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Teutsche Ritter-Academien. Hieher
gehöret: |
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1. |
Die Caßelische. Der
Heßische
Landgraf, Heinrich der
II verordnete im
Jahr 1618, daß das leere
Kloster-Gebäude zum
Brüdern in ein Ritterliches
Collegium muste
verwandelt, das ansehnliche Palatium äusserlich
renovirt, und inwendig die Gemächer zu
bequemen Lehr-Stuben angeleget werden. |
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Um selbige Zeit war das
Collegium von Navarra zu Paris, und das zu Sora
in Dännemarck in grossem
Ansehen. Fast auf
jener
Art war das neue
Collegium Adelphicum eingerichtet, welches deswegen also genennet
ward, weil es der Brüder-Kirche anhieng. |
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In jenem
unterwieß man
Fürstliche,
Gräfliche
und andere
Standes-Personen in freyen
Künsten,
Sprachen und
Ritterlichen Exercitien; in diesem nicht weniger,
und es sind in dem angeordneten Collegio nebst
Ihro Durchl. jungen Herren viele vornehme
Adliche
und andere
Männer dermaßen erzogen und
angeführet worden, daß sie vielen
Königen
Fürsten und
Herrn nützliche
Dienste leisten
können. |
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Den 15 Februar
bemeldten Jahres geschahe dieses Ritterlichen
Collegii Eröffnung. Gleich anfangs lehrten
darinnen 4 Professores, einer die
Theologie, der
andere die Ethic und
Politic, der dritte die Physick,
und der vierte die
Logick und Rhetorick, welcher
zugleich die Astronomie und
Historie
profitirte.
Nebst diesen lehreten auch 4 Sprachmeister
fremde
Sprachen, die
Griechische, die
Italiänische, die Spanische, und die
Frantzösische
samt der
Lateinischen. |
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Es verschaffte auch der
Herr Landgraf dem Adelichen Collegio in allen
Exercitien, Leibes- und Gemüths-Übungen
vortreffliche Meister, welche die Jugend treulich
unterwiesen, als z.E. |
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- 1 Bereuther,
- 1
Roßspringer,
- 1 Tantzmeister,
- 1 Fechtmeister,
- 1
Ballmeister,
- 1 Kunstmahler,
- 1 Vocal- und
Instrumental-Musicus.
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Sonst haben nach und
nach bey diesem Ritter-Collegio folgende
berühmte Leute gestanden: |
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- Johannes Crocius, der
Heil. Schrifft Doctor,
- Georgius Cruciger, der Heil.
Schrifft Doctor,
- Johannes Matthäus, beyder
Rechte Doctor,
- Johannes Kleinschmiedt, beyder
Rechten Doctor,
- Crato Seiler, Doctor in der
Artzeney-Kunst und Geschicht-Schreiber,
- Gregorius Stannarius, der theoretischen
Philosophie Professor,
- und andere mehr.
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Nach des Herrn Stiffters
höchstseeligen Absterben erneuerte im Jahr 1633
unter denen Kriegs-Troubeln Herr Landgraf
Wilhelm der fünffte das Collegium, er dotirte auch
dasselbe mit zulänglichen Intraden, welche vorher
aus dem Nieder-Fürstenthum Hessen bey der
Universität Marpurg gefallen. Insonderheit
verordnete er jährliche Stipendien vor 8 junge von
Adel, und 14 qualificirte Ingenia, und vornehmer
Leute
Kinder. |
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Solange Herr Landgraf
Moritz lebte, warf er be- |
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{Sp. 132} |
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sondere
Gnaden-Blicke
auf die Professores und auf die studirende
Jugend, indem er auch in hoher
Person
offtermahls die Lectionen, Disputationen und
Orationen besuchte, munterte es die Lehrenden
mit den Lernenden gewaltig auf und brachte dem
Collegio desto grösseres Ansehen. |
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Herr Landgraf Wilhelm
der V. beobachtete nicht weniger den Nutzen des
Collegii Adelphici, und erkannte dasselbe vor eine
Wohnung der
Gelehrten, vor einen Sitz der
Musen, vor einen Pflantz-Garten der Gottseligkeit,
und vor das Kleinod und Zierde des Hessen-Landes. Darum sorgeten sie mit recht Fürstlichem
Eyfer vor dessen Conservation und
Aufnehmen. |
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Aber im Jahr 1637 verlohr
durch den zeitlichen
Tod wie das gantze
Land so
das Collegium seinen tapfferen Fürsten und
Wohlthäter, mitten unter seinen glücklichen
Kriegs-Operationen in Frießland. Hierauf erfolgte
im Jahr 1640 Ihro Durchlauchtigkeit prächtige
Leich-Bestattung in Cassel. Bey solcher
solennen
Leich-Bestattung, hatten die Professores des
Collegii auch ihren
Rang, und betraureten ihren
gnädigsten Herrn. Des andern Tages legte im
Collegio D. Crocius die Leichen-Rede ab, wobey
verschiedene Fürstl. Gräfl. und andere hohe
Standes-Personen zugegen waren. |
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Es war aber dieser grosse
Trauer-Actus gleichsam der Beschluß des Collegii
Adelphici in Cassel. Denn kurtze Zeit hernach
betraf dasselbe eine merckwürdige
Veränderung.
Denn die vornehmsten Professores wurden
alsdenn nach Marpurg beruffen, und folglich das
Collegium dorthin versetzt und mit dasiger
Universität vereiniget. Das weitläufftige Collegien-Gebäude bekam hernach auch innerlich bald eine
gantz andere
Gestalt. Denn die Durchl.
Herrschafft, ließ dasselbe zu Dero Expeditionen
zubereiten, und es sind nachhero die Geheimde-
und Land-Cantzeleyen, mit ihrem Archiv,
ingleichen die Steuer-Forst-Presbyterial, Land-
Gerichts- und Burg-Stuben darein verjaget
worden, und ist also von diesem Collegium nichts
mehr übrig, ausser daß es noch auf vieler Zungen
den
Nahmen des
Collegii behalten hat. Die |
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2. |
Wolfenbüttelische
Adeliche Academie und Ritter-Schule ist hier
keinesweges mit Stillschweigen zu übergehen,
welche die
Hertzoge zu Braunschweig und
Lüneburg Rudolph August und Anton Ulrich im
Jahr 1687 anlegten, davon die
publicirte
Verordnung,
Leges,
Statuten und
Privilegien in
Lucä Europ. Helicon
V Th. p. 726. u.ff.
umständlich können nachgelesen werden. |
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Es werden darein nach
ihrer Einrichtung nur Adeliche
und Hohe
Standes-Personen angenommen. Sie ist allezeit zwar nur
mit vieren, aber vortrefflichen und gelehrten
Professorn bestellet gewesen. Herr Niecamp |
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{Sp. 133|S. 80} |
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lehrete zu Anfange dieses
Jahrhunderts daselbst die Theologie und heil.
Geschichte. Herr Bredelo die Eloquentz und
Historie, und prästirte grosse Dinge bey der
studirenden Jugend. Herr Behnä lehrte die
Mathesin, und Herr di l'Ehren mit dit Candor die
Spanische, Italiänische, Frantzösische und
Englische Sprache. |
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Allerseits hatten ihre
Methode so eingerichtet, daß jedweder ihrer
Zuhörer seinen Cursum in Jahres Frist zu Ende
bringen konnte. Insonderheit erstiegen sie den
Gipffel der Vollkommenheit in der teutschen
Redekunst. Ein Herr von Glaubitz, ein
Schlesischer von Adel, that sich unter andern in
einer zierlichen Oration dermassen hervor, daß er
deswegen das Auge der gantzen Academie, und
die Bewunderung des gesammten anwesenden
Hofes auf sich zog. |
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Im Jahr 1703 ward diese
Academie erneuert und besser eingerichtet. Das
damahls deswegen im Monath May durch
öffentlichen Druck bekannt gemachte Reglement
war dieses Inhalts: Es hatten Ihr. Höchstgedachte
Hochs. Durchl. Durchl. gnädigst erwogen, wie viel
dem
gemeinen Wesen daran gelegen, daß die
Adliche Jugend durch geringere Kosten ihrem
Stande gemäß erzogen und wohl angeführet
werde, auch zu dem Ende bereits vor einigen
Jahren bey Dero Hochfürstl. Hofe zu Wolffenbüttel
eine Adliche Academie angelegt, auf welcher sich
bey jetzigen Kriegs Läufften und nachbleibenden
Reisen in Franckreich, aus Engelland und vielen
Provintzen des
Reichs verschiedene Printzen,
Grafen,
Freyherren und von Adel theils
eingefunden hätten, theils auch noch erwartet
würden; als hätten Ihr. Ihr. Durchl. Durchl. sie aufs
neue mit einem Ober-Hofmeister, dem Herrn
Staats-Rath von Walter, wie auch denen
geschickten Exercitien-Meistern versehen, auch
die denen auf der Academie lebenden Standes-Personen gegönnete
Vorzüge und
Vortheile um
ein grosses vermehren, mithin zu Erlernung der
Studien und Exercitien allen möglichen Vorschub
thun lassen. Wobey zugleich diejenigen, so einer
andern Religion zugethan, die Übung ihres Gottes
Dienstes in der Nähe geniessen könnten. |
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Über dieses wären die
benöthigsten Kosten zum Unterhalt, Logier und
Unterweisung auf ein gar leidliches determiniret,
also, daß eine
Fürstl. Person zur Entree 150 Thl.
eine Gräfliche 100 und die von Adel 50 zur
Ordinar-Pension aber die Fürstl. 600 Thl. die
Gräfliche 500 Thl. und die Adlichen 300 Thl.
jährlich zu geben hätten. |
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3. |
Die Wienerische Fürsten
und Ritter-Schule ist nicht weniger berühmt.
Ausser dem jungen Hof-Adel, welcher am
damahls
Kayserl. Hofe in allen gewöhnlichen
Ritter-Exercitien, fleißig geübet ward, war man
auch ehedem in Österreich zu den Zeiten
Leopolds des 1sten darauf bedacht, wie der hohe
Land-Adel gleicher Gestalt möchte zu seinem
Stande gemäßen Qualitäten geschickt gemacht
werden, davon man die
Vortheile an |
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{Sp. 134} |
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denen eben damahls bey
Hofe vorgefallenen prächtigen
Hochzeit-Festivitäten nur allzudeutlich eingesehen hatte.
Man erkannte hierbey die
Nothwendigkeit einer
neu zu errichtenden Academie und zu dem
Orte
der sich dazu am besten schicken würde, ersahe
man Wien. |
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Herr Otto Ehrenreich, Graf von Traun und Abensberg,
Käyserl. Geh. Rath und Unter-Marschall der Nieder- Österreichischen Lande, war
damahls einer der ersten, welche solchen Anschlag aufs Tapet brachten, ein Herr,
der unter der Aufsicht seines ehemaligen und damahls verstorbenen Hofmeisters
und des berühmten Herrn Wagenseils, gewesenen Professoris zu Altorf, seine
jungen Jahre wohl angewendet, und durch unermüdeten Fleiß eine gar feine
Gelehrsamkeit
erlanget hatte. |
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Über diesem löblichen
Vorhaben von Aufrichtung einer Academie
rathschlageten die
Stände, wie sie die
Sache
leichter machen könnten. Sie erwogen beydes das
hohe Amt und seltenen
Eigenschafften, des Herrn
Grafen von Traun, und erklärten deswegen ihn
einmüthig in diesem Vorhaben zum Principal und
Director. Gedachter Herr Graf samt denen
löblichen Ständen, die nichts ohne Vorbewust Ihro
Kayserl. Majest. beschliessen wolten, entdeckten
ihren Entschluß schrifftlich und mündlich, und
baten allerunterthänig um allergnädigste
Bewilligung, welche ihnen auch, weil es ein
löbliches
Werck betraf, zu erhalten gar nicht
schwer ward. Solches verursachte bey ihnen eine
grosse Freude. Sie legten deswegen alsobald
Hand zum Wercke, und spareten weder Mühe
noch Unkosten, nur daß sie je eher je besser die
neue Academie zu Stande bringen möchten. |
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Sie erkaufften deswegen
erstlich ein grosses Haus in Wien, und aptirten
dasselbe zu aller
Bequemlichkeit aufs prächtigste.
Von aussen gaben sie dem Palais eine schöne
Fronte, und von innen zierten sie es mit
räumlichen Gemächern zur Wohnung der
Academisten. Sie verschafften auch sonst der
Academie allerhand Commoditäten und Vorzüge.
Unter andern legten sie einen schönen Lust-
Garten an von raren Gewächsen und Bäumen;
zierten denselben mit prächtigen Lust-Häusern,
angenehmen Spring-Brunnen und frischen Fisch-Weyhern. Vornehmlich aber, und welches der
gröste Zierrath war, machten sie bey der
Academie den Anfang zu einer statlichen
Bibliotheck von curiösen
Büchern. |
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Darnach gieng derer
Herren Stände vornehmste Sorge dahin, wie sie
nöthige Professores und Exercitien-Meister
bestellen wolten. Zu diesen Ämtern, daran so
vieles gelegen, liessen sie Ihnen qualificirte Leute
recommendiren. Und damit solche auch ihren
Unterhalt hätten, versahe sie der Herr Director
Graf von Traun im Nahmen der sämtlichen Stände
mit reichlichen Pensionen. Sie regulirten, was
eigentlich von Lectionen und Exercitien und zu
welcher
Zeit sie am meisten solten getrieben
werden, ja sie versahen endlich die Academie mit
löblichen
Gesetzen und
Statuten. |
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{Sp. 135|S. 81} |
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tens war noch übrig die
Unterhaltung der Academisten. Vermöge des
ratificirten Schlusses solten sich vornehmlich
derselben die Österreichische Adliche Jugend, wie
auch höhere Standes-Personen zu erfreuen
haben. Ein jeder, der von diesen ein Glied der
Academie seyn wolte, solte jährlich 300 Gulden
Kostgeld zahlen, und davor ein gutes Tractement
und Information zu geniessen haben. |
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Über den besagten
löblichen Anfang und Fortgang dieser
Wienerischen Ritter-Schule zogen die Herren
Österreichischen Stände den berühmten
Wagenseil zu Rathe. Durch seine so fruchtbarlich
ausgeschlagene
Auferziehung verschiedner
junger Grafen und Herren hatte er bisanher seine
Erfahrung von der Privat- und öffentlichen Schul-Information vortrefflich bestätiget. Um das Jahr
1691 hatte er in Wien die
Ehre, daß er mit etlichen
hohen Kayserlichen Ministern an der Tafel
speisete. Unter andern vorfallenden Gesprächen
klagte einer über einen Hochadlichen Jüngling,
dessen Curator er wäre, daß derselbe dem
Soldaten Leben gäntzlich nachhienge, denen
Studien im Gegentheil absagete. Hier erblickte
Herr Wagenseil den Jüngling, und sagte seinm
Nachbar an der Taffel ins Ohr: Ey, das ist ein
feines Subjectum! und ich weiß eine
Kunst,
dadurch er wohl gelehrt werden könnte. Hierüber
lachte sein Nachbar, und wiederholte des Herrn
Wagenseils Anerbieten der hohen Tisch-
Gesellschafften. Etliche nahmen die
Worte vor
bekannt an, in Erwegung, daß Wagenseil wohl
eher aus einem krummen Holtze einen Mercurium
geschnitzet hätte. |
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Solches bewog den Herrn
Wagenseil zur Explication seiner Worte; Erstlich
daß er einen sechsjährigen Knaben binnen 8
Wochen wolte lesen lernen. Darnach daß ein
Jüngling zum Kriege gleichsam gebohren,
dennoch in freyen Künsten, in der Medicin, in der
Theologie bessere Profectus thun solte als einer,
der lebenslang studirte. Demselben aber
recommendirte er beständigen Vorsatz, daß er
nichts lernen, und die Gelehrsamkeit hassen
wolte: massen so bald er dieselbe
liebte, und mit
Lust studirte, müste er aufhören, weil es sonst
darum geschehen wäre. |
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Ferner fragten die
anwesenden Herren, wie man mit einem
Jünglinge verfahren müste, welcher der Jägerey
und Desbauchen obläge? Herr Wagenseil meynte,
man könnte ihnen wie denen andern die
Gelehrsamkeit beybringen, wenn sie nur von
Natur nicht Tummheit und Albernheit begleitete.
Bestunde demnach seine Kunst in des
Quintilianus Expression: Imbecilis ingeniis sic est
obsequendum, ut tantum in id, quo vocat natura,
ducantur. |
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Eine solche Informations-Methode würde aber vieles kosten, wendeten die
Herren ein. Herr Wagenseil bekräfftigte solches,
angesehen viele vortreffliche Präceptoren und
wohlerfahrne Leute darzu erfordert würden. Wie
nun diese Sorge Herr Wagenseil andern anheim
stellte: also betraurete er desto mehr vieler
Jungen von Adel Unachtsamkeit. Et- |
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{Sp. 136} |
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liche verstünden nicht die
freyen Künste, und trügen Abscheu. Etliche
hielten sich auf ihren
Landgütern auf, und daran
hätten die Eltern schuld, als welche ihre
Söhne
weder in die öffentlichen
Schulen noch auf
Universitäten schickten. Etliche Eltern bestellten
über ihre Söhne grobe und ungelehrte Hofmeister,
die nichts verstünden und prästiren könten. Anbey
wünschte er, daß er solches wie in dieser hohen
Versammlung, so dann in Gegenwart aller
Edelleute erwehnen dürffte. |
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Sobald Herr Wagenseil
seinen Discurs abkürtzte,
sprach der Höchste in
der Compagnie: Ihr Herren, warlich! wir haben
heute den Mann gefunden, welcher den
Lapidem
philosophicum hat. Hierauf fragte er den Herren
Wagenseil; ob ihm noch eine Methode bekannt
wäre, da man ohne Mühe und Unkosten fein
leichte und anmuthig der Jugend die nützlichen
Dinge beybringen könnte? Der Herr Wagenseil
war so gleich bereit, und prieß eine Methode an,
damit man gleichsam, wie mit einem Trichter
Jungen und Erwachsenen, Edlen und Unedlen,
Hohen und Niedrigen einige
Wissenschafft in
Göttlichen und
weltlichen Dingen eingiessen
könnte. Nehmlich er stellte den Weg vor, welchen
die Natur selbst zeiget, mit Gemählden und
Sinnbildern. Man möchte auch alle Stände und
alle
Alter der
Menschen durchsehen, so würde
man befinden, daß die meisten die Bilder
hochachten, und gerne besehen und ihre
Bedeutung wissen wollen. Eben aus dem
Fundament, solte es ein bequemes Mittel seyn zu
desto leichterer Beybringung geist- und weltlicher
Dinge. Damit niemand hieran zweiffeln möchte,
beruffte er sich auf die würcklichen Proben. |
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Erstlich führte er zum
Exempel an Bartholomäi Lenderin Nürnbergische
kleine Kinder-Biebel, darinnen die Historien Altes
und Neues Testaments in Bildern vorgestellet
werden. Und so könnten Junge und Alte in der
Biebel unerfahrne die Biblischen Historien ohne
Mühe lernen, insonderheit wenn noch darzu die
Figuren vor das Auge erfrischet und illuminiret
würden. |
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Darnach könnten sie
gleichen Unterricht aus Ludwig Gottfrieds Historischer Chronick schöpfen. In derselben
werden ebenmäßig die vornehmsten
Merckwürdigkeiten vom Anfang der
Welt bis zu
Anfang des XVI Jahrhunderts nicht allein mit
Worten erzehlet, sondern auch mit den schönsten
Kupferstichen ausgezieret. Dem Vorgeben nach
verliebte sich die Königin Christina in Schweden
dermassen in diese Kupffer-Bilder, daß sie
derselbigen Original-Blatten an sich erhandelte,
und vergulden ließ. Wenn nun die Jungen mit den
Alten dieses Buch mit Sinnbildern durchblätterten,
und fein öffters beschaueten, würden sie
ohnfehlbar die curiösen Geschichte spielend
lernen, und alsdenn bey Gastmahlen und andern
solennen Assambleen erbaulich discuriren
können. |
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Diese beyden Bücher
legte der Wagenseil zum Fundament seines |
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{Sp. 137|S. 82} |
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Trichters. Er konnte auch
seinen Discurs desto besser rechtfertigen, weil er
bereits den
Effect dessen in verschiedenen
Proben empfunden hatte, so wohl in der
Information derer Vettern des
Königs in
Schweden, als an andern Untergebenen, und am
meisten an seinen eigenen
Kindern. |
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Einem und andern
anwesenden hohen Gaste erweckte er solchen
Appetit nach seiner vorgeschlagene Methode, daß
er augenblicklich resolvirte, wie er seinen jungen
Herrn nach derselben wolte informiren lassen.
Nachgehends bey seiner Gesandtschafft im Haag
prieß er das Vorhaben Herrn Wagenseils an dem
Hochgelehrten Hn. Gisberto Cupero, und machte
davon grosses Wunder. Und gewißlich, es wäre
eine erwünschte Sache, nicht nur vor
Teutschland
und Österreich, sondern vor alle Nationen
gewesen. Von Stund an der gezeigten Methode
mangelte es nicht an der Anleitung zu der
verlangten Bewerckstelligung. Wie weit aber Hr.
Wagenseil in der Ausarbeitung des verheissenen
Trichters gekommen, haben wir nicht zuverläßig
erfahren. Inzwischen siehet man doch hieraus,
daß sich damahls die Herren Stände von
Österreich alle Mühe gegeben, ihre angelegte
Ritter-Academie mit wohl qualificirten
Lehrmeistern zu versorgen. |
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