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Quellenangaben |
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Stand, |
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Zustand,
- Stand der
Menschen, oder
Personen,
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Lat.
- Status,
- Ordo,
- Status hominum,
- Status personarum,
- und Ordo politicus,
-
Frantz.
- Ital. Stato,
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ist eigentlich nichts
anders, als die Beschaffenheit eines
Menschen, wodurch er von andern
unterschieden wird, und also auch, in Ansehung dieses
Unterschiedes nicht alle
und jede durchgängig einerley
Rechte, sondern einer viel mehr immer andere, als
ein anderer, zu genüssen haben. |
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Einteilung: Thomasius |
Die Stände, in welchen sich die Menschen befinden sind unterschiedlich.
Thomasius in jurisprudentia divina, Lib. I. c. 2. §. 50.
sqq. theilet den Stand
des
Menschen in einen natürlichen und bestialischen. Jener sey die
Beschaffenheit, die allen Menschen gemein, so ferne sie auch nach dem
Fall
dieses vor den Bestien besonders hätten, daß sie
vernünfftig nachdencken, den
obersten
Gesetz-Geber
erkennen, und ihr äusserliches
Thun und Lassen nach seinen
Geboten einrichten könnten, und werden entgegen gesetzet entweder dem
Leben und
Zustande der unvernünfftigen Thiere; oder dem
Leben der Menschen, welche diesen
Zustand misbrauchten, und dem Eingeben ihrer
verderbten Vernunfft in allem
folgten. |
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Auf solche Weise ist der natürliche Stand so viel, als die
menschliche
Natur, dessen Betrachtung deswegen nöthig ist, damit man daraus die natürlichen
Gesetze leite. Solchen theilet Thomasius wieder in einen
natürlichen und
gesellschafftlichen. Jener sey in diesem Gegensätze die Beschaffenheit der
Menschen, so ferne sie vor sich allein in der Einsamkeit ohne anderer Hülffe
sich befänden, dergleichen stand nicht nur seyn könnte, wenn z.E. jemand bey
einem Schiffbruche auf eine wüste Insel käme; sondern auch würcklich wäre, wie
man an den
Kindern, welche die
Eltern hinlegen, sähe. |
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Der gesellschafftliche Stand hingegen sey, wenn die
Menschen in
Gesellschafft leben, und sich anderer Beystands bedienten. Dieser sey wieder
entweder ein natürlicher oder ein bürgerlicher. In diesem Gegensätze sey der
natürliche Stand die Beschaffenheit der Menschen, wenn sie zusammen in einer
allgemeinen Gesellschafft lebten, und keiner
Obrigkeitlichen Gewalt, oder
Herrschafft
unterworffen wären; der Bürgerliche aber, wenn sie sich in einer
bürgerlichen Gesellschafft befänden. |
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Endlich wäre der bürgerliche auch entweder ein natürlicher, so die
Beschaffenheit sey, die ein
Mensch von
Natur ohne Zuthun eines andern Menschen
habe, daß er z.E. eine
Mannsperson, ein
Kind sey; oder ein |
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{Sp. 1094} |
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eingeführter, den ein Mensch aus menschlichen
Verordnungen erlanget habe,
wenn er z.E. ein Bürgermeister, ein
Edelmann, ein
Bauer sey. |
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Pufendorff |
Pufendorff in jure … hat die
Sache etwas anders eingerichtet. Denn er
theilet den Stand des Menschen in einen natürlichen und eingeführten, oder
statum adventium; der natürliche könne auf dreyfache Art betrachtet werden, so
ferne er entweder dem bestialischen, oder gesellschafftlichen, oder dem
bürgerlichen entgehen stehe, auf eben die Art, wie vorher aus dem Herrn Thomasio
angeführet worden. |
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So kan auch der natürliche Stand noch in zweyerley Betrachtung kommen,
entweder, wie man sich denselben vorstellet, und einbildet, daß es seyn
könnte, welches gar wohl angehet, weil man dabey nichts falsches vor wahr
ausgiebet; sondern man stellet die Sache zur Erläuterung dar, über welchen Punct
zwischen Pufendorffen und seinen Gegnern
disputiret worden, davon man die
erid.
Scandic. … lesen kan; oder wie der natürliche Stand in der That vorhanden. |
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natürliche Rechts-Gelehrsamkeit |
In der
natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit, darinnen diese
Materie sonderlich
abgehandelt wird, pfleget man mehrentheils den natürlichen Stand in zweyerley
Absicht zu nehmen: Einmahl, so ferne er überhaupt dem eingeführten entgegen
gesetzet wird, und denn soferne er von dem bürgerlichen insonderheit
unterschieden, welches der eigentlich natürliche Stand ist, der würcklich
vorhanden, und der noch mehr, als die erste
Art verstanden wird, wenn man dessen
in der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit gedencket. |
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In solchem zu Stande Leben heutiges Tages alle
Völcker, wenn man sie gegen
einander betrachtet, und souveraine Häupter. Man nennet ihn auch den Stand der
natürlichen
Freyheit, indem die Menschen von
Natur einander gleich sind, daß
keiner dem andern was zu
befehlen. Doch ist hierinnen dieser Unterscheid, daß
einige gantz und gar von aller
Herrschafft; etliche aber nur von der
Bürgerlichen frey sind, ob sie wohl unter dem Haus-Regimente stehen. |
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Pufendorff de officio … erzehlet die Beschwerlichkeiten, welche diesen Stand
begleiten, und weswegen ihm der bürgerliche Stand vorzuziehen sey; es erinnert
aber Treuer in den notis p. 358 wieder ihn, daß solche Beschwerlichkeiten nicht
so wohl von dem Stande selbst und dessen Beschaffenheit, als vielmehr von den
Umständen der
Menschen herkämen, weswegen er hier dem Hobbesio so sehr gefolget. |
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Der eingeführte Stand wird dem natürlichen in so weit entgegen gesetzet, daß
die Menschen nicht durch die
Natur,
sondern durch einen getroffenen Vergleich darein gesetzet worden. Er begreifft |
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Was zwar den
Eltern-Stand betrifft, so wird
er nicht durch einen Vergleich zwischen Eltern und
Kindern aufgerichtet, indem
die
Kinder nicht einwilligen können; so ferne aber der
Ehestand nicht blos auf
die Zeugung der Kinder, sondern auch auf die Fortpflantzung des menschlichen
Geschlechtes gehet, welche ohne die
Erziehung nicht geschehen kan, so willigen
die Eheleu- |
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{Sp. 1095|S. 561} |
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te, wenn sie den Vergleich des Ehestandes treffen, zugleich darein.
Wenigstens kan man aus diesem
Grunde gar wohl die Schuldigkeit der Eltern, die
Kinder zu erziehen, leiten. Andere
sagen, daß diese besonderen
Gesellschafften,
daraus der Unterscheid dieser Stände entstehe, entweder auf Vergleiche, oder das
natürliche Gesetze beruheten. |
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Wir können auch mit einigen den Stand des Menschen in den natürlichen und
moralischen theilen. Denn die Thiere und leblose Geschöpffe haben nicht mehr als
einerley
Kräffte nehmlich diejenigen so ihnen
GOtt und die
Natur gegeben: Die
Menschen aber haben über diese sich noch eigene Moral-Kräffte durch die Pacte
und Verträge gemacht, welche
Rechte und Schuldigkeiten heissen. |
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Ob nun zwar wohl leicht zu erweisen wäre, daß alle Rechte derer
Menschen, so
sie gegen einander haben, aus einem Mangel gewisser
Kräffte, so
GOtt dem andern
gegeben, und alle Schuldigkeiten aus dem Überfluß sothaner Kräffte, herkommen,
einfolglich die Menschen nicht scheinen
Ursache zu haben, sich unter einander zu
solchen Schuldigkeiten zu verbinden; so weiß man doch wohl die Verderbniß des
menschlichen Hertzens, welches immer lieber überflüßige Kräffte haben, als
Gottgefälliger massen seinem Nächsten damit dienen will. |
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So ist demnach der Zustand derer
Menschen zweyerley, ein natürlicher, und
ein moralischer. Jener gründet sich auf die natürlichen; dieser auf die
Moral-Kräffte des Menschen. Jedoch ist jener der
Grund von diesem. |
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Man handelt von den Ständen so wohl in der
natürlichen Rechts Gelehrsamkeit,
als auch in der Politic, wiewohl in ungleicher Absicht. Denn dort nimmt man die
Stände vor sich, um den
Grund und die
Ordnung der
Pflichten und
Rechten, die den
Menschen zukommen, zu zeigen; hier aber dienet die
Erkänntniß der
unterschiedenen Stände, darinnen die Menschen stehen, damit man ihre
Kräffte und
Schwäche
erkenne. |
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Denn darnach kan man auch die Mittel nehmen und beurtheilen, die man zur
Erlangung eines
Zweckes nöthig hat. Bey Betrachtung solcher verschiedenen Stände
kan man folgendes mercken: |
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1) |
Muß man die Fehler der
Personen, die in einem Stande leben, nicht dem
Stande selber zuschreiben, gleich wie man auch Mängel des Standes hat, davor
die Personen nichts können, z.E. die
Monarchie ist ein Zustand der
Republick, und ist an sich eine gute
Regierungs-Art; wenn aber
Monarchen
darinnen tyrannisch sind, so ist nicht der Stand selber, sondern das
böse
Gemüthe des Menschen daran schuld. In der Aristocratie konnten nicht
allezeit die besten Rathschläge ergriffen werden, welches man dem Stande
selber beymessen muß. |
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2) |
Wenn man von der
Nothwendigkeit der Stände urtheilen will,
so muß man davon mit Unterscheid
reden, und die Beschaffenheit
der Menschen nach dem
Falle nicht aus den Augen setzen. Wären
wir nicht gefallen und in der Unschuld geblieben, so hätte man
alle die Stände nicht gehabt, die als Mittel wieder die
menschliche Unwissenheit, Bosheit und andere Schwachheiten
eingeführet worden. Es ist eine Thorheit, wenn man sich im
Paradiese Republicken, und in den selbigen Uni- |
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{Sp. 1096} |
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versitäten einbilden, oder einen
Herren-Stand vorstellen wollte. Nach dem Falle kan die
Nothwendigkeit der Stände auf zweyerley Art betrachtet werden. |
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Denn entweder nimmt man das
Wort nothwendig, so, daß ohne einem
Stand das menschliche
Geschlechte gar nicht bestehen kan, in
welchem
Verstande ausser dem
Ehe-Stande, und dem Stande der
Eltern und
Kinder, die andern dürfften wegfallen, indem, wenn
man gleich keine Republicken hätte, so würden doch endlich
Menschen auf der
Welt bleiben; oder es beziehet sich die
Nothwendigkeit zugleich auf die Glückseeligkeit, darinnen die
Menschen nach der Göttlichen Absicht leben sollen, da denn viele
Stände nöthig sind. Es war daher eine Einfalt von dem
Thoma Münster und seinem Anabaptistischen Anhange, wenn
er, den Stand der
Obrigkeit aufzuheben, sich erkühnete: |
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3) |
Obwohl ein jeder nothwendiger Stand nützlich; So können doch
nützliche Stände seyn, die eben nicht nothwendig, und das sind
alle diejenigen, welche keinen
unrechtmäßigen oder eitlen
Zweck
haben. Denn sie haben ihre
Kräffte, wodurch man sie brauchen,
und dadurch die
Bequemlichkeit des menschlichen Lebens
befördern kan. |
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Solchen
Unterscheid
muß ein
Politicus lernen. |
Man lese
- Jacobi Thomasii
disput. de statu naturali et legali;
- Pufendorff
in dissert. academic.
pap. 458.
- Hochstetter in disputat. de statu naturali
- nebst den
Auslegern des
Pufendorffs über die oben angeführten Stellen und andern
Scribenten der
natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit;
- in Ansehung der Politic aber
- Hertium in element. prudent. civil. Part. I. …
-
Buddeum in element.
phil. practicae. part. …
- Rüdiger in der Klugheit zu leben und zu herrschen.
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Es muß demnach ein der Staats Klugheit Beflissener keinen Eckel haben, des
Zustandes derer Leute sich zu erkundigen, auch derer schlechten und geringen.
Denn seine Absichten zu befördern, braucht man nicht allein die
Kräffte des
Geldes und der
Macht, sondern auch des
Verstandes, des
Willens, ja der
Gesundheit und
Leibes Stärcke derer Menschen. Diese Haupt-Arten derer Kräffte
begreiffen viel hundert andere Arten unter sich: Und manche Angelegenheit ist so
wichtig und mit so viel Behutsamkeit zu tractiren, daß sie kaum durch eine, oder
die andere, Art solcher Kräffte erhalten werden kan. |
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Die
Erkänntniß solcher Kräffte ist manchmahl nur leicht; bisweilen aber
gehöret ein grosser Nachdruck von
Geschicklichkeit darzu, sie recht zu erkennen,
entweder weil die
Menschen einige
Kräffte, als die Kräffte eines boßhafftigen
Willens, verbergen; oder weil besagte Kräffte in besonderer Geschicklichkeit
bestehen, welche man nicht anders, als wenn man gleiche Geschicklichkeit
besitzet, erkennen kan. Darum muß ein Politicus ein Kenner der
Menschen und
ihrer Kräffte seyn. Und weil alle
Wissenschafften, bis auf die
Handwercker, in
solchen brauchbaren Kräfften bestehen; so muß er von allen Wissenschafften,
Künsten, und
Handwercken, eine feine Nachricht haben, damit er nicht von weitem
herhole, was er schon in Händen hat, und ihm vor Augen lieget, oder das Glas
fremder Länder mit denen Diamanten des
Vaterlandes vertausche. |
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Bey solchen Um- |
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{Sp. 1097|S. 562} |
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ständen wäre es wohl der Mühe werth, ein Historisch und Politisch
Buch von
denen unterschiedenen Zuständen derer Menschen zu
schreiben. Zwar hat der
bekannte Italiener Thomas Garzon in seinem Place de toutes
professions du monde, und nach dessen Einrichtung Weigel
im General-Schau-Platz aller Künste, diese Absicht einiger massen gehabt. Es ist
aber immer mehr Historisches, als Politisches dabey zu befinden. Scipio
Claramontius hat in seinem berühmten
Buche de Conjectandis moribus,
et latitantibus animi affectionibus, in Ansehen derjenigen
Kräffte, die in
denen menschlichen Neigungen bestehen, gar was feines gezeiget. Und weil zur
Erkänntniß des Zustandes nicht allein die
Wissenschafft derer Kräffte, sondern
auch des Unvermögens gehöret; so mag man, wer es zu beurtheilen fähig ist, auch
wohl des Heinrichs Cornelius Agrippa Buch, de vanitate
scientiarum lesen. |
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Weil nun alle
Moral-Kräffte die natürlichen, welche
unmittelbar von
GOtt
sind, zum
Grunde haben; so kan man zwar
sagen, dass alle Stände von GOtt sind.
Man muß es aber nicht also meynen, als ob sie ohnmittelbar von GOtt wären, wie
ein berühmter Theologus in seiner Pansophia Mosaica meynet, das
Schneider-Handwerck z.E. sey von GOTT, weil er zu erst Adam und Even Röcke
gemacht. Denn dieses sind etwas zu rohe und zu liederlichem Schertz Anlaß
gebende
Gedancken. |
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