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Quellenangaben |
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Kauffmannschafft, oder Kauff-Handel,
Handlung,
Lat.
Mercatura, Commercium,
Frantz.
Negote, Commerce, ist der Verkehr mit allerhand
Waaren und
Gütern die zum Unterhalt und
Gebrauch in dem
menschlichen
Leben
nöthig und
nützlich sind, und entweder gegeneinander vertauscht, oder um
baar Geld erhandelt, und von
einem
Orte zum andern
verführt werden. |
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Sie besteht aber in einer
klugen
Geschicklichkeit dererjenigen
Personen, so es mit
Vortheile kauffen oder verkauffen; und die sich
dergleichen unterziehen, werden
Kauff-Leuthe
genennet, davon eine besondere Abhandlung zu
sehen. |
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Ihrer Beschaffenheit nach, ist sie die
unerschöpffliche Quelle des
Reichthums eines
Staats, wie solches ehedem an denen
Städten
Tyro und Sidon, und heut zu
Tage an denen
Völckern zu sehen, die sich vor andern darauf
befleissigen. Mancher
möchte zwar
zweiffeln, ob
es auch
würcklich an dem, daß die Handlung
einem Staate so gar nützlich sey; weil doch
GOtt
ein jedes Land mit dem, so zu seiner Erhaltung
nöthig wäre, versehen habe, die Handlung bald
Gelegenheit zur Eitelkeit gebe und über bald die
Nahrung benehme, wenn sie sich mit
einheimischen
Sachen behelffen wolle. Doch ist
dieser Zweiffel, wenn man die Sache genau
ansieht, gar leichte gehoben. |
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Wenn ausländische Waaren, die nur zur
Eitelkeit gehören, eingeführt werden, geht das
Geld aus dem Lande, und auf solche Weise ist die
Kauffmannschafft allerdings einem Staate
höchstschädlich. Gehen einige ausländi- |
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{Sp. 265|S. 144} |
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sche Waaren ein und einige innländische
wieder hinaus, so ist zu
untersuchen, ob das Geld
mehr ein- oder auswärts gehe, und auf solche
Weise dieselbe entweder nützlich oder schädlich.
Kommen ausländische Waaren an, die wieder aus
werts gehen, so ist der daher entstehende
Nutzen
nicht in Zweifel zu ziehen; Bleiben sie aber unter
denen Einwohnern, so ist es mehrentheils
schädlich. Es sey denn, daß sie in Gold, Silber,
Leinwand und dergleichen nützlichen, oder auch
einem Lande nöthigen Sachen, als Getreyde,
Saltze, Früchten u.s.w. bestehe; in welchem Falle
denen Einwohnern der Nutzen nicht
abzusprechen. |
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Daher ist es auch ein sonderbahres Stück der
Staats-Klugheit, die Kauffmannschafft in einem
Lande in die Höhe zu bringen. Doch kömmt alles
hierbey auf die
Natur, das
Glück und die
Klugheit
an. |
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Die Natur trägt das ihrige bey, wenn ein Land
an der See liegt oder mit schiffreichen
Wassern
versehen ist, weil die See- und
Schifffahrth als eines
derer
vornehmsten Stücke der Handlung zu
betrachten. Ingleichen wenn es Uberfluß an
Holtze, Getreyde, Flachse, Metallen und
dergleichen hat. Wiewohl dieses letztere eben
nicht das Haupt-Werck ist, und manches Land
eben aus
Mangel desselben, sich auf
Manufacturen und Kauffmannschafft zu legen,
gezwungen wird. Wie das Beyspiel von
Holland
klärlich bezeuget. Bey denen
Handels-Städten ist
auch dieses ein Vortheil, wenn sie nicht so nahe
beysammen liegen und einander in der
Macht
gleich kommen. Denn auf solche Weise hindert
eine die andere. Ist aber eine schwächer, so
muß
sie der andern den Vortheil überlassen. |
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Das
Glück aber besteht darinnen; Wenn viele
reiche Leute und Capitalisten in einem Staate
befindlich, und ein
Ort, wo die Handlung
anzulegen seine
Freyheit hat, auch die Leute
sinnreich, arbeitsam und
unverdrossen sind. |
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Bey der
Klugheit kömmt es endlich Theils auf
den
Landes-Herren, Theils auf die
Kauff-Leute
an. |
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Auf Seiten des Landes-Herrn ist |
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1) |
wohl auf die Sicherheit derer
ein und ausgehenden Waaren
zu sehen: und also |
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- das Post-Wesen wohl einzurichten,
- die Wege und Strassen in
gutem
Stande
zu erhalten, denen
Reisenden selbst gnugsame Sicherheit zu verschaffen,
- die Zölle nicht sehr zu beschweren, als wodurch der Duc de Alba
nach Thuani Berichte zuwege gebracht, daß sich die Handlung von
Antwerpen hinweg gezogen.
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2) |
Kauff-Leute in eine
Handels-Stadt zu ziehen: Zu solchem
Ende |
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- sie in gnugsamen
Ehren zu halten,
- ihnen allerhand
Vortheile wegen des
Geldes zu schaffen,
- vor die
Gläubiger zulängliche Sicherheit zu machen,
- die
muthwilligen Banquerottirer ernstlich und nach der
Schärffe zu
straffen,
- daß die Capitalien im Lande
herumgehen und mehr auswärtige hinein gezogen
werden, sich zu bemühen. Welches nicht besser
geschehen kan, als wenn das Land dasjenige,
woran es einen Neben-Fluß hat, auswerts
vertreibet, und keine Waaren, die im Lande
verarbeitet werden können, unverarbeitet hinaus
gelassen werden,
z.E. daß aus dem Flachse nicht
alleine Garn, sondern auch Leinwand verfertiget
und so denn erst ausgeführt werde. Weil
auf
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{Sp. 266} |
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diese Weise nicht allein
das Spinner- sondern auch Weber-Lohn dem
Lande zu gute kommt, und um so viel mehr Leute
darinnen ihre
Nahrung finden, wie auch rohe
Waaren von haussen hinein zu ziehen und
darinnen zu verarbeiten, ehe sie wieder auswerts
geschicket werden. |
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3) |
Nicht zu wenig und auch
nicht zu viel
Kauff-Leute in einer Handels-Stadt zu
haben: Denn sind bey einer Handels-Societät ihrer
wenig, so können sie entweder die Handlung nicht
gnugsam unterhalten, oder werden
reicher als es
der Nutzen des
gemeinen Wesens erfordert, und
müssen hingegen viele, die ihr Auskommen auch
dabey finden könnten, darben. Sind ihrer viele, so
bleiben alle mit einander
arm, und hat keiner
zulängliches
Vermögen. Doch ist vor allen
Dingen
das schädliche
Monopolium zu hindern. |
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4) |
Gute Käuffer zu haben,
wozu dient, wenn ein Landes-Herr
Commercien
Tractate zu
schliessen sich bemühet, und dahin
siehet, daß die innländischen Waaren so gut als
möglich zubereitet werden, um sie ausserhalb
Landes nicht besser zu haben. Weßwegen gute
Manufacturen anzulegen, dazu die
Freyheit
derer
Religionen vieles beyträget, wie
Holl- und
Engelland hierinnen ein Zeugniß ablegen
kan. |
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5) |
Das Müntz-Wesen in
gutem
Stande zu erhalten: Zu solchem Ende eine
tüchtige
Materie zu
erwählen und sich nach denen
vornehmsten auswärtigen
Müntzen, die in der
Handlung
gewöhnlich sind, zu richten, und aller
Boßheit, so dabey vorgehen könnte,
vorzubeugen. |
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6) |
Fremde Waaren, deren
man entrathen kan, und die nicht wieder auswerts
gehen, nicht einzulassen oder doch sehr zu
beschweren. Weil hiedurch das Land um so viel
verlieret, als davor hinaus gehet. |
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Die
Klugheit, so auf Seiten derer
Kauff-Leute
in Acht zu nehmen, ist unter der Abhandlung von
denenselbigen zu suchen. |
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In Teutschland und einigen andern
Reichen
wird Kauffmannschafft treiben dem
Bürger-Stande
überlassen, und dem Adel-Stande vor
nachtheilig
erachtet. In Spanien und Italien hingegen wird es
anders gehalten. Doch ist einem von Adel
ungewehrt, den Zuwachs von seinen
Gütern an
Früchten, Wein, Vieh, Holtz u.d.g. zu
verführen. |
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Denen
Geistlichen wird im
Jure Canonico der
Kauff-Handel verboten, auch bey denen
Protestanten vor unanständig gehalten, und
haben sie sich solcher
Gestalt ihrer
Freyheit nicht
zu erfreuen, sondern müssen sich denen
gemeinen Auflagen in so ferne unterwerffen. |
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Denen Soldaten, wenn sie dadurch an ihren
Kriegs-Diensten verhindert werden, auch andern
in ihrer
Nahrung, davon sie
leben, und zu denen
Kriegs-Beschwerungen geben müssen, Eintrag
thun, ist es gleich Falls nicht
vergönnet. So ist
auch denen Unter-Officiers und gemeinen
Soldaten nicht erlaubt, durch Backen, Schlachten,
Bierschenck, Höckerey, Speisung derer Soldaten
u.s.f. denen
Einwohnern Abbruch zu
thun. Es sey
denn, daß sie es von denen Beckern, Schlächtern,
Bauern, desselben
Orts erkaufft hätten. Doch ist
denen
Preussischen Soldaten nachgelassen,
ausser ihren Diensten
und Lager durch die
gantze
Armee mit Butter, Speck, Käse, Toback und
andern kleinen Waaren zu handeln. |
Flem- |
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{Sp. 267|S. 145} |
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ming vollkomm. Teutsch.
Sold. … |
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In Berg-Städten sollen gleich Falls Berg-Beamte,
Diener und Schicht-Meister aus
sonderlichen
Ursachen und zur Vermeidung des
Verdachts vor sich und die Ihrigen nicht mit
Tuche, Eisen, Unschlitt, Leder, Pulver, Mehl, Brod,
Gewürtze und andern mehr handeln. Weil sie aber
einige Sorten von Berg-Materialien wohlfeiler
anschaffen können, als solche in der
Stadt zu
haben, werden sie mit des Ober-Berg-Amts
Vorwissen solange dabey gelassen, bis die
andern Kramer auf einen noch geringern Preiß
herunter fallen. Denen Schicht-Meistern steht
auch frey etwas von andern Orten zu
verschreiben, wenn es daselbst zum
Nutzen der
Gewerckschafft in besserer Güte und Preise zu
haben. |
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Es ist aber der Handel nicht einerley. Denn
einige handeln ins grosse, andere aber ins kleine,
und noch andere behelffen sich mit
Aushöcken
allerhand schlechter und sudelhaffter Waaren,
Theils auch mit Hausiren und Land-Lauffen. |
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Der
Ursprung der Kauffmannschafft ist
vermuthlich dieser, daß
anfänglich ein jeder die
Früchte seines Landes oder
Ackers, wie auch
seine
Arbeit, demjenigen, der ihrer in dem
Dorffe,
Stadt oder Lande, wo er sich niedergelassen,
bedürfftig gewesen, bis endlich andere, die ihrer eben
nicht groß
nöthig gehabt, aber doch
gewust, wo
sie sie wieder loß werden, und zugleich ihre
Mühwaltung und
Reisen bezahlt kriegen könnten,
dieselbige gleich Falls an sich gehandelt haben.
Auf solche Art ist ungefähr der Handel aus der
ersten, andern und dritten Hand entstanden,
woraus noch heutiges
Tages die
gantze
Kauffmannschafft bestehet. |
- Marperger
Kauffmanns-Magazin.
- Molinaeus de Commerciis.
- Beneu. Straccha de Mercatura.
- Thurmann Biblioth. Marit. Mercat. et naut.
- Reinhard Theatr.
Prudent. Elegant. …
-
Buddeus Element. Philosoph.
Pract. …
- Rohr Haushalt. Biblioth. …
-
Freherus de
Mercatura.
-
Rüdiger Kunst zu leben und zu
herrschen. … Anhang …
- Müller Politic. …
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