihnen allerhand Secten entstanden. Denn die Sadducäer
sagen, es sey keine
Aufferstehung, noch Engel, noch
Geist, heißt es in der
Apostel-Geschicht
XXIII, 8. Die Rabbinen und Cabbalisten haben allerhand Fabeln und
ungereimte
Dingen von der Seele erdichtet. Unter andern scheinen sie fünf Grade,
oder Kräfte der menschlichen Seele zuzulassen, davon der erste nephesch,
der andere ruach, der dritte neschama, der vierte chaiah,
und der fünfte iechidah genennet wird, davon die Cabbalisten hin und
wieder
reden. Weil die beyden letzteren Grade nicht zum
Wesen des
Menschen
gehören, und nur besondere Vollkommenheiten der menschlichen Seele anzeigen, so
lassen es andere nur bey den dreyen, nephesch, ruach und neschama
bewenden, welche mit der gemeinen Scholastischen Lehre von der wachsthümlichen,
sinnlichen und vernünfftigen Seele überein kämen. Sie sagen auch, daß
neschema oder mens ein Stück des
göttlichen Wesens sey. |
- Knorr a Rosenroth tom. 2. cabbalae denudat. part. 3.
p. 247;
- Wachter in
elucidar. Cabbalistic. cap. 3. §. 4.
- Buddeus in
introduct. ad historiam philosophiae ebraeorum p. 429. edit. 2.
lesen kan.
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Heiden: Barbaren:
Chaldäer |
Nach den Hebräern kommen die heydnischen
Philosophen zu betrachten vor, von
denen zuerst die so genannten barbarischen anzuführen sind. Unter diesen sind
die Chaldäer die vornehmsten, deren
Meynung von der Seele man einiger massen
aus den oraculis des Zoroasters
erkennen kan. Denn ob
sie gleich keine ächte
Schrifft des Zoroasters sind, so haben
doch die Gelehrten angemercket, daß man darinnen viele Spuren der alten
Chaldäischen Philosophie anträffe. Insonderheit wird darinnen der
Ursprung der
Seele berühret, daraus sich schlüssen lässet, was sie derselbigen vor ein
Wesen
beygeleget. |
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Sie machen drey
Arten der Seelen oder der
Gemüther. Die eine begreifft die
mentes supracoelestes, welche von der
Materie gantz und gar
abgesondert; die andere die mentes irrationales, welche auf das
genaueste mit der Materie
verknüpfet, daß, wenn selbige zu
Grund gienge, sie
auch ihr
Wesen verlöhren. Zwischen diesen stünden die animi humani oder
ratione praediti, welche zwar nicht materiell wären; aber doch eine
Materie neben sich hätten. Es sey eine solche Seele ein immaterielles und
uncörperliches Feuer, von aller Materie abgesondert, und daher unsterblich. Sie
habe essentiam [drei Wörter Griechisch], per se genitam et
animatam. |
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Von ihrem
Ursprung lehrten sie, daß sie aus
GOtt geflossen wären, welchen
sie fontem animarum nenneten, wiewohl |
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{Sp. 1066} |
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sie auch einen zweyfachen Ursprung oder caussam fontanam angaben,
als paternam mentem und animam fontanam, aus welcher letztern
nach dem
Willen des
Vaters die besondere Seele herfür käme. So dunckel auch die
Sache in den oraculis vorgetragen wird, so siehet man doch so viel
daraus, daß sie die Seelen der
Menschen vor einen Ausfluß, vor ein Stück des
göttlichen Wesens gehalten haben, welche Lehre sich nachgehends weit unter den
Griechischen
Philosophen ausgebreitet hat. |
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Nachdem sie dem
Vater nicht hätte gehorchen wollen, wäre sie von ihrer
anerschaffenen Vollkommenheit abgewichen, in den
Leib gestecket worden, daß,
wenn sie darinnen gutes thäte, so käme sie wieder an ihren vorigen
Ort; wo sie
sich aber
böse aufführete, so werde sie in finstere Örter verstossen. |
Man lese, was Pletho und Psellus
über die oracula angemercket; ordentlich und kurtz hat die Sache
Stanley in historia philosophiae orientalis lib. 1.
Sect. 2. cap. 10 zusammengefasset, darinnen auch Jacob
Thomasius in Diss. de fonte animarum, welche p. 240.
exercit. de Stoica mundi exustione sich befindet, ein Licht geben kan. |
Ägypter |
Eben dieses haben auch die Egyptier dafür gehalten, daß da sie die
menschliche Seele vor unsterblich ausgegeben, so hat ihre Unsterblichkeit
darinnen bestanden, daß sie in GOtt wieder zurück kehrten, wie man dieses aus
den
Worten des Jamblichi, der nach dem
Sinn der Egyptier
redet,
de myster. lib. 8. cap. 8 abnehmen kan, wenn er
saget: [zwey
Zeilen griechischer Text], a primo descensu propterea dimisit Deus animas,
ut rursus in ipsum revertantur. |
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