Titel: |
Diener |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
7 Sp. 825 |
Jahr: |
1734 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 7 S. 434 |
Vorheriger Artikel: |
Dienensium Ciuitas |
Folgender Artikel: |
Diener derer Abgötter |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangaben |
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Diener, da man gemeiniglich die
Begriffe
derer Diener und derer
Knechte verwirret, so
achten wir es vor
nöthig zu seyn, dieselben
deutlicher aus einander zu setzen, und zugleich
was die eigentliche
Natur derer Diener sey,
darbey zu erweisen. |
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Die Natur hat uns
gesellig gemacht. Wir
suchen alle unsere
Glückseligkeit zu befördern,
wenn wir aber die darzu gehörigen
Mittel
betrachten, so finden wir, daß wir vor uns alleine,
und mit unsern eintzelnen
Kräfften diesen
Endzweck zu erlangen nicht fähig sind. Wir
nehmen also anderer Kräffte zu Hülffe, und damit
wir dieselben erlangen
mögen, so dienen wir
gleichfalls denenselben mit denenjenigen Kräfften,
welche in Anse- |
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{Sp. 826} |
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hung unserer alleine sonst überflüßig seyn
würden. Diese Vereinigung derer
menschl.
Kräffte ist die erste
Würckung des Grund-Gesetzes der Geselligkeit, und wird die
würckl.
Gesellschafft
genennet. |
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Hieraus flüsset nun zwar die
Pflicht, daß einer
dem andern hülfliche Hand reichen
muß: weil aber nicht
alle Pflichten von einerley Wichtigkeit sind, indem
nur einige
nothwendig ohne
Unterscheid allen und
jeden müssen erwiesen werden, bey andern aber,
indem sie sich auf eine überhaupt nicht
ausgemachte, sondern auf einer besondern
Betrachtung beruhenden
Beqvemlichkeit
gründen,
sich noch etwas bedenckliches befindet, so
müssen, damit man in diesem Falle gesichert
seyn möge, dergleichen Pflichten der
Beqvemlichkeit durch andere hinzu kommende
Mittel festgesetzet werden. Hierzu bedienet man
sich nun in der menschlichen Gesellschafft derer
Verträge. |
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Ungeachtet die Menschen von
Natur einander
gleich sind, so sind doch nach dem gleichfalls der
Gesellschafft zum besten eingeführten
Eigenthums-Rechte
arme und
reiche entstanden. Die
Reichen besitzen das Pretium commune, welches unumgänglich
nothwendig zu unserer Erhaltung worden ist. Der
Arme kan zwar wohl überflüßige
Kräffte des
Leibes und des
Gemüths haben,
nichts destoweniger fehlet es ihm aus
Mangel
des Pretii communis an
vielen Mitteln seiner Beqvemlichkeit. Damit nun
auch in diesem Falle die Menschen sich untereinander helffen mögen: so werden
verschiedene
Verträge errichtet, da einer dem andern gegen
Abtretung anderer Kräffte insonderheit, oder des
Pretii communis seine Kräffte überläst. |
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Solche Verträge haben nun entweder ihr
Absehen, auf eintzelne
Geschäffte, oder es
will
sich einer des andern auf eine Zeitlang bedienen.
Das erstere wird der
Handel und Wandel
genennet: das andere werden die Dienste
überhaupt genennet. |
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Hierbey ereignet sich nun wiederum dieser
Unterschied. Man nimmt eine
Person in seine
Dienste, um sich deren Kräffte überhaupt ohne
Absicht auf ein
gewisses Geschäffte zu dem
Besten seines Haußwesens zu
gebrauchen: oder
man richtet seine Absicht auf ein gewisses
Geschäffte: und setzet dessen
gute Ausführung
zum
Endzwecke des errichteten Vertrages. Die
erste
Art Leute werden
Knechte genennet, von
deren
Pflichten werden wir, wie solche aus dem
Stande derer
Herren
und Knechte ins besondere folgen, unter dem
Titel
Knechte handeln: die
andere Art heissen Diener, von welchen wir hier
zu handeln haben. |
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Ein Diener ist also derjenige, welcher mit
einem andern einen Vertrag eingehet, auf eine
gewisse Zeit, in einer bestimmten Art von
Diensten, gegen Empfangung eines ausgemachten
Werths, mit Hindansetzung seiner
eigenen
Beqvemlichkeit, des andern seine Beqvemlichkeit
zu befördern. Seine Pflicht bestehet also in der
Erfüllung derer ihm in einer gewissen Art
aufgetragenen Geschäffte. Weil sich der Herr auf
seine Kräffte verläst, so
muß er ihm mit der
gehörigen Treue begegnen, und seine
Beqvemlichkeit in dem vorgeschriebenen Maasse
dem andern aufopffern. |
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So wohl hohe als niedrige
Bediente gehören
unter diesen
Begriff; und die
Pflicht eines Staats-Bedienten bestehet in nichts anders, als die Pflicht
desjenigen, welcher sich in die Dienste eines
priuati begiebet. Die
Klugheit schreibet indessen hiebey
diese
Regeln vor: |
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Auf Seiten dessen, welcher andere in seine
Dienste nehmen will, ist nachfolgendes zu
mercken: |
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1) |
Man
wähle Leute, welche
fähig sind, die ihnen aufgetragenen Dienste
tüchtig zu
verwalten. Die Fähigkeit eines
Menschen muß nach der Beschaffenheit
dererjenigen
Geschäffte, welchen er vorstehen
soll, abgemessen werden. Sein
Verstand muß
alles dasjenige begreiffen, was zu der
Sache
gehöret, und |
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{Sp. 827|S. 435} |
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die
Kräffte des
Leibes
müssen hinlänglich seyn, die Last der
Arbeit zu
ertragen. In Ansehung des
Willens, hat man die
Redlichkeit und den
Fleiß allen übrigen
Tugenden
vorzuziehen. Die Melancholico Cholerici sind die besten
Bedienten. ihr Fleiß ist unermüdet, und der sich dabey
befindende Ehr-Geitz läßt sie nicht aus denen
gehörigen
Schrancken gehen. Der Ehr-Geitz
macht allzu
kluge Diener. An Statt daß sie den
Befehl ihrer
Herren
verrichten
sollten, folgen sie
ihrem
eigenen
Urtheile. Sie werden unerträglich,
so bald sie die Wichtigkeit ihrer erwiesenen Dienste
erkennen. Ein
Wollüstiger
liebet seine
Beqvemlichkeit allzusehr. Die Arbeit ist ihm
verdrüßlich, und wobey er die
Annehmlichkeit
eines gegenwärtigen
Gutes nicht
empfindet,
dasselbe verrichtet er nur gezwungen. |
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2) |
Hat man fähige Leute in
seinen Diensten, so lasse man selbige nicht
müßig werden, sondern
gebrauche solche. Sie
verliehren sonst die
Übung ihrer guten Kräffte, und
werden verdrüßlich, wenn ihnen die
Gelegenheit
sich zu zeigen, benommen wird. |
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Gracian. Oracul. ... ibique
Müller |
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3) |
Geschickten
Bedienten
muß etwas zu
gute gehalten werden.
Vollkommene Leute in dieser
Welt zu finden, ist
unmöglich: und die
geschicktesten
Köpffe haben in
Ansehung ihrer hefftigen
Begierden zugleich die
grösten Fehler. Überwiegt das
Böse nicht das
Gute, so muß das erstere, in Ansehung des
letztern ertragen werden. Offtmahls ist es ein
Eigensinn eines Herrn, daß er einen Diener nicht
vertragen kan; da ihm doch als einem
klügern die
Pflicht oblieget, dem geringern nachzugeben.
Einem Bedienten, dem nicht der geringste Fehler
übersehen wird, sind seine
Verrichtungen
verdrüßlich. Die Furcht neue Fehler zu begehen,
verhindert ihn an der Unternehmung vieler
wichtigen
Dinge: da hingegen er die gutwillig
übersehenen Fehler auf eine andere Art und
Weise zu ersetzen suchet. |
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Gracian. Oracul. ... |
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Auf Seiten derer, die in Diensten stehen,
befiehlet die
Klugheit nachfolgendes: |
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1) |
Ein Diener
muß sich zwar
die Hochachtung so wohl seines
Herrns, als
anderer
angesehener Leute erwerben:
Keinesweges sich aber über seinen Herrn erheben
wollen. Der Herr ist eben dadurch mehr, weil er
Herr ist. Deßwegen ist es wieder die
Vernunfft,
wenn man vergist, daß man ein Diener ist. Selbst
der
Vorzug, welchen der Zufall einem Bedienten
vor seinen Herrn giebet, ist gefährlich. Der Zuruf: Saul hat tausend, David aber
zehen tausend geschlagen,
stürtzte den letzten ins
Unglück. Einem Herrn
fehlt es niemahls an Leuten, seine
Geschäffte
verwalten zu lassen; |
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2) |
Stehet man mit andern in
Diensten, so suche man sich nicht durch ihren Fall
zu erheben. Wer andre zu stürtzen suchet, giebt
selbigen das
Recht,
ein gleiches an ihm zu
wagen; und das Ohr des Herrn stehet so wohl
dem einen als dem andern offen; |
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3) |
Man suche sich durch
wichtige Dienste
nothwendig zu machen. Dieses
ist das Mittel, gleichsam ein Recht über seinen
Herrn zu erlangen, welches von beständiger
Dauer ist, wenn man nicht darbey wieder die erste
Regel handelt. So ein grosses Stücke der
Klugheit dieses bey einem Diener ist: so
unvorsichtig handelt hingegen ein Herr, wenn er
seinem Bedienten die Mittel zu einer solcher
Nothwendigkeit zu gelangen, nicht bey
Zeiten
benimmt. |
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