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Text |
Quellenangaben |
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Teutsche
Handlung, diese verdienet
allerdings eine besondere Aufmercksamkeit. |
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Denn
Deutschland ist unstreitig eben das
Land, welches vor vielen andern Ländern
mit
Natur- und
Kunst-Gaben von
GOtt geseegnet ist, also, daß es
mit
Recht heissen mag: Felices
Germani si bona sua norint; Glückseelig wären unsere
Deutsche, wenn sie
dasjenige, was ihnen die Natur und ihre angebohrne Fähigkeit zu guten Künsten gegeben,
erkennen könnten. |
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Denn da hat Deutschland Korn, Wein, Feld- und Baum-Früchte, Küchen- und Medicinische Kräu-
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{Sp. 1827|S. 927} |
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ter und Wurtzeln in Überfluß. An Mineralien, die es in seinen Bergwercken findet, ist ihme kein Land
vorzuziehen. Das Regnum animale giebt ihm Wolle, Leder, und vielerhand zu denen
Manufacturen erforderte
Materialia. Holtz zum Schiff-Bau hat es die Menge. Kein einiges Metall fehlet ihm; auch so gar Gold und
Silber hätte Deutschland mehr in dem Eingeweyde seines Bodens, wenn es nicht so viel in fremde
Länder vor unnütze
Waaren ausschickte, oder ihre Proceres
auf
Reisen dahin
verzehrten. |
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Die Seiden-Zucht scheinet keinem Lande
eigener, als unserm
Deutschlande zu seyn, weil die Maulbeer-
Bäume unvergleichlich fort kommen, wenn man nur die
Lust solche zu pflantzen und zuwarten
hätte. |
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Der Flachs- und Leinwand-Handel bringt Millionen aus der Fremde ein, anerwogen der grossen
Quantität, die
jährlich davon nach Engelland,
Holland Spanien und Italien
gehet, |
wovon des Herrn Marpergers Tractat von Hanff und Flachs, und denen daraus
verfertigten Manufacturen ein mehrers Zeugniß geben kan. |
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Die übrige Handlung derer deutschen
Kauffleute mit denen
auswärtigen Ländern und Nationen ist eben so wichtig. Zumahl, wenn man nur überhaupt erwäget, was
z.E. Italien, Spanien, Franckreich und
andere Länder jährlich von denen deutschen Waaren nehmen, und uns von denen ihrigen wieder
zusenden; so wird die
Sache unstreitig um soviel klärer.
Es liefern nehmlich die Deutschen aus Deutschland viel und mancherley Sorten Leinwand, feine wollene
Tücher, allerhand
Kram-Waaren, Korn, Gewehr, Holtz
zum Schiff-Bau und Fässer machen, sonst Pipen-Stäb und Klap-Holtz genannt, Hanff, Flachs, Thee,
Thran und dergleichen grobe Waaren mehr. Und holet wieder von dannen die aus Neu-Spanien von
Peru und Mexico kommende Silber-Waaren. Ferner Indigo, Cochenille, Campeche- und ander Farb-
Holtz, Taback,
Zucker, Baum-Öl, Perlen und Juwelen,
feine Spanische Wolle, delicate Weine, Zucker, eingemachte Früchte, Saltz, (unter welchen das
sogenannte Almaden-Saltz das beste). Ferner allerhand frische Früchte an Zitronen, Äpffel de Sina und
Pomerantzen, Cacao, von welchen die Chocolade gemacht wird, trockne Feigen und Rosinen. |
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Franckreich bekommt aus denen deutschen See- und vornehmlich an der Ost-See gelegenen
Handels-Städten Pohlnische Lamm-Wolle, Lein-Saamen, Zimmer- und Klap-HoItz, Meßing-Drat, und allerhand Kupffer-Waaren, eiserne
Ancker, etwas an Kram-Waaren, Flachs, Pott-Asche, Wachs, und zuweilen Korn, dessen aber
Franckreich auch viel aus der Barbarey hohlet. Dagegen kommt von Franckreich Wein, Brandewein, und
Eßig, Äpffel- und Birn-Safft, Frantzösisch Cidre
genannt, allerhand Früchte, sonderlich
Pflaumen und Castanien, Saltz, viele Farb-Kräuter, Nußbaumen-Holtz, Korn, etwas Droguistereyen; von
denen durch
Fleiß und
Kunst gemachten Waaren aber,
allerhand Kram-Eisen, Seide- und Wollen-Waaren. |
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Ober-Deutschland betreffend, hat selbiges vor diesem eine grosse Zufuhr an Frantzösischen
Waaren über die Schweitz, Lothringen und
Flandern, mehrentheils an allerley Kram-Waaren, und sonderlich an Frantzösischen nichtswürdigen
Galanterien, wofür die deutschen
Höfe
jährlich viel Millionen |
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{Sp. 1828} |
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baares
Geld nach Franckreich
geschicket gehabt, auch dabey einige unentbehrliche Waaren bekommen, die man nicht anders, als aus
Franckreich,
vornehmlich an Droguistereyen
haben können, welche letztere noch als vor ihren Lauff behalten,und keine Sperrung oder Verbot, wenn
das
Reich mit Franckreich in
Krieg begriffen, darwider helffen
kan. |
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Aber in denen vielen Millionen Frantzösischer
Manufacturen hat die Göttliche
Vorsehung seinen guthertzigen
Deutschen zu
gut einen mächtigen Strich gemacht, indem
zu Deutschlands unbeschreiblichen
Nutzen, durch die in Franckreich
1684 recht hitzig und auf unerhörte Weise, angefangene Persecution der
Reformirten Religions-
Genossen, viel hundert tausend derselben, und unter solchen Capitalisten und
Handwercks-Leute in
Deutschland und andere
Reiche entwiechen, und
weil sie von einiger unserer deutschen Potentaten, sonderlich von Sr. Königl. Maj. in
Preussen, gottseeligster Gedächtniß,
christmildigst aufgenommen, und ihnen aller Vorschub sich in Deutschland zu etabliren gethan worden,
dadurch diejenige Manufacturen empor gestiegen, die wir sonst nicht anders, als aus Franckreich haben
bekommen können und
wollen. |
Wieviel aber diejenige Waaren, welche Deutschland vor diesem jährlich aus
Franckreich gehohlt, theils an baarem Gelde, theils an andern soliden Waaren aus dem Lande gezogen,
solches ist in des Herrn
D. Bechers Commercien-Tractat
ausführlich zuersehen. |
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Gleichergestalt giebt auch Italien von seinem Natur- und Kunst-Waaren an Deutschland viel rohe
und gesponnene Seide und Seiden-Zeug, an Sammet, Atlaß, Damast, Tafft, und Tobin, gewässerten
und ungewasserten, viel seidene Strümpffe, Camsols, kostbare Brocade, geblümte und ungeblümte
Stoffen, weisse zwirnene Spitzen, schöne Gläser und Spiegel, rothe Scharlachene und andere feine
Tücher, vielerhand Weine, Essentien, Parfums, Corallen, rohe und eingemachte Früchte, gute
Parmesan-Käse, Baumöl und Oliven, Rossolis und andere destillirte Liquores aus. Hingegen empfängt
es wieder weisse und gefärbte Leinwand, feine Schleyer, weissen Zwirn, viel Nürnberger- und
Augspurger-Waaren, einige Mineralia und Droguistereyen, Leder, Wachs. |
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Holland nimmt von
Deutschland Wolle, Korn, Holtz zum Schiffbauen, Maltz zum Bierbrauen, Rheinische und Moßler-Wein,
Eisen, Stahl, Gewehr, Leder, Flachs und Leinen Garn. vielerhand Farb-Waaren, und unzähliche
Manufacturen, die sie wieder zu
ihrem Ost und West-Indianischen Handel
nöthig haben, und giebt uns davor
seidene und wollene Tücher und Stoffen, ihre feine Leinewand, Ost-Indische Baumwollene Tücher,
Gwürtz und Droguistereyen, sonderlich den bey unserer Salbey und Ehrenpreiß der
Tugend nach, so wenig in Vergleich
kommenden Thee, als Bley sich dem Golde gleich rechnen kan. Ferner ihr zerbrechliches Porcelain, und
was man etwan sonst an Spanischen, Moscovischen, Frantzösischen und Englischen Waaren,
(sonderlich diejenige Länder, die Holland in der Nähe haben) nöthig haben
möchte, wiewohl auch dieses alles in
unsern deutschen See-Städten zubekommen, als welche aller oberzehlten Länder
Waaren mit ihren
eigenen
Schiffen hohlen, und die deutsche Waaren
mit guten |
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{Sp. 1829|S. 928} |
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Nutzen wieder dahin
verführen. |
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Mit Dännemarck und Schweden stehen besagte Schiffe in guter Correspondantz, und schicken
diesen Reichen allerhand Italienische und deutsche
Kram-Waaren, wollene Tücher,
Leinwand, Seiden- und Wollen-Waaren zu, und empfangen wieder dagegen Butter, Fleisch, Leder,
truckene und gesaltzene Fische, Eisen und Kupffer, wiewohl auch diese
Waaren in
Deutschland nicht manquiren. |
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An Pohlen und Ungarn giebt Deutschland viel Gewürtz, feine wollene und seidene Manufacturen,
viel Kram-Waaren und etwas Droguistereyen, und empfängt dagegen Wein, Korn, Vieh, Leder, Wachs,
Saltz, Pot-Asch, und andere
nützliche Waaren, welchen
Handel Deutschlands grosser Begriff
verursachet, indem die auf dessen
Grentzen wohnende besser von
ihren Nachbarn ein und anders
kauffen können, als solches
weitläufftig auf der Achs aus dem
Vaterland kommen zu lassen. |
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Solten aber die Flüsse Deutschlands hin und wieder noch schiffreicher gemacht werden,als sie an
theils
Orten bereits sind; so
ist kein
Zweiffel, daß auch dadurch der
deutsche Handel sich noch ein grosses hier und dort
verbessern möchte. |
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Ist noch übrig mit drey
Worten der deutschen
Manufacturen zugedencken:
Diese fliessen aus der Mutter-Stadt aller Künstler, nehmlich aus der Kayserl. freyen
Reichs-Stadt Nürnberg so häufig heraus,
daß sie sich auch biß in Ost- und West-Indien ergiessen, ja so zu
reden, die erste Ouverture zum
vertraulichen Handel mit diesen Barbaren gegeben haben. Das werthe
Sachsen-Land ist
gleichfals eine Pflantz-Stadt und Baum-Schule trefflicher Künstler und Handwercks-Leute. Die
Marck
Brandenburg trägt
ingleichen das ihrige bey, sonderlich seiter dem, daß die Frantzosen darinn etabliret seyn. Was fehlet
denen
arbeitsamen und kunst-
begierigen Schlesiern; denen sinnreichen Augspurgern? Was hat
Hamburg und andere
deutsche See-Städte nicht vor Manufacturen auszuweisen, daß also nochmahls daß Sprüchwort
wahr bleibt: Felices Germani,
si bona sua norint. |
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Indessen ist doch so viel
gewiß, daß unsere sinnreiche Deutschen
lediglich uns ihrer eigenen Beständigkeit, unermüdeten
Fleiß, tieffen Nachsinnen und allgemeiner
Liebe zu denen
Künsten und
Wissenschafften,
und also auch zu denen
Commerciis, den Flor ihrer weit und
breit durch
Europam sich erstreckenden
deutschen Commercien, und wenn uns erlaubt ist, so zureden, den
Vorzug der Handels-
Klugheit über alle andere
Nationen der
Welt, zudancken und
zuzuschreiben haben. Die
Sache meritirt etwas ausführlicher
angesehen zu werden, und zwar die Rationes darzu aus dem Alterthume herzuholen. |
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Es
schreibet aber von dem
Alten, und nicht civilisirten
Deutschland Tacitus in seinem
Buch de moribus Germanorum also:
Wer wolte wohl, wenn gleich die wilde See nicht wäre, so thöricht seyn, und Asiam, oder Africam, oder
das lustige Italien verlassen, und sich nach Deutschland begeben, dessen Boden ungestalt und
ungeschlacht, die Lufft rauh und kalt, das Land selbst unlieblich anzusehen ist, indem es entweder über
und über mit dicken finstern Wäldern bewachsen, oder auch stinckenden Pfützen und Morästen
angefüllet, und gantz keine fruchtbare Bäume, wie auch nur lauter kleines Vieh hat. |
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Auf welche
Rede er gleich ferner also
fortfähret: Wer solte wohl ein Volck |
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{Sp. 1830} |
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(verstehe das Deutsche) loben, welches das Silber-Geschirr in nicht höhern Werth, als die Gefässe,
die von Thon gemacht seynd, hält, welches ohne Städte lebt, dem Schlaff und Fressen ergeben ist, und
von guten Künsten und subtilen Wissenschafften nicht das geringste weiß; oder wer solte wohl ein Volck
hoch achten, welches nach Cäsaris Zeugniß, (im 6 Buch de Bello Gallico) seine gröste Ehre darinnen
suchet, wie es weit und breit um sich herum verwüste Grentzen und Einöden haben möge. |
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Solchergestalt beschreibet Tacitus unser
Deutschland zu seiner
Zeit, als es freylich noch so rauh
und wild, als ers beschrieben, ausgesehen, und die
Sitten der
Einwohner allerdings noch so
beschaffen gewesen. Solte er aber heutiges
Tages wieder kommen, und die gleich
einen Lust-Garten hin und wieder angebauete Ländereyen und
Provintzien, die grosse und
mächtige Residentzen,
Reichs- und
Handels-Städte, die unzählbaren
Flecken und
Dörffer, die Magnifiquen Paläste,
die Schiffreichen Ströme,
ordentliche und mit
täglichen Post.und Fuhr-Wägen
angefüllete Land-Strassen, die mit köstlichen
Waaren aus allen
Theilen der Welt
wohlversehene und wohl sortirte Kauffmanns-Gewölber und Magazinen, so viel tausend Officinen
künstlicher und arbeitsamer Handwercks-Leute, prächtig erbaute Börsen und Kauff-Häuser, mit ihren
grossen
Versammlungen
vornehmer und durch die
gantze
Welt correspondirender
Kauffleute, ansehen, würde er
von unserm
Deutschland ein gantz ander
Urtheil fällen, und wie
absonderlich in Marpergers Historischen Kauffmann, in der Erzehlung von denen deutschen
Commerciis, aus dem Bodino in Method. Histor. & de Republ. L. V. c. 2. erwehnet worden, mit diesem
Frantzösischen
Scribenten in gleiche
Worte heraus brechen nehmlich:
Die sonst so sehr wild gewesene
Deutschen, welche sich in
den
Wäldern, wie das Wild,
aufgehalten, und einen grossen Haß gegen die guten
Künste verspühren lassen, seynd
heutiges Tages so umgekehret, daß sie in Leutseeligkeit die Asiatische Völcker, in Tapfferkeit und
Kriegs-Zügen die Römer, in der
Religion die Hebräer, in der
Philosophia oder
Welt-Weißheit die
Griechen, in der Geometria oder Erd-Meß-Kunst die Egyptier, in der Rechen-Kunst (wir setzen auch
hinzu in der
Kauffmannschafft) die
Phönicier, in der Sternseher- und Deut-Kunst die Chaldäer, und in Verfertigung allerhand Kunst- und
Handwercks-Sachen alle
Völcker des gantzen
Erdbodens
übertreffen. |
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Woher ist aber diese grosse
Veränderung der Deutschen,
der mittlern und jungem oder jetzigen Zeiten gegen denen der ersten und alten Zeiten gekommen?
Anders nicht, als durch die
Commercia und
Handlungen. Diese seynd es,
welche auch die rauhesten und wildesten
Gemüther civilisiret,
leutseelig und von gutem
Umgang machen können. Denn weil
solcher beydes zu
Hauß als auf
Reisen unter so
vielerhand Nationen,
Sprachen und
Sitten, bey allerhand
Glück- und
Unglücks-Fällen, Veranlassungen und
Gelegenheiten geschiehet, so kan
nichts anders, als eine
Veränderung des
Gemüths und der
Sitten, daraus erfolgen, wie denn auch ein
wildes Thier, wenn es lange
Zeit unter
Menschen
gewohnet ist, endlich zahm
wird, und seine Wildheit ableget, eben durch solchen Umgang, und denen |
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{Sp. 1831|S. 929} |
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sich dabey vielfältig zeigenden
Objectis und vorkommenden Actionibus
wird auch nach und nach das Gemüth des Menschen zur
Begierde der Vielwissenheit, oder
doch der Kenntniß solcher
Dinge, welche zu jedes seinem
Stand, und also auch zu
der Kauffmannschafft zu
wissen nöthig seyn,
geleitet, welches hernach der
Anfang des
studirens ist, und daß man
nicht mehr, wie vor
Alters, einen Abscheu davor hat,
sondern sich je länger je mehr darauf
befleisset, als auf unentbehrliche
Mittel, ohne welche man nicht zu dem
Zweck eines
glücklichen, civilen und
politischen
Lebens gelangen kan. |
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Eben diese Kauffmannschafft führet hernach in die
Philosophiam,
Geometriam, und andere mathematische Künste hinein, also, daß wenn ein
Kauffmann erst den
Nutzen, der aus einer mit
Vernunfft geführten
Handlung, sonderlich aber aus denen Manufacturen kommt, gekostet hat, er von selbst solche
Wissenschafften
weiter zu excoliren sich angelegen seyn läst, und solchergestalt ist mehrentheils einig und allein durch
die Handlung gekommen, was obbesagter Bodinus unsern Deutschen mit
Recht nachrühmen kan. |
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Hier aber entstehet nicht
unbillig die
Frage: Woher denn in Deutschland die so
grosse und
mächtige Handlung
entsprungen, daß selbige eine so grosse
Veränderung und
Catastrophe in denen mittlern und jüngern Zeiten gegen die ältern, uhralte und erstern
Zeiten unserer barbarischen
Vorfahren hätte machen können? Wir antworten: Durch die deutschen Nation unüberwindliche und vor
andern Nationen den Preiß behaltende Handels-
Klugheit, welches zubeweisen
wir |
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1) |
sehen müssen, was Handels-Klugheit heisse, und worinn sie insonderheit bey den Deutschen bestehe; |
2) |
aus was vor ein
Alterthum, Zufälle und
Gelegenheit dieselbe
gegründet sey; |
3) |
wie sie beschaffen seyn
müsse, wenn sie das Vorrecht des
Rangs oder
Vorzugs vor andern sich erwerben, und zueignen
wolle, und |
4) |
wie solches alles zugleich auf die deutsche Nation zu appliciren sey. |
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Betreffende das erste, nehmlich die
Definition der Handels-Klugheit, was sie
sey und worinn sie bestehe, so ist es ein bey sich selbst, und im menschlichen
Verstande (nach
vorhergegangener
Erkänntniß einer
Sache) abgefastes
Urtheil, was, um
Gewinn zuerjagen in
Commercien-Sachen zuthun, und
hingegen, um
Verlust zuvermeiden, zu
unterlassen sey, oder es
ist eine wohlgethane
Untersuchung derjenigen
Waaren, die in einem
Lande zu der
Einwohner
Gebrauch
mangeln, und dannenhero von einem an-
dern
Ort, wo selbige
überflüßig seyn, müssen geho-let,und hingegen das hieselbst überflüßige, wieder an einen
mangelhafften Ort hingeführet, und daselbst mit
Nutzen
verkaufft werden, dabey denn ein
kluger
Unterscheid zumachen, welche
Waaren roh und ihrer ersten
Substantz und
Form nach, oder mit beyder
Veränderung durch
Kunst und Zusatz (welches man
eigentlich
Manufacturen
nennet) können ausgeführet werden,
dabey auch ferner zusehen ist auf die darzu sich präsentirende
Gelegenheit, ingleichen auf die
Zeit,
Personen und Zufälle, item, auf die
Länder, und deroselben
Vermögen, auf
der Nationen, mit welchen man handelt, ihre
Sitten und Gebräuche, welches alles in
der Application auf die deutsche Handlung sich noch klärer mit
Ex- |
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{Sp. 1832} |
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Exempeln geben wird. |
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Anfangs, oder in denen ersten sieben
Jahrhunderten nach Christi Geburt war
Deutschland dasjenige, wofür es Tacitus
obiger massen beschrieben, nehmlich wild und rauh, und mehr dem Marti als dem Mercurio oder der
Minervä zugethan, mit der in dem achten Jahrhunderte aber, und von Carl des Grossen Zeiten,
anbrechenden, und sich hin und wieder ausbreitenden christl. Religion, welche ohne dem den
Frieden und Sanfftmuth prediget,
wurden die
Gemüther der
Deutschen unter den
Waffen, auch den Friedens-Künsten (unter welchen die Commercia mit begriffen seyn) gewogen, und
nachdem sie durch ihre von
Tag zu Tag zunehmende Civilisirung hin
und wieder anfiengen,
Städte zu
bauen,
Regiments-Formen und
Policey-Verfassungen
anzustellen, und aufzurichten, da hatten sie am ersten Gelegenheit denen
Commerciis nachzusinnen, und
selbige, als etwas, so dem menschlichen Leben unentbehrlich, unter sich zu pflantzen, wenn sie selbige
anders nicht schon etliche Jahrhunderte zuvor, (obgleich nicht in Ober- doch in Unter-Deutschland)
excoliret haben. |
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Denn wie vorbelobter Herr Marperger in der dritten Erzehlung des Historischen Kauffmanns von
den Städten Wineta und Julinum, in Pommern an der Ost-See gelegen, erzehlet, so sind diese beyden
Städte viele
Jahrhunderte zuvor schon, und noch in
dem
Heydenthum, grosse Kauff- und
Handels-Städte gewesen. Wenn nun
im besagten
Tractat von denen deutschen Commerciis
ferner gedacht wird, daß die Deutschen (als von denen Phöniciern herstammend)
Urheber dieser Handels-Städte gewesen
seyn, so ist ja solches ein der Deutschen ihrer Commercien Alterthums,
vornehmlich aber ihrer Handels-
Klugheit, daß sie auch an dem kalten Belt ober der ungestümen Ost-See grosse Emporia haben
aufrichten können, nach welchen von allen Orten der
Welt Zufuhr und
Handlung geschehen ist, so, daß nach der alten Geschicht-Schreiber Beschreibung, obbesagte beyde
Städte die mächtigste Handels-Städte selbiger Zeit in der Welt gewesen. |
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Dem sey aber wie ihm wolle, so ist doch Deutschland, durch seiner Nation Klug- und Handels-
Verschlagenheit, von achten Jahrhunderte an immer in ihren Commerciis gestiegen, und das einige
Land in
Europa gewesen, (wenn man
Italien wegen Genua und Venedig ausnimmt) welches das Monopolium in der Handlung allein geführet.
Denn daß Schweden, Dännemärck, Moscau, und Pohlen, und in Summa alle Nordische und
Sarmatische Länder damahls wenig Handlung gethan, sondern alles aus Deutschland haben holen
müssen, solches ist noch aus denen jüngern Zeiten, und kaum von einem Jahrhundert aus der daselbst
gewesenen Handlung bekannt, da man in Schweden das aus dem Bergwercken gegrabene Ertz oder
Berg nicht hat zu gut machen, oder in Moscau Unschlitt oder Talch zu
Lichten zuziehen gewust, sondern
beydes erst nach
Lübeck schicken müssen, daß es
daselbst zum Gebrauch fertig gemacht worden. |
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Eben so wenig wurde selbiger Zeit auch an Engelland oder Franckreich gedacht. Denn daß in
jenem die Manufacturen erst zu der Zeit (als der Duc d‘ Alba in denen Spanischen Niederlanden
tyrannisirte, und die Spanische
Inquisition einführen
wolte, darüber viel
Tuchmacher sich |
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{Sp. 1833|S. 930} |
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nach Engelland retiriret) recht bekannt geworden, solches ist ausser allen
Streit. Ob gleich in denen so genannten
Spanischen Niederlanden etwas Handlung zu Antwerpen und andern Brabandischen und Flämischen
Städten
möchte gewesen seyn, so seyn doch
solche nicht anders als deutsche Städte zu consideriren. Wie denn die
Provintzien in welchen solche
liegen, jederzeit auch einen
Theil von
Deutschland ausgemacht, und
dannenhero auch von der, denen Deutschen als ihren Landes-Leuten, beywohnenden Handels-Klugheit
participiret haben, wie sie denn aus eben dieser Verwandniß noch heutiges
Tages der Stadt Nürnberg noch viel
Freundschaffts-Zeichen und Deference, als gleichsam ihrer geliebten
Schwester, erzeigen, als
welche ihnen freywillig einen guten Theil der in ihr erfundenen Manufacturen (naher
Verwandschafft halber)
mitgetheilet. |
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An
Holland wurde selbiger Zeit gar
nicht gedacht, dannenhero auch biß dahin noch nichts davon zumelden vorfält. Wir werden aber bald
dasselbe zuberühren Anlaß haben, wenn wir jetzt den in aller
Welt
berühmt gewesenen Hansee-Bund vor
uns nehmen, welcher, wenn wir dessen
Alterthum und weit sich erstreckende
Macht, wie auch die durch
dieselbe ausgerichtete grossen
Thaten, betrachten, ein
ungemeines Zeugniß, nicht sowohl von dem Alterthum, als der grossen Penetration und
Würckung deutscher Handels-Klugheit von sich geben kan. Denn deutsche Kauffleute seynd es gewesen, welche damahls, wie
heutiges Tags die Holländer, grosse Armeen ins Feld, und mächtige Schiffs-Flotten in die
See gebracht. |
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Und so diese zu unsern Zeiten die Staats-Affairen in Europa sehr balanciret, und
Königen auf den Thron
geholffen, so haben es nicht weniger zu ihrer Zeit die deutschen Hanseatischen Handels-Städte auch
gethan, wie solches aus der Dänischen und Schwedischen Historie zur Genüge bekannt ist. Hat Holland
heutiges Tages fast das Monopolium in Ost-Indien unter barbarischen Nationen unter sich gebracht, und
sein berühmtes Contoir zu Batavia aufgerichtet, auch mit Asiatischen Printzen Bündnisse
schliessen können, so
haben die Hanseatische deutsche Kauffleute das Monopolium oder den Allein-Handel etliche
Jahrhunderte herdurch in denen mächtigsten Europäischen Königreichen gehabt, die vier Haupt -
Contoirs, als nehmlich, das Bergische in Norwegen, das Londische in Engelland, das Beuggische in
Flandern und das Novogardische in Rußland besessen, über dem auch mit unterschiedlichen Königen
Bündnisse geschlossen, und nach Beschaffenheit der Sache sich stattliche
Privilegia bey denselben
ausgewürcket. |
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Wer
wolte nun nicht
sagen, daß, da dieses
bey etlichen hundert
Jahren also fortgegangen, daß sich die
vereinigten Hansee-Städte in solcher
Macht und
Ansehen mainteniret, sie nicht
eine grosse Handels- ja
politische Staats-Klugheit gehabt
haben? Beydes war aber beysammen. Denn durch die Handels-Klugheit kam denen Hansee-Städten ihr
Reichthum und
Vermögen, und
durch die Staats-Klugheit wusten sie sich in denselben so lange Jahr
glücklich zu mainteniren. |
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Wir wollen uns aber bey derselben nicht länger verweilen, sondern vielmehr bey jener (als unserer
Frage con- |
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{Sp. 1834} |
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venabler) nehmlich bey der Handels-Klugheit, die denen deutschen Kauffleuten vor andern
Nationen im höchsten Grad beywohnet, und um welcher willen ihnen der
Vorzug vor allen andern Nationen
der
Welt gebühret, bleiben.
Hier präsentiren sich nun gleich die in Deutschland hin und wieder etablirte
Manufacturen, deren viel aus
rohen Materialien gut zu machen, ein Stück der Handels-Klugheit mit ist. |
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Daß aber die Deutschen in dergleichen Verstand- und Kunst-Sachen vor allen andern Nationen der
Welt, den Vorzug haben, solches ist unstreitig. Von dem herrlichsten Metall, dem Gold und Silber, erst
anzufangen, so machet Augspurg und Nürnberg solche Kunst-Sachen, dergleichen kein ander Land
ihnen weder in der Qualität noch Quantität entgegen sehen kan. Wie sie denn auch fast den
gantzen
Norden, sonderlich Pohlen und Moscau,
damit versehen. Also thut es auch keine Nation in der Welt in Metall-Arbeit denen Deutschen zuvor. |
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Deutschland hat die besten Berg-Leute, Deutschland weiß die gegrabenen Ertzte und andere
Mineralia auf hunderterley Art zu nutzen, welche andern Ländern gantz unbekannt seyn. Der einigen
blauen Farbe nur zugedencken, welche in dem Meißnischen Ertz-Gebürge gemacht, und durch die
gantze Welt verführet wird, item des Arsenici, welchen man zugleich von denen Cobalten, aus welchen
besagte Farbe gemachet wird, zuscheiden
weiß: Wobey denn gleich die
deutsche Handels-Klugheit ihr
Commercium mit solchen
Waaren weit und breit in der Welt herum
etabliret hat. Welches auch also in dem Blech- Handel, in Nürnberg aber mit denen vielerhand Meßing
und Handwercks-Waaren, die nach Italien, Spanien, Asien, Africa und America gehen, geschiehet. |
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Wolte man die saubere Stahl-Arbeit, die in Italien, Franckreich und Engelland gemacht wird,
dagegen anführen, so ist solches einer
Krämerey gegen einer realen Handlung,
oder einem kleinen Teich gegen einer grossen See zu vergleichen. Und wenn es endlich um und um
kommt, so wissen unsere Schlösser und Messer-Schmiede, oder die sich sonst unter denen deutschen
Handwerckern auf
dergleichen Stahl-Arbeit legen, selbige ja so häuffig und künstlich zu machen, als obbesagte Länder
nimmermehr thun können. |
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Da auch etwan die Indianer mit ihrem Porcellain, als etwas so noch zu dem mineralischen Reich
gehörig, oder Italien und Franckreich mit seinen Spiegel-Gläsern aufgezogen kommen wolte, so kan
allen dreyen das einige
Sachsen-Land alleine, an
Porcellain und rarer Glas-Arbeit, so viel entgegen setzen, daß sie gern still schweigen mögen. |
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In dem vegetabilischen Reich hat Deutschland den grossen Leinwand-Handel, den die
Klugheit deutscher Kauffleute
durch alle vier
Theile der Welt ausgebreitet
hat. Hier wird nun Ost-Indien seinen Caton oder Baumwollen Handel, und die daraus verfertigte
Baumwollene Tücher, vorziehen wollen, man setzt ihnen aber den feinen Schlesischen Schleyer, und
das superfeine Schlesische Loth-Garn, wie auch den
Schluß entgegen, daß,
wenn es der Göttlichen Providentz gefallen hätte, in einem Land alles wachsen zu lassen, was das
ande- |
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{Sp. 1835|S. 931} |
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re hat, so würde keine
Handlung
nöthig seyn, und die
Deutschen, wenn bey ihnen
die Baumwolle, so wie in Indien, wüchse, eben so wohl Baumwollne Tücher, als die Indianer, weben
können, wie man dessen schon einen guten
Anfang im Voigt-Lande gemacht hat. |
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Es ist aber hier nicht die
Frage von der
Glückseeligkeit eines Landes in
Ansehung der Natur-Gaben, die es vor den andern hat, sondern nur von der Handels-Klugheit, und so
auch in diesem
Theil seine rohen und verarbeiteten Waaren,
wie es dieselbe vermittelst der Commercien, zu Nutz machen könne. Also würden die Italiener und so
auch die Persianer und andere Nationes, wenn es auf das blose Materiale ankäme, wegen der Seide
und denen daraus verfertigten Manufacturen, einen grossen Vorzug vor Deutschland haben, weil bis
anhero der Seiden-Bau in demselben negligiret worden. Dahingegen hätte Deutschland seine Wollen-
Manufacturen, und so viel andere zu dem Regno animali gehörige Stücke auszuweisen, welche es
ursprünglich besser hat, und
auch besser, als jene, zuverarbeiten
weiß, womit denn der
Streit leicht gehoben. |
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Dieses aber muß unstreitig der deutschen Nation eingeräumet werden, daß sie in der Vielheit der
Manufacturen, auch in sinnreicher Invention derselben, alle andere Nationes der Welt übertreffen und
alles, was jemahls grosses an Mechanischen Kunst- und Wunder-Sachen in der Welt gewesen,
entweder von Deutschen erfunden, oder doch, wenn es gleich andere Nationes gethan, von ihnen
besser ausgearbeitet worden sey, also, daß solche Nationes ihr
eigen
Kind hernach, als es ihnen in
vollkommener
Manns-
Gestalt von deutschen
Meistern wider dargestellet worden, nicht
mehr
erkennet haben. |
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Die Sache stehet leicht mit
Exempeln zu
beweisen: Albrecht Dürer, der
Deutschen ihr Appelles,
verdient mit
Recht das
Lob, welches ihm der Coppenhagnische
Professor, Erasmus Michaelis Lätus,
gegeben. Was in der Bau-Kunst Deutschland vor
berühmte Männer habe, ist aus denen
in unsern deutschen Residentz -und
Reichs-Städten befindlichen Public-Gebäuden und Pallästen, wie auch aus Marpergers
Tractat, von dem
Leben der Bau-Meister
bekannt. |
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In
Dreßden hat sich nur noch vor weniger
Zeit der in Mechanicis so hoch ja
Welt berühmte Königliche Pohlnische und
Chur-Sächsische Hof-
Model-Meister Herr Andreas Gärtner, der andere Archimedes, besonders hervor, und mit seinen Brenn-Spiegeln fast noch grössere Wunder als der Syracusanische mit den Seinigen gethan. Seine
Wissenschafften in
Astronomicis, Staticis, Hydraulicis, Geometricis, und in Summa, in allen Theilen der Mathesis ist
weltkündig. |
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Was braucht es aber längers Aufhaltens, man gehe nur die meisten sonderbaren Erfindungen
Philosophischer und
Mathematischer
Dinge durch, und sehe zu, ob ihre
Erfinder nicht alle Deutsche gewesen, ja man gehe in fremde
Europäische
Reiche,
Länder und
Handels-Städte, und sehe zu, ob
nicht die
vornehmsten Handwercks-Meister
daselbst an Schneidern, Schustern, Schlössern, Schmiden, ja auch so gar die Künstler, an Stücken-
Giessern, Bildhauern, Mahlern, Kupffer-Stechern, Uhrmachern |
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{Sp. 1836} |
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und dergleichen mehrentheils Deutsche seyn; Wiewohl solches alles die Sache noch nicht aufhebet,
sondern es muß die den Vorzug habende Klugheit unserer deutschen Kauffleute noch mit kräfftigern
Argumenten und zwar mit solchen,
von ihrer
Person selber hergenommen,
bewiesen werden. |
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Solches ist nun gar leicht, wenn wir einen Blick in ausländische grosse Residentz- und Handels-
Städte
thun, da man denn in Stockholm,
Coppenhagen, Londen, Amsterdam, Paris, Bordeaux, Lyon, Cadix, Genua, Venedig, Warschau, und in
Moscau befinden wird, daß viel, ja an etlichen die
vornehmsten
Kauffleute daselbst, Deutsche
seyn. Diejenigen, welche nicht ausserhalb Landes sich niedergelassen, sondern in ihrem
Vater-Lande ihre
Wohnung aufgeschlagen,
beweisen ihre Handels-Klugheit
durch ihre in die Welt weit und breit ausgehende Correspondentien, ingleichen auch durch ihre in andern
Ländern etablirte Contoiren, oder doch mit desselben Landes-Einwohnern, gemachten Mascopeyen,
item, durch ihre weite
Reisen, zu
Wasser und
Land, in so weit ihnen der Weg nicht dahin
verschlossen ist. Denn da andere Nationes nur ein oder das andere Land mit Reisen und Handeln
zubesuchen, in
Gewohnheit hatten, so laufft
der Deutsche mit seinen Brieffen und Commissionibus auch wohl mit einer
Person und
Bedienten, am meisten aber mit
seinen
Waaren und
Geldern die
gantze
Welt durch. |
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Wiewohl es wegen der Grösse von
Deutschland, und der vielen darinn
befindlichen See-und Handels-Städten, nicht so sehr, als in andern
Reichen und Ländern (die
nur ein oder zwey Haupt-Handels-Städte haben) in welchen der Kern von ihren National-Kauffleuten,
gleichsam als in einem Centro beysammen ist, in die Augen leuchtet und gemercket werden kan, was es
allenthalben vor grosse
Geister von dergleichen deutschen
klugen Kauffleuten habe. |
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Wie wir denn versichert sind, daß solche die
Macht ihrer
Klugheit in
Commercien-Sachen mehr, als
andern Nationen lieb seyn
solle, weisen würden, wenn sie
gleichergestalt unter einem solchen Haupt, oder bey einer solchen Einigkeit des
Römischen Reichs
versammlet lebeten, welches sie mit mächtigen Flotten zur See aßistiren und auch mit andern Hülffs-
Mitteln, wodurch die Commercien eines Landes befördert werden, unterstützen könnte, gleichwie
jetziger Zeit andern Nationen von ihrer
Landes-Herschafft wiederfähret. |
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Dieses einige müssen wir noch hierbey anführen, daß es manchem leicht sey, bey anscheinenden
Gelegenheiten und in Überfluß
profitable Handlung zu treiben, aber in Sturm und Ungewitter ein guter Steuer-Mann zu seyn, und
mitten unter denen erlittenen Pressuren, welche Deutschland so viele
Jahre bey denen leidigen
Kriegs-Zeiten auszustehen
gehabt, bey verschlossenen Pässen, Unsicherheit, der Strassen, schweren Geld-Ausgaben,
unfruchtbaren Boden, grossem Geld-Mangel und dergleichen, dennoch ein wohlhabender Kauffmann zu
bleiben, und seine Sache
glücklich zuführen, auch sich und dem
Lande
Nutzen zuschaffen, (wie jetziger
Zeit viel tausend unserer deutschen Kauffleute
thun, da gehöret
Klugheit zu, da heist es auch: Hoc
opus, hic labor est. |
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Endlich so gehören auch |
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{Sp. 1837|S. 932} |
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zum
Beweiß Kauffmännischer
Klugheit, ihre
Statuta, durch welche
das Commercium eines
Orts je länger je mehr
(wenn man sich sonderlich nach solchen vorgeschriebener massen richtet) in Flor gebracht werden kan.
Es zeigen sich aber solche heilsame
Gesetze an und unter allen
andern Nationen der Welt. Denn wem ist das
Alterthum des deutschen See-Rechts
unbekannt? Hatte man hier nicht auch
Ursache von
unsern Hanseatischen Kauf-Leuten (wenn man ihr Wisbuisches und nach der Zeit verneuertes
Hanseatisches See-Recht ansiehet) zusagen, was dorten Nero dem
Kayser Tiberio antwortete, als
solcher einen Ausspruch in streitigen See-Sachen zuthun von denen dabey intereßirenden
angesprochen wurde: |
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Aller Durchlauchtigster, Großmächtigster Kayser, was von Eurer Kayserl. Maj. anjetzo vorgetragen
worden, darauf wolte ich nur unterthänigst dieses antworten, man solte lieber nach der Insel Rhodus,
(als die ihrer vortrefflichen See-Gesetze halben berühmt ist) schicken und daselbst von der See-
Handlung von ihren Schiff-Rhedern und Befrachtern, Schiffs-Zimmerleuten, und denen, die in solchen
See-Handlungen intereßiret seyn, Schiffe kauffen und verkauffen, auch Gold und Geld darzu hergeben)
Nachricht einholen. |
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|
Oder wie der Kayser Antonius demjenigen, der ihme auch in dergleichen Marine-Sachen ein
Supplicatum übergeben hatte, geantwortet: Ich bin zwar ein Herr der Welt, aber die See-Gesetze
herrschen über die See. Entscheide man also, was dißfals vor Streitigkeiten unter Seefahrenden Leuten
vorfallen, nach denen Rhodiser-Gesetzen, in soweit dieselbe unsern Kayserlichen Gesetzen nicht
zuwieder seyn. |
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|
Wie weit aber das Wisbuysche heutiges
Tages, in dem Hanseatischen oder
Lübeckischen enthaltenen See-Recht, sich erstrecke, wie es denen Frantzösischen Oleranischen das
Alterthum streitig machen könne, solches ist in der
Vorrede des von
offtgedachten Herrn Marpergers aus dem
Frantzösischen
übersetzten, und mit einem Commentario versehenen Frantzösischen See-Recht, zuersehen. Uns
genüget dieses Orts, nur daraus zubehaupten, daß auch in See-Sachen, vornehmlich aber in See-
Rechten, die Deutschen vor andern Nationen den Vorzug haben, auch noch heutiges Tages in der
Schiffart denen Englischen, was die
Europäischen Fahrten betrifft, in allen gleich gehen, und so auch in den weiten Reisen nach denen
übrigen Welt-Theilen es würden thun können, wenn sie sowohl, als diese beyde und andere Nationes,
die Gelegenheit darzu hätten, und man in Deutschland, um das Aufnehmen der Römischen Reichs -
Bürger und ihrer Commercien, wie auch um der Anrichtung unter des
Heiligen Röm.
Reichs Flaggen fahrender mächtiger See-Flotten, das Aufsuchen neuer und unbekannter Länder,
Etablirung
gewisser Colonien, und dergleichen, so
bekümmert und
bemühet, als in andern Reichen und
Ländern wäre. |
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Der ferner von der Deutschen ihrer Handels-Klugheit zeigende öffentliche Beweiß, seynd die fast in
allen vornehmen deutschen Handels-Städten eingeführte löbliche Wechsel-Ordnungen, welche sogleich
allen in Wechsels-Sachen vorfallenden Strei- |
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{Sp. 1838} |
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tigkeiten abhelffliche Maaß, und Decisa geben, und fast in den meisten
Articulis so klar seyn,
daß sie keiner weitern Erläuterung
nöthig haben. |
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Wie denn unsere deutsche Kauffleute unter sich auch solche Banquiers haben, derem ihren
Gutdüncken ausländische Wechsel-Plätze in streitigen Wechseln und Commercien-Sachen gar gern
unterschreiben. Und da andere Reiche und Länder in dergleichen Fällen nur ein oder zwey Plätze
haben, auf welchen sich ein ausländischer Kauffmann
Raths erholen kan, wie etwann in
Holland allein zu Amsterdam und
Rotterdam, in Franckreich zu Lion, in Engelland zu Londen, in Italien zu Venedig und Genua; so hat
hingegen Deutschland sein Augspurg, Bremen, Breßlau, Dantzig,
Cölln,
Franckfurt am Mayn,
Hamburg,
Leipzig,
Lübeck, Nürnberg, Regenspurg, Ulm,
Wien, und andere mehr, bey welchen man sich insgesammt, als bey andern Areopagis Raths erholen,
und eines solchen Ausspruchs sich getrosten kan, der
Rechts und
Statuten gemäß
gegründet ist, und auch von denen
scharffsinnigsten Rechtsverständigen nicht angefochten, vielweniger mit Bestand umgestossen werden
kan. |
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Endlich, so soll auch die fast durchgehends auf unsern deutschen Contoiren und Schreib-Stuben
bemerckte gute
Ordnungen in Scripturen uns
nicht wenig zum
Beweiß dienen, daß der
Deutschen ihre Handels-Klug- und Erfahrenheit auch in diesem Stücke die Sieges-Palmen über andern
darvon trage. Von denen Italienern wird zwar das Buchhalten in doppelten Posten, das Italienische
genannt, und
gönnet man ihnen desfals gern die
Ehre, daß sie ihren
Nahmen, darzu herleihen
mögen. Wiewohl noch nicht ausgemacht ist, ob es nicht auch das Griechische, Phönicische, oder gar
Egyptische Buchhalten
möchte können
genennet werden, weil vorbesagte drey
Nationes weit vor denen Italienern in Handels-Sachen
berühmt gewesen, und
Zweiffels ohne sonderlich die
mächtige Städte Tyrus, Rhodis und Alexandria des richtigen Buch- und Rechnungs haltens (als ohne
welche keine Handlung lange bestehen kan) werden
nöthig gehabt haben, wie denn auch, daß
eben von obbemelten Egyptiern die
Kunst des Buchhaltens in
doppelten Posten nach Italien
soll gekommen seyn, eine gemeine
Meynung ist. |
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Deme sey aber, wie ihm wolle, so ist nunmehro nicht des
Kindes sein
Geburts Ort, sondern wo es wohl
erzogen, und zu einem
vollkommenen
Alter gebracht worden anzusehen.
Dieses ist nun unstreitig in Deutschland geschehen, anerwogen, deutscher Kaufleute eigener
angebohrner
Liebe zu guter
Ordnung und Disposition in
ihren Commerciis; andern Theils auch der zu solcher Disposition erforderten scharffsinnigen Penetration
und
gründlichen Erfahrenheit in der
Rechen-Kunst, welche abermahls denen Deutschen vor andern Nationen im höchsten Grad beywohnet,
inmassen wir dessen einen überflüßigen Beweiß, an denen in allen deutschen
Städten löblich etablirten Schreib-
und Rechen-Schulen,
vornehmlich aber an der in
Hamburg aufgerichteten
Kunst und Rechnung übenden Societät, deren löbliche Membra durch gantz Deutschland ausgetheilet
seyn, haben. |
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Dieser ihre
Schrifften darff ein
unpartheyischer Leser |
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{Sp. 1839|S. 933} |
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nur ansehen, um daraus zu
urtheilen, wie tieff sie auch in die
schwerste Vorfälle Kauffmannischer Rechnungen einsehen, wie der Euclides bey ihnen dergestalt
ausgekörnet sey, daß Plato, wenn jetzunder deutsche Rechen-Schüler in seine
Academie nach Athen kommen
solten, ihrenthalben nicht mehr über die Thür seiner
Schule
schreiben dürffte: Hier komme
niemand herein, der nicht der Geometriä kundig ist, weil sie mehrentheils demselben würden guten
Bescheid thun können. Und also
mangelt es denen Deutschen auch nicht
an andern Nutz -und Lehrreichen, von denen Commerciis handlenden, und die Erfahrenheit der
deutschen Nation in solchen zeigenden
Schrifften
mehr. |
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|
Zwar können wir nicht in Abrede seyn, daß nicht Spanier, Italiener und Frantzosen, Engelländer und
Holländer, wie auch andere Nationes, sehr viel von Commerciis geschrieben, als unter andern |
|
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- Arragonius de Monopoliis,
- Bertachius de Gabellis et Vectigalibus,
- Boccalini in Ragguaglio Parnasso
di Matthaeo Bodinus de Cambiis,
- Johann Bodinus de Republica , dito des Monoyes, Caccia lupi de
debitore suspecto et fugitivo.
- Vincentius Caroccii de re furtiva, it. de locatione, de Excus. bonor.
- Bartholi
Casparin de legitima & naturali rerum venalium pretio et taxat. circa frumentum.
- Casius de Sphaena
Civitatis,
- Johann Bapt. Cavarii de Cambiis,
- Claymarus de Arcanis Rerum publicarum,
- Cuchius de
Moratoriis & praescriptionibus,
- Ferratus de Re navali id. de Gabellis,
- Garzonii nella piazza universali di
tutte le Professioni,
- Carolus Molinäus de Commerciis & usuris id. de usu fructu.
- Monozi de ratiociniis,
- Mozzius de deposito, id. de societate,
- Pancirollus in lib. rerum memor.
- Nicol. de Passeribus de libris
Mercatorum,
- Lopez Rebellus de Monopoliis,
- Reginaldus de Monopoliis,
- Seip. Rendini de recept. Sent.
de Mercat.
- Salmasius de usuris id. de foenore trapezitico,
- Sigismundus Scaceia de Commerciis et
Cambiis,
- Seldenius de Mari clauso,
- Benevenuti Stracha de Mercatura, idem de Nautis et navibus, de
mandato mercatorum de Proxenetis, de decoctoribus, quomodo procedendum in Causis Mercatorum,
- Raph. de Turri de Cambiis Zonchäus de Jure negotii maritimi
- etc.
|
|
|
Allein, was ist dieses gegen denen Handels-Schrifften der Deutschen, von welchen wir ebenfals nur
die vornehmsten recensiren, solcher und der übrigen wegen aber den geneigten Leser auf des jüngern
Herrn Marpergers Bibliothecam Mercatoriam wollen verwiesen haben. Die dieses Orts nur anzuführende Schrifftsteller seynd, |
|
|
- Affelmannus de Contractibus
- Maximil. Fausti Aschaffenburg Tract. de aerario.
- Viel von des
berühmten D. Bechers Schrifften, die von Deutschlands Commercien-Verbesserung handeln,
- Christophori Besoldi disput. Polit, ejusd. tract. de mutuo, item de aerario,
- Beutherus de privilegiis
Creditorum,
- Böckleri Collegium Politicum.
- Matthäus Brunnerus de Cessione Bonorum,
- Byel de Monetis,
- Bornitius de Aerario,
- Carpzovii Jurispr. Rom. Sax.
- Coleri Decisiones,
- Ernesti Cothmanm Concilia ,
- Sigism. Finckelthausii de Moratorior. Praescript.
- Petr. Folleri Prax. Nundin.
- Ahasverus Frit-
|
|
|
{Sp. 1840} |
|
|
- Fritschens de jure nundin.
- Christ. Haffnerus de Mercatura,
- Christ. von Huyn de usur. usurarum,
- Hunnius de Cessione Bonorum,
- Reckermanni Systema Polit.
- Caspar Klockius de Aerario, ejusd. tr. de Collectis et
contribut.
- Lansii Consultationes,
- Herm. Latherus de Censibus,
- Benjam. Leuberi disquis. planar. stapular. Saxon. advers. Magdeburg ejusd. tr. de jure stapul. Magdeburg.
- Leib von Besserung Land und Leute,
- Lyserus de jure Nundinarum,
- Joh. Loccenius de jure Maritimo
- Hieronym. Lucas de Cambiis.
- D. Mart.
Luther de judaeis,
- Johannes Marquardus de jure Mercatorum,
- Joh. Mevius de levamin. in opum Credit,
ejusd. Comment. in jus Lubecense, ejusd. tr. de emt. & vendit.
- Hennningii Meureri de praefer. Credit.
- Neu-Cranz de Purpura,
- Georg Obrecht de Aerario,
- Reckmanni Chronica Lubecensis,
- Nicol. Reisneri Thesaurus Practicus.
- Santeri Praxis Banceruptorum,
- Schaffhausen de Cambiis,
- Schulz de oblatione
pecuniae debitae.
- Franci Stypmanni tract. de jure Nautic. ejusd de re Nautica.
- Henrici Zipfels Tractat von
Wechsel-Brieffen,
|
|
|
und so noch viel andere mehr, sonderlich was in denen Schrifften der grossen Rechts-- und anderer
Gelehrten als des Herrn |
|
|
- Brunnemanni,
- Carpzovii,
- Conringii,
- Ahasveri Fritschii,
- Lynckeri
- Richteri,
- Rittershusii,
- Stryckii,
- Struvii,
- Thomasii,
- Thürmanni,
- Ziegleri,
- und andern,
|
|
|
wie auch in so vielen
gelehrten
Disputationen, welche
täglich auf unsern deutschen
Universitäten
herauskommen, von denen Commerciis und denen darzu gehörigen
Materien zu lesen ist. |
|