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Zedler: Haus-Wirth [2] HIS-Data
5028-12-912-9-02
Titel: Haus-Wirth [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 12 Sp. 919
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 12 S. 475
Vorheriger Artikel: Haus-Wirth [1]
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  Text Quellenangaben
Macht und Gewalt über Bediente Es kan keiner einem Hauswesen vorstehen, wenn er nicht Bediente unter sich hat, deren Dienste er in der Haushaltung gebrauchen kan; muß man also ansehen, was ein Haus-Vater vor Macht und Gewalt über seine Bediente hat, und was ihm die Rechte erlauben.  
  In was vor einem elenden Zustande die Knechte bey denen alten Römern gewesen, ist aus denen Texten des Römischen Rechts zur Gnüge abzunehmen. Denn sie wurden fast gar nicht vor Menschen gehalten l. 32. ff. 3. R.J.
  Diejenigen wurden nicht bestrafft, die ihnen einiges Leid anthaten. Bey der Frage, von Ersetzung des Schadens, den sie verursachet, kamen sie in eine Classe mit den vierfüßigen Thieren. l. 12 . 2. ff. ad L. Aquil.
  sie wurden denen Verstorbenen gleich gerechnet, konnten nichts vor sich erwerben, sondern alles vor ihre Herren,
  • J. de stipul. Servor.
  • Lib. 79. ff. de acquir. haered.
  denen sie zu allen und jeden Diensten ohne Unterscheid verbunden waren, ja welches noch das meiste war, so hatten ihre Herren über ihr Leben und Tod zu disponiren.  
  Dieses alles aber wurde in den folgenden Zeiten immer nach und nach geändert, und zwar erstlich durch eigene hierzu aufgerichtete Asyla, oder Freyheits-Örter, wohin diejenigen Knechte, die von ihren Herren ohne Raison übel waren tractiret worden, ihre Zuflucht nehmen konnten, von denen Henning. Arnisaeus doctrin. polit.verschiedene Exempel anführet, hernach aber auch durch eigene Verordnungen, die die Kayser dießfalls ergehen liessen, siehe Lib. I. §. 2.
  Heutiges Tages haben wir in unserm Teutschland keine solche Knechte mehr, nach dem Römischen Verstande, es müste denn einer die gefangenen Türcken an deren Stat zum Exempel anführen wollen. Denn wenn in Ansehung ihrer Rechte und ihres Zustandes Fragen vorfallen, so können solche allerdings aus denjenigen Texten, welche von den Römischen Knechten handeln, decitiret werden, indem man solche Türckische Sclaven verkauffen, vertauschen, wegschencken, und auch noch andere Contracte in Ansehung ihrer, schlüssen kan, was sie erwerben, daß erwerben sie ihren Herren, u.s.w. ein Herr kan sie nach sei-  
  {Sp. 920}  
  nem Gefallen züchtigen, jedoch mäßig, aber ihnen das Leben zu nehmen, ist er nicht befugt.  
  Da nun dergleichen Knechte, als bey den Römern gewesen, bey den Teutschen nicht gefunden werden, so wird es nicht undienlich seyn von den Rechten eines Haus-Vaters heutiges Tages über seine Bedienten zu handeln. Dieses ist keines weitläufftigen Beweises, daß die Knechte und Diener bey uns ebenso freye Leute sind, als ihre Herren, und ihnen nicht auf Lebenslang, sondern nur auf eine gewisse Zeit, wie sie sich dießfalls verglichen, dienstbar sind.  
  Daher hat dieses wohl seine Richtigkeit, daß sie ihren Herren alle ihnen anbefohlene Dienste verrichten müssen, die zum Nutzen des Haus-Wesens gereichen, nicht ungewöhnlich, oder der Erbarkeit zuwider sind: Daß man aber dasjenige, was die Römischen Knechte angehet, auf sie solte adpliciren können, gehet nicht an. Denn alles dasjenige, was unsere Bedienten durch Geschencke, Erbschafften, u.s.w. erlangen, behalten sie vor sich, sie können nach eigenen Gefallen darüber disponiren, sie können auch nicht verkaufft und vertauscht werden, u.s.w.  
  Was man aber sonst saget, daß der Vergleich den Contracten Gesetze vorschreibet, ist auch bey den, zwischen dem Herrn und dem Bedienten aufgerichteten Mieth-Contract in Acht zu nehmen. Gleichwie ein Bedienter ohne rechtmäßige Ursache, ehe seine Zeit um ist, dem Herrn nicht aus den Dienst gehen kan; also ist auch der Herr nicht befugt seinen Bedienten vor der Zeit ohne eine wichtige Raison den Dienst aufzusagen, und ihn fortzuschaffen. Thut er es aber nichts desto weniger, so muß er ihm das völlige Lohn zahlen, als wenn er ihn die gantze Zeit hätte ausgedienet gehabt;
  • L. 9. §. 9 et 10. ff. locat.
  • Lib. 38. ff.
  es wäre denn, daß der Bediente alsobald wiederum einen andern Herrn angetroffen, der ihm eben das Lohn geben wollte, als ihm der vorige Herr hätte versprochen: Denn so kan er kein Interesse anführen, L. 9. §. 9 et 10. ff. locat.
  Aber ist denn wohl dafür zu halten, daß der Herr intentionirt gewesen, den Diener aus den Diensten zu jagen, und den Mieth-Contract aufzuheben, wenn er im Zorn wieder ihm saget, er solle ihm nicht wieder vor seine Augen kommen, sondern nur gehen, wo der Zimmermann das Loch gelassen? Dieses kan man daraus wohl nicht schlüssen, weil eine Aufkündigung des Dienstes mit gutem Bedacht und Überlegung geschehen muß, die aber bey denjenigen Handlungen, die im Zorn vorgenommen werden, nicht anzutreffen ist.  
  Es pflegen auch wohl bißweilen die Eltern im Zorn sich dergleichen Redens-Arten gegen ihre Kinder zu gebrauchen, wie sie aber hernach, wenn sich der Zorn gelegt, wiederum revociren. Also thun die Bedienten am besten, wenn sie zwar zu der Zeit, da sie sehen, daß ihre Herren zornig auf sie sind, ihnen aus dem Gesichte gehen, aber bald wiederkommen, und sich vor ihren Herren zeigen; Sehen sie nun, daß der Herr auf seiner vorigen Meynung verharret, so haben sie alsdenn eine rechtmäßige Ursache aus denen Diensten zu gehen.  
  Wie nun jede Contracte, zu desto mehrerer Verbindlichkeit, mit einem Eyde verknüpffet werden können; also kan auch ein Herr, wenn er mit seinem Bedienten contrahiret, denselben mit Recht ihnen abfordern, und von ihnen praetendiren, daß sie ihm eydlich angeloben müssen, sich in ihren  
  {Sp. 921|S. 476}  
  Verrichtungen treu und gehorsam zu bezeugen, siehe Stryck. in Not. ad Lauterb.
  welches das Juramentum domesticitatis, oder der Bedienungs-Eyd genennet wird.  
  Denn was es bey Belehns-Sachen mit dem Eyd der Treue vor eine Beschaffenheit hat, eben so verhält es sich bey dieser Societät mit dem Eyd der Bedienten. Denn da sie fast zu alle demjenigen kommen können, was ihre Herren besitzen, die Gelegenheit aber öffters Schälcke zu machen pfleget, so, daß offt die ehrlichsten hierdurch verführet werden, und niemanden leichtlich zu trauen ist; so kan ein Hauß-Vater zu mehrerer Sicherheit sich dieses Juraments bedienen, ob zwar auch dieses nicht allezeit vermögend ist, die Boßheit der Bedienten zurück zu halten.  
  Was das Recht eines Haus-Vaters in Bestraffung und Züchtigung seiner Bedienten betrifft, so stehet ihm zwar nicht zu, über ihr Leben und Todt zu disponiren, weil dieses schon vorlängst aufgehoben ist; indessen sind sie doch wohl befugt, dieselben, so wohl in Worten als in der That zu züchtigen, indem das Hauswesen ohne solche Erinnerungen und Bestraffungen nicht wohl fort gesetzet werden kan. Dafern aber ein Herr seinen Diener entweder tödtlich verwundet, oder gar ums Leben gebracht, so ist er allerdings zu bestraffen. Jedoch ist er von der ordentlichen und gesetzten Straffe zu befreyen, weil er in einer zugelaßnen Handlung versiret, und nur nicht diejenige Vorsichtigkeit darbey angewendet, die Christliche und vernünfftige Leute in Acht zunehmen pflegen. Daher auch vermuthet wird, daß er den Todtschlag mehr aus Versehen, denn vorsetzlicher und boßhafftiger Weise begangen. Carpz. Prax. Crim.
  In dem Mosaischen Gesetze, siehe Exod. 21. v. 20. 21.
  war hiervon folgende Verordnung; Wer seinen Knecht oder Magd schläget mit einem Stabe, daß er stirbet unter seinen Händen, der soll darum gestrafft werden; bleibet er aber einen oder zwey Tage leben, so soll er nicht darum gestrafft werden, denn es ist sein Geld.  
  Aber es ist dieses Gesetz, bey uns nicht angenommen. Heutiges Tages kommt es bey dergleichen Fällen, wie man denn bey einem jeden Todtschlag zuerst darnach fragt, eintzig und allein darauf an, ob die Wunde tödtlich gewesen, oder nicht. Brunnemann. Com. Cod.
  Hat aber der Bediente dem Herrn gar keine Gelegenheit zur Bestraffung gegeben, sondern der Herr hat es nur aus Feindschafft und Haß gegen ihn gethan, so ist kein Zweifel, daß der Herr nicht auch mit der gewöhnlichen Strafe, die auf den Todtschlag gesetzt ist, sollte geleget werden können. Wenn aber ein Haus-Wirth seinen Knecht oder Diener, der ein boshafftiger rachieriger Mensch ist, excessiv geschlagen, und der Diener hat sich gewehret, und den Herrn um das Leben gebracht, so halt ich nicht davor, daß der Bediente, wenn er durch Zeugen erweißlich machen kan, daß er aus Furcht, entweder um seine Gesundheit, oder um das Leben gar zu kommen, zu einer Defension bewogen worden, am Leben gestrafft werden könne, jedoch sind hierbey alle und jede Umstände in genaue Consideration zu ziehen. Es muß ihm an Gelegenheit gefehlet haben, dem Herrn zu entgehen, der Herr muß ein solch Instrument gehabt haben, damit er ihm leichtlich habe tödten können, der Bediente muß es zur Defension  
  {Sp. 922}  
  gethan haben. u.s.w.  
  Ferner ist ein Hauß-Wirth, wenn er Vermuthung hat, daß einer von seinen Bedienten ihm etwas dieblich entwendet, und zu sich genommen, gar wohl befugt, desselben Bedienten, Kisten und Schräncke aufmachen zu lassen, und in seinen Sachen überall nachzusuchen, ohne daß sich der Bediente wegen eines ihm hierdurch zugefügten Unrechts zu beschweren hat.  
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries