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Zedler: Natur-Recht [2] HIS-Data
5028-23-1192-4-02
Titel: Natur-Recht [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 1197
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 616
Vorheriger Artikel: Natur-Recht [1]
Folgender Artikel: Natur-Rechts (Grundsatz des)
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Historie (Forts.)
  neuere Historie (Forts.)
 
  3. Pufendorf bis heute
 
  Pufendorf
  Thomasius
  besondere Materien
 
  1. Existenz der natürlichen Gesetze
  2. Stand der Unschuld
  3. Prinzip des natürlichen Rechts
  4. Allgemeine Gesetze Gottes
  Pflichten der Regenten und Unterthanen
  Völkerrecht
  Literatur

Stichworte Text Quellenangaben
3. Pufendorf bis heute Der dritte Periodus geht von Pufendorfen an, und erstrecket sich bis auf ietzige Zeiten. Die Verdienste, die Pufendorf bey dieser Wissenschafft hat, sind sehr groß, und ob sich zwar im Anfang verschiedene wider ihn setzten, so wuste er sich doch nicht nur selbst gut zu vertheidigen; sondern es sind auch seine Schrifften gar bald in grosse Hochachtung kommen, daß sonderlich allerhand Anmerckungen darüber geschrieben worden.  
Pufendorf Hier kan fast das meiste gesagt werden, was zur Historie der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit gehöret. Es soll alles kurtz zusammen genommen, und nur das nöthigste angeführet werden, wozu gehören  
 
1) seine Schrifften: In seiner Gefangenschafft schrieb er anfangs Elementa jurisprudentiae universalis, in deren Vorrede er bekennet, daß er Weigeln, dem Grotius und Hobbes viel zu dancken habe. Als er zu Lunden in Schonen Professor worden, ließ er 1672 ein vollständiges
 
  {Sp. 1198}  
 
  Systema unter dem Titel: Jus naturae et gentium, an das Licht treten, welches er nach der Zeit sehr vermehrt herausgegeben, und daraus das bekannte Compendium de officio hominis et civis gezogen. Er legte die Socialität zum Grunde, und wolte daraus alles herführen, verbesserte vieles, was Grotius übersehen hatte, besonders an der scholastischen Lehre, was die Moralität der Handlungen ohne Absicht auf das Gesetz betrifft, und was andere dergleichen Lehren mehr sind.
  Er versahe es mit seinem Principio, daß er alles aus der Geselligkeit leiten wolte, welches zwar ein wahrer und deutlicher, aber kein hinlänglicher Grund-Satz, indem man daraus die Pflichten gegen GOTT und gegen sich nicht beweisen kan. Eben darüber gieng der meiste Streit mit ihm an, daß man ihm vorwurff, er hielte nichts von den Pflichten gegen GOTT, davon er auch in dem grössern Wercke nichts gedacht.
  In dem Compendio handelte er zwar von diesen Pflichten in einem besondern Capitel; indem er sie aber aus der Geselligkeit leitete, so entstunde ein neuer Vorwurff, daß, wenn die Geselligkeit der Grund, warum man GOTT verehren müste, so würde folgen, daß die Religion nur als ein Mittel, die äusserliche Ruhe zu erhalten, anzusehen:
 
 
2) seine Gegner, darunter die vornehmsten waren Josua Schwartz, Nicolaus Beckman, Johann Adam Schertzer, Valentin Alberti, Johann Joachim Zentgrav, Samuel Strimesius, Friedrich Gesenius, welche zwar verschiedene Dinge mit Grund wider ihn erinnerten, besonders, was seinen Grund-Satz betraff; sie warffen ihm aber viele Dinge ohne Ursach vor, und giengen mit ihm allzu hart um; Der meiste Verdruß aber kam daher, daß er etwas frey geschrieben, und die Scholasticos angegriffen hatte. Es gieng ihnen schwer ein, daß sie unter andern die objectivische Moralität solten fahren lassen.
  Von dem angeführten Alberti ist zu mercken, daß er in dieser Sache nicht nur mit Pufendorffen, sondern auch mit dem Thomasius gestritten. Er schrieb selbst ein Compendium juris naturae orthodoxae theologiae conformatum, und leitete darinnen das Recht der Natur aus dem Stande der Unschuld, worinnen er es in so weit versahe, daß, da er das natürliche Recht, wie es nach dem Falle beschaffen, zu erwegen hatte, er selbiges aus dem Paradies herführen wollen, indem ein natürlicher Mensch nichts davon erkennet, auch nachdem durch den Fall sich der Zustand der Menschen gar sehr verändert, nunmehro viele Pflichten nöthig sind, die im Stande der Unschuld nicht gewesen wären. Erweget man aber das natürliche Recht, wie es nach der Heiligen Schrifft zu betrachten, und man hat mit Leuten zu thun, welche die Heilige Schrifft annehmen, so hat er eben nichts unrechtes gelehret, daß man den Ursprung desselben in dem Paradies suchen müste. Es hat auch Leibnitz in einer Epistel, die in dem neuen Bücher-Saal tom. 1. p. 836. stehet, verschiedenes an dem Compendio
 
  {Sp. 1199|S. 617}  
 
  ausgesetzet.
 
 
3) seine Ausleger. Das grosse Werck, oder das Jus naturae et gentium, ist mit einigen Noten von Johann Nicolaus Hertius erläutert worden, dessen Edition 1706 herauskommen, so man auch nicht nur in das Deutsche; sondern auch in das Frantzösische übersetzet, wiewol die Arbeit des Hertius nicht viel auf sich hat.
  Mehrere Geschicklichkeit hat dabey Johann Barbeyrac erwiesen, dessen Frantzösische Ubersetzung sowol, als die beygefügten Anmerckungen vortrefflich gerathen. Die andere vermehrtere Edition ist zu Amsterdam 1712 herauskommen.
  Uber das Compendium de officio hominis et civis haben sie mehrere gemacht, als
 
  • Immanuel Weber, dessen Noten gar kurtz gerathen, und ist in der Edition, die 1715 zum Vorschein kommen, zugleich auch die Leibnitzische Epistel beantwortet worden:
  • Immanuel Proeleus, von dem Deutsche Anmerckungen, nebst einer kurtzen Historie dieser Disciplin 1709 ediret sind:
  • Gottlieb Gerhard Titius, dessen Noten so beschaffen, daß sie mehr zur Logick und Metaphysick, als zum natürlichen Recht gehören, die 1703 zum Vorschein kommen, und nachgehends wieder gedruckt worden:
  • Johann Barbeyrac, der dieses Buch nicht nur Frantzösisch übersetzet, sondern auch einige Anmerckungen dazu gemacht, welche Arbeit 1718 vermehrter herauskommen;
  • Andreas Adam Hochstetter, in dem Collegio Pufendorfiano 1710, welches das weitläufftigste Werck, so wir hierinnen haben, wiewol er viele Dinge, die nicht zur Sache gehören, eingemischet:
  • Dietrich Hermann Kemmerich, der den Pufendorfium enucleatum 1716 herausgegeben:
  • Gottlieb Samuel Treuer, der dieses Buch mit vielen Anmerckungen 1717 ediret:
  • und Johann Jacob Lehmann, der es 1721 auch mit Noten herausgegeben.
 
Thomasius Ob sich wol die meisten, wie aus den angeführten zu ersehen, entweder über den Grotius, oder über Pufendorfen gemacht, so haben sich doch auch viele gefunden, welche lieber ihre eigene Gedancken in richtiger Ordnung von dem natürlichen Recht vortragen, als über eines andern Anmerckungen schreiben wollen, dergleichen sind  
 
1) Christian Thomasius, welcher nach dem Pufendorfen der erste gewesen, der an diesem Werck Hand anlegte. Er schrieb 1688 die Jurisprudentiam divinam, welche ein doppeltes Absehen haben solte. Denn einmal wolte er die Lehr-Sätze des Pufendorfs vertheidigen, und die Streitigkeiten, die bisher entstanden waren, untersuchen, deswegen er den Grund-Satz von der Socialität weiter bewiese, auch sonderlich die Meynung des Herrn Alberti genau prüffte; hernach wolte er beweisen, daß ein allgemein willkührliches Gesetz sey, worinnen er auch die Sache so deutlich vorstellte, daß, ob schon einige von ihnen, als Grotius, und von den Theologen, Johann Conrad Dannhauer und Johann Adam Schertzer auf diese Meynung kommen waren, so hatten sie doch dieselbige nicht so auszuführen gewust.
  Doch was er hier geschrieben, gefiel ihm nachgehends zu ändern, und das geschahe in denen Fundamentis juris naturae et gentium, die 1718 vermehrter herausgekommen. Denn hierinnen hat er das erste Buch seiner Jurisprudentiae divinae
 
  {Sp. 1200}  
 
  gantz geändert; über die zwey übrigen aber Anmerckungen gemacht. Er hält hier die natürlichen Gesetze vor keine eigentliche Gesetze; sondern nur vor wohlmeynende Rathschläge, und setzet zum Grund dieses natürlichen Rechts: man müsse alles thun, wodurch man sein Leben erhalten, und sich glücklich machen könte, woraus er denn dreyerley Regeln des ehrbaren, wohl anständigen und des gerechten ziehet, und daher drey besondere Grund-Sätze annimmt, und die allgemeinen willkührlichen Gesetze nicht vor Regeln der Gerechtigkeit; sondern der Tugend hält:
 
 
2) Johann Franciscus Buddeus, welcher nicht nur in dem andern Theil der Elementorum philosophiae practicae die natürliche Rechtsgelehrsamkeit völlig vorgetragen; sondern auch viele besondere Materien daraus erläutert hat, die man in den Selectis juris naturae et gentium, die 1704 und 1717 herauskommen, antrifft. Er hat auch über verschiedene Puncte, z.E. wegen der objectivischen Moralität, die er mit Pufendorfen verworffen, ingleichen wegen der allgemeinen willkührlichen Gesetze GOttes Streit gehabt:
 
 
3) Johann Balthasar Wernher, welcher Elementa juris naturae et gentium ex universali principio deducta, nec non ad usum in jure civili passim accommodata edirt, die 1705 auch 1720 heraus kommen sind:
 
 
4) Heinrich Ernst Kestner, von dem Jus naturae et gentium ex ipsis fontibus ad ductum Grotii, Pufendorfii et Cocceji derivatum 1698 und 1705 vorhanden.
 
 
5) Johann Georg Wachter, dessen Origines juris naturalis, sive de jure naturae humanae demonstrationes mathematicae 1704 zum Vorschein kommen; die aber sehr dunckel geschrieben sind:
 
 
6) Georg Beyer, dessen Delineatio juris divini naturalis et positivi universalis sich wegen ihrer Deutlichkeit und Kürtze sehr beliebt gemacht hat, und ist 1712 und 1716 gedruckt worden:
 
 
7) Friedrich Herrmann Cramer, welcher einen kurtzen Entwurff des Natur- und Völcker-Rechtes, darinnen dessen allgemeine Grund-Regeln vorgestellet, und mit Vernunfft-Schlüssen bestärcket werden, 1715 drucken lassen.
 
 
8) Ephraim Gerhard, dessen Delineatio juris naturalis, sive de principiis justi libri tres 1712 herauskommen sind, worinnen der Auctor die Grund-Sätze des Herrn Thomasius angenommen:
 
 
9) Michael Heinrich Griebner, welcher Principia jurisprudentiae naturalis in vier Büchern 1717 drucken lassen, die kurtz und deutlich abgefasset sind:
 
 
10) Johann Georg Wagner, von welchem 1719 herauskommen Juris naturalis et gentium liber elementarius, solida obligationis fundamenta et praecipua juris civilis privati principia methodo demonstrativa exhibens:
 
 
11) Christian Wolff, von dem wir hieher rechnen können seine vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, die 1720 und 1722 zum Vorschein kommen; ingleichen Gedancken von dem Gesellschafftlichen Leben der Menschen, die aber auch in das Verzeichniß der Bücher zur Sitten-Lehre und der Politick gehören, indem er die unterschiedene Disciplinen der Moral nicht aus einander gesetzet hat:
 
 
12) Jacob Gabriel Wolff, von welchem die Institutiones jurisprudentiae naturalis, tum privatae, cum publicae 1720 herauskommen sind, in denen er dem Herrn Tho-
 
  {Sp. 1201|S. 618}  
 
  masius folget, auch zugleich das Natur- und Völcker-Recht nach den Regeln der Klugheit betrachtet hat:
 
 
13) Adam Friedrich Glafey, von dem wir 1723 ein Vernunfft- und Völcker-Recht bekommen, dem er eine Bibliothecam juris naturae et gentium beygefüget hat.
 
 
14) Jacob Friedrich Ludovici, von dem man 1724 doctrinam juris naturae juridice consideratam gedruckt bekommen, der sich auch hierinnen durch seine Historie bekannt gemacht hat.
 
 
15) Nicolaus Hieronymus Gundling, der in dem dritten Theil von dem via ad veritatem die natürliche Rechtsgelehrsamkeit sehr deutlich abgehandelt, und den äusserlichen Frieden zum Grund geleget hat.
 
 
16) Joh. Lorenz Fleischer, der in seinen 1722 edirten Institutionibus juris naturae et gentium gewiesen, er sey ein Schüler und treuer Nachfolger des Herrn Thomasius.
 
 
17) Nicolaus Pragemann, von dem 1720 eine Jurisprudentia naturalis herauskam, die aber nicht völlig zu Stande gebracht worden, indem der Auctor darüber starb.
 
besondere Materien Hierbey könte man es bewenden lassen, nachdem die meisten Bücher angeführet worden. Es verlohnt sich aber in Ansehung der Vortrefflichkeit dieser Wissenschafft gar wohl die Mühe, daß man sich noch ein wenig bey einigen besondern Materien aufhalte, und die dahin gehörige Scribenten anführen, und etliche Controversien kürtzlich berühre. Solche besondere Materien können füglich in zwey Classen eingetheilet werden.  
1. Existenz der natürlichen Gesetze Einige betreffen das natürliche Recht an sich selbst überhaupt; andere nur gewisse Stücke aus demselbigen. Zu denen Materien, die das natürliche Recht selber betreffen, gehöret vor das erste die Frage von der Existenz der natürlichen Gesetze, welche von verschiedenen geläugnet, zweiffelhafftig und ungewiß gemacht worden, so bald aus diesen, bald aus jenen Gründen geschehen ist.  
  Daß einige von den alten Weltweisen keine andere Gerechtigkeit, als die entweder von dem eignen Nutzen, oder von den bürgerlichen Gesetzen herrühret, zulassen wollen, ist schon oben erinnert worden. Von den neuern Zeiten gehöret hieher Benedict Spinoza, daß sie er keinen GOtt geglaubet, also konte er auch keine natürliche Gesetze zu geben, und ob er wol in seinem Tractatu theologico-politico von einem natürlichen Recht redet, so verstehet er doch nichts anders dadurch, als den natürlichen Trieb eines Menschen, und meynet, es sey alles erlaubet, wozu der Mensch Lust habe. Diesem kan man den Hobbes beyfügen, von dem wir oben schon geredet.  
  Von denen, die aus den natürlichen Gesetzen nur Rathschläge machen wollen, unter denen Thomasius der vornehmste, und zwar in den Observationibus Halensib. tom. 6. observ. 27. und in den Fundament. jur. nat. et gent. lib. 1. cap. 5. §. 34. hat man auch erinnert, es sey diese Meynung so beschaffen, daß in der That dadurch das natürliche Recht geläugnet würde. Im Jahr 1722 ist Albert Ripers Dissertatio de lege ac legibus divinis in genere, et de legibus in specie zum Vorschein kommen, worinnen p. 102. diese Meynung widerleget wird.  
Feinde des natürlichen Rechts Unter die Feinde des natürlichen Rechts gehört vornehmlich der Auctor des so genannten Lichts und Rechts, der in der ersten Entdeckung cap. 2. dasselbige schlechterdings verwirfft,  
  {Sp. 1202}  
  und dergleichen auch in der dritten Entdeckung cap. 2. mit dem Völcker-Recht thut; So will auch der Herr Thomasius in seiner plenior. histor. jur. nat. cap. 6. §. 52. p. 127. den Praschium in diese Classe gebracht wissen.  
  Im Jahr 1719 kamen zu Halle Dubia juris naturae in 4 heraus, worinnen man allerhand Zweiffel wider die bisherige Lehre von dem natürlichen Recht, wie man dasselbe nach seiner Existentz bewiesen, nach seinem Wesen beschrieben, und sich um gewisse Grund-Sätze bekümmert, vorgestellet.  
  Ein mehrers von der Existentz des Natur-Rechts, siehe im Artickel: Natur-Gesetze.  
2. Stand der Unschuld Hat es mit der Existentz der natürlichen Gesetze seine Richtigkeit, so fällt eine neue Frage für, ob solches im Stande der Unschuld statt gehabt? welches einige geleugnet, andere hingegen behauptet haben, wie dieses aus dem nur angezogenen Artickel zu erkennen ist. Von welcher Controvers diejenige unterschieden ist, ob man den Stand der Unschuld zum Principio des natürlichen Rechts setzen müsse?  
3. Prinzip des natürlichen Rechts Drittens hat es wegen des Principii des natürlichen Rechts manche Disputen gegeben, da man bald dieses, bald jenes angenommen und bestritten; oder gar gemeynet, es sey nicht nöthig, daß man einen Grund-Satz habe; oder die Controvers vor eine Logomachie ausgegeben. Wenigstens gehört sie überhaupt nicht sowol zu der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit; als vielmehr zur Logick.  
  Unter dem Artickel: Natur-Rechts (Grund-Satz des) haben wir eine vollständige Historie von denen Principiis des natürlichen Rechts gegeben. Sonderlich sind diejenigen hier zu mercken, darüber ein und der andere Streit entstanden ist. Dieses ist unter andern geschehen mit dem Principio des Alberti, des Praschii, des Pufendorfs, des Cocceji, u.s.w.  
4. Allgemeine Gesetze Gottes Vierdtens kan hier mit gutem Fug des Streits wegen der allgemeinen willkührlichen Gesetze GOttes Erwehnung geschehen. Denn es entstund die Frage, ob man dergleichen hätte? welches die Kennzeichen derselbigen, und was man vor Gesetze nach derselbigen anzunehmen? Da denn einige solche angenommen, anderer aber verworffen, und zum Theil ihre vorige Meynung hierinnen geändert. Das vornehmste komme darauf an.  
  Thomasius gab sich hierinnen zuerst die Mühe, diese Gesetze genauer zu untersuchen, und die Kennzeichen davon anzugeben. Er machte damit den Anfang in seiner Disputation de crimine bigamiae, die 1685 zu Leipzig heraus kam, deren Inhalt Ludovici in der Delineat. historiae juris divini naturalis et positivi universalis §. 114. p. 180. edit. 2. erzehlet, welches er nachgehends in der Jurisprudentia divina weiter ausführte, und zeigte nicht nur überhaupt die Beschaffenheit dieses Rechts und dessen Unterscheid von dem natürlichen: sondern gieng auch die besondern Gesetze, die dahin gehörten, durch.  
  Es wurde diese Lehre nicht von allen auf gleiche Art aufgenommen, wiewol viele sich fanden, welche die Principia davon an sich selbst vor gegründet hielten, und ebenfalls Leges divinas positivas universales behaupteten, als unter andern  
 
  • der Herr Doctor Buddeus in den Element. philosoph.
 
  {Sp. 1203|S. 619}  
 
  pract. part. 1. cap. 1. §. 28. und part. 2. cap. 2. §. 13. auch in der Dissertation de principe legibus humanis, sed non divinis soluto,
 
 
  • Titius in observ. 91. ad Pufendorff de offic. hom. et civ. pag. 144. u.ff. und von den neuesten, die theologische Systemata geschrieben,
  • Pfaff in Institution. theolog. dogmatic. et moral. part. 2. cap. 3. §. 3. pag. 315.
 
  Doch hat sich nachgehends Thomasius geändert, und was er bisher Leges positivas universales genennet, achtet er vor Schlüssel aus den Grund-Sätzen des ehrbaren und wohlanständigen, wie aus den Observationib. select. tom. 6. num. 27. sonderlich dessen Fundamentis juris nat. et gent. die auf diesen Grund erbauet sind, zu ersehen, der auch in capite prooemiali dieser Fundamentorum, und in der Histor. plenior. Jur. natural. praef. die Ursachen eröffnet, warum er diese Veränderung vorgenommen, und die natürlichen Gesetze nicht mehr vor eigentliche Gesetze, sondern vor wohlmeynende Rathschläge GOTTes halte, worinnen im verschiedene gefolget; andere hingegen sich widersetzet, und seine erstere Gedancken den letztern vorgezogen.  
  Dem Herrn Gentzken in schediasm. moral. de principiis justi prol. §. 24. stehen diese Fundamenta gar nicht an, und ziehet denselben die Institut. jurisprud. divin. weit vor; Der Herr Weber hat sich gleichfalls in einer Disputation de legibus divinae positionis universalibus wider diese Meynung gesetzet, dem Thomasius in capit. prooem. fundament. §. 16. not. pag. 10 edit. 4. geantwortet, wie nicht weniger Hochstetter in colleg. Pufendorff. exerc. 3. §. 21. u.ff und Grammlich in Vindiciis legum divinarum positivarum 1716.  
  Es hat auch der Herr Buddeus seine vorige Meynung von den allgemeinen Göttlichen willkührlichen Gesetzen in den Institutionibus theologiae moralis, wiewol auf eine andere Art, als der Herr Thomasius, geändert.  
  Bey den besondern Stücken des natürlichen Rechts könten diejenigen angeführet werden, welche unter andern von der Nothwendigkeit des natürlichen Gottesdienstes aus dem Licht der Natur, von dem Ehestand, von der Polygamie, von dem Concubinat, von der Ehe-Scheidung, ingleichen von dem natürlichen Grund der Testamente u.s.w. geschrieben, und hierüber ein und die andere Controvers erreget haben; sie sind aber in den einzelnen Artickeln dieser Materien bemercket worden.  
Pflichten der Regenten und Unterthanen Diejenigen können nicht vorbey gelassen werden, welche das allgemeine Staats-Recht in besondern Büchern beschrieben, und insonderheit die Pflichten der Regenten und Unterthanen in dem bürgerlichen Stand erkläret haben. Dergleichen Bücher sind  
 
  • Johann Friedrich Horns politica architectonica 1672.
  • Ulrich Hubers Werck de jure civitatis, worüber Thomasius Noten gemacht hat,1708.
  • Justi Henning Böhmers Introductio in jus publicum universale 1716, darinnen auch eine Historie dieser Lehre zu finden:
  • Johann Lockens Tractat de regimine civili,
 
  denen man auch Johann Salomon Brunnquells eröffnete Gedancken von dem allgemeinen Staats-Recht und dessen nöthigen Excolirung 1721 bey-  
  {Sp. 1204}  
  fügen kan.  
  Von den beyden beruffenen Secten, welche die höchste Gewalt eines Fürsten entweder allzusehr eingeschränckt, oder ausgedehnet, und auch hieher gehören, ist in den Artickeln Monarchomachi und Machiavellisten gehandelt worden.  
Völkerrecht Das Völcker-Recht ist zwar nichts anders, als das natürliche Recht, sofern es auf gantze Völcker appliciret wird; gleichwol haben sich welche gefunden, die solches entweder überhaupt, oder gewisse Materien daraus abgehandelt. Zu denen, welche solches überhaupt gethan, gehöret eigentlich Grotius mit seinen Büchern de jure belli et pacis, worinnen er vornemlich die Pflichten gegen andere abgehandelt, und sein Absehen nicht sowol auf einzelne Personen, als vielmehr auf die Völcker gerichtet.  
  Diesem Exempel ist gefolget Richard Zouchäus in juris et judicii fecialis, sive juris inter gentes explicatione. Man hat auch  
 
  • Textors Synopsin juris gentium;
  • Johann Ludovici Praschii disquisitionem de jure gentium;
  • Johann Joachim Zentgravs commentationem de origine, veritate et obligatione juris gentium.
 
  Gröning hat eine Bibliothecam juris gentium herausgegeben.  
  Was die gewissen Materien anbetrifft, so aus dem Völcker-Recht abgehandelt worden, so kan dasjenige zu einem Exempel dienen, was von den Gesandten und ihren Rechten ist geschrieben worden. Es hat diese Historie zur genauern Erkänntniß der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit einen grossen Einfluß, indem man durch dero Behuf manche Meynungen besser einsehen kan. Dasjenige, was wir davon angeführet, ist zu kurtz, und reichet nicht hin, diese Historie in ihrer Vollständigkeit zu erkennen, weßwegen man diejenigen dabey lesen muß, welche selbige auch beschrieben, und sich zum Theil weitläufftiger dabey aufgehalten.  
Literatur Von denen Scribenten der Historie der natürlichen Rechts-Gelehrsamkeit sind folgende bekannt:
  • Johann Franciscus Buddeus in der Historia juris naturalis, die anfangs mit des Vitriarius Institutionibus juris et gentium heraus kam, und nachgehends vermehrter den Selectis juris naturae et gentium beygefüget worden, der auch sowol in den Institutionibus theologiae moralis part. 2. prolegom. §. 20. als auch in der Isagog. in univers. theol. pag. 305. verschiedenes erinnert, so hieher gehöret;
  • Jacob Friedrich Ludovici in der Delineatione historiae juris divini, naturalis et positivi universalis 1701, und vermehrter 1714.
  • Johann Nicolaus Hertius in Commentatione de jurisprudentia universali sect. 1. §. 28. welche sich tom. 1. seiner Opusculorum befindet;
  • Christian Thomasius nicht nur in der 1719 edirten Historia plenior. juris naturalis, sondern auch in der Vorrede der Deutschen Ubersetzung des Grotius;
  • Jacob Friedrich Reimmann in der Historia litteraria der Deutschen part. 3. sect. 4.
  • George Pasche de inventis nov-antiquis pag. 178.
  • Johan Barbeyrac in der Vorrede zu der Frantzösischen Ubersetzung des Pufendorffs;
  • Andreas Adam Hochstetter in collegio Pufendorf. exercit. 1. §. 18.
  • Johann Balthasar Wernher in Dissert. de praecipuis nonnullis script. juris
  {Sp. 1205|S. 620}  
   
  naturae 1699.
  • Johann Friedrich Wucherer in seiner Dissertation de quibusdam juris naturalis restauratoribus 1710, und
  • Gottlieb Stolle in der Historie der Gelahrheit part. 3. cap. 2.
     

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Stand: 8. November 2023 © Hans-Walter Pries