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Man hat von dem beruffenen Antonio Collino einen Discours
sur la liberte de penser, wovon folgende Nachricht kan gegeben werden:
Es kam dieser 1713. zu Londen in Englischer Sprache heraus, worauf er 1714.
Frantzösisch, und zum anderen mahl 1717. zu Amsterdam
gedruckt worden. Er
bestehet aus dreyen Abtheilungen. |
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In der ersten wird die
Freyheit zu
raisoniren beschrieben, daß sie ein
zugelassener Gebrauch des
Verstandes sey, welcher sich bemühe, durch Überlegung
der
Gründe, womit man einen Satz unterstütze, oder über einen Hauffen werffe,
den rechten
Verstand derselben zu entdecken, damit man nach der Wichtigkeit und
Stärcke dieser Gründe sein
Urtheil aufsetzen könne. |
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Nach dem er die Wichtigkeit und
Nothwendigkeit dieser
Freyheit und deren
Gebrauchs angezeiget, indem sonst allerhand absurde
Meynungen sich einschleichen
müsten, so
sagt er unter andern, es könne den
Sinnen nichts mehr, als die Lehre
der Papisten und Lutheraner vom Heiligen Abendmahle zuwieder seyn, da sich jene
einbildeten, daß sich das Brod in den
Leib, unterweilen in das Blut Christi
verwandele; diese aber ihren Anhängern vorsagten, daß der Leib und das Blut
Christi unter dem Brod und Wein verborgen. Es könne dadurch die
Macht des
Teuffels unvergleichlich besser zerstöhret werden, als durch alle Exorcismos,
grosse Anzahl von Predigten, und andern dergleichen Mitteln. |
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Man sahe solches offenbar in den Vereinigten Niederlanden, wo man niemahls
hörte, daß der Teuffel, als ein schwartzer
Mann, oder als ein Todten-Gerippe,
oder als ein Kater, oder unter einer andern
Gestalt erschienen. In Engelland
hingegen, wo die Freyheit nicht im Schwang, sey es schon weit anders, und höre
man immer über die Menge der Hexen und Hexenmeister klagen, da doch die
Macht
des Teuffels theils eine Betrügerey, theils eine Leichtgläubigkeit zum
Grunde
habe, und die
Bestraffung der Hexen eine rechte Mordthat, die vermeynten
Conqueten lauter Chimären. |
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In der andern Abtheilung wird dargethan, das man nicht allein befugt, frey
zu raisonniren, sondern auch darzu
verbunden sey, und zwar auch bey solchen
Materien, die von der Natur und Eigenschafften
GOttes, von der |
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{Sp. 2009|S. 1018} |
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Wahrheit und Autorität der
Schrifft, wie auch deren
rechtmäßigen Erklärungen
handeln. |
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In der dritten werden die Einwürffe, die man wieder die
Freyheit
zu
gedencken fürbringen könnte, mit ihrer Beantwortung angeführet. Wenn unter
andern dürffte eingewendet werden, man könnte durch dergleichen Freyheit zu
raisoniren leicht in eine
Atheisterey verfallen; so antwortet er, es stünde noch
dahin, ob es speculativische
Atheisten gäbe, und gesetzt, es finden sich solche
Ungeheure, so müste es ein recht thörichter
Mensch seyn, der die
Existentz
GOttes leugnen wolte, und wenn auch solche Freyheit Atheisten machen solte, so
würde doch der Mangel derselben unzählich mehr abergläubische und fanatische
herfür bringen, welche wohl in einer
Republick mehr schaden, als Atheisten
anstiffteten. |
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Diejenigen, die seiner
Meynung nach sich ihrer Freyheit zu raisoniren
bedienet, sollen folgende seyn: Socrates, Plato, Aristoteles, Epicurus,
Plutarchus, Varro, Cato, Cicero, Cato Uticensis, Seneca, Salomo, die Propheten,
Josephus, der Historien-Schreiber, Origenes, Minutius Felix, Sonesius, Baco de
Verulamio, Hobbesius, Tillotson. |
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Diese
Schrifft machte gleich in Engelland groß Aufsehens, und hatte man bald
mehr, denn zwantzig Antworten darauf, zugeschweigen, wie man fast in allen
Predigten auch bey den grösten
Solennitäten von nichts, als diesem
Buche hörte.
Worunter insonderheit Samuel Pycroft brevem disquisitonem
de libertate philosophandi ..., Cambridge 1713 und Richart Bentley
unter den
Nahmen Phileleutheri Lipsiensis, in zwey Theilen,
animadversiones in nuperum discursum de cogitandi libertate, Londen
1713
geschrieben haben, von welcher letztern Schrifft die
Acta Eruditorum 1714 ... und 1715 ... zu lesen, denen vor
einigen Crousatz gefolget, und examen du traité de la
liberté de penses herausgegeben, Amsterdam 1718. und von den
Deutschen
haben wider ihn geschrieben |
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-
Buddeus
in commentatione de
libertate cogitandi,
- Koch in disquisitione
philosophica ..., beyde zu Helmstädt 1714,
- Pfaff in
diss. prior. ...
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Anfangs dachte man, der beruffene Toland
sey Urheber dieses Buchs, es fande sich aber, daß nicht er, sondern ein guter
Freund von ihm, Antonius Collinus, dem er den
adeisidaemonem zugeschrieben hat, dasselbige aufgesetzet. |
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Aus dem gantzen
Wercke siehet man gar leicht, daß er nicht die wahre, und
nach dem
Willen GOttes eingerichtete Freyheit zu gedencken, nicht
libertatem, sondern licentiam cogitandi habe vortragen, und die
Geistlichen, sonderlich in Engelland aus einem gehäßigen
Gemüthe durchziehen
wollen. |
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Die
Materie, wovon er geschrieben, ist vortrefflich, und
verdienet auch eine
besondere Ausführung;
sagt auch hin und wieder viele
Wahrheiten, und macht
manche gute Anmerckungen; Die Haupt-Sache aber, und sein eigentliches Absehen
nutzen nichts, welches man gleich aus der angegebenen Definition von der
Freyheit
zu gedencken siehet; Er
sagt: Sie sey |
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{Sp. 2010} |
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ein zugelassener Gebrauch seines Verstandes, welcher bemühet sey,
durch Überlegung derer Gründe, womit man eine Proposition unterstütze, oder
übern Hauffen werffe, den rechten Verstand derselben zu entdecken, damit man
nach der Wichtigkeit und Stärcke dieser Gründe sein Urtheil abfassen könne.
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Bey dieser Beschreibung, worauf die gantze Abhandlung beruhet, ist
unterschiedenes zu erinnern. Denn zu geschweigen, daß sie ziemlich dunckel
abgefasset, so gedencket er nicht der Grentzen, wieweit sich diese
Freyheit
erstrecke, welche doch nicht unendlich hinaus gehen kan, so wider die
Natur des
Verstandes; und indem er
sagt, es sey ein zugelassener Gebrauch des Verstandes,
und damit einräumet, daß diese Zulassung und
Freyheit von dem Urheber desselben,
oder von
GOtt dependiret, so hätte er die Göttliche Absicht, warum wir unsern
Verstand haben berühren, und daraus noch einen
Grund von den Grentzen zu
gedencken,
erkennen können. |
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GOtt hat uns freylich verstattet, unsern Verstand zu gebrauchen, indem er
nicht nur seinet, sondern um unsertwegen ist, aber nicht, wie wir nach unsern
Gefallen wollen; sondern wie es die Absicht nach der Göttlichen Weisheit mit
sich bringet. Es ist ein Unterscheid unter der Freyheit an sich selbst zu
gedencken, und unter dem
rechtmäßigen Gebrauch desselbigen, und weil die
Gedancken ihren gewissen
Endzweck haben sollen, so folgt noch nicht, daß das man
gedencken könne, sey auch recht zu gedencken. |
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Vors andere giebt er in der Definition weniger an, als es seyn solte, wenn
er meynet, man müsse die
Beweis
Gründe von beyden Seiten vorher wohl prüfen, ehe
man ein
Urthel abfasse. Denn wir haben unterschiedene
Arten der Gedancken, als
des Gedächtnisses, Ingenii und Judicii, welche letztere Fähigkeit vornehmlich
mit den Gedancken der
Wahrheit zu thun hat. Gedencken wir durch das Judicium und
Meditiren, so muß man alle Zeit den Unterschied unter der Wahrscheinlichkeit und
der gantz gewissen Wahrheit vor Augen haben, und sehen, ob man eine Wahrheit
erfinden, es sey in einem
Urthel, oder Vernunfft
Schluß; oder prüfen wolle. |
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Wenn man Collini Definition genau betrachtet, so siehet
man, wie er hier das Dencken nur blos in Zweiffeln setzet und kommet da hinaus,
man müsse an allen zweiffeln: Es können alle Menschen, fährt er
fort, sich das Recht frey zu
raisoniren anmassen, weil allen das Recht,
die Wahrheit zu erkennen, zukomme, welches insoweit richtig, wenn man
nur die eingeschränckte
Freyheit
verstehet, daß sie es nach der Beschaffenheit
ihres Verstandes thun könnten und nach der Absicht
GOttes thun sollen. |
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Er
sagt weiter: Dieser freye Gebrauch seiner Gedancken ist das
eintzige Mittel, sich in freyen Künsten und Wissenschafften vollkommen zu
machen, und wer solches verlasse, gerathe auf einen Weg, dadurch er zu allerhand
Absurditäten verführet werde, wovon uns ein Exempel nicht allein die ersten
Christen und die Heyden, sondern auch diejenigen geben, welche den Conciliis
eine Unbetrüglichkeit, den Pfaffen die Macht seelig zu machen, |
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{Sp. 2011|S. 1019} |
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und zu verdammen, zuschreiben; die da nöthig erachten, die Heiligen,
die Bilder und die Reliquien anzubeten, die es vor eine Ketzerey halten, wenn
man Antipodes glaube, die den Galiläum ins Gefängniß steckten, als er lehrte,
daß die Sonne stille stünde, und die Erde sich bewege. |
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Zur Erläuterung dieses Periodi dienet zum voraus, daß er hier auf Virgilium,
einen Bayerischen
Bischoff, zielet, welcher lehrte, daß es Antipodes gäbe,
weswegen er von Bonifacio bey dem Pabst Zacharia verklaget, und in die Rolle der
Ketzer gesetzet wurde. Denn man machte diesen schönen
Schluß, wo es Antipodes
giebt, so muß es auch Leute geben, die nicht von Adam herkommen, indem alle
Kinder Adams alle aufgerichtet, und mit erhabenen Haupte gehen, da hingegen die
Antipodes die Beine in die Höhe kehren, und den
Kopff niederhangend haben. Giebt
es nun Menschen, die nicht von Adam herstammen, so ist Christus nicht Erlöser
des gantzen menschlichen
Geschlechts, weil er nur diejenigen erlöset, die mit
Adam gefallen; wer aber
saget, daß Christus nicht ein Erlöser des gantzen
menschlichen Geschlechts, der ist ein Ketzer. |
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Mit dem Galiläo aber hat es diese Bewandniß. Er lehrte, daß die Sonne stille
stünde, und die
Erde sich um ihre Axe bewegte. Pabst Urbanus der Achte sahe
solches als eine Ketzerey an, und
befahl ihm diese
Meynung fahren zu lassen,
indem er aber dem ohngeachtet dabey bliebe, so kam er in die Inquisition, und
muste nach fünfjähriger Gefangenschafft selbige wiederruffen. |
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In Ansehung der
Sache selbst hätte Collinus die beyden Abwege bey der
Freyheit
zu gedencken berühren sollen, indem man nicht nur der Sache zuwenig,
sondern auch zuviel thun kan, und durch das letztere eben so grossen, ja wohl
noch grössern Schaden, als durch das erstere erregen kan. Allein er gedencket in
seinem gantzen
Buch kein
Wort von dem Mißbrauch dieser
Freyheit, und wie er den
Papisten ihre Sclaverey im Dencken hat fürwerffen können; also hätte er mit
leichter Mühe solche Exempel beyzubringen gehabt, welche ihrer Freyheit
gemißbrauchet, und indem er dieses nicht gethan, siehet man leicht, wo seine
Absicht hingehet. |
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Damit er dieses noch deutlicher mache, so vergleicht er solche mit der
Freyheit zu sehen und erdichtet diesen Casum: Gesetzt, es kämen einige
Personen auf die Gedancken, daß zur Erhaltung der Ruhe und der Republic höchst
nöthig, daß alle Leute von gewissen Objectis des Gesichts einerley Gedancken
hegten, gesetzt, sie machten folgende Glaubens-Artickel: ein Ball kan durch ein
Bret geworffen werden; aus einem kleinen Ball können zwey grosse entstehen; ein
Stein kan von sich selbst verschwinden, worauf man die Leute, solches zu glauben
zwingen wolte, und bestellte Personen, die um einen guten Gewinst solche Sachen
lehren und erklären müsten, so würde man alsbald sehen, daß diese Personen die
Glaubens-Artickel bereicherten, mit ihren Glossen und Erklärungen erläuterten,
den Leuten weiß machten, man müste seinen fleischlichen Augen nicht glauben;
sondern sein Gewissen zu be- |
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{Sp. 2012} |
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ruhigen, den Lehrenden einfältig trauen. |
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Wohin diese Vergleichung gehen soll, ist nicht schwer zu errathen. Denn er
will so viel
sagen, in
leiblichen Sachen wird sich kein
vernünfftiger
Mensch
etwas weiß machen lassen, welches wider den klaren Augenschein, und also wäre es
auch unvernünfftig, wenn man in Religions-Sachen Lehren fürtragen wolte, die
wider alle
Vernunfft, und meynt er, daß die Christliche Religion solche
unvernünfftige Lehren in sich fasse, indem er bald darauf
saget: es könnte den
Sinnen nichts mehr zuwider seyn, als die Lehre der Papisten und Lutheraner vom
Heiligen Abendmahl. |
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Allein darwider läst sich noch verschiedenes einwenden. Es ist wahr, daß wir
uns eine
Sache nicht anders fürstellen können, als wir sie äusserlich
empfinden,
und insonderheit sehen, indem die äusserlichen
Sinnen, wenn sich alles in einem
ordentlichen
Zustand befindet, uns nicht betrügen, und wird daher kein
vernünfftiger
Mensch, wenn er siehet, daß diese Wand weiß sey, beybringen
lassen, sie sey schwartz. Gleichwohl aber hat auch ein historischer Glaube
statt, daß wir die Erzehlungen ehrlicher Leute für wahr halten, bis das
Gegentheil erwiesen, wenn wir eine Sache gleich nicht mit unsern Augen sehen
können, z.E. niemand wird zweiffeln, daß Rom in der
Welt sey, wenn gleich die
wenigsten solchen
Ort gesehen. Eben so verhält sichs auch mit dem Sehen und
Erkennen unsers Verstandes. Denn haben wir ein Göttlich Zeugniß von einer Sache,
sagt
GOtt, Christus sey GOtt und Mensch, wir geniessen im Heiligen
Abendmahl wahrhafftig Christi Leib und Blut, so müssen wir sie für wahr
halten, wir mögen sie mit unsern Augen des Verstandes begreiffen können oder
nicht. |
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Gäbe Collinus zu, daß die
Heilige Schrift GOttes Wort sey, daß man den
wahren
Verstand derselben
erforschen könnte, daß
GOtt keine Wahrheiten wider,
wohl aber über die
Vernunfft, als ein unendliches und allmächtiges Wesen
offenbare, so würde er nicht so in Tag hineingeschrieben, und die
Freyheit
zu
gedencken, auch auf Geheimnisse extendiret haben. Doch dieses ist ihm niemahls
in
Sinn kommen. Denn scheint er gleich an einigen Orten das göttliche
Ansehen
H. Schrifft zuzulassen, so verwirfft er sie doch wieder an andern Stellen, und weiß
dagegen weiter nichts einzuwenden, als daß die Theologen unter einander uneins,
so dem Ansehen an sich selbst der H. Schrifft nichts benehmen kan. |
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Indem er keine Geheimnisse statuiret, so kan er auch nichts von dem
Unterscheid wider und über die
Vernunfft seyn, wissen, und fällt daher auf
solche Extremitäten, daß er die wichtigsten Glaubens-Artickel für ungereimte
Lehren ausgiebt. Das Gleichniß, welches er von dem leiblichen Auge brauchet, kan
wieder ihn selbst gerichtet werden. Denn wie ausser Streit demselbigen gewisse
Grentzen zu sehen fürgeschrieben sind, und zwar so wohl physice, daß der
Mensch
nicht mehr und nicht weiter, als das natürliche Vermögen zulässet, sehen kan;
als auch moraliter, daß er sie zum guten anwende, und brauche; so hat auch unser
innerliches Auge, der Verstand, seine gehörige Grentze. |
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Unter die Vortheile der
Freyheit
zu gedencken, setzet Col- |
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{Sp. 2013|S. 1020} |
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linus insonderheit, daß die Macht des Teuffels dadurch könne
unvergleichlich besser zerstöret werden, als durch alle Exorcismos, grosse
Anzahl der Predigten, und andere dergleichen Mitteln. Durch den rechten
und wahren Gebrauch dieser Freyheit kan in so weit dem Teuffel Abbruch
geschehen, daß der Aberglaube seinen Abschied nehmen muß, woferne man aber
selbige durch eine Freygeisterey mißbrauchet, sie allzuweit extendiret, Himmel
und Hölle unter die Vorurtheile der Pfaffen oben an setzet, und wie
Balthasar Bekker, die
Würckung des Satans auf
Erden gäntzlich leugnet,
so wird wahrhafftig sein
Reich nicht zerstöret, sondern vielmehr vermehret. |
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Es versichert
Bayle in der continuation des penseès
diverse sur les comètes ..., daß Bekker etlichemahl in
Gesellschafft diese
Worte von sich hören lassen: "Ich habe den gantzen Winter
über mir angelegen seyn lassen, wider die Gewalt, die man den Teuffel zueignet,
zu schreiben; hätte er die geringste Krafft, so würde er mich wohl darüber
verstöhret haben, allein weil ers nicht gethan, so habe daraus den Schluß
gemacht, daß seine Gewalt eine blosse Chimäre." Jedoch weil dem Teuffel an der
Sicherheit der
Menschen viel gelegen, so kan man mit bessern
Grund also
schliessen, weil der Teufel Bekkern gantz ruhig und ungestöret sein
Buch wieder
sich hat
schreiben lassen, so hat er ihn dadurch wollen sicher machen, und ihn
ehe in seine Stricke zu kriegen gesuchet. |
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In der andern Abtheilung will er darthun, daß man nicht allein wohl befugt
frey zu raisoniren, sondern, daß man auch darzu
verbunden sey, und zwar bey
solchen
Materien, die von der Natur und Eigenschafften Gottes, von der
Wahrheit
und Autorität der
Schrifft, wie auch deren
rechtmäßigen Erklärung handelen.
Sobald einem die
Freyheit
zu gedencken genommen werde, sobald werde auch die
Obligation aufgehoben, einem gewissen Systemati zu folgen, ja sobald werde dem
unanständigen Aberglauben Thür und Thor aufgemacht. |
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Es hatten aber insonderheit diejenigen eine grosse Obligation der Freyheit
im Urtheilen sich zu bedienen, welche eine göttliche Offenbahrung annehmen. Denn
indem sich viele einer göttlichen Offenbahrung rühmten, so müste man ja mit
gebührender
Freyheit untersuchen, welche wahrhafftig, und welche auf eine
Betrügerey hinaus lauffe, woraus auch sattsam erhelle, daß diejenigen Mißiones,
so die Engelländer vornehmen, die Heyden zu bekehren, nothwendig eine Freyheit
zu urtheilen von
geistlichen Sachen, zum
Grunde setzten, indem sonst die Heyden
nicht
erfahren könnten, ob ihre, oder der Mißionarien ihre Religion die beste
sey, und wer den gantzen
Endzweck des Evangelii ansähe, und die Art und Weise
betrachte, deren sich Christus und die Apostel in ihren Lehren bedienten, werde
sattsam
erkennen, wie sehr er verbunden, die Freyheit im Urtheilen zu brauchen,
ja endlich könne auch die Aufführung der
Geistlichen, und ihre unterschiedene
Meynung von Biblischen Sachen als eine sattsame Probe dieser Obligation
angesehen werden, wobey er Gelegenheit nimmt, vieles von den Streitigkeiten
unter den Theologen anzuführen. |
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Es wären welche unter ihnen, die gestünden, daß in der Christlichen |
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{Sp. 2014} |
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Kirche solche Lehren vorgetragen würden, die einander selbst entgegen, und
mit der
gesunden Vernunfft stritten, anbey nicht in Abrede wären, daß in der
Kirche viele Mißbräuche, Mängel und falsche Lehren anzutreffen, ingleichen
welche die Freydenckenden gleich in die Rolle der
Atheisten setzten, den Canonem
der
Heil. Schrifft selbst verdächtig machten, u.s.w. |
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Wer Collini Absicht nicht wüste, noch die erste Abtheilung gelesen, er solte
fast auf die Gedancken kommen, daß er hier einen
vernünfftigen Vortrag der
Sache
gethan. Allein erweget man seinen Concept von der
Freyheit
zu gedencken, und wie
er die Geheimnisse verwirfft, so wird man bald sehen, wo er mit diesen Discours
hinaus will. Es soll der
Mensch über alles, auch Religions-Dinge,
raisonniren,
und nicht annehmen, was er nicht begreiffen kan, und indem er die Geheimnisse
für solche Wahrheiten hält, die der
Vernunfft entgegen, selbige als ungereimte
und unvernünfftige Sachen verwerffen. |
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An sich selbst hat das seine Richtigkeit, daß man bey den Offenbahrungen
prüfen müsse, welche unter ihnen
göttliche, indem wir selbst in
Heiliger Schrifft vermahnet werden, die Propheten, die
Geister zu prüfen; es muß aber
dieses in gehörigen
Schrancken geschehen, und nothwendig voraus gesetzet werden,
daß darinnen göttliche und die Vernunfft übersteigende Wahrheiten enthalten. |
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Was er von den Theologischen Streitigkeiten anführet, zeiget wohl seinen
bittern Haß gegen dieselbigen sonderlich in Engelland;
beweiset aber in der That
nichts. Denn die Theologische Streitigkeiten, Irrungen und Spaltungen können an
und vor sich die Wahrheiten der Christlichen Religion nicht umstossen, und
rechtschaffene Theologen nehmen daran keinen Theil, dergleichen Unruhe gewiß
noch weit ehe zu besorgen wäre, wenn man allen Leuten eine solche
Freyheit, wie
sich Collinus in
Kopff gesetzet, verstatten wolte. Bey solchen Streitigkeiten
muß man prüfen; sind es aber Glaubens-Artickel, so darff sich das Prüfen,
Meditiren und Dencken nicht weiter als auf einen deutlichen und wahren
Verstand
der
Heiligen Schrifft erstrecken. |
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In der dritten Abtheilung, worin er die Einwürffe wider die Freyheit zu
gedencken beantworten will, giebt er nicht undeutlicher seine Absicht zu
verstehen, wenn er unter andern fürgiebt, es stünde noch dahin, ob man
speculativische
Atheisten habe, wenigstens sey der
Atheismus nicht so
schädlich,
als der Aberglaube, und daß er unter die Freydenckende auch den Salomo und die
Propheten setzet, und zwar jenen deswegen, weil er seiner
Meynung nach dem
Prediger-Buch Cap. I, 4 u.ff. fast auf eben die Art, wie
Manilius von der Ewigkeit der
Welt raisoniret, Cap. III, 18 u.
ff. die Unsterblichkeit der Seelen, Cap. VII, 14, Cap. IX, 5
u.ff. ihren künfftigen
Zustand geleugnet habe, dergleichen
Dinge aber dem Salomo
niemahls in Sinn kommen, und haben die Ausleger schon längstens den rechten
Verstand der angeführten Stellen gewiesen. |
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Die Propheten hält er deswegen für esprits forts, weil sie wieder
die damahls bey den Juden eingeführte Religion geprediget und geschrieben
hätten, und zwar auf eine solche Art, daß es schiene, wie sie selbige für blosse
Betrügereyen geachtet, auch der |
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{Sp. 2015|S. 1021} |
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Priester und falschen Propheten Laster frey entdecket, welches abermahl in
Tag hinein geschrieben ist. Denn die Propheten haben nicht die wahre Jüdische
Religion, wie sie
GOtt durch Mosen anordnen lassen, verworffen, sondern der
Juden ihre Aufführung, dabey sie alles auf das äusserliche ankommen liessen,
predigten auch wider das üble Verhalten der Priester und der falschen Propheten,
woraus aber noch nicht folget, daß man aus Haß alle und jede
Lehrer und Prediger
durchzuziehen habe, wie etwa Collinus intendiret. Es ist eine
grosse Verwegenheit und Gottlosigkeit, daß er dem Salomoni und denen Propheten
solche Heyden an die Seite setzet, welche durch das freye Dencken sich zwar von
dem Aberglauben loßgemachet, hingegen aber auf das andere Extremum, oder auf die
Atheisterey verfallen sind, und solche Leute will eben Collinus haben.¶ |
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