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Zedler: Alterthümer HIS-Data
5028-01-1566-6
Titel: Alterthümer
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 01 Sp. 1566
Jahr: 1732
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.01 S. 774
Vorheriger Artikel: Alters
Folgender Artikel: Alterton
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Alterthümer, sind solche Sachen, welche wegen Länge der Zeit viele Umstände entdecken, die damahls, da sie durch Kunst verfertiget worden, sind in Gebrauch gewesen.  
  Die Wissenschafft oder Lehre davon heißt Antiquaria, welche Benennung in weit und engern Verstande genommen werden kan. Nach dem letztern begreifft sie nur die Gebräuche der Alten in sich; nach dem ersten Verstande aber weit mehrers.  
  Sponius, der die gantze Wissenschafft Archaeographiam genennet, theilet sie in praefat. ad miscellan. erud. antiquit. in acht Stücke ein, als nehmlich in  
 
  • Numismatographiam;
  • Epigrammatographiam;
  • Architectonographiam;
  • Iconographiam;
  • Glyptographiam;
  • Toreumatographiam;
  • Bibliographiam;
  • und Angeiographiam.
 
  In dem geöffneten Ritter-Platz und zwar in dem Antiqvitäten-Zimmer ..., stehet gleichfalls eine Eintheilung, nach welcher die Antiquaria eingetheilet wird in  
 
  • Nummariam,
  • Lapidariam,
  • in das Rituale,
  • und in die Antiquariam mixtam.
 
  Antiquaria nummaria oder wie Sponius nennet, Numismatographia, Deutsch: das Müntz-Wesen der Alten zu erkennen, ist zwar eine Sache die in der Historie und Philologie einen Nutzen hat; aber viel Zeit, Geld und Gedult erfordert, wovon ein besonderer Titul von der Müntz-Wissenschafft unten nachgesehen werden darff; Antiquaria lapidaria ist diejenige Wissenschafft, vermögen welcher man die in Steinen oder Metallen gegrabne Schrifften aufhebet, erkläret und beurtheilet. Sie wird Lapidaria genennet, weil der gröste Theil der Inscriptionen in Marmor und andern Steinen zu finden ist; heißt aber auch epigraphice, und nach dem Sponio Epigrammatographia.  
  Bey den Inscriptionen muß man sich erst um deren Innhalt bekümmern. Die Schrifften, welche man vornehmlich in den Steinen und Metallen zu betrachten hat, sind nicht einerley Innhalts. Anfangs mag die geheime Theologie von den Egyptern darinnen geschrieben, oder vielmehr in vielen Sinnbildern verstecket worden seyn, worauf man angefangen, die heilsamen Gesetze, Bündnisse und Rath-Schlüsse des Regiments darein zu verzeichnen. Die Bündnisse in Stein zu graben, war insonderheit bey den Griechen üblich, und was nur irgends denckwürdig war, solches muste dergestalt aufgehoben werden; wie es denn endlich dahin gerieth, daß auch die Gräber der Verstorbenen damit ausgezieret worden.  
  Hierauf muß man die fürnehmsten Stücke der Inscriptionen in Obacht nehmen, als  
 
  • erstlich die Materie, darinnen diese gefunden wird;
  • vors andere die Classe oder Zunfft, darinnen sie muß gesetzet werden;
  • drittens die Figuren und Bilder, damit sie ausgezieret ist;
  • vierdtens die Wörter, daraus sie bestehet,
  • und fünftens die kleinen Characteres, die hin und wieder fürkommen.
 
  {Sp. 1567|S. 775}  
  In dieser Wissenschafft haben sich zwar die Italiäner viele Mühe gegeben; aber Gruterus, Reinesius und Gudius sind unter den Deutschen 3 Männer, die es ihnen noch zuvorgethan, wobey man Burmanns Vorrede zu der neuen Edition des Gruterischen Werckes nachlesen kan.  
  Der Nutzen, den man von dieser Wissenschafft zu hoffen hat, ist ein historischer und philologischer. In Ansehung des ersten kan ein Theologus, wenn er Lust hat die mythische Theologie und den Götzen-Dienst der blinden Heyden zu untersuchen, hierzu viele Gelegenheit antreffen; und wie geschickt man die Inscriptionen in der Theologie brauchen könne, davon giebt Paulus ein Zeugniß.  
  Denn da er nach Athen kam, und diese Stadt voll Aberglauben und voller Welt-Weisen fand, so war er bedacht, wie er den gelehrten Ohren etwas möchte vorbringen, welches nicht nur erbaulich, sondern auch Aufmercksamkeit verursachte. Darum nahm er Gelegenheit den Eingang seiner Rede von der Inscription eines Altars zu nehmen: Ich bin herdurchgegangen, sprach er, und habe gesehen eure Gottesdienste, und fand einen Altar, darauf war geschrieben: Dem unbekannten Gott. Act. XVII, 23.
  Aus einer Inscription kan ein Theologus erkennen, daß es falsch sey, als habe sich Simon Magus vor einen wahrhafften Gott bey den Römern ausgegeben, und eben deswegen eine Statue gesetzt worden.  
  Ein Juriste kan die Gesetze und deren Einrichtung beschauen; die Bündnisse so vieler mächtigen Häupter beobachten; sein bürgerliches und allgemeines Recht mit raren Anmerckungen vermehren; die Curialien der Griechischen und Römischen Staaten, die gebräuchlichen Ceremonien der alten Höfe, die Titul der ehemaligen Kayser bemercken.  
  Ein Medicus hat auch das seinige zu erwarten, und kan unter andern aus Inscriptionen erkennen, wie Robortellus fälschlich behauptet, daß die Medici bey den alten Römern leibeigene Knechte gewesen wären.  
  In der Philologie tragen die alten Inscriptionen auch vieles bey, da man unter andern die Orthographie daraus erläutern und durch deren Behuff in vielen die Gültigkeit der Wörter besser untersuchen kan.  
  Die Wissenschafft der alten Gebräuche, welche man nur insgemein unter den Nahmen der Alterthümer oder Antiqvitäten fasset, kan in zwey Theile abgetheilet werden; in dem ersten kommen die öffentlichen geistlichen und weltlichen Gebräuche, so wohl zu Friedens- als Krieges-Zeiten für: in dem andern die Privat-Gebräuche, dahin man auch die Gebräuche, wie die Alten studiret, rechnen könnte, weil doch dabey unmittelbar auf eines jeden Privat-Nutzen gesehen wird, daß er gelehret werde, und hernach durch die erlangte Geschicklichkeit, oder Gelehrsamkeit dem gemeinen Wesen, und andern dienen möge.  
  Beyde Arten von Gebräuchen kan man wieder nach den unterschiedenen Völckern betrachten, und unter andern die Egyptische, Hebräische, Griechische, Römische, Deutsche u.s.w. untersuchen. Wie weit man aber hierinnen gehen müsse, solches ist aus dem Endzwecke den er dabey hat, zu beurtheilen. Denn entweder läßt jemand diese Erkäntniß sein Haupt-Werck seyn, und so hat er denn ein weites Feld für sich, darinnen er sich umsehen muß, das ist, er muß die Gebräuche unterschiedener Völcker zusammen nehmen, und nicht nur die bekannten und gemeinen, sondern auch die gantz besondern Gebräuche untersuchen; oder er braucht sie als ein nützliches Werckzeug in den höhern Wissenschafften, da sich unter andern ein Theologus sonderlich um die Hebräischen, ein Juriste um die Rö-  
  {Sp. 1568}  
  mischen bekümmert. Eine Nachricht von Büchern so hierzu zu gebrauchen, findet man in des Labbe mantiss. antiq. suppellectil. Morhofs Polyhist. Litter. ... Struvens Bibliothec, so dem Syntagm. antiquitat. Romanar. fürgesetzet ist, und insonderheit in des Fabricii Bibliograph. Antiquar.
  Der Nutzen, den die Erkäntniß der alten Gebräuche bey sich führet, bestehet darinnen, daß wir theils in denselben Exempel der Klugheit und Thorheit erblicken; theils die Schrifften der Alten, worinnen sie nicht nur selbst; sondern auch Redens-Arten, die daher verblümter Weise genommen sind, häuffig fürkommen, desto eher verstehen.  
  Zu der Antiquaria mixta gehören die Sinn-Bilder der alten Egyptier, die geschnittene Steine, die so genannte Maßiv-Arbeit, u.d.g.  
  In der Hochachtung dieser Antiqvitäten Wissenschafften thun einige der Sachen zu viel, und suchen in der Erkäntniß derselben eine besondere Weißheit; Conf. Menckens declamat. de Charlatan. eruditor. ...
  begehen auch dabey diese Schwachheit, daß sie die Gewohnheiten ihres Vaterlandes nichts achten, und sich lieber um das alte Rom und Griechenland bekümmern; einige aber zu wenig, welche sie schlechterdings vor Pedantereyen achten, und sie vor fruchtlose Sachen ansehen.  
  Gleichwie aber beyde Partheyen sich in ihren Urtheilen verstossen, also handeln diejenigen, so in der Mittel-Strasse bleiben, an vernünfftigsten.  
     

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Stand: 21. Oktober 2022 © Hans-Walter Pries