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Zedler: Reichs-Vicarien HIS-Data
5028-31-185-13
Titel: Reichs-Vicarien
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 185
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 106
Vorheriger Artikel: Reichs-Vicariat-Gericht
Folgender Artikel: Reichs-Vice-Cantzler
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text Quellenangaben
  Reichs-Vicarien, Reichs-Verweser, Vicarien oder Verweser des Röm. Reichs, Vicarii Imperii, werden heutiges Tages diejenigen hohen Häupter genennet, welche des Kaysers Stelle vertreten, wenn entweder der Kayser ab-  
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  wesend oder sonst verhindert wird, des Reichs Regiment zu führen; oder auch wenn der Kayserliche Thron erledigt ist.  
  Ihre Gewalt währet in Deutschland nur so lange, bis der Kayser wiederum die Regierung verwalten kan, oder von seiner Abreise wiederum im Reich anlanget, oder auch, wenn ein neuer Kayser erwählet worden.  
  In Italien hingegen ist dem Hertzoglichen Hause Savoyen das immerwährende Vicariat aufgetragen worden. In Deutschland nun verwaltet nicht der Römische Pabst das Vicariat, wie sich etwa Benedict XII anmassen wollen, sondern die beyden Chur-Fürsten Pfaltz und Sachsen, und scheinet, daß die beyden Reichs-Vicariate aus der ehemaligen Groß-Hofmeisterschafft oder Obersten Hof-Richterlichen Amte herrühren, welche hohe Ämter an dem Kayserlichen Hofe im Brauch gewesen und hernach in der Güldenen Bulle bestätiget worden. Schweder J.P. …
Pfalz Was demnach das Pfältzische Vicariat betrifft; so ist lange Zeit zwischen denen Häusern Pfaltz und Bayern ein grosser Streit gewesen, ob einem Pfaltzgrafen am Rhein das Vicariat entweder in Ansehung der Churfürstlichen Würde, oder in Ansehung der Pfaltz-Grafschafft am Rhein zustehe? Wovon Schweder c.l. … und Kulpis zum Monzambano … nachgesehen werden kan.
  Nachdem aber Bayern in die Acht erkläret worden, und Chur-Pfaltz seine vorigen Rechte wiederum erlanget hat; so ist nunmehro der Streit aufgehoben.  
Sachsen Was das Sächsische Vicariat anlanget; so ist in der Güldenen Bulle c. 5. §. 2. ausdrücklich enthalten, daß dem Hause Sachsen eben das Recht zuständig, als dem Hause Pfaltz. Wenn aber dieses Sächsische Vicariat eigentlich aufgekommen, darinnen sind die Publicisten nicht einig. Etliche meynen, daß selbiges nicht älter, als die Güldene Bulle, sey. Andere hingegen behaupten mit bessern Gründen, daß es lange Zeit schon gewesen, ehe die Güldene Bulle promulgiret worden, Horn in Prud. …
Distrikte Es ist aber einem jeden von diesen beyden Vicarien ein gewisser District währenden Interegno zu regieren zugeeignet worden, und zwar dergestalt, daß, nach Inhalt der Güldenen Bulle, Chur-Pfaltz in denen Landen des Fränckischen, und Chur-Sachsen in denen Landen des Sächsischen Rechtes, und an Enden in solch Vicariat gehörig, oder der erstere in den Ländern, wo das Fränckische Recht, und der letztere in denen Ländern, wo das Sachsen-Recht vorzeiten beobachtet worden, das Vicariat führen soll. Wovon Limnäus ad A.B. … weitläufftig gehandelt.
  Doch sind auch einige Rechte, die sie beyderseits gemeinschafftlich ausüben. Titius in Spec.. …
Rechte und Befugnisse Wegen der Gewalt derer beyden Reichs-Vicarien ist zu mercken, daß ihnen alle einem Römischen Kayser zustehende Macht und Gewalt zukomme, wo nicht einige Fälle davon ausgenommen. Es ist aber die ihnen desfalls zustehende Gewalt eine eigene, welche sie weder dem vorhergehenden Kayser, noch dem Churfürstlichen Collegio zu  
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  dancken haben. Krafft dieses Vicariats haben sie also  
 
1) das Recht, die gemeinen Gerichte zu üben, als die Reichs-Cammer etc. statt des Reichs-Hof-Raths aber, welcher währenden Interregno geschlossen ist, wird in eines jeden Landen ein besonders Vicariat-Gerichte bestellet;
2) das Recht der ersten Bitte,
3) das Recht Reichs-Anlagen zu fordern,
4) die Gewalt offene Reichs-Lehn, ausser Fahn- und Scepter-Lehen, zu verleihen,
5) das Recht Reichs-Tage auszuschreiben,
  u.d.g.
 
  Hingegen ist ihnen, wie gedacht, die Investitur der Fahn- und Scepter-Lehen, als welche dem neuen Kayser vorbehalten werden, desgleichen die Macht, etwas vom Römischen Reiche zu verschencken oder zu verpfänden etc. benommen. A.B. c. 5. §. 1.
  und behauptet demnach Horn P.J.P. … gar recht, daß die Reichs-Vicarien sich nach der Capitulation desjenigen Kaysers achten müssen, in dessen Stelle sie auf eine gewisse Zeitlang folgen, weil der Staat einer Republick doch einerley verbleibet, so lange kein neues Grund-Gesetze gemachet wird.  
Zeitraum Es pfleget aber allhier gefragt zu werden, ob die beyden Reichs-Vicarien auch nur in Abwesenheit des Kaysers ihr Vicariat-Amt verwalten können? Welche Frage von den meisten Publicisten heutiges Tages zwar bejahet wird, jedoch mit dem Unterscheide, daß sie alsdenn dieses Recht nicht aus eigener und unumschränckter (ex potestate propria et independenti) sondern vielmehr nur aus einer übertragenen oder gleichsam commissarischen Gewalt, (ex potestate delegata) ausüben, auch alsdenn nicht Vicarii Imperatores, sondern Imperatoris seyn, wie Titius in Spec. … distinguiret.  
  Indessen ist doch gewiß, daß ein Römischer Kayser in seiner Abwesenheit auch einen andern, ohne Einstimmung derer ordentlichen Reichs-Vicarien, zu seinem Statthalter bestellen könne, Titius in Spec. …
  Diese Gewalt der Vicarien höret auf, so bald ein neuer Kayser erwählet worden, oder wiederum selber gegenwärtig ist, und die Regierung antritt, wie allbereit erwehnet worden. Es pflegen aber alsdenn die Vicarien wegen ihrer Verwaltung dem neu erwählten Römischen Kayser Rechnung zu thun, welcher jedoch ihre Verrichtungen vor genehm hat und bestätiget, wie Schweder in J.P. … bezeuget. Siehe auch die Wahl-Capitul. Carls VI. art. 3. 11. 30.
Italien Wegen des immerwährenden Vicariats in Italien ist noch zu gedencken, daß der Hertzog von Savoyen von langen Zeiten her perpetuus vicarius in Italien gewesen, und obwohl Ferdinand III, den Hertzog von Mantua im Jahre 1655 mit dem Vicariat in Italien belehnet; so ist dennoch solches dem Hertzog von Savoyen wieder restitutiret worden, und, daß er beständiger Vicarius verbleiben solle, durch die Josephinische und letzte Carolinische Capitulation Art. 26. dißfalls Versicherung geschehen; doch unter der Bedingung, wenn er sich als ein treuer Fürst des Reichs denen von Ihrer Kayserl. Majestät  
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  von Reichswegen publicirten Inhibitorien und Avocatorien gemäß bezeugen und verhalten wird.  
  Er heisset aber ein perpetuus Vicarius in Italien, weil er so wohl bey des Kaysers Lebzeiten, als auch wenn ein Kayser Todes verfahren, das Vicariat versiehet, dergestalt, daß der Hertzog von Savoyen an statt des Kaysers Marggrafen, Grafen, Edelleute etc. creiren, von allen, die dem Römischen Reiche mit Lehens-Pflicht verwandt sind, die Lehns- und Huldigungs-Pflicht in des Kaysers Namen annehmen, im Namen des Kaysers und des Reichs Recht sprechen, und anders dergleichen mehr thun könne. Wobey jedoch zu mercken, daß sich dieses Vicariat nicht über gantz Italien, sondern nur über einige Districte erstrecke, Horn l.c. …
  Hierbey pfleget auch von denen Publicisten diese Frage aufgeworffen zu werden: Ob derer in Deutschland befindlichen Vicarien Macht, auch über den Hertzog in Savoyen und andere auswärtige Vicarien gehe? Welche Frage denn von einigen verneinet, von andern aber bejahet wird, und haben beyderseits angeführte Gründe ihre Wahrscheinlichkeit. Jedoch scheinet derer Meynung, welche solche verneinen, am wahrscheinlichsten zu seyn, theils weil der Reichs-Vicarien Recht sich nur über die Deutsche Provintzien erstrecket, so das Sachsen- und Schwaben-Recht gebrauchet, theils weil Chur-Pfaltz über das Königreich Arelat ein Privilegium ausgewürcket, welches er gewiß nicht würde gethan haben, wenn ihm dergleichen nach Innhalt der Güldenen Bulle zukäme.  
Ursprung So wichtig aber dieses Stücke auch in dem Staats-Rechte des Deutschen Reichs ist; so gar ungewiß sind hingegen so wohl die Geschichtschreiber, als auch andere Gelehrte, über den Ursprung desselben.
  • Freher in Orig. Palat.
  • Tölner in Hist. Palat.
  • Rechenberg de Vicariat. Saxon.
  • Wernher und Griebner de Vicar. Saxon.
  Wir wollen aber unsere Meynung, ohne desfalls jemanden zu nahe zu treten, kurtz eröffnen. Gleichwie es also seine Richtigkeit hat, daß ein Staat ohne Gesetze nicht bestehen könne; so will man zwar die Zeiten des Fränckischen Reichs nicht berühren. Immittelst hat es doch seine Richtigkeit, daß, als die Deutschen ihr Reich wieder anrichteten, die bisherigen zwey grossen Rechte, nemlich das Sächsische und Fränckische, nach welchen alle Sachen abgethan worden, in selbem ebenfalls verblieben. Beyde demnach musten ihre eigene Richter haben, daher war nöthig, auch einen besondern Ober-Richter, (welchen die Sachsen und einige andere Deutsche Völcker, den Hof-Palentz-Grafen nannten) vor jedwedes Recht zu bestellen.  
  Solcher gestalt war der Ober-Hof-Richter am Rhein wegen des Fränckischen Rechts, der Ober-Hof-Richter aber in Sachsen, wegen des Sächsischen. Im Lateinischen nannte man sie Comites palatinos, weil die alten Möche alles mit Latein gaben. Jedoch muß der von ihnen so genannte Comes palatii, mit dem Comite palatino nicht vermenget werden, obgleich viele diesen hochnöthigen Unterscheid nicht recht beobachten. Denn Comes palatii war der Ober-  
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  Hof-Richter selber; Comes palatinus aber hieß eigentlich der Unterrichter und stunde unter jenem, wie er denn auch von selbigem eingesetztet ward.  
  Daß es aber mehr als 2 Ober-Richter im Deutschen Reich sollte gegeben haben, ist in so weit irrig, obgleich einige deren viere zu zählen pflegen. Denn so hätte es nothwendig auch mehr, als zwey Hauptrechte haben müssen, welches gleichwol von nirgends her zu erweisen stehet. Denn der Thüringische Pfaltz-Grafe stunde unter dem Sächsischen, der zugleich noch andere mehr unter sich hatte. Und bey dem Rheinischen war es auch also bewandt. Zwar könnte man besagte gevierte Zahl etwan daher holen wollen, weil nemlich ehemahls 4 grosse Haupt-Lande gewesen. Alleine es waren ja nicht mehr, als zwey grosse Rechte, nach denen sich gantz Deutschland richtete.  
  Ob nun aber wohl diese Reichs-Ober-Richter eigentlich nur mit so genannten bürgerlichen Dingen mögen zu thun gehabt haben; so ist doch auch nicht abzusehen, warum die Staats-Geschäffte des Reichs vor sie nicht auch gehöret haben sollten, die sie nachher, obschon aus meistens unbekannten, oder doch nicht gleich so offenbahren Ursachen, dem Ertzbischoffe von Mäyntz überlassen haben. Und kan seyn, daß die vorgefaßte Meynung der damahligen Zeiten, als ob nemlich ein Geistlicher die Sache besser verstünde, als ein anderer, hierzu vieles mit beygetragen habe.  
  Diese zwey Reichs-oder Ober-Richter also haben das Reich alle mahl regieret, so offte ein Kayser verstorben, und desssen unmündiger Printz zum Reichs-Nachfolger bestimmet gewesen, oder aber, wenn man gar keinen Reichs-Nachfolger gehabt; obgleich deses Stücke der Deutschen Reichs-Historie ebenfalls von wenigen recht vorgetragen wird, sondern sie machen hier vielmehr einen wunderlichen Mischmasch, aus welchem doch, wenn sie sich darüber erklären sollten, sie vielleicht selber sich nicht würden heraus finden können.  
  Wie lange immittelst der Name Ober-Reichs-Richter, oder Hof-Pfaltz-Graf geblieben, kan man zwar so genau nicht sagen; jedoch scheinet es, daß um die Zeiten der Güldenen Bulle solcher allmählich verschwunden und hingegen der Name Reichs-Vicarius, der Reichs-Regierer, nicht aber Reichs-Verweser gegeben werden muß, aufgekommen, vermuthlich, weil die andern Pfaltzen alle ausgegangen waren.  
Kurpfalz Inzwischen wird aus alle dem sich also von selbsten weisen, warum der Rheinische Hof-Pfaltz-Graf, denn von selben ist jetzo nur die Rede, so wohl Reichs-Vicarius genennet worden, als auch daß dieses Reichs-Amt ihm habe zukommen müssen. Im vorigen Jahrhunderte erhielte, bekannter massen, Bayern die Pfältzische Chur, in dem Westphälischen Frieden erfolgete zwar die Restitution; es ward aber alles, und ohne Zweiffel mit Fleiß so allgemein gesetzet, daß Bayern 1657 Gelegenheit fand, das Vicariat auf eine gar sonderbare Art an sich zu bringen. Bey des Leopolds seiner Wahl blieb diese Sache unerörtert, desgleichen auch bey des Josephs seiner geschahe. Ob nun wohl Chur-Pfaltz 1708 mit seiner vorigen Reichs-Würde wieder belehnet  
  {Sp. 190}  
  ward; so hat es doch in dem 1714 zu Rastadt-Baden geschlossenen Frieden solche wieder abtreten müssen.  
  Es ereignet sich aber bey dieser Sache ein nicht geringer Irrthum der Pfältzischen Geschichtschreiber, indem sie das Chur-Amt, mit dem Reichs-Vicariate vermischen, da doch beyde mit einander in so weit keine Verwandtniß haben. Die Gründe also, aus welchen Chur-Pfaltz das Vicariat suchet, sind diese:  
 
1) Gehöre ihm das Vicariat nicht als Churfürsten, sondern es haffte solches auf der Pfaltz. Dieses kan in doppeltem Verstande genommen werden, einmahl daß das Vicariat entweder auf dem Lande, oder aber auf der Familie haffte, wiewohl beydes beysammen stehen kan, obgleich der sonst gar gelehrte Freher dieses nicht zu observiren beliebet.
2) Von denen Zeiten der Güldenen Bulle an, sey Pfaltz in dessen Besitz niemahls gestöret worden. Es kan aber die ruhige Besitzung noch weit höher hinauf steigen.
3) In dem Westphälischen Frieden sey die sämmtliche Unter-Pfaltz wieder an das Haus Pfaltz gekommen, da zwar des Vicariats mit ausdrücklichen Worten nicht gedacht worden, es sey aber als ein in- und connexum darunter zu verstehen. Es ist wohl möglich, daß bey Schlüssung des Westphälischen Friedens, man wegen des Vicariats etwas deutlicher hätte seyn können, indessen bleibet es bey dem vorigen Dilemmate historico, quod aut terris, aut provinciis inhaereat; es sey also welches, das es wolle, so ist keines Pfaltz entgegen.
4) In der Belehnung, welche der Churfürst von Bayern im Jahre 1652 erhalten, sey des Vicariats nicht erwehnet worden. Das Hauß Bayern pfleget hierauf also zu antworten:
 
a) Das Vicariat gehöre von Rechts wegen dem Hause Bayern. Hier würde aber wohl ein mehrerer Beweiß erfodert werden können, indem nicht abzusehen, worauf Bayern sich desfalls gründen könne.
b) Das Vicariat sey mit der Churfürstlichen, ingleichen auch mit der Reichs-Ertz-Würde verknüpffet. Dieses Argument aber wird aus dem Zustande, den das Deutsche Reich in denen mittlern Zeiten gehabt, schwerlich erwiesen werden können.
c) Der erste Churfüst des Hauses Bayern sey mit dem Vicariat ausdrücklich belehnet worden. Dieses muß der Lehns-Brief weisen.
d) Vermöge des Instrumenti Pacis und des Art. 4 habe Bayern die Chur-Würde nebst allen Regalien erhalten. Es ist aber doch des Vicariats nicht gedacht worden, als welches weder mit ein einen, noch mit dem andern eine Verwandtschaffft hat.
e) Das Instrumentum Pacis gedencke bey der Restitution des Hause Pfaltz, nichts von dem Vicariate. Wenn aber solches auf dem Lande, oder der Familie hafftet, so hat es dessen zu gedencken nicht bedurfft.
f) Könne hier keine Verjährung gelten, weil die Chur-Würde dem Hause Pfaltz von Bayern alle mahl streitig gemacht worden. Es hat aber solche mit dem Vicariate keine Verwandtniß; so hat auch das Haus Pfaltz dem Hause Bayern keine Chur-Würde entwendet, wie solches vorher gesaget worden.
g) Die in dem Westphälischen Frieden gesche-
 
  {Sp. 191|S. 109}  
 
 
  hene Restitution habe nicht anders, als ohne Präjuditz des Hauses Bayern, verrichtet werden können. Die Tractaten des Westphälischen Friedens beweisen zur Gnüge, daß Bayern auf kein erlangtes Recht (jus quaesitum) sich zu beruffen gehabt, wie es sich denn auch auf keines beruffen können, und zwar vermöge dessen, was dieserhalben vorher erinnert worden.
h) Daß das Vicariat in denen Lehn-Briefen nicht stehe, könne Bayern kein Präjuditz geben. Das Hauptwesen aber der Lehn-Briefe kommt auf das Denombrement an (Schilter in Epit. Jur. Feud. et alii feudalistae) wie man diesen wichtigen Umstand zu nennen pfleget.
 
  Chur Pfaltz wiederlegt dieses also:  
 
a) Sey die Churfürstliche Würde dem Hause Pfaltz von allen Zeiten her, gehörig. Alleine das Vicariate ist gantz was eigenes.
b) Das Vicariat haffte auf der Pfaltz.
c) Das Haus Pfaltz habe der Belehnung des Churfürsten von Bayern Maximilians alle mahl widersprochen.
d) Das Haus Bayern habe, ausser der Ober-Pfaltz und der Chur-Würde, sonst nichts bekommen.
e) Durch den Westphälischen Frieden sey dem Hause Pfaltz das Vicariat nicht entwendet worden.
Besiehe
  • kurtzer Bericht von Seiten Chur-Pfaltz wegen des Vicariats;
  • Bayrisches Gegenbedencken vom Pfältzischen Vicariat;
  • Pfältzische Rettung des Vicariats;
  • Bayrisches Gegen-Manifest wider diese Rettung;
  • Chur-Pfältzische Brevis Manifestatio wider das Bayerische Manifest.
  • Gastel. de Statu publ. Europ. c. 8.
  Im Jahre 1670 ward zwar zu Ulm dieser Sache halben ein Convent gehalten, auf welchem man vorschlug  
 
  1. Daß entweder das Vicariat getheilet, oder
  2. die Alternation eingeführet, oder
  3. solches in beyder Namen ausgeschrieben; oder
  4. ein gemeinschafftlich Vicariats-Collegium errichtet werden sollte.
 
  Allein bey jedem Puncte fanden sich allerley Schwierigkeiten, so daß endlich die gantze Conferentz fruchtloß ablieff, wobey es auch also verblieben.  
  Wie denn auch nur letzt noch nach dem erfolgten Ableben Ihro letzt verstorbenen Kayserl. Majestät Carls VI Glorwürdigsten Andenckens dieser Streit auffs neue rege geworden. Und ob zwar die beyden Chur-Häuser Pfaltz und Bayern, nach vielen und langen Berathschlagungen, sich endlich dahin verglichen, ein gemeinschafftliches und aus beyderseits Räthen bestehendes Vicariat-Gerichte niederzusetzen, und solches auch würcklich zu Augspurg feyerlich eröffnen lassen; so haben doch die andern Chur- und fürstlichen Häuser nicht allein solches zur Zeit noch nicht respectiret, sondern auch wider dasselbe zu wiederhohlten mahlen protestiret.  
Kursachsen Chur-Sachsen hingegen betreffend; so hat solches das ihm zuständige Vicariat beständig ohne den geringsten Widerspruch verwaltet. Wie denn auch Ihro glorwürdigst regierende Königliche Majestät in Pohlen und Churfürstl Durchl. zu Sachsen krafft des Ihnen Allerhöchst zustehenden Rechtes, während des gegenwärtigen Interregni, in Dero Residentz-Stadt Dreßden das gewöhnliche Vicariats-Gerichte gehörig eröffnen, und zur Zeit auch würcklich noch ohne allen  
  {Sp. 192}  
  Widerspruch fortsetzen lassen.  
  Und bestehet das jetzige Reichs-Vicariats-Gerichte am Königl. Pohlnischen und Chur-Sächsischen Hofe aus folgenden Personen:  
 
1) Bernhard, Freyherr von Zech
2) Christian von Loß,
3) Johann Christian von Hennicke,
4) Carl August von Rex,
5) Eberhard Hartmann von Erffa.
6) Erasmus Leopold von Gersdorff,
7) Wilhelm August, Graf von Stubenberg,
8) Carl Wilhelm Gärtner,
9) George Lebrecht Wilcke, Referend.
10) Ernst Gotthelff Becker, Secretarius.
Von dem Chur-Sächsischen Vicariat besiehe ins besondere Rechenbergs Progr. de Vicar. Saxon. Illustr. Natal. ex Archiv-Mareschall. Leipzig 1714 in 4.
     

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Stand: 21. Februar 2024 © Hans-Walter Pries