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Quellenangaben und Anmerkungen
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Mißbrauch der Vernunft.
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Wir wollen hier nicht die vielfältigen
Arten der Mißbräuche, die mit
derselben vorgehen, berühren. Doch düncket uns dieser der
vornehmste zu seyn,
wenn man Leute antrifft, die die Vernunfft zu dem
Principio und Quelle der
Glaubens-Lehren und
Lebens-Pflichten, und also zur Richtschnur der
Heiligen Schrifft erheben. |
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Benedict. de Spinoza in Tract. Theol. Polit. c.
15. leget der Vernunfft und
Philosophie absolutum et solitarium veritatis
imperium und der Heiligen Schrifft regnum obedientiae bey? Der
Verfasser der Vorrede über die Opera posthuma des
Spinozä
sagt p. 9: Der Apostel nennt Röm. XII,
1. die Christliche Religion darum
vernünfftig, weil die Vernunfft dieselbe
vorschreibe, und diese Religion in der Vernunfft gegründet sey. Eben dieses
lehren Balthasar Becker in Discursu Libris III. mundi
fascinati praemisso; Hermanni Alexandri Roell Dissert.
de religione rationali; Vornehmlich der Verfasser Exercitationis
paradoxae de philosophiae scripturae interprete, welches Ludewig
Meier, ein Medicus zu Amsterdam, seyn soll, der von Gisberto
Voetio und Sam. Maresio ist wiederleget worden. |
Besiehe
- Valentini Ernst Löschers Praenotiones IV.
- Herm. Lud. Benthems Holländischen
Kirchen- und Schulen-Staat …
- Johann Friedrich Buddäus in Isagog. Hist. Theol. …
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Wir fügen dem Verzeichnisse solcher Verächter der Offenbahrung noch eine
gottlose
Schrifft bey, die in der Bibliotheque Angloise par A. de la
Chapelle … angeführt worden, und allwo man sich zugleich verwundert hat,
daß solcher Boßheit in Engelland nicht mit mehrern Ernst begegnet werde. Sie
führt folgendem Titel: De infallibility of human judgement it's dignity and
excellency. Der Verfasser erhebt darinnen nicht nur die Vernunfft weit über
die Schrifft, sondern nennet Gotteslästerlich alle Offenbahrung einen Betrug,
den Glauben eine Narrheit und die Wunderwercke ein Blendwerck der Leute u.s.w. |
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Unter denen
Schrifft-Stellen, die von dergleichen Feinden des Wortes GOttes
zu jetziger Zeit sonderlich gemißbrauchet werden, ist vornehmlich
Röm. XII,
1. und 1 Petr. II, 2. Sie dichten, es werde hierin
logike latreia,
das ist, nach ihrer Auslegung die gantze Religion und Gottes-Dienst als
vernünff- |
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{Sp. 1416} |
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tig vorgeschrieben, daß wir daraus
erkennen möchten, die gesunde Vernunfft
sey die eintzige Quelle und
Ursprung aller
Wahrheit, und also auch aller
Glaubens-Lehren und
Lebens-Pflichten. Man hat deswegen |
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1) |
zu mercken, daß Paulus und
Petrus l.c. durch logiken latreian
einen geistlichen Gottes-Dienst
verstehen. Denn dieser wird
tē psychikē douleia,
dem lebendigen Gottes-Dienste derer Gläubigen Alten Testaments, da sie
allerley Thiere aloga zōa
2 Petr. II, 12. opfferten, entgegen gesetzet; im Neuen
Testamente aber sollen wir
GOtt unsere Glieder samt allen
Kräfften des
Leibes und der
Seelen
als geistlicher Opffer darbringen |
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1 Petr. II,
5. Röm. VI, 13. besiehe Salom. Deylings Observ. ad h.l.
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Einige setzen noch hinzu, daß
to logikin,
hier auch tō alogo,
dem Heydnischen Götzen-Dienst, welchen Paulus
1 Cor. XII, 2.
alogon nennet, entgegen gesetzet
werde. |
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Chr. Heinr. Zeibichs Diss.
aloga
gentilium sacra.
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Solcher gestalt kann der wahre Gottes-Dienst auch
Röm. XII, 1. ein vernünfftiger Gottes-Dienst, das ist, ein
solcher, welcher der Vernunfft nicht zuwieder ist, worauf
Lutherus in seiner Übersetzung gesehen hat, genennet werden. |
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2) |
Was Paulus tēn
logikēn latreian
heißt, daß
schreibt Petrus
1 Epist. II, 2. 5.
durch logikon kai hadolon gala,
durch geistliche und lautere Milch, Ingleichen durch
pneumatikas
dysias, durch geistliche Opffer. Die
Opffer derer Christen heissen auch geistlich, so wohl in Ansehung der
Weise, da sie nicht wie im Alten Testamente, sondern in
Geist und in der
Wahrheit gebracht werden,
Joh. IV, 24. als auch in Betrachtung
desjenigen, daß geopffert wird. |
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Da sollen nicht nur die Glieder des Leibes auf
eine geistliche Weise, sondern auch die
Seele sammt allen
Kräfften und
insonderheit das Gebet,
1 Tim. II, 1. als Opffer des Hertzens
und Mundes geopffert werden. Lutherus
schreibt in der
Rand-Glosse über
Röm. XII, 1. Paulus nennet alle unsere Opffer
oder
Wercke unseres Gottes-Dienstes unvernünfftig, die ohne Glauben und
wahre Erkenntniß GOttes geschehen. Demnach ist es nicht nötig, [sechs
Wörter griechisch] herzuleiten und den wahren Christlichen Gottes-Dienst
zu
verstehen; noch von dem geschriebenen
Worte anzunehmen und einen
Gottes-Dienst, der dem geschriebenen Worte GOttes gemäß sey, darunter zu
begreiffen. Worauf vielleicht die Ausleger gesehen haben, welche
logiken latreian durch verbalem
cultum übersetzet haben. |
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Ingleichen braucht es auch nicht mit
Josua Arndio in Miscellaneis … hierinne sich auf die
aloga pathē
oder auf die unvernünfftigen
Affecten der Stoicker zu beruffen. Daß man
die Affecten insgesamt als unvernünfftige
Gemüths-Bewegungen fliehen
solle, lehret weder Paulus noch Petrus noch sonst jemand von denen
Göttlichen
Schrifftstellern. Sie preisen aber allerley gute Affecten
denen Christen an, als |
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1 Cor. XIII, 1. 13. |
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Philipp IV, 4. |
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2 Cor. VI,
10. |
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3) |
Paulus gibt hier nicht die Vernunfft als eine
Regel des Gottes-Diensts oder die
Heilige Schrifft
auszulegen an; er ermahnet vielmehr die Vernunfft gefangen zunehmen
unter den Gehorsam Christi, |
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2 Cor. X, 5. |
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{Sp. 1417|S. 722} |
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Er
befiehlet sich zu hüten, daß man nicht durch
die
Philosophie beraubet, und durch Menschen-Lehre verführet werde, |
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Col. II, 8. |
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Die Vernunfft über die H. Schrifft erheben,
phronēma tēs
sarkos, ist nichts anders, als fleischlich gesinnet seyn, |
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Röm. VIII, 7. |
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Die Ausflüchte der Gegner sind desto leichter zu zernichten, mercke man
ferner |
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a) |
Wir brauchen in der Auslegung der
H. Schrifft und
Prüfung der darüber entstandenen Streitigkeiten die
menschliche
Vernunft, nicht aber soferne sie nach dem
Falle verderbet ist, noch wie
sie in dem verderbten
Zustande, da sie pflegt richtig oder gesund
genennet zu werden, betrachtet wird, und sich selbst gelassen ist;
sondern soferne sie von
GOtt dem
H. Geiste durch die Schrifft erleuchtet
und unter den
Gehorsam des Glaubens und Christi gebracht ist; |
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b) |
Wir brauchen die erleuchtete Vernunft in der
Erklärung der Schrifft nicht als eine Norm,
Principium oder
Grund,
sondern als ein Werckzeug, |
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besiehe
- Martini Chladenii Institut.
Exeget. …
- Joh. Jac. Rambachs Institut. Hermen. Sacr.
…
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Hieher ist auch zu setzen Fried.
Balduinus Comment. ad 2 Cor. X, 5 … allwo er gar recht
lehret, die Vernunft bedürffe auch bey einem Wiedergebohrnen noch einen
Zaum; sie sey wie ein wildes Thier, das zu seiner wilden
Art sich wende,
wenn es gleich eine lange Zeit gezähmet worden. |
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Joh. Conr. Dannhauerus räumet in
Prodromo Anti Christosophiae … der erleuchteten Vernunft in der
heiligen Auslegungs Kunst einen dreyfachen
Nutzen ein, als |
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1) |
usum apprehensivum et retentivum, |
2) |
explicativum praesertim rerum ex philosophia
in S.S. occurrentium, |
3) |
argumentativum; |
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c) |
Hier ist fast eben das von der
Philosophie, die
ihren
Ursprung der Vernunft zu dancken hat, zu erinnern, was man zu
sagen pfleget, wenn gefraget wird, was sie vor
Nutzen in Auslegung der
Schrifft habe. Man hat die nüchterne und gesunde Philosophie von der
trunckenen und ungesunden vornehmlich zu unterscheiden. Diese
unterwirfft sich nicht mit Christus, wie Paulus
2 Cor. X, 5.
erfordert, sondern schwinget sich selbst auf den Thron, will
Richter vor
sich seyn, und nach ihrer
Regel die
H. Schrifft auslegen; jene giebt
sich Christo und dem Glauben gefangen, und kan die Christliche
Philosophie genennet werden. |
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Diesen
Nahmen hat
Christian
Thomasius
in Introduct. in aulic. philos. … gäntzlich
verworffen. Allein bey der von uns gegebenen Beschreibung davon kan sie
gar wohl statt finden. Denn damit man nicht durch die
Philosophie
verführet werde; so muß man eine
wahrhafftige eclectische Philosophie
erwählen, sie hernach mit aller Vernunft gefangen nehmen unter dem
Gehorsam Christi, und solchergestalt endlich zur Erklärung des
göttlichen Wortes anwenden. |
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Ob Gerhard de Vries Exercit.
de otheio Philosophi circa revelata, Hermann Witsius
Diss. de usu et abusu rationis circa mysteria fidei, in
Miscellaneis Sacr. T. II. p. 582. und andere solches gebührend
beobachtet haben, überlassen wir andern zu beurtheilen; |
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d) |
Wenn uns in der
H. Schrifft befohlen wird |
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- noein, darauf zu mercken,
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- Matth. XXIV, 15.
- 2 Tim. II, 7.
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1 Cor. X, 15. |
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2 Cor. X, 11 u.s.w. |
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so wird hierdurch der Gebrauch der erleuchteten
Vernunft als eines |
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{Sp. 1418} |
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Werckzeugs nach oben beschriebener Weise
angewiesen. Christus und Paulus
reden in angezogenen Stellen mit
Wiedergebohrnen, und fordern von ihnen, daß sie die Gaben zu weissagen
und auszulegen, welche
1 Cor. XII. beschrieben werden, recht
gebrauchen sollen. |
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Das
Vermögen, die
H. Schrifft zu erklären, ist
ein Gnaden-Geschencke des
H. Geistes, und kan von der gesunden Vernunft
nach dem
Falle und von der
Philosophie nicht hergeleitet werden, |
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v. 1. 3. 4. |
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Die
Befehle
GOttes und Christi setzen auch nicht
allezeit natürliche Kräffte und Vermögen, so nach dem
Fall übrig sind,
zu thun, voraus. So
befiehlt GOtt
Jer. III, 14.
Bekehret euch. Da doch GOtt mit dem Befehl zugleich Kräffte mittheilet, |
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- Jer. XXXI,
18.
- 2 Cor. III, 5.
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Wie Christus
Luc. VII, 14. zu den todten
Jünglinge
sprach: Jüngling, ich sage dir, stehe auf, und ihm zugleich
das Vermögen aufzustehen schenckte. |
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Heinrich Klausings Vindiciarum Scripturae
Disp. I.
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Wir machen also aus allen diesen angeführten den
Schluß, daß diejenigen in
grosser Verdammniß sind, welche die Haupt-Sprüche, darinnen uns die H.
Geheimnisse des Glaubens offenbahret werden, dem
Urtheile der
Vernunft
unterwerffen, und den deutlichen
Verstand der
Worte leugnen, weil sie die Weise
der
Sache nicht begreiffen können. Es gehören hierher die Rationalisten.
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Die Reformirten, Marckius in Compend. theol. Christ. c.
2. desgleichen Petr. von Mastricht in theol. theoretico
practica L. I. c. 2. wollen die Vernunft und Philosophie in den
Geheimnissen nicht zur Norm annehmen. Die Praxis streitet wider ihre
Worte;
immassen sie die Mittheilung der
Eigenschafften, die
Gegenwart des
Leibes und
Blutes des Gott-Menschen im Heil. Abendmahl, die
Würckung der Taufe, den Glauben
der
Kinder wider die klaren Zeugnisse der
H. Schrifft leugnen, weil solches
ihrer Vernunfft ungereimt zu seyn scheinet, Joh. Marckius
l.c. … verräth seinen
Sinn nicht undeutlich;
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Besiehe
Biblioth. Bremens. … allwo es heisset: Una ratio circa omnes
versatur veritates cognoscendas
dijudicandasque.
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Noch Ärger sind die Arminianer.
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- Armini Confess. …
- Val. Sinalvius Homil. VIII. in Joannem c. 1.
- Catechesis Ecclesiar. Polonic. …
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Die Socinianer halten davor, es sey alles ungereimt, was über die
menschlichen
Gedancken gehe. Allein diesen Leuten muss man den Spruch vorlegen
Philipp IV, 7: [ein Satz griechisch].
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Wir sehen täglich vieles in der
Natur, davon wir die
Ursachen
und die Weise nicht angeben können,
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Joh. III,
7. u.f. |
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Man solte vielmehr glauben, daß
GOtt überschwenglich thun könne,
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- Eph. III, 10.
- Romani Cellers Philosophismus Exegeticus.
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Überhaupt gehört hieher der
Artickel: Naturalisten und
Naturalisterey, im XXIII
Bande, p. 1237. u.f.
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Und man kan in dergleichen
Art Leuten gar leichte auch nur aus
Vernunft-Gründen darthun, daß sie in einer grossen Thorheit stecken, wenn sie
sich gleich bei der vermeynten Meisterschafft der Vernunft noch so klug,
scharffsinnig und subtil zu seyn einbilden. Sie geben würcklich sowohl eine
merckliche Schwachheit ihres
Verstandes als eine nicht geringe Boßheit ihres
Willens zu
erkennen, wenn
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{Sp. 1419|S. 723} |
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sie die Vernunft auf den Thron setzen: über alles erheben, und die
Geheimnisse des Glaubens, die uns
GOtt selbst offenbahret, herunter stürtzen
wollen. |
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Das kan man gar leichte deutlich machen. Entweder wollen sie gar keine
Offenbahrung
erkennen, oder sie nehmen solche wenigstens dem Scheine nach an.
Ist jenes, daß sie von keiner Offenbahrung was wissen wollen, und selbige ohne
Scheu verwerffen, so kan man ihnen die Möglichkeit der Geheimnisse auf das
gründlichste darthun, und mit allem
Recht daraus die Folgerung machen, daß sie
nicht
Ursache hätten die geoffenbahrten Geheimnisse an sich zu verwerffen, und
zwar aus dem
Grunde, weil sie solche mit der Vernunft nicht begreiffen könnten. |
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Der
Beweiß solcher Möglichkeit kan auf zweyerley Art angestellet werden.
Denn einmahl kan man ihn aus der
Natur der
Sache leiten. Ein Geheimniß ist eine
solche
Wahrheit, da wir zwar die
Existentz einer Sache gewiß
erkennen; die
Beschaffenheit aber derselbigen nicht begreiffen können, und also von
derselbigen keinen
Begriff haben. Damit ist es wohl über; aber nicht wider die
Vernunft. Solcher Unterscheid ist sattsam gegründet. |
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Ein anderes ist das unbegreifliche; ein anderes das unvernünftige. Ist ein
Geheimniß etwas, das wir nicht begreiffen können, wer solte deswegen wohl
zweifeln, daß solches nicht möglich sey. Einen
Grund solcher Möglichkeit finden
wir in der Beschaffenheit unseres
Verstandes. Er hat nur eine endliche und
eingeschrenckte
Krafft etwas zu
erkennen und zu begreiffen, einzusehen und zu
beurtheilen. Er erforschet viele
Dinge und erlanget darinnen eine Einsicht;
gleichwohl aber bleiben ihm eben so viel, ja noch viel mehrere
Sachen unbekannt.
Er erkennt viele
Wahrheiten, und ist dabey vielen Irrthümern unterworffen. Es
giebt gantz gewisse Wahrheiten; es giebt auch nur wahrscheinliche und die
letztern dürfften die erstern an der Menge übertreffen. |
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Bey solchen Umständen unseres
menschlichen Verstandes mag es ja wohl möglich
seyn, daß ihm
Dinge vorkommen, wie er zu begreiffen nicht fähig ist, und dennoch
einen
Grund der
Wahrheit in sich haben. Ja noch einen Grund solcher Möglichkeit
finden wir in dem Wesen
GOttes. Solches höchste und uneingeschrenckte Wesen kan
solche Dinge thun: solche Wahrheiten davon abfassen und uns offenbahren, die wir
zu begreiffen nicht vermögend sind. Das ist so ausgemacht, daß wer solches
leugnen wolte, der müste dabey etwas behaupten, welches den höchsten
Vollkommenheiten GOttes zuwider wäre. |
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Man kan auch nicht
sagen,
GOtt könne von den
Menschen nicht verlangen, daß
sie
Dinge annehmen sollen, die sie nicht begreiffen könnten. Denn warum solte er
das nicht verlangen können? Er ist der
wahrhafftige GOtt, und wenn er ihnen
solche entdecket, so haben sie einen hinlänglichen Grund es zu glauben, das ist,
vor wahr zu halten, weil es GOtt
gesagt, sie mögen es begreiffen oder nicht. |
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Damit ist die Möglichkeit der Geheimnisse dargethan. Sie fassen nichts
wiedersprechendes in sich. Vielmehr sind sie der Beschaf- |
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{Sp. 1420} |
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fenheit des
menschlichen Verstandes und dem Wesen
GOttes gantz gemäß. Sehen
wir insonderheit auf die Geheimnisse, so die göttliche Offenbahrung und die
Christliche Religion in sich fasset, so kan man noch einen
Beweiß dieser
Möglichkeit beyfügen. |
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In der Natur giebt es Geheimnisse. Das wird man mit allem
Rechte
so lange behaupten, bis unter andern ein Naturalist erkläret, wie bey einem
Menschen
Leib
und
Seele mit einander vereiniget: wie die Seele ihre
Gedancken formire: wie ein
Geist in einem
Cörper würcke: wie es mit den Teufelischen
Würckungen, von denen
wir durch die Historische
Glaubwürdigkeit versichert sind, zugehe, u.s.w. |
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Sind in der Natur Geheimnisse, warum will man sich denn an diejenigen
stossen, die wir in
heiliger Schrifft und in der Christlichen Religion haben. Da
siehet man, daß man von den Geheimnissen keinen
Grund nehmen kan, die
Offenbahrung der Schrifft zu verwerffen. Nimmst du solche dem Ansehen nach an,
und unterstehest dich gleichwohl als ein Socinianer, Arminianer oder überhaupt
als ein Rationalist, die Geheimnisse aus der Schrifft auszumerzen, und alles so
zu erklären, daß es deiner Vernunft begreiflich werde, so ist das gewiß eine
grosse Einfalt und Thorheit. |
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Denn siehe, wo du die göttliche Offenbahrung erkennest, wie man sie
nothwendig
erkennen muß, so kan man dir auch die
Nothwendigkeit der Geheimnisse
zeigen. Man siehet sie nun nicht mehr, als was mögliches; sondern als was
nothwendiges an. Sie sind nothwendig, indem die Offenbahrung, soferne sie dem
Lichte der Natur entgegen stehet, und von demselbigen unterschieden ist, sonst
keine Offenbahrung bliebe, und gantz vergeblich wäre, wenn sie keine andere als
natürliche Wahrheiten sich faßte. |
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Giebt man zu, daß das Licht der Natur zur Erlangung der Seeligkeit nicht
hinreichet, und
erkennt die
Nothwendigkeit der Offenbahrung, so muß man auch
zugeben, daß in derselbigen solche Wahrheiten müssen enthalten seyn, welche mit
der Vernunft nicht können begriffen werden. Sonst schriebe sie ja keine andere,
als eine natürliche Religion für, die aber gleichwohl zur Seeligkeit
unzulänglich ist: sie hätte eher keinen
Vorzug vor dem Lichte der Vernunft und
demjenigen, was darinnen enthalten ist: die Glaubens-Lehren, so wird daraus
erkennen, und die Mittel, welche uns zu unserm Heyl vorgeschrieben, müsten auch
denen bekannt seyn, die von dieser Offenbahrung nichts wissen, so aber falsch
ist.¶ |
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Wollen wir die
Ursachen untersuchen, daß viele
Menschen ihrer Vernunft so
grosse Herrschafft auch über die Offenbahrung einräumen, so werden es folgende
seyn: Ein solcher Mensch ist |
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1) |
allein in der äussern sichtbaren
Natur vertieft
u. gleichsam ersoffen, und er ist nur die mechanischen Gesetze zu
erforschen bemühet. Dahero er auch, wenn er solche einiger massen
gefasset, nach selbigen allein selbst die unsichtbare himmlische
Dinge
abzirckeln will, und wo er sieht, daß sich dieselbe in |
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{Sp. 1421|S. 724} |
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seine allzu enge Natur-Schrancken nicht
einschräncken lassen, so verlacht und verwirfft er sie als Thorheit. So
sind auch |
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2) |
solche natürliche Menschen von ihrer
Eigen-Liebe
gleichsam berauscht, und halten sich vor die allerklügsten unter der
Sonne, sie nennen sich Esprits forts, starcke
Geister, als wenn sie
gleichsam mit den allergrösten und allererleuchtetsten
Verstand begabet
wären. Können Sie nun die göttlichen Geheimnisse nicht fassen, noch mit
ihren Schluß-Reden zusammen reimen; so läst ihr Hochmuth das Bekänntniß
und die Beichte ihrer Ohnmacht nicht zu, und wollen lieber, ehe sie
solches thun, die allerhöchsten und weisesten Geheimnisse GOttes selbst
einer Thorheit und Unwahrheit beschuldigt. Ferner ist |
|
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3) |
eine
Ursache davon, daß sich solche Leute von
GOtt und allen
geistlichen Sachen,
cörperliche und fleischliche
Ideen
machen, und sich unter cörperlichen in die
Sinne fallenden Figuren und
Bildern GOtt, sein
Wesen und geheime
Wercke vorstellen. |
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Denn der eine, wenn er GOtt nennen höret,
begreifft ihn als einen alten hochbetagten
Mann, der andere als einen
prächtigen
König, der Dritte als eine dünne, feine, überall ausgespannte
Lufft, der vierte als einen Circkel, der fünffte als einen Triangel, an
welchen verkehrten
Begriffen die Mahler und Lehrmeister meistens Ursache
sind. Diese Ursachen verführen die meisten
Menschen, daß sie ihrer
Vernunfft die Oberherrschafft einräumen und dieselbe in Glaubens-Sachen
zur Richterin erwählen. |
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Sie werden dadurch verleitet, daß sie diejenigen Göttlichen Geheimnisse, so
sie nicht fassen können, gleich als Thorheit, Unwahrheit und
Phantasie gäntzlich
verwerffen und verleugnen, dahin die Lehre von Christo und das Geheimniß der
Dreyeinigkeit zu rechnen, welche nicht gegen die Vernunfft streiten, sondern nur
über dieselbe gehen. Die Dreyeinigkeits-Feinde, zumal Michael Servetus,
möchten erwegen, daß eins und drey keine wieder einanderstreitende und
einander verneinende
Dinge seyn, davon das eine das andere aufhebe, als daß wenn
das eine stehe, das andere nicht bestehen könne, und schließt vielmehr das eine
das andere in sich; denn wie drey oder die dritte Zahl in sich schleußt eins
oder die erste Zahl; also hält eins oder die erste Zahl als der
Ursprung und
Mutter aller andern Zahlen auch schon in sich die dritte Zahl, und ist in Eins
und Drey, und also auch in der Heil. Göttlichen Dreyeinigkeit kein Wiederspruch
zufinden. Gesetzt, es lieffe dieses Geheimniß gegen die
Regeln der Vernunfft und
Zahl, Lehre oder Arithmetique, so hat man doch GOtt als ein geistlich Wesen
nicht nach den Regeln der Rechen-Kunst zuermessen, weil die Regeln davon sammt
ihren Zahlen ja nur allein solche
Dinge abmessen, theilen, unterscheiden und
zusammensetzen, die da endlich und ermeßlich, und auch eine umschränckte
Quantität, als eine Länge, Breite, Tiefe und Höhe haben.¶ |
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Die
Herrschafft
der Vernunfft zeigt sich weiter, wenn sie die Göttliche
Geheimnisse und Wunder, so übernatürlich seyn, natürlich erkläret, um Ihre
Majestät und Grösse zu unterdrücken, die Göttliche Krafft ihnen zubenehmen und
den gantzen |
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{Sp. 1422} |
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Gottesdienst zuzernichten. |
Johann Gerhard Meuschens Eröfnete Bahn des
wahren Christenthums,
Franckfurt am Mayn, 1716.¶
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