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Zedler: Römischen Reichs Teutscher Nation (Gesetze des Heil.) HIS-Data
5028-32-439-7
Titel: Römischen Reichs Teutscher Nation (Gesetze des Heil.)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 32 Sp. 439
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 32 S. 233
Vorheriger Artikel: Römische Reich Teutscher Nation
Folgender Artikel: Römischen Reichs Weinkeller
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Römischen Reichs Teutscher Nation (Gesetze des Heil.) Leges Imperii Romano-Germanici, heissen diejenigen Rechte und Gesetze, nach welchen sich alle und jede Reichs-Glieder oder Unterthanen zu achten haben.  
  Es sind aber dieselben weder einerley Art, noch einerley Ursprungs. Denn ob zwar insgemein davor gehalten wird, daß bereits Kayser Lotharius die Römischen Gesetze im Deutschen Reiche eingeführet und also gleichsam zu allgemeinen Reichs-Gesetzen gemacht habe; so hat doch Conring in seinem Buche de Origin. Jur. Germ. das Gegentheil erwiesen.  
  Es sind also vielmehr die allerältesten Gesetze, darauf man sich in Deutschland besinnen kan, die Salischen Gesetze, Lat. Leges Salicae. An diese waren alle Fränckische Völcker gebunden, auch zur Zeit, da sie noch nicht alle zusammen ein eintziges Ober-Haupt hatten, und die meisten Nationen, so nach diesen unter ihre Gewalt kamen, z.E. die Alemannier, Bojaren, etc. musten gleichfalls nach denselben leben.  
  Ehe diese Salischen Gesetze verfasset wurden, lebte man in Deutschland nach denen Verordnungen, welche Gott einem jeglichen ins Hertze geschrieben hatte, oder auch nach dem Gutbefinden der ältesten und gescheutesten Leute. Wie wenig man Lust gehabt habe, sich an etwas zu binden, welches nach denen Römischen Gesetzen schmeckte, ist daraus zu schlüssen, weil zu der Ottonum Zeiten allererst darum gefochten werden muste, ob bey dem Absterben der Groß-Eltern, die Enckel mit den Kindern aus dem Repräsentations- oder Darstellungs-Rechte (ex jure repraesentationis) erben solten, oder nicht.  
  Die ältesten geschriebenen Gesetze sind wohl die Capitularia, welche von Carln dem Grossen herkommen. Was die nach folgenden Carolinger und andere Kayser befohlen, hat zwar Goldast zusammen getragen; die wenigsten Gelehrten aber wollen glauben, daß es mit einer gnugsamen Accuratesse geschehen sey. Etliche beschuldigen auch Carln V, als ob er viel alte Urkunden aus dem Archive zu Mäyntz genommen, und solche mit Fleiß in den Rhein-Strohm versencket hätte.  
  Ferner schreibet man Kayser Lothario zu, daß er durch Wernern das Justinianische Recht wieder hervor gesuchet und in Deutschland  
  {Sp. 440}  
  eeingeführet habe. Doch es wird hier ohne Zweifel das alte Römische und Justinianische Recht, hernach die Lombardie und das Deutsche Reich mit einander vermischet.  
  Eben dieses wird auch zur Antwort gegeben, wenn etliche auf Friedrichs I Verbesserung der Römischen Rechte verfallen, und darbey beweisen wollen, daß vor der Correction nothwendig eine Constitution müsse gewesen seyn. Denn dieser Friedrich I hatte nicht weniger, als Lotharius, unterschiedenen Völckern zu befehlen, u. ließ dergestalt die Römischen Rechte zwar in Italien, aber nicht in Deutschland, verbessern.  
  MMeynt man aber, es sey nicht möglich, daß ein so grosser Herr mehr als einerley Gesetze in seinen Ländern habe können gelten lassen; so sehe man sich nur ein wenig in der Historie Carls des Grossen uum, da wird man finden, daß seinerzeit dreyerley Gesetze, das Römische, das Longobardische und Salische gegolten, und ein jeder die Freyheit gehabt habe, sich unter diesen dreyen eines zu erwählen, nach welchem man ihn richten solte.  
  Es ist dergestalt am glaublichsten, daß man allererst im dreyzehenden Jahrhunderte den Anfang gemacht habe, die Deutschen Gerichte mit fremden Gesetzen zu confundiren. Wiewohl alles dazumahl nur nach dem Canonischen Rechte gieng, weil die Geistlichen, so es in ihre Gerichte einführten, von gar zu grossem Ansehen, ja fast die eintzigen waren, welche man Gelehrte nennen konnte. Im übrigen wurde dieses Recht Anfangs nur zu den Bischöfflichen Audientzien, und zu dem Processe, nachgehends aber auch in andern Sachen beliebet.  
  Ob wohl die Gewohnheiten, nach welchen man sich bißher in den Deutschen Gerichten gerichtet, nicht auf ein mahl, sondern nur so nach und nach abgeschaffet werden konnten. Denn eben um diese Zeit verfertigte Epko von Repkau den Sachsen-Spiegel; Magdeburg brachte nebst Lübeck seine absonderliche Statuten zu Papiere, und Carl IV verordnete seiner Zeit, daß der Chur-Fürst von Sachsen in währendem Interregno an den Örtern, wo das Sachsen-Recht gilt, der Pfaltz-Graf am Rhein hingegen an andern, wo man sich an den Schwaben-Spiegel halten muß, Vicarii seyn solten. Welches nicht von nöthen gewesen wäre, wo man bey Einführung des Kirchen-Rechtes die alten Gebräuche der Deutschen abgeschaffet hätte.  
  Diesem Canonischen oder Päbstlichen Rechte folgte im nachfolgenden vierzehenden und funffzehenden Jahrhunderte das Römisch-Bürgerliche Recht. Denn alle Deutsche, so etwas Lust zu lernen hatten, musten auf die Italiänischen Universitäten zühen, wo sie nichts anders, als die Römischen Gesetze hörten, und solche dergestalt nothwendig in die Deutsche Gerichte einführen musten. Diese Einführung aber wurde noch mehr befördert, als man in unserm Vaterlande selbst Academien auffrichtete und dieselben nach der Italiänischen Manier bestellte.  
  Endlich kam das Kayserliche Cammer-Gerichte zu Speyer, dessen Aussprüche auch meistentheils sich nach dem Bürgerlichen Rechte drehen lassen musten. Wir sagen aber mit Fleiß, daß es meistentheils geschehen sey; Denn  
 
1) ist es noch von niemanden erwiesen, daß Maximilianus die Römischen Gesetzen den Deutschen aufgedrungen, und ihnen zur Richtschnur, nach welchen ihre Handlungen abgemessen werden solten, vorgestellet habe.
 
 
2) Wenn gleich
 
  {Sp. 441|S. 234}  
 
  solches geschehen wäre; so blieben doch die alten Rechte der Deutschen in ihren Würden. Und es ist dergestalt nicht wohl gesprochen, wenn man saget: Das Bürgerliche Recht gelte in allen Stücken, und sey den Deutschen Gewohnheiten, wenn ihm solche entgegen stehen, vorzuzühen; da es vielmehr umgekehrt heissen solte: Das Deutsche Recht gilt allenthalben und in allen Stücken, so lange man nicht das Gegentheil beweisen kan.
 
 
3) Die merita causae und Materialien des Processes wurden auch nach Einführung des Cammer-Gerichts nach den Deutschen Rechten geurtheilet. Ein gelehrter Mann saget dergestalt gantz recht, man habe das Bürgerliche Recht nur gelernet, um seine Wissenschafft in den Rechten dadurch zu erweisen, und die Deutschen Statuten desto besser zu erklären, wie wir noch heutiges Tages in diesem Absehen bißweilen die Frantzösischen, Spanischen und andere fremde Gesetze, auch den Codicem Theodosianum anzuführen pflegen. Nicht zwar in dem Absehen, etwas zu beweisen; sondern nur die vorseyenden Rechts-Fälle desto besser zu erklären, und aus einander zu setzen.
 
  Und in der That schicket sich auch das Römische Recht vor die Deutschen sehr übel, weil ihre Regiments-Art gantz anders aussiehet, als diejenige, deren sich Rom in seinem Flore bediente. Zumahl, da solches, wie bekannt, in eine dreyfache Staats-Forme und dergestalt selbst auf eine subtile Veränderung der ältern Gesetze, welche sich nicht recht mehr zu denen neuern Zeiten schicken wollen, verfallen ist. Es ist solchemnach nicht genug erwiesen, daß man solches in allen Gerichten einführen solle, wenn dessen Vortrefflichkeit heraus gestrichen wird, weil ein schönes Kleid, welches niemand zu tadeln begehret, sich gleichwohl nicht vor alle Leute schicket. Am allerübelsten war es vor diesen, da man auch das Deutsche Staats-Recht aus den Römischen Gesetzen erklären, die Capitulation zum Lege Regia, die Churfürsten zu Praefectis praetorio machen, und so weiter fortgehen wolte.  
  Die Macht, Gesetze zu geben, an welche sich das gantze Reich binden muß, kömmt dem Kayser und den sämmtlichen Reichs-Ständen zu. Niemand darf sich daran stossen, daß solche nach dem stylo Curiae im Namen Ihro Kayserl. Maj. gantz alleine publiciret werden. Denn gleichwie man daraus gar wohl abnehmen kan, daß in den ältern Zeiten die Macht der Deutschen Kayser grösser, als jetzund, und also auch die Macht Gesetze zu geben in ihren Händen gewesen sey: So bezeuget es hingegen die Erfahrung, daß kein Reichs-Abschied heutiges Tages gelten könne, welchen nicht Ihro Kayserl. Maj. mit Bewilligung der sämtlichen Reichs-Stände, oder in Nothfall des Churfürstl. Collegii haben aufsetzen lassen. Aus den Reichs-Abschieden, welche Carl V im Jahre 1544 aus eigener Macht vollzühen lassen, ist nichts zu schlüssen. Denn dazumahl gieng alles sehr verwirret durch einander, und zum Überflusse haben es auch die Stände an ihren Protestationen nicht ermangeln lassen.  
  Diese Reichs-Stände hingegen schreiben ihren Unterthanen vermöge der Landes-Fürstlichen Hoheit, und hohen Landes-Obrigkeit nach eigenem Gefallen Gesetze vor, und lassen sich in dieser Freyheit von niemanden stöhren, so lange ihre Verordnungen nichts in sich fassen, welches den allgemeinen Ver-  
  {Sp. 442}  
  gleichen, und der allgemeinen Wohlfahrt zuwider ist. Dergestalt finden wir, daß man vornemlich an den Örtern, wo das Sachsen-Recht eingeführet worden, sich nicht viel nach dem Bürgerlichen weniger nach dem Canonischen Rechte richten dörffe.  
  Und wie zu diesen Gesetzen der Reichs-Stände an und vor sich selbst die Confirmation des Kaysers nicht von nöthen ist: So werden auch dieselben sehr übel mit dem Statuten-Rechte (Jure statuario) verglichen, welches nicht vor die Reichs- sondern Land-Stände gehöret, und ohne Confirmation des Ober-Herrns nicht gültig ist. Bloß darinnen pflegen sich die Reichs-Stände in acht zu nehmen, daß ihre Special-Verordnungen demjenigen, was auf öffentlichen Reichs-Versammlungen abgeredet worden, nicht entgegen stehen, und wider das allgemeine Staats-Recht sind.  
  Nachdem auch durch viele Gelehrte obbesager massen erwiesen worden, wie so gar wenig das Römische Recht sich zu unserm gegenwärtigen Zustande reime; so hat man hierauf zu mehren mahlen die Fragen berühret; Ob nicht bey so bestallten Sachen die Reichs-Stände dieses Römische Recht in ihren Gerichten gantz und gar abschaffen solten, und ob ihnen solches auch so wohl nützlich als möglich seyn werde? Auf alle diese Fragen wird von denen, so keine passionirte Absichten dabey führen, mit ja geantwortet, und haben absonderlich diejenigen viel Beyfall gefunden, welche die Abschaffung dieses Römischen Rechtes nicht so plötzlich und auf ein mahl, sondern nach und nach, und eben auf diese Weise, wie es eingeführet worden, rathen wollen. Thomas. de Statuum Imper. potestate legislatoria contra jus commune.
  Im übrigen ist kein weitläufftiges Erinnern hierbey von nöthen, daß mit dieser Macht, Gesetze zu geben, auch das Recht, dieselben zu erklären, und deshalber zu dispensiren, wie auch das Begnadigungs- und Restitutions Recht, u.d.g.m. auf das genaueste verbunden sey.  
  Im übrigen aber muß man mit den Reichs Ständen die Land-Stände nicht vermengen, welche bey Abfassung neuer Gesetze an unterschiedenen Örtern zwar zu Rathe gezogen, nirgends aber zu einem Voto decisivo gelassen werden, und hiernächst in einer Provintz mehr Ansehen und Privilegia haben als in der andern. Besiehe Langens Einleitung zu denen Geschichten und den daraus fliessenden Jure Publico des Heil. Röm. Reichs Deutscher Nation. Lib. III. Sect. XI. §. 5. p. 394. u.ff.
  Sonst siehe auch den Artickel Reichs-Gesetze, im XXXI Bande p. 83. u.f. dgl. Teutsches Recht.[1]
[1] HIS-Data: Artikel fehlt; siehe aber Teutsche Rechte und Gesetze.
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries