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Zedler: Haus-Wirth [1] HIS-Data
5028-12-912-9-01
Titel: Haus-Wirth [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 12 Sp. 912
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 12 S. 471
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Übersicht

  Rechte
 
  Direktion der Ehefrau
  Gegen seine Kinder

  Text Quellenangaben
  Haus-Wirth, ist ein jeder, der sein eigen Haus und Gesinde hat.  
Rechte Es ist ihm alles dasjenige erlaubt in seinem Hause nach eigenem Gefallen anzuordnen, was denen göttlichen Rechten, denen Gesetzen seiner vorgesetzten Obrigkeit, denen Gebräuchen des Ortes, an welchen er sich aufhält, der Billigkeit, Erbarkeit und dem Wohlstande nicht zuwider. Daher auch das gemeine Sprüch-Wort: Ein jeder ist König in seinem Hause, in diesem Verstand gar wohl zu admittiren ist. Zigler. Not. ad Grot.
  Wenn die bürgerlichen Gesetze, die mit dem göttlichen Recht streiten, unbillig und unvernünfftig genennet werden, und zwar mit Raison, so wird solch Praedicat noch viel mehr denienigen Verordnungen, die ein Haus-Vater giebt,  
  {Sp. 913|S. 472}  
  bey zu legen seyn. Wenn also ein Haus-Wirth erlauben wolte, daß in seinem Hause allerhand rechtmäßig geschloßne Contracte ungescheut übertreten, allerhand Bübereyen, als Hurerey, Ehebruch, u.s.w. begangen, die Missethäter beschützt werden dürfften, u.s.w. so würden alle dergleichen Verordnungen gar gottlos und unvernünfftig mit allem Recht zu halten seyn.  
  Gleichwie nun die Landes-Obrigkeiten verbunden sind, die göttlichen Gesetze zu respectiren, und nichts, das denselben zu wider, verstatten können; also ist einem Haus-Wirth nicht erlaubt, die von seinem Landes-Fürsten entweder ausdrücklich gegebene oder mit seiner Einwilligung angenommenen Gesetze entweder gantz abzuschaffen, oder in Ansehung derselben bey besondern Fällen zu dispensiren. Denn alle die Befugnisse, die einem Haus-Wirth in seinem Hause zustehet, hat er durch Vergünstigung der Landes-Obrigkeit. Nun ist aber wohl nicht zu vermuthen, daß dieselbe ihm die Macht gegeben habe, ihren Ordnungen zu wider zu handeln.  
  Ein Haus-Wirth ist gar wohl befugt, alle die irraisonablen Gebräuche, ob sie gleich an demselben Orte, wo er sich aufhält, sonst bey allen gebräuchlich, und von der Landes-Obrigkeit nicht ausdrücklich verboten sind, in seinem Hause abzuschaffen. Diesem nach kan ein Christlicher Haus-Vater alle die abergläubischen Gewohnheiten, die an dem heiligen Weyhnacht-Abend bey vielen Leuten, sonderlich auf dem Lande, im Schwange gehen, seinen Bedienten bey ernstlicher Strafe verbieten, und sie davor zu einer Christlichen Praeparation auf das heilige Weyhnacht-Fest anmahnen. Was aber indifferente Gewohnheiten sind, so wird ein vernünfftiger Hauß-Wirth dieselben nicht leichtlich unterlassen, sondern sich in diesem Stücke entweder nach allen, oder doch nach den meisten richten.  
  Ferner kömmt einem klugen Haus-Vater nicht zu, dasjenige, welches der allgemeinen Einwilligung des gantzen Volcks, seinen Ursprung schuldig ist, abzuschaffen, oder zu verändern, als die Benennung der Wörter. Hug. Grot. d. J. B. et P. …
  Dahero würde es lächerlich und thöricht seyn, wenn ein Haus-Wirth in solchen Sachen, die von allen Leuten ein Mahl approbiret worden, eine Veränderung vornehmen, und z.E. das Gold Bley, das Silber aber Zinn nennen wolte.  
Direktion der Ehefrau Die eheliche Societät ist der Grund zu dem Recht eines Haus-Wirths, vermöge dessen er befugt, die Actiones seiner Frauen zu dirigiren indem so wohl die göttlichen als menschlichen Gesetze hierinnen klare Maas geben; siehe
  • Ephes. V. v. 22.
  • Coll. 3. v. 18.
  • L. 14. §. 1. ff. solut. …
  Wie weit sich aber dieser Macht des Mannes erstrecke, und was vor Handlungen sie angehe, ist in den Gesetzen eben nicht so gar deutlich ausgemacht zu finden. Indessen muß man aus der Natur und Beschaffenheit der ehelichen Societät hiervon urtheilen. Gleich bey der ersten Schöpffung wird eine Frau Gen. II. v. 18. 20. eine Gehülffin genennet, und auch in den Römischen Gesetzen hin und wieder eine Socia oder Cameradin. l. 4. C. de Crim. …
  Nun weiß man aber schon, worzu diejenigen, die in einer Societät zusammen stehen, einander verbunden sind. Mit einem Wort, ihre Arbeit und Mühe, und den hierdurch erlangten Vortheil, gemeinschafftlich zu haben. Die-  
  {Sp. 914}  
  semnach ist eine Frau verbunden zum Nutzen des Mannes, und der Haushaltung, ihre Dienste zu erweisen. Unter den Geschäfften die eine Frau zu verrichten hat, machen die Doct. einen Unterscheid, unter denen ordinairen häuslichen Verrichtungen, die einer Frau obliegen, als kochen, waschen, u.d.g. und unter denen, die zu einer gewissen Kunst, oder Metier zu rechnen sind, und meinen, eine Frau sey wohl zu jenen verbunden, aber nicht zu diesen. siehe
  • Tiraquell de LL. connubial. …
  • Coler. de Process. Execut.
  Aber eine Frau muß wohl alle Verrichtungen, die ihr der Mann befiehlt, über sich nehmen, dafern sie nur ihrem Standt gemäß sind, und Geschicklichkeit darzu hat. Also kan sich eine Frau mit Recht wegern, wenn ihr der Mann solche Dinge zu muthet, die einer Magd anständiger sind, denn einer Frau, oder solche Verrichtungen die sie nicht verstehet, und darbey nicht hergekommen; Zum Exempel: Kauffmannschafft exerciren, u.s.w.  
  Ob zwar bißweilen die Weiber ihre eigene Güter und Gelder haben, welche sie nach Gefallen administriren, und mit denen sie negociren, und sich selbst Vortheil schaffen können; so lange als sie aber nicht erweisen, daß sie solche eigene Güter und Gelder gehabt, so bringt die Beschaffenheit der ehelichen Gesellschafft die Vermuthung zu wege, daß sie hiermit den gemeinschafftlichen Nutzen des Haus-Wesens haben befördern wollen. Die Praesumption, daß man glaubt, wie alles, was eine Frau erwirbt, von dem Mann herkomme, und also ihm zuständig sey, ist in Rechten gegründet. L. 51. ff. de donat. …
  Indem eine Frau denen göttlichen und weltlichen Gesetzen nach verbunden ist, eine Gehülffin ihres Mannes abzugeben, so ist sie nicht befugt, vor ihre geleistete Dienste einiges Lohn zu praetendiren, als welches nur denenjenigen Personen gereicht wird, die uns keine besondere Obligation schuldig sind, sondern nur vermöge getroffenen Vergleichs, auf eine Zeitlang Dienst erweisen. Dieses ist aber von den Lebzeiten des Mannes zu verstehen. Denn was sich eine Wittwe nach seinem Tode durch ihre Arbeit und Mühe verdienet, bleibt ihr billig.  
  Zur Macht eines Ehemannes gehöret ferner, wegen des Orts, da sie ihre Wohnung aufschlagen wollen, Resolution zu fassen, und Verordnung zu thun. Denn da ihm die Sorge, wegen Erhaltung der Frauen und der gantzen Famile, über den Halse lieget, so ist auch billig seiner Direction zu überlassen, denenjenigen Ort, den er zu Erreichung seiner Absicht vor beqvem erachtet, zu erwählen.
  • l. 65. ff. de judic.
  • l. ult. C. de incol.
  • l. un. C. Mulier quo in loco.
  Wenn sich nur eine Frau dießfalls weigert so kann sie von dem Richter gezwungen werden, daß sie ihrem Manne, als ihrem Ober-Haupt und Vorgesetzten folgen muß. Kann sie aber auf keinerley Weise zur Raison gebracht werden, daß sie mit ihrem Manne ziehen will, so kan sie der Mann wegen boßhafftiger Verlassung dieserhalb verklagen, und auf eine Ehescheidung dringen.  
  Wie, wenn aber der Mann sich keinen gewissen Ort zur Wohnung erwählet, sondern bald hier, bald da herum vagiret, ist denn eine Frau sodenn auch schuldig und verbunden, überall mit herum zu ziehen? Es sind zwar einige Rechts-Lehrer, die diese Frage verneinen,  
  {Sp. 915|S. 473}  
  und behaupten wollen, eine Frau könnte bey solchen Umständen bleiben, wo sie wäre, biß der Mann sich einen gewissen und beständigen Wohnungs-Ort erwählet hätte, und zwar aus der Raison, weil die Frau zu der Zeit, da sie ihre Ehe geschlossen, von ihrem Manne dergleichen nicht vermuthet hätte, und also auch ihre Einwilligung auf solche Sachen, daran sie nicht gedacht, nicht extendiret werden könnte; Aber die contraire Meynung in Ansehung der Beschaffenheit der ehelichen Societät, die die verbindlichste unter allen ist, kömmt der Wahrheit gemäßer bey: Denn obwohl eine Frau zur Zeit der geschlossenen Heurath sich nicht eben dieses von ihrem Manne eingebildet haben wird, daß er in der Welt herum vagiren würde, so hat sie ihn doch vor GOttes heiligen Angesicht versprochen, auf keinerley Weise zu verlassen, und sich zu allerhand Fatalitäten und Unglücks-Fällen, worunter eine solche unbeständige und ungewisse Wohnung ohne Zweifel auch mit zu rechnen, resoluiret, aber ein Mann muß auch seine gegründete Raisons haben, warum er sich bald hier, bald da, aufhalten muß. Denn sonst wenn er es aus einer thörichten Caprice thäte, und wüste wohl selbst nicht warum, so wäre eine Frau freylich nicht zu verdencken, wenn sie sich weigerte, ohne Raison mit ihrem unvernünfftigen Manne in der Welt herum zu vagiren. Einige von denen Theologis und Juristen behaupten gar, daß einer Frau zukomme, mit ihrem Manne zu ziehen, ob er gleich wegen unterschiedener Verbrechen des Landes verwiesen worden, siehe Luther. in Lib. de caus. matrim. … ad Genes. c. 4.
  Obwohl einem Mann, als des Weibes Herrn, nicht verwehret werden kan, seiner Frau so wohl in Worten, als auch nach Befindung der Umstände und dererselben überhand nehmende Boßheit in der That zu züchtigen; so muß er doch hierinnen Maß halten, und wenn er die Schrancken überschreitet, ist er billig zu bestraffen. Es haben aber wider die übermäßige Züchtigungen eines Mannes, zweyerley Remedia bey uns Stat, einige gehen auf die Priuat-Satisfaction, die andere aber auf die Bestraffung.  
  Zu den erstern rechnen wir die Scheidung von Tisch und Bette, welche insgemein, wenn man alle mögliche Versöhnung vorher versucht, wegen der Grausamkeit eines Mannes vorgenommen wird. Daher kan man zu ermelder Absonderung nicht schreiten, wenn sich der Mann zur Caution offeriret, daß er sie in Zukunfft nicht weiter beleidigen will; daferne aber auch nur hernach die Änderung würcklich erfolget. Denn wenn der Mann bey seiner vorigen Weise bleibet, so kann die Frau nicht gezwungen werden, daß sie weiter bey ihm wohnen soll.  
  Was die Criminal-Mittel anbelanget, so kann ein Mann, der in der Züchtigung seiner Frauen excediret, (wohin man rechnet, wenn er sie bey den Haaren raufft, braun und blau oder Blut-rünstig schlägt,) nach richterlicher Ermäßigung und Beschaffenheit derer Umstände, mit Gefängniß, Landes-Verweisung, ja auch bißweilen, wenn er sich gar zu grimmig aufgeführet, mit Staupenschlag bestraffet werden, etc. Carpzou. de Quaest.
  Daferne sie sich wiederum versöhnen, und der Mann angelobet, daß er sie in Zukunfft nicht mehr so tractiren will, wird ihm wegen der gleichsam verneuerten Ehe, die Straffe erlassen. Sollte aber die Boßheit eines  
  {Sp. 916}  
  Mannes so weit gehen, daß er seine Frau gar um das Leben bringen würde; so wird er mit eben der Straffe belegt, als die Todtschläger in der aufsteigenden oder absteigenden Linie, wie solches von denen Sächsischen Gerichten Carpz. bezeuget, Prax. Crim. und von den andern der selige Herr Stryck. in seinen Anmerckungen über den Lauterb. tit. d. L. Pompeja ....
  Obwohl einem Ehe-Mann in denen Römischen Rechten verstattet wird, daß er den Ehebrecher, daferne er geringes Standes ist, wenn er ihn in seinem Hause, und über der gottlosen Handlung antrifft, so gleich auf der Stelle umbringen kan, L. 24. ff. …
  so ist ihm doch solches in Ansehung seiner Frauen nicht vergünstiget, sondern er muß solches der Obrigkeit denunciren, die alsdenn in die Sache inquiriren, und nach Befinden derer Umstände die Ehe-Scheidung decretiren wird. Währender Inquisition aber muß sich der Mann hüten, daß er der Frau nicht ehelich beywohnet, denn sonst vermuthen die Rechte, daß er ihr die ihm hierdurch angetragene Injurie erlassen habe.  
  Es ist auch eine Frage, ob ein Mann befugt sey, seine Frau wegen des ihm versprochenen, aber nicht ausgezahlten Heuraths-Guts, aus dem Hause zu jagen, und ihr die Alimenta zu entziehen? Wenn dem Mann keine Mit-Gabe zugesaget worden, so wird wohl kein Mensch seyn, der ihm die Macht zugestehen sollte, seine Frau deßwegen von sich zu schaffen: Denn das Heuraths-Gut gehöret nicht zum Haupt-Werck des Ehestandes, und der Mann mag es sich zuschreiben, daß er seine Frau nicht aus Affection, sondern aus Geld-Begierde genommen.  
  Was aber auf den letzten Fall zu antworten sey, darinnen sind die Doctores nicht einig. Meuius ad Jus Lubecense. … nebst denen von ihm daselbst angeführten Autoribus behaupten, daß er allerdings deßhalben seine Frau aus dem Hause treiben könne. Andere verneinen es schlechterdings als Struv. S.J.C. …. Noch andere machen hierbey einen Unterscheid, ob sonderbare Fatalitäten, die man nicht vorher zu sehen vermocht, darzu kommen, und verhindern, daß die versprochne Mitgabe nicht ausgezahlet werden kan; oder ob eine Person gleich Anfangs nichts gehabt, sondern sich nur reich gestellet, und betrügerischer Weise durch Zusagung eines grossen Heuraths-Guts den Mann an sich gelockt. Bey dem erstern Fall verweisen sie den Mann zur lieben Gedult; bey den andern aber meinen sie, daß er sie zwar nicht eigenmächtiger Weise von sich treiben, aber doch bey der Obrigkeit um Zertrennung der Ehe Ansuchung thun könne.  
Gegen seine Kinder Indem nach der meisten Gelehrten Meynung die Fortpflantzung des Menschlichen Geschlechts der vornehmste Entzweck bey dem Heurathen seyn soll, so muß man das Recht eines Haus-Vaters gegen seine Kinder in Erwegung ziehen. Vor das erste ist gewiß, daß einem Vater die Macht zustehe, die Handlungen seiner Kinder nach seinem Gefallen und Gutachten einzurichten, und ihnen dießfalls Regeln vorzuschreiben. Jedoch muß man mit dem Grotio einen Unterscheid machen, unter den Jahren, da die Kinder noch von schlechten und unvollkommenen Verstande sind und unter den Jahren, in welchen ihr Verstand ziemlich  
  {Sp. 917|S. 474}  
  zur Reiffe gekommen, und selbst unterscheiden können, was gut und böse ist. Gleichwie die Eltern in den Kindheits-Jahren ihrer Kinder alle ihre Actiones dirigiren müssen; also werden sich auch vernünfftige Eltern, wenn sie sehen, daß ihre Kinder erwachsen, und zu Verstande gekommen, von selbst bescheiden, daß sie denen Kindern in Anstellung ihrer Actionen mehr Freyheit lassen, auch alle ihre Erinnerungen mehr Raths-als Befehls-Weise vorbringen.  
  Einem Haus-Vater stehet zwar vornehmlich zu, daß er in Ansehung seiner väterlichen Gewalt seinen Kindern ein gewiß Metier, welches sie ergreiffen sollen, vorschlage, weil er am besten weiß, wie weit er ihnen nach Beschaffenheit seines Vermögens bey dieser oder jener Lebens-Art hülffreiche Hand leisten kan. Allein er kan sie doch nicht den Rechten nach, zu einer gewissen Profession zwingen, wie einige unverständige Eltern zu thun pflegen, die mit aller Gewalt ihre Kinder zu etwas, dazu sie doch weder Lust noch Geschicklichkeit haben, anhalten wollen.  
  Hierbey fragt es sich, wenn der Vater den Sohn zur Kauffmannschafft oder Erlernung eines Handwercks destinirt hat, der Sohn aber studiren will, ob er den Vater wohl wider seinen Willen obligiren könne, daß er ihm zu Fortsetzung seiner Studien, Geld schaffen müsse, und ob der Vater, wenn der Sohn deswegen Schulden gemacht und Gelder aufgenommen, dieselben zu bezahlen, verbunden sey? Einige, als wie Carotius de remed. … bejahen diese Frage schlechterdings; andere hingegen verneinen solche, siehe Donellus ad Lib. 5. …
  und noch andere überlassen sie richterlicher Erkenntniß, Lauterb. in Comp. Jur.
  die letzte Meynung ist wohl die beste, indem dem gemeinen Wesen eben nicht dran gelegen, daß Leute ohne Unterscheid zu denen Studiis gelassen, wohl aber, daß diejenigen, die von extra-ordinairer Fähigkeit und durchdringenden Verstande sind, davon nicht abgehalten werden. Wenn nun ein verständiger Richter siehet, daß ein Kind einen sonderbaren Trieb zu denen Wissenschafften bey sich verspüret, und dasselbe auch ein gutes und fähiges Ingenium hat, so kan er den Vater allerdings anhalten, daß er das Kind bey den Studiis lassen, und nach seinen Vermögen Unkosten darzu hergeben soll. Stryk. de Act. inuestig.
  Zur Auferziehung derer Kinder gehöret insonderheit die Sorge vor ihre Religion, wobey viele Streitigkeiten unter den Rechts-Lehrern vorkommen, die Friedrich Ludewig Hünefeld seinen Meditationibus de Juribus et potestate Parentum vorgetragen und untersuchet, welche aber anzuführen unnöthig.  
  Dieses ist ausgemacht, daß wenn Vater und Mutter von ungleicher Religion sind, und ein jedes von ihnen will die Kinder in seiner Religion erziehen lassen, des Vaters Entschliessung und Befehl, wie in andern Dingen, also auch hierinnen, der Mutter ihrem vorzuziehen ist: Es wäre denn, daß sie in der aufgerichteten Ehestifftung einanders dießfals beliebet hätten, wie sie sich denn insgemein vergleichen, daß die Söhne in des Vaters, und die Töchter in der Mutter ihrer Religion auferzogen werden sollen. Ob aber ein solch Pactum von denen Verlobten ohne  
  {Sp. 918}  
  Verletzung des Gewissens geschlossen werden könne, ist eine andere Frage, die denen Herren Theologis zur Entscheidung zu überlassen.  
  Wenn ein Vater seinen Kindern die Principia einer gewissen Religion beybringen will, so hat er behutsam zu gehen, und gelinde Mittel zur Hand zu nehmen, und nicht durch übles Tractament oder Schärffe sie zu nöthigen herein zu kommen. Denn da ein Fürst nicht ein Mahl befugt ist, seine Unterthanen wieder ihren Willen zu einer gewissen Religion zu zwingen, so ist solcher Zwang noch viel weniger einem Hauß-Vater zu verstatten, indem ihm nicht mehr Recht zustehen kan, denn von dem Landes-Herrn auf ihn transferirt worden ist.  
  Ferner bringt auch die väterliche Gewalt mit sich, daß sie zu ihrer Kinder Heyrathen ihre Einwilligung geben müssen. Jedoch hat es hiermit eine andere Bewandniß nach denen Römischen Rechten, eine andere aber nach den göttlichen, canonischen, und denen Landes-Gesetzen, unterschiedener Provintzen.  
  Nach dem Römischen Rechte ist der Consens des Vaters bey der Heyrath derer Kinder von unumgänglicher Nothwendigkeit, so, daß die ohne des Vaters Einwilligung geschlossenen Heyrathen ungültig gewesen, und getrennet worden,
  • Pr. J. de Nupt. Lib. 2.
  • L. 18. l. 35. ff. de Rit. nupt.
  Nach dem göttlichen und päbstlichen Rechte aber wird er nur der Erbarkeit und des Wohlstandes wegen darzu erfordert, und wenn ein Sohn wider seines Vaters Willen sich in Heurath einläst, thut er zwar unrecht und begehet eine Sünde, aber der Vater kan deswegen doch nicht die Ehe zertrennen.  
  In den Chur- und Sächsischen Landen dürffen sich keine Kinder ohne Vorwissen und Einwilligung ihrer Eltern, als des Vaters und der Mutter, und da die nicht vorhanden, des Gros-Vaters und der Gros-Mutter verloben, und wenn ein solches gleich geschicht, wird ein solch Verlöbniß, ungeachtet dasselbe, in anderer Leute als Zeugen Beyseyn, geschehen, vor heimlich gehalten, und vor unbüntig erkannt. Decis. El.
  Und die Personen dürffen in diesem Landen nicht getrauet werden. Kirchen-Ordnung 1580 tit. von Ehe-Sachen.  
  Wenn auch solche Personen heimlich zusammen kriechen, und fleischlich Unzucht treiben, so mögen die Eltern dieselben gäntzlich enterben, und werden sonst mit zeitlichen Gefängniß gestrafft.  
  Es sind die Eltern krafft der von GOtt verliehenen Gewalt allerdings befugt, ihre Kinder wegen begangener Boßheiten zu straffen und zu züchtigen. Bey den Römern erstreckte sich die väterliche Gewalt so weit, daß sie auch Macht hatten, über ihr Leben und Todt zu disponiren.
  • L. 11. ff. de lib. et posth.
  • l. vlt. C. de patr. potest.
  Es ist ihnen aber solche Gewalt, und zwar mit allem Recht, entzogen worden. Heutiges Tages ist bey Bestraffung und Züchtigung der Kinder ein Unterscheid zu machen, unter denen geringern, und unter den grossen Capital-Verbrechen. Bey den erstern ist den Eltern zugelassen, ihre ungehorsamen Kinder so wohl mit Worten, als auch mit Schlägen und Gefängniß zu züchtigen, und ihre Sinne zu beugen, wohin auch zu rechnen die Macht, die Kinder ins Zucht- Raspel- oder Spinn Haus, item in die Festungen zu bringen. Siehe Cocceji Dissert. de judic. mor. membr.
  Bey denen letztern aber kömmt es zwar auf die Bestraffung an, die der Richter dießfalls anordnet;  
  {Sp. 919|S. 475}  
  Jedoch können Eltern durch ihre Vorbitte, die gesetzte Strafe öffters lindern. Siehe Carpz. Prax. Crim.
  Also wenn heutiges Tages ein Vater an seinen Sohn Hand anlegen, und ihn umbringen wolte, so wird er selbst wiederum am Leben gestraffet, jedoch sind einige der Meynung, daß er von der gewöhnlichen Straffe des L. Pompejae de Parricidis oder L. Corneliae de Sicariis zu befreyen, und mit einer gelindern zu belegen sey. Siehe Baldus in lib. 5. …
  Endlich ist auch noch zu erinnern, daß dasjenige, was im vorhergehenden gesaget, nur Stat hat in Ansehung der Kinder, die noch unter väterlicher Gewalt stehen. Denn wenn sie entweder ausdrücklicher oder heimlicher Weise der väterlichen Gewalt erlassen, so hat es eine andere Bewandniß mit ihnen, weil, ob sie wohl auch alsdenn ja Lebenslang verbunden sind, denen Eltern Liebe, Ehre und Gehorsam zu bezeugen, doch hernachmahls denen Eltern kein Recht mehr zukömmt, daß sie ihre Kinder zu Unternehm- oder Unterlassung gewisser Actionen zwingen können, daher sie alsdenn ihnen nicht so wohl autoritätisch zu befehlen, als vielmehr freundlich zu erinnern haben, siehe Thomasii Jurispr. Divin.
     

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Stand: 18. August 2013 © Hans-Walter Pries