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Zedler: Öffentliche Gewalt HIS-Data
5028-25-555-6
Titel: Öffentliche Gewalt
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 25 Sp. 555
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 25 S. 291
Vorheriger Artikel: Öffentliche Gewahrsam
Folgender Artikel: Öffentliche Güter
Siehe auch:
Hinweise:

Stichworte Text Quellenangaben
  Öffentliche Gewalt, Vis Publica, Vis armata, wird von denen Rechts-Gelehrten auf unterschiedene Art erkläret.  
Definitionen Cujacius in Not. ad Paulum Lib. V. Sentent. tit. 26. und in Paratitl. Dig. ad L. Jul. de vi publ. hält davor, daß eine öffentliche Gewalt sey, wenn einer, der ein öffentlich Amt trägt, oder eine Obrigkeit ist, jemand Gewalt anthut. Und in Recit. ad tit. 12. Lib. IX. C. ad L. Jul. de vi publ. et priv. nennet er alles dasjenige eine öffentliche Gewalt, was dem gemeinen Besten oder überhaupt denen eingeführten Rechten und Gesetzen zuwider geschiehet.  
  Dagegen erkläret Anton Thessaurus in Decis. 35. dieses vor eine öffentliche Gewalt, wenn man an denen Dingen, die dem gemeinen Wesen zu stehen, Gewalt braucht.  
  Der Schwaben-Spiegel Lib. I. c. 226. §. 2. sagt: „Wir heissen gewaffnete Hand, blosse Schwerdt in der Hand, oder schälckliche Messer, oder Bogen, oder Armbrost, oder andere Waffen.“  
  Peter Friedrich Mindanus Lib. I. de Process. zieht die öffentli-  
  {Sp. 556}  
  che Gewalt auf dasjenige, so wider den Land-Frieden geschiehet. Welches auch Gilhausen in Arbor. Judic. Crim. c. 2. t. 9. n. 1. und auch gewisser massen Harprecht in §. item L. Jul. de vi publ. 8. n. 4. Inst. de publ. Jud. thut.  
  Aber Treutler Lib. II. Disp. 32. th. 4. behauptet, eine öffentliche Gewalt sey, die entweder mit Waffen oder durch eine Amts-Person, es sey mit oder ohne Waffen, oder an einer Amts Person  verübet wird, oder endlich, die von jedermann, er sey in einem Amte oder nicht, mit oder ohne Waffen, und zwar hauptsächlich auf solche Weise geschiehet, die einer Privat-Person nicht zustehet.  
Römisches Recht In denen alten Römischen Rechten wird sonderlich in tit. 6. ff. ad L. Jul. de vi publ. und in tit. 21. C. ad L. Jul. de vi publ. et priv. ausführlich gehandelt. Und ist also hauptsächlich nach Maßgebung dieser eine öffentliche Gewalt, wenn jemand dem andern mit bewaffneter Hand Gewalt anthut. §. 8. Inst. de publ. jud.
  Z.E. wenn jemand mit einem Hauffen bewaffneter Leute Gewalt verübet, wodurch ein anderer geschlagen oder gestossen wird, ob schon niemand darbey um das Leben kommt. Desgleichen wenn jemand mit Zuziehung anderer bewaffneter Leute den rechtmäßigen Herrn aus seinem Hause, Gute oder Schiffe jaget, u.s.w.
  • l. 3. §. 6. l. 7. ff. ad L. Jul. de vi publ.
  • Mindanus Lib. I de Process. c. 24. §. 2. und 3.
  Eigentlicher aber wird sie beschrieben, daß sie sey einge grössere und bewaffnete Gewaltthätigkeit, wodurch wider alles Recht und Billigkeit die gemeine Ruhe und Friede gestöhret wird. Mindanus l.c. c. 23. §. 1.
  Denn sie wird in Ansehung der Privat-Gewalt eine bewaffnete genennet, weil sonderlich nach dem bekannten Lege Julia denen Privat-Leuten das Waffen-Führen verboten war. L. 1. ff. ad L. Jul. de vi publ.
  Die würckende Ursache dieses Verbrechens ist demnach der gedachte Lex Julia, vor dessen Urheber insgemein Julius Cäsar gehalten wird. Hierbey wird nicht undienlich seyn, aus denen Römischen Alterthümern eines und das andere beyzubringen, welches die vorhabenden Materie in ein grössers Licht zu setzen fähig ist. In denen allerältesten Zeiten und bald zu Anfang der Römischen Republick hatte man zwar keine gewisse und ausdrückliche Gesetze, worinnen von dieser öffentlichen Gewalt ins besondere gehandelt ward; sondern es scheinet dieselbe vielmehr nur unter denen Gesetzen von denen Majestäts-Schändern und Meuchelmördern begriffen gewest zu seyn.  
1. Gesetz Der erste, so dieses Verbrechen von dem Laster der beleidigten Majestät und dem Todschlage unterschieden, und auch durch ein besonderes Gesetze zu bestraffen gesucht, war demnach der Zunfftmeister Publius Plautius, als welcher im Jahre nach Erbauung der Stadt Rom 675, und zwar unter der Regierung derer Bürgermeister Catulus und Lepidus, deshalber eine besondere Verordnung ausgebracht, welche daher auch mit unter dem Catulus selber zugeeignet wird, weil er nemlich als regierender Bürgermeister dem Plautius bey deren Errichtung allen möglichsten Vorschub gethan und hülffreiche Hand geleistet.  
  Wie denn hierbey zu mercken, daß, da eben in dem  
  {Sp. 557|S. 292}  
  bemeldeten Jahre Sulla mit Tode abgegangen war, und Lepidus, als ein eiffriger Anhänger und Verfechter des Marius und seiner Parthey, mit dem Catulus, welcher hingegen des Sulla Parthey zugethan war, über die von dem Sulla gemachten Veranstaltungen ziemlicher massen zusammen kommen war, deshalber zu Rom ein nicht geringer Auflauff entstand, und nachdem Lepidus nicht allein den kürtzern gezogen hatte, sondern auch aus der Stadt gejaget und in Sardinien gar um das Leben gekommen waren, dieser Catulus hierauf unter Beystand des oberwehnten Plautius das gedachte neue Gesetze errichtet. Cicero in Or. pro Mil. c. 12.
  Es bezog sich aber der Inhalt desselben hauptsächlich auf Bestraffung dererjenigen, welche wider die Republick eine Meuterey angestifftet, dem Rathe hinterlistiger Weise zu schaden getrachtet, denen obrigkeitlichen Personen Gewalt angethan, auf öffentlicher Strasse sich mit einem Degen oder andern tödtlichen Gewehre sehen lassen, oder auch sich einer gewissen Höhe zu desto besserer Ausführung ihres vorhabenden Aufruhrs bemächtiget, oder aber mit Steinen, Feuer und Schwerdt in ein fremdes Haus eingedrungen und sich dessen bemeistert, ferner den Besitzer eines gewissen Hauses oder Gutes mit Zuziehung anderer bewaffneter Leute gewaltthätiger Weise daraus geworffen, oder auch nur dadurch, daß er dasselbe von dergleichen bewaffneten Personen besetzen und umringen lassen, Gelegenheit gegeben, daß der Besitzer desselben nebst seinen Leuten davon entflohen, auf welchen Fall auch nach eben diesem Gesetze ein solcher gestalt und mit Gewalt eingenommenes Haus oder Gut mit Bestand Rechtens niemahls verwähret werden konnte.  
  Und war die darinnen geordnete Straffe die Entziehung des Wassers und des Feuers, oder nach unserer Art zu reden, die Achts-Erklärung. Wie denn unter andern auch nach Maßgebung dieses Gesetzes mit dem Catilina und dessen Mitverschwornen, dem Publius Clodius, Publius Sextius, und andern verfahren und der Proceß angestellet worden. Segonius de Judic. Lib. II. c. 33.
2. Gesetz Nachgehends machte Pompejus, als er das dritte mahl Bürgermeister war, ein neues Gesetze wegen verübter Gewaltthätigkeit, welches sich aber gleichwohl nicht auf alle und jede Arten derselben bezog, sondern dessen Inhalt vielmehr nur auf Untersuchung und Bestraffung derer auf dem Appischen Wege verübten Mordthaten, des in Brand gesteckten Rathhauses, und sonderlich an des Marcus Lepidus, als damahls gewesenen Interregis, verübten Gewaltthätigkeiten gerichtet war, und eben deswegen auch in demselben anbefohlen ward, einen gantz neuen und ausserordentlichen Quästorem zu bestellen. Sigonius l.c. p. 676.
3. Gesetz Das dritte Gesetze, welches hierauf gerichtet war, hieß Lex Julia, welches Julius Cäsar, als Dictator errichtet, und dessen sonst bey keinem eintzigen Schrifft-Steller, ausser bey dem eintzigen Cicero in Phil. I. c. 9 aber auch bey diesem selbst so dunckel und undeutlich, Meldung geschiehet, daß von dem Inhalte desselben wenig oder nichts gewisses zu sagen ist.  
Lex Julia de vi publica et privata Ungleich bekannter aber ist der ebenfalls so genannte Lex Julia de vi publica et privata,  
  {Sp. 558}  
  welcher sich eigentlich von dem Kayser Augustus herschreibet. Und zwar heisset in diesem eine öffentliche Gewalt,  
 
  • wenn jemand, ausser dem Gebrauche der Jagd, oder der Reise, oder der Schiffahrt, in seinem Hause oder Gute allerhand Gewehr und Waffen zusammen bringt, ohne die er entweder seines Handels wegen nothwendig haben muß, oder ihm irgend sonst durch Erbschafft zugefallen sind;
  • wenn ferner jemand einen förmlichen Aufstand oder andere und Ruhe anzustifften gemeynet, und zu dem Ende so wohl seine Knechte, als andere freye Leute bewaffnet;
  • wenn sich ein bereits erwachsener und mündlich gewordener Mensch mit einem Degen oder andern Gewehr öffentlich sehen lassen;
  • wenn jemand mit Zuziehung anderer unruhiger und bewaffneter Leute in die öffentlichen Land-Güter eingefallen, und die darinnen befindlichen Sachen mit Gewalt daraus genommen;
  • wenn jemand bey entstandener Feuers-Brunst etwas, ausser Holtzwerck oder andere dergleichen Materialien, entwendet;
  • wenn jemand einen Knaben, eine Weibs-Person, oder sonst jemanden mit Gewalt geschändet;
  • wenn jemand bey entstandener Feuers-Brunst mit blossem Degen oder anderm Gewehr dem Feuer zugelauffen, um entweder eines und das andere zu entwenden, oder dem Eigenthums-Herrn zu verwehren, seine eigene Sachen zu retten;
  • wenn jemand mit gewaffneter Hand und unter Beystand anderer bewaffneter Leute den Besitzer eines Hauses, Gutes oder Schiffes, daraus geworffen, und solches geplündert, oder doch zu dem Ende einen Hauffen Leute zusammen geruffen;
  • wenn jemand bey entstandenem oder von selbst erregtem Auflauffe Feuer angeleget;
  • wenn jemand einen andern muthwilliger Weise eingesperret, oder sonst belästiget;
  • wenn jemand Ursache und Gelegenheit gegeben, daß ein Todter nicht gehörig beerdiget werden können, oder auch die Leichen-Begleiter aus einander gejaget und geplündert werden;
  • wenn jemand einen andern sich mit Gewalt verbindlich gemacht;
  • wenn eine obrigkeitliche Person, oder der sonst in einem öffentlichen Amte stehet, einem Römischen Bürger, der eingewandten Appellation ungeachtet, das Leben nehmen, oder sonst ungebührlich mitspielen, oder ihn wohl gar auf die Tortur bringen lassen;
  • wenn jemand einen Gesandten oder öffentlichen Redner geschlagen, oder auf andere Art und Weise beschimpffet;
  • wenn jemand einen Beklagten mit Fesseln und Banden beleget, oder ihn sonst verhindert, daß er nicht zu der anberaumt gewesenen Frist vor Gerichte erscheinen können;
  • wenn jemand aus einem übeln und schlimmen Vorsätze dergleichen Anstalten vorgekehret, daß die öffentlichen Gerichte nicht sicher gnug geheget werden, oder doch die Richter selbst nicht nach Recht und Billigkeit urtheilen können, oder auch einer jedweden andern Magistrats-Person hinderlich gewesen, ihre Macht und Gewalt gehörig zu gebrauchen;
  • wenn jemand einen anderen entweder heimlich oder öffentlich zum Spielen genöthiget, oder den selben sonst gewaltthätiger Weise ein gewisses Stücke Geld abgedrungen und abgezwungen;
  • wenn jemand auf öffentlichem Marckte, oder wo irgend sonst öffentlich Gerichte gehalten wird, sich mit einem Degen oder andern

    {Sp. 559|S. 293}

    Gewehr betreten lassen; es wäre denn, daß er sich gewisse Leute zum Jagen oder mit denen wilden Thieren zu kämpffen, halten müssen;
  • wenn jemand einen Hauffen Leute zusammen gebracht, um andere schlagen oder sonst übel tractiren zu lassen, ohne daß gleichwohl jemand bey der Gelegenheit getödtet worden:
  • wenn jemand in ein fremdes Haus oder Gut eingedrungen und solches nicht allein mit Gewalt erbrochen, sondern auch ausgeplündert; oder überhaupt sich nur irgendwo unter andern Leuten in Waffen sehen lassen; und
  • wenn endlich jemand einen neuerlichen Zoll angeleget, und mit Gewalt eingetrieben.
 
  Dieses sind also die vornehmsten Haupt-Stücke dieses Gesetzes, welche man hin und wieder in denen Schrifften der alten Rechts-Gelehrten, insonderheit aber beym Sigonius de Judic. Lib. II. c. 33. p. 679. u.f. in einem kurtzen Inbegriffe antrifft. Das sonderlichste aber bey diesem Gesetze ist dieses, daß der Stadt-Richter, welchem eigentlich die Untersuchung und Erkänntniß in dergleichen Sachen zustand, solche einem andern anvertrauen konnte. l. 1. in pr. ff. de offic. ej. cui mand. jurisd.
Arten Diese öffentliche Gewalt wird nun auf unterschiedene Weise begangen, als  
 
1) in Ansehung der Person, die sie ausübet, z.E. wenn eine Obrigkeit der ihr zustehenden Gewalt mißbrauchet, und denen Unterthanen wider alles Recht und Gerechtigkeit, und zwar als Obrigkeit, Gewalt thut.
l. 7. ff. ad L. Jul. de vi publ.
 
2) In Ansehung der leidenden Person, da eine Privat-Person der Obrigkeit, als Obrigkeit, Gewalt thut.
arg. l. 10. ff eod.
 
3) In Ansehung der Würckung, als wodurch das gemeine Recht und Billigkeit gantz offenbar verletzet und beleidiget wird.
 
 
4) In Ansehung der Art und Weise selbst, da eine bewaffnete Privat-Person der andern Gewalt anthut.
§. 8. Inst. de publ. judic.
 
  Und auff letzt besage Art meynet auch Carpzov in Pract. Crim. B. I. qu. 40. n. 5. sey die öffentliche von der privat Gewalt unterschieden, als welche Letztere ohne Waffen geschiehet.
 
Form Die Forme dieser öffentlichen Gewalt betreffend, so bestehet solche überhaupt in einem Anfalle, dem nicht widerstanden werden kan. Und die förmliche Ursache dieser Gewalt hanget von der Verletzung der gemeinen Sicherheit ab. Die Haupt-Würckung hiervon ist also die Verbindlichkeit, welche aus der Anklage zur Straffe entstehet, und ist solche alsdenn bey einer höhern Obrigkeit anzustellen. l. 3. §. 4. C. ad L. Jul. de vi publ. et priv.
Strafe Die Straffe dieses Verbrechens war in denen ältesten Zeiten die Entziehung des Wassers und Feuers, (aquae et ignis interdictio) nachgehends aber die Deportation. Endlich war unter denen folgenden Kaysern gebräuchlich, daß die schlechten und gemeinen Leute, welche dieses Verbrechens schuldig geworden, am Leben gestraffet, die vornehmern aber in die Inseln gebracht worden. Paulus Recept. Sent. Lib. V. tit. 26. §. 1.
heute Heut zu Tage aber ist dieselbe bloß willkührlich, und kan nach Beschaffenheit der Umstände biß auff eine Lebens-Strafe erhöhet werden.
  • Carpzov l.c. qu. 40. n. 7.
  • Brunnemann ad l. 11. ff. ad L. Jul. de vi publ.
  Wo es anders nicht auff einen öffentlichen Friedens-Bruch, Todtschlag, Strassen-  
  {Sp. 560}  
  Raub, u.s.w. hinauslaufft. Brunnemann ad l. 7. C. eod. n. 8.
Verweise Sonst wird zwar auch von einigen  
 
  • die Verletzung des gemeinen oder öffentlichen Reichs- oder Land-Friedens,
  • der Auffruhr, Rebellion, Tumult,
  • das so genannte Wegelagern, Strassenrauben, und Plündern,
  • die gewaltsame Entführung derer Jungfrauen und anderer Weibes-Personen,
  • das Nothzüchtigen,
  • u.d.g.
 
  hier zu gerechnet; wovon aber um besserer Ordnung und Deutlichkeit willen unter besondern Artickeln gehandelt wird.  
Literatur Ein mehrers hiervon siehe in
  • Köppens Lib. II. Obs. 133.
  • Pistorius Quaest. 104.
  • Gilhausens Arb. Crim. c. 2. tit. 7.
  • Ayrers Proc. Jur. P. I. c. 1. obs. 3.
  • Molinäus de Just. et Jur. Tom. III. Tract. 2. disput. 682.
  • Carpzovs Pract. Crim. P. I. qu. 40.
  • Wesenbecius Consil. 123.
  • u.a.
Siehe auch Siehe auch Gewaltthätigkeiten im X Bande p.  1379. u.f.  
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries