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Reichs-Vicarien, Reichs-Verweser, Vicarien oder
Verweser des Röm. Reichs, Vicarii Imperii,
werden heutiges
Tages diejenigen hohen Häupter
genennet, welche des
Kaysers Stelle
vertreten, wenn entweder der Kayser ab- |
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{Sp. 186} |
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wesend oder sonst verhindert wird, des
Reichs
Regiment zu führen; oder
auch wenn der
Kayserliche Thron erledigt ist. |
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Ihre
Gewalt währet in
Deutschland nur so lange, bis der Kayser wiederum die
Regierung
verwalten kan, oder von seiner Abreise wiederum im
Reich anlanget,
oder auch, wenn ein neuer Kayser erwählet worden. |
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In Italien hingegen ist dem Hertzoglichen Hause Savoyen das immerwährende
Vicariat aufgetragen worden. In Deutschland nun verwaltet nicht der Römische
Pabst das Vicariat, wie sich etwa Benedict XII
anmassen wollen, sondern die beyden
Chur-Fürsten
Pfaltz und
Sachsen, und scheinet, daß die beyden Reichs-Vicariate aus der
ehemaligen Groß-Hofmeisterschafft oder Obersten Hof-Richterlichen
Amte
herrühren, welche hohe Ämter an dem
Kayserlichen Hofe im Brauch gewesen und
hernach in der
Güldenen Bulle bestätiget worden. |
Schweder J.P.
… |
Pfalz |
Was demnach das Pfältzische Vicariat betrifft; so ist lange
Zeit zwischen
denen Häusern Pfaltz und Bayern ein grosser Streit gewesen, ob einem
Pfaltzgrafen am
Rhein
das Vicariat entweder in Ansehung der
Churfürstlichen
Würde,
oder in Ansehung der Pfaltz-Grafschafft am Rhein zustehe? |
Wovon
Schweder c.l. … und
Kulpis zum
Monzambano
… nachgesehen werden kan. |
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Nachdem aber Bayern in die
Acht erkläret
worden, und Chur-Pfaltz seine vorigen
Rechte wiederum erlanget hat; so ist
nunmehro der Streit aufgehoben. |
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Sachsen |
Was das Sächsische Vicariat anlanget; so ist in der
Güldenen Bulle c.
5. §. 2. ausdrücklich enthalten, daß dem Hause
Sachsen eben das
Recht zuständig,
als dem Hause Pfaltz. Wenn aber dieses Sächsische Vicariat eigentlich
aufgekommen, darinnen sind die
Publicisten nicht einig.
Etliche meynen, daß selbiges nicht älter, als die Güldene Bulle, sey. Andere
hingegen behaupten mit bessern
Gründen, daß es lange
Zeit schon gewesen, ehe die
Güldene Bulle
promulgiret worden, |
Horn in Prud.
… |
Distrikte |
Es ist aber einem jeden von diesen beyden Vicarien ein gewisser
District
währenden Interegno zu
regieren zugeeignet worden, und zwar dergestalt, daß,
nach Inhalt der
Güldenen Bulle, Chur-Pfaltz in denen
Landen des
Fränckischen, und
Chur-Sachsen in denen Landen des Sächsischen Rechtes, und an
Enden in solch Vicariat gehörig, oder der erstere in den Ländern, wo das
Fränckische Recht, und der letztere in denen Ländern, wo das
Sachsen-Recht
vorzeiten beobachtet worden, das Vicariat führen soll. |
Wovon Limnäus
ad A.B. … weitläufftig gehandelt. |
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Doch sind auch einige
Rechte, die sie beyderseits gemeinschafftlich ausüben. |
Titius in Spec.. … |
Rechte und Befugnisse |
Wegen der
Gewalt derer beyden Reichs-Vicarien ist zu mercken, daß ihnen alle
einem Römischen
Kayser zustehende
Macht und
Gewalt zukomme, wo nicht einige
Fälle davon ausgenommen. Es ist aber die ihnen desfalls zustehende Gewalt eine
eigene, welche sie weder dem vorhergehenden Kayser, noch dem
Churfürstlichen
Collegio zu |
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{Sp. 187|S. 107} |
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dancken haben. Krafft dieses Vicariats haben sie also |
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1) |
das
Recht, die
gemeinen Gerichte zu üben, als die Reichs-Cammer etc.
statt des Reichs-Hof-Raths aber, welcher währenden Interregno
geschlossen ist, wird in eines jeden
Landen ein besonders Vicariat-Gerichte
bestellet; |
2) |
das Recht der ersten Bitte, |
3) |
das Recht Reichs-Anlagen zu fordern, |
4) |
die
Gewalt offene Reichs-Lehn, ausser Fahn- und Scepter-Lehen, zu
verleihen, |
5) |
das Recht Reichs-Tage
auszuschreiben, |
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u.d.g. |
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Hingegen ist ihnen, wie gedacht, die
Investitur der Fahn- und Scepter-Lehen,
als welche dem neuen
Kayser vorbehalten werden, desgleichen die
Macht, etwas vom
Römischen Reiche zu verschencken oder zu verpfänden etc. benommen. |
A.B.
c. 5. §. 1. |
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und behauptet demnach
Horn P.J.P. … gar
recht, daß die Reichs-Vicarien sich nach der
Capitulation desjenigen Kaysers
achten müssen, in dessen Stelle sie auf eine gewisse Zeitlang folgen, weil der
Staat einer Republick doch einerley verbleibet, so lange kein neues
Grund-Gesetze gemachet wird. |
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Zeitraum |
Es pfleget aber allhier gefragt zu werden, ob die beyden Reichs-Vicarien
auch nur in Abwesenheit des
Kaysers ihr Vicariat-Amt
verwalten können? Welche
Frage von den meisten
Publicisten heutiges Tages zwar bejahet wird, jedoch mit
dem Unterscheide, daß sie alsdenn dieses
Recht nicht aus eigener und
unumschränckter (ex potestate propria et independenti) sondern vielmehr
nur aus einer übertragenen oder gleichsam commissarischen
Gewalt, (ex
potestate delegata) ausüben, auch alsdenn nicht Vicarii Imperatores,
sondern Imperatoris seyn, wie Titius in Spec.
… distinguiret. |
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Indessen ist doch gewiß, daß ein Römischer
Kayser in seiner Abwesenheit auch
einen andern, ohne Einstimmung derer ordentlichen Reichs-Vicarien, zu seinem
Statthalter bestellen könne, |
Titius in Spec. … |
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Diese
Gewalt der Vicarien höret auf, so bald ein neuer
Kayser erwählet
worden, oder wiederum selber gegenwärtig ist, und die
Regierung antritt, wie
allbereit erwehnet worden. Es pflegen aber alsdenn die Vicarien wegen ihrer
Verwaltung
dem neu erwählten Römischen Kayser Rechnung zu thun, welcher jedoch ihre
Verrichtungen vor genehm hat und bestätiget, |
wie
Schweder
in J.P. … bezeuget. Siehe auch die
Wahl-Capitul. Carls
VI. art. 3. 11. 30. |
Italien |
Wegen des immerwährenden Vicariats in Italien ist noch zu gedencken, daß der
Hertzog von Savoyen von langen Zeiten her perpetuus vicarius in Italien
gewesen, und obwohl Ferdinand III, den Hertzog von
Mantua im Jahre 1655 mit dem Vicariat in Italien
belehnet; so ist dennoch
solches dem Hertzog von Savoyen wieder restitutiret worden, und, daß er
beständiger Vicarius verbleiben solle, durch die Josephinische und letzte
Carolinische
Capitulation Art. 26. dißfalls Versicherung geschehen;
doch unter der Bedingung, wenn er sich als ein treuer
Fürst des Reichs denen von
Ihrer
Kayserl. Majestät |
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{Sp. 188} |
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von Reichswegen
publicirten Inhibitorien und Avocatorien gemäß bezeugen und
verhalten wird. |
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Er heisset aber ein perpetuus Vicarius in Italien, weil er so wohl
bey des Kaysers Lebzeiten, als auch wenn ein Kayser
Todes verfahren, das
Vicariat versiehet, dergestalt, daß der
Hertzog von Savoyen an statt des Kaysers
Marggrafen,
Grafen,
Edelleute etc. creiren, von allen, die dem
Römischen Reiche
mit Lehens-Pflicht verwandt sind, die Lehns- und
Huldigungs-Pflicht in des
Kaysers
Namen
annehmen, im Namen des Kaysers und des
Reichs
Recht sprechen, und
anders dergleichen mehr thun könne. Wobey jedoch zu mercken, daß sich dieses
Vicariat nicht über gantz Italien, sondern nur über einige
Districte erstrecke,
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Horn l.c. … |
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Hierbey pfleget auch von denen
Publicisten diese Frage aufgeworffen zu
werden: Ob derer in Deutschland befindlichen Vicarien
Macht, auch über den
Hertzog in Savoyen und andere auswärtige Vicarien gehe? Welche Frage denn von
einigen verneinet, von andern aber bejahet wird, und haben beyderseits
angeführte
Gründe ihre Wahrscheinlichkeit. Jedoch scheinet derer
Meynung, welche
solche verneinen, am wahrscheinlichsten zu seyn, theils weil der Reichs-Vicarien
Recht sich nur über die
Deutsche Provintzien erstrecket, so das
Sachsen- und
Schwaben-Recht gebrauchet, theils weil Chur-Pfaltz über das Königreich Arelat
ein
Privilegium ausgewürcket, welches er gewiß nicht würde gethan haben, wenn
ihm dergleichen nach Innhalt der
Güldenen Bulle zukäme. |
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Ursprung |
So wichtig aber dieses Stücke auch in dem
Staats-Rechte des Deutschen Reichs
ist; so gar ungewiß sind hingegen so wohl die Geschichtschreiber, als auch
andere Gelehrte, über den
Ursprung desselben. |
- Freher
in Orig. Palat.
- Tölner in Hist. Palat.
- Rechenberg de
Vicariat. Saxon.
- Wernher und Griebner de Vicar. Saxon.
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Wir wollen aber unsere
Meynung, ohne desfalls jemanden zu nahe zu treten,
kurtz eröffnen. Gleichwie es also seine Richtigkeit hat, daß ein
Staat ohne
Gesetze nicht bestehen könne; so will man zwar die Zeiten des Fränckischen
Reichs nicht berühren. Immittelst hat es doch seine Richtigkeit, daß, als die
Deutschen ihr
Reich wieder anrichteten, die bisherigen zwey grossen
Rechte,
nemlich das Sächsische und Fränckische, nach welchen alle
Sachen abgethan
worden, in selbem ebenfalls verblieben. Beyde demnach musten ihre eigene
Richter
haben, daher war nöthig, auch einen besondern
Ober-Richter, (welchen die
Sachsen
und einige andere
Deutsche
Völcker, den Hof-Palentz-Grafen nannten) vor jedwedes
Recht zu bestellen. |
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Solcher gestalt war der Ober-Hof-Richter am
Rhein wegen des Fränckischen
Rechts, der Ober-Hof-Richter aber in
Sachsen, wegen des Sächsischen. Im
Lateinischen nannte man sie Comites palatinos, weil die alten Möche
alles mit Latein gaben. Jedoch muß der von ihnen so genannte Comes palatii,
mit dem Comite palatino nicht vermenget werden, obgleich viele
diesen hochnöthigen Unterscheid nicht recht beobachten. Denn Comes palatii
war der Ober- |
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{Sp. 189|S. 108} |
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Hof-Richter selber; Comes palatinus aber hieß eigentlich der
Unterrichter und stunde unter jenem, wie er denn auch von selbigem eingesetztet
ward. |
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Daß es aber mehr als 2
Ober-Richter im
Deutschen Reich sollte gegeben haben,
ist in so weit irrig, obgleich einige deren viere zu zählen pflegen. Denn so
hätte es nothwendig auch mehr, als zwey Hauptrechte haben müssen, welches
gleichwol von nirgends her zu erweisen stehet. Denn der Thüringische
Pfaltz-Grafe stunde unter dem Sächsischen, der zugleich noch andere mehr unter
sich hatte. Und bey dem Rheinischen war es auch also bewandt. Zwar könnte man
besagte gevierte Zahl etwan daher holen wollen, weil nemlich ehemahls 4 grosse
Haupt-Lande gewesen. Alleine es waren ja nicht mehr, als zwey grosse
Rechte,
nach denen sich gantz Deutschland richtete. |
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Ob nun aber wohl diese
Reichs-Ober-Richter eigentlich nur mit so genannten
bürgerlichen Dingen mögen zu thun gehabt haben; so ist doch auch nicht
abzusehen, warum die
Staats-Geschäffte des Reichs vor sie nicht auch gehöret
haben sollten, die sie nachher, obschon aus meistens unbekannten, oder doch
nicht gleich so offenbahren
Ursachen, dem Ertzbischoffe von Mäyntz überlassen
haben. Und kan seyn, daß die vorgefaßte
Meynung der damahligen Zeiten, als ob
nemlich ein
Geistlicher die
Sache besser verstünde, als ein anderer, hierzu
vieles mit beygetragen habe. |
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Diese zwey Reichs-oder Ober-Richter also haben das
Reich alle mahl
regieret,
so offte ein Kayser
verstorben, und desssen unmündiger Printz zum
Reichs-Nachfolger bestimmet gewesen, oder aber, wenn man gar keinen
Reichs-Nachfolger gehabt; obgleich deses Stücke der Deutschen Reichs-Historie
ebenfalls von wenigen recht vorgetragen wird, sondern sie machen hier vielmehr
einen wunderlichen Mischmasch, aus welchem doch, wenn sie sich darüber erklären
sollten, sie vielleicht selber sich nicht würden heraus finden können. |
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Wie lange immittelst der
Name Ober-Reichs-Richter, oder Hof-Pfaltz-Graf
geblieben, kan man zwar so genau nicht
sagen; jedoch scheinet es, daß um die
Zeiten der
Güldenen Bulle solcher allmählich verschwunden und hingegen der
Name
Reichs-Vicarius, der Reichs-Regierer, nicht aber Reichs-Verweser gegeben werden
muß, aufgekommen, vermuthlich, weil die andern Pfaltzen alle ausgegangen waren. |
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Kurpfalz |
Inzwischen wird aus alle dem sich also von selbsten weisen, warum der
Rheinische Hof-Pfaltz-Graf, denn von selben ist jetzo nur die
Rede, so wohl
Reichs-Vicarius genennet worden, als auch daß dieses Reichs-Amt ihm habe
zukommen müssen. Im vorigen Jahrhunderte erhielte, bekannter massen, Bayern die
Pfältzische
Chur, in dem
Westphälischen Frieden erfolgete zwar die Restitution;
es ward aber alles, und ohne Zweiffel mit Fleiß so allgemein gesetzet, daß
Bayern 1657 Gelegenheit fand, das Vicariat auf eine gar sonderbare Art an sich
zu bringen. Bey des Leopolds seiner Wahl blieb diese
Sache
unerörtert, desgleichen auch bey des Josephs seiner geschahe.
Ob nun wohl Chur-Pfaltz 1708 mit seiner vorigen Reichs-Würde wieder belehnet |
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{Sp. 190} |
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ward; so hat es doch in dem 1714 zu Rastadt-Baden geschlossenen
Frieden
solche wieder abtreten müssen. |
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Es ereignet sich aber bey dieser
Sache ein nicht geringer Irrthum der
Pfältzischen Geschichtschreiber, indem sie das
Chur-Amt, mit dem
Reichs-Vicariate vermischen, da doch beyde mit einander in so weit keine
Verwandtniß haben. Die
Gründe also, aus welchen Chur-Pfaltz das Vicariat suchet,
sind diese: |
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1) |
Gehöre ihm das Vicariat nicht als
Churfürsten, sondern es haffte solches
auf der Pfaltz. Dieses kan in doppeltem
Verstande genommen werden, einmahl
daß das Vicariat entweder auf dem
Lande, oder aber auf der Familie haffte,
wiewohl beydes beysammen stehen kan, obgleich der sonst gar gelehrte
Freher dieses nicht zu observiren beliebet. |
2) |
Von denen Zeiten der
Güldenen Bulle an, sey Pfaltz in dessen Besitz
niemahls gestöret worden. Es kan aber die ruhige Besitzung noch weit höher
hinauf steigen. |
3) |
In dem
Westphälischen Frieden sey die sämmtliche Unter-Pfaltz wieder an
das Haus Pfaltz gekommen, da zwar des Vicariats mit ausdrücklichen
Worten
nicht gedacht worden, es sey aber als ein in- und connexum
darunter zu
verstehen. Es ist wohl möglich, daß bey Schlüssung des
Westphälischen Friedens, man wegen des Vicariats etwas deutlicher hätte seyn
können, indessen bleibet es bey dem vorigen Dilemmate historico, quod
aut terris, aut provinciis inhaereat; es sey also welches, das es
wolle, so ist keines Pfaltz entgegen. |
4) |
In der Belehnung, welche der
Churfürst von Bayern im Jahre 1652
erhalten, sey des Vicariats nicht erwehnet worden. Das Hauß Bayern pfleget
hierauf also zu antworten: |
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a) |
Das Vicariat gehöre von
Rechts wegen dem Hause Bayern. Hier
würde aber wohl ein mehrerer
Beweiß erfodert werden können, indem nicht
abzusehen, worauf Bayern sich desfalls gründen könne. |
b) |
Das Vicariat sey mit der
Churfürstlichen, ingleichen auch
mit der Reichs-Ertz-Würde
verknüpffet. Dieses Argument aber wird aus dem
Zustande, den das
Deutsche Reich in denen mittlern Zeiten gehabt,
schwerlich erwiesen werden können. |
c) |
Der erste Churfüst des Hauses Bayern sey mit dem Vicariat
ausdrücklich belehnet worden. Dieses muß der Lehns-Brief weisen. |
d) |
Vermöge des
Instrumenti Pacis und des Art. 4 habe
Bayern die
Chur-Würde nebst allen
Regalien erhalten. Es ist aber doch
des Vicariats nicht gedacht worden, als welches weder mit ein einen,
noch mit dem andern eine Verwandtschaffft hat. |
e) |
Das Instrumentum Pacis gedencke bey der
Restitution des Hause Pfaltz, nichts von dem Vicariate. Wenn aber
solches auf dem
Lande, oder der Familie hafftet, so hat es dessen zu
gedencken nicht bedurfft. |
f) |
Könne hier keine Verjährung gelten, weil die Chur-Würde dem
Hause Pfaltz von Bayern alle mahl streitig gemacht worden. Es hat aber
solche mit dem Vicariate keine Verwandtniß; so hat auch das Haus Pfaltz
dem Hause Bayern keine Chur-Würde entwendet, wie solches vorher gesaget
worden. |
g) |
Die in dem
Westphälischen Frieden gesche- |
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{Sp. 191|S. 109} |
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hene Restitution habe nicht anders, als ohne Präjuditz des Hauses
Bayern, verrichtet werden können. Die Tractaten des
Westphälischen
Friedens
beweisen zur Gnüge, daß Bayern auf kein erlangtes Recht (jus
quaesitum) sich zu beruffen gehabt, wie es sich denn auch auf
keines beruffen können, und zwar vermöge dessen, was dieserhalben vorher
erinnert worden. |
h) |
Daß das Vicariat in denen Lehn-Briefen nicht stehe, könne
Bayern kein Präjuditz geben. Das Hauptwesen aber der Lehn-Briefe kommt
auf das Denombrement an (Schilter
in Epit.
Jur. Feud. et alii feudalistae) wie man diesen wichtigen Umstand zu
nennen pfleget. |
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Chur Pfaltz wiederlegt dieses also: |
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a) |
Sey die
Churfürstliche
Würde dem Hause Pfaltz von allen Zeiten
her, gehörig. Alleine das Vicariate ist gantz was eigenes. |
b) |
Das Vicariat haffte auf der Pfaltz. |
c) |
Das Haus Pfaltz habe der Belehnung des Churfürsten von Bayern
Maximilians alle mahl widersprochen. |
d) |
Das Haus Bayern habe, ausser der Ober-Pfaltz und der
Chur-Würde, sonst nichts bekommen. |
e) |
Durch den
Westphälischen Frieden sey dem Hause Pfaltz das
Vicariat nicht entwendet worden. |
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Besiehe
- kurtzer Bericht von Seiten
Chur-Pfaltz wegen des Vicariats;
- Bayrisches Gegenbedencken vom
Pfältzischen Vicariat;
- Pfältzische Rettung des Vicariats;
- Bayrisches Gegen-Manifest wider diese Rettung;
- Chur-Pfältzische Brevis Manifestatio wider das Bayerische
Manifest.
- Gastel. de Statu publ. Europ. c. 8.
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Im Jahre 1670 ward zwar zu Ulm dieser
Sache halben ein Convent gehalten, auf
welchem man vorschlug |
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- Daß entweder das Vicariat getheilet, oder
- die Alternation eingeführet, oder
- solches in beyder
Namen ausgeschrieben; oder
- ein gemeinschafftlich Vicariats-Collegium errichtet werden sollte.
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Allein bey jedem Puncte fanden sich allerley Schwierigkeiten, so daß endlich
die gantze Conferentz fruchtloß ablieff, wobey es auch also verblieben. |
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Wie denn auch nur letzt noch nach dem erfolgten Ableben Ihro letzt
verstorbenen
Kayserl. Majestät Carls VI
Glorwürdigsten Andenckens dieser Streit auffs neue rege geworden. Und ob
zwar die beyden Chur-Häuser Pfaltz und Bayern, nach vielen und langen
Berathschlagungen, sich endlich dahin verglichen, ein gemeinschafftliches und
aus beyderseits Räthen bestehendes Vicariat-Gerichte niederzusetzen, und solches
auch würcklich zu Augspurg feyerlich eröffnen lassen; so haben doch die andern
Chur- und
fürstlichen Häuser nicht allein solches zur
Zeit noch nicht
respectiret, sondern auch wider dasselbe zu wiederhohlten mahlen protestiret. |
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Kursachsen |
Chur-Sachsen hingegen betreffend; so hat solches das ihm zuständige Vicariat
beständig ohne den geringsten Widerspruch
verwaltet. Wie denn auch Ihro
glorwürdigst
regierende Königliche Majestät in Pohlen und Churfürstl Durchl. zu
Sachsen krafft des Ihnen Allerhöchst zustehenden
Rechtes, während des
gegenwärtigen Interregni, in Dero Residentz-Stadt Dreßden das gewöhnliche
Vicariats-Gerichte gehörig eröffnen, und zur
Zeit auch würcklich noch ohne allen |
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{Sp. 192} |
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Widerspruch fortsetzen lassen. |
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Und bestehet das jetzige Reichs-Vicariats-Gerichte am Königl. Pohlnischen
und Chur-Sächsischen
Hofe aus folgenden
Personen: |
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1) |
Bernhard, Freyherr von Zech |
2) |
Christian von Loß, |
3) |
Johann Christian von Hennicke, |
4) |
Carl August von Rex, |
5) |
Eberhard Hartmann von Erffa. |
6) |
Erasmus Leopold von Gersdorff, |
7) |
Wilhelm August, Graf von Stubenberg, |
8) |
Carl Wilhelm Gärtner, |
9) |
George Lebrecht Wilcke, Referend. |
10) |
Ernst Gotthelff Becker, Secretarius. |
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Von dem Chur-Sächsischen Vicariat besiehe ins besondere Rechenbergs
Progr. de Vicar. Saxon. Illustr. Natal. ex Archiv-Mareschall.
Leipzig
1714
in 4. |
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