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Anmerkungen |
Rechtsstudium |
Wir kommen nun zu dem Studio Juris selbst, oder vielmehr zu
denenjenigen
Vorlesungen, welche man auf
Universitäten zu dem Cursu Juris
zu rechnen pflegt; indem die bereits erwähnten Vorlesungen über das
Natur-
Völcker- und
Staats-Recht mit ebenso grossem Rechte zu dem eigentlich
sogenannten Studio Juris gehörten, als die übrigen. Doch daran lieget
nichts: Wenn man nur die
Sache lernt, es geschehe unter dem
Nahmen eines
Hauptwercks oder Nebenwercks. |
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Die so genannten eigentlichen
Collegia Juris also sind in der
Ordnung, wie man sie insgemein zu halten pflegt, die Collegia
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Privatrecht |
Das
Studium
juris privati gehöret deswegen nicht eben nur für
Privat- sondern auch für
Standespersonen. Auch einem
Regenten selbsten und
seinen Staats-Ministern kommen viele dahin einschlagende
Sachen unter die Hände. |
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Sind alte bürgerliche
Gesetze zu erläutern, zu verbessern oder gar
abzuschaffen, und andere bessere einzurichten, so beruhet das Hauptwerck,
nehmlich den Antrag der unteren
Collegien, in einer solchen Sache zu billigen
oder zu verwerffen, und also das Gesetz zu seiner
Würcklichkeit zu bringen, von
dem Regenten und dessen Staats-Räthen. |
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Sollen Missethäter hingerichtet, oder gantz oder zum Theil begnadiget
werden; so müssen diese wiederum die
Sache nach denen
Rechten entscheiden. Es
wird auch sonsten vielfältig und zwar allemahl in wichtigen Angelegenheiten der
Privat-Personen bey Hofe angefraget, und der
Schluß des
Landes-Herrns
Gutbefinden anheim gestellt. |
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Nun ist es wohl wahr, daß die Collegien die Sache überlegen, zubereiten, und
dem
Regenten oder seinen |
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{Sp.1235|S. 631} |
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Staatsbedienten vorabeiten müssen: Allein wollten diese sich schlechterdings
auf jener Einsichten und Gutachten verlassen, so behaupten sie sehr schlecht
ihre Würde. Wollen sie aber auch mit eigenen Augen sehen; so wird ja
unumgänglich erfordert, daß sie die Sache
verstehen müssen, und zu urtheilen im
Stande sind, ob der ihnen geschehene Antrag gründlich, der
Billigkeit und denen
Rechten gemäß sey oder nicht? |
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Ist einer nicht selbst zum
Regenten gebohren, hat aber
Krafft seiner
sogenannten edlen Geburt
Hoffnung, wenigstens ein Staatsbedienter eines grossen
Herrns zu werden; so wird er sich zu bescheiden wissen, und aus der
Erfahrung
belehren lassen, daß dieses wenigstens bey ordentlichen Höfen nicht durch einen
Sprung geschehe, und einer gleich vom
Studenten ein Minister werde: Sondern man
setzet einen solchen jungen Herrn erstlich in ein Justitz-Collegium, daß er
theils zeige, was er gelernet habe, und ob er zu etwas höhern tüchtig sey;
theils daß er sich auf dieses immer noch besser zubereite. Verstehet er nun das
Privat-Recht nicht, so kömmt er in dergleichen Collegien nicht fort, wo meistens
Privat-Sachen abgehandelt werden, und verhindert also sein Glück, und stellt
sich der Verspottung und der Verachtung der andern blos. |
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Daß aber auch endlich ein Rechtsgelehrter vom
Bürgerlichen
Stande, er mag
nun eine Absicht haben zu werden, was er will, das Privat-Recht nicht entbehren
könne, ist eine so ausgemachte Sache, und iedem aus der täglichen
Erfahrung
so
bekannt, daß es überflüßig ist, etwas davon zu melden. |
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Römisches Justinianisches Recht |
Allein so ein nöthiges Studium nun das Studium juris privati
ist, so eine seltsame Sache ist es darum auf den
hohen Schulen. Wenn man
einem von dem Privat- oder Civil-Recht
sagt, so wird er fast allemahl das
Römische
Justinianische Recht darunter
verstehen; und nach dem gemeinen
Schlendrian hat er auch recht. Und doch gestehen alle Rechtsgelehrten zu, das
Römische Justinianische Recht sey nur ein Recht, worauf man sich alsdenn erst
beruffen könne, wenn die Rechte des Vaterlandes[1] aufhören. |
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Rechte des Vaterlandes |
Es fordert also die
Vernunfft, daß man zuförderst mehr Fleiß auf die Rechte
des Vaterlandes als des
Römischen Rechtes wenden, und von jenem nicht aber von
diesem anfangen müsse. Allein die
Gewohnheit hat es umgekehrt. Es ist wohl wahr,
daß man einigermassen
Grund darzu hat; ob er aber zureichend sey, überläßt man
eines ieden
Urtheile. |
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alte Rechtsquellen |
Es ist eine sehr seltsame
Sache, daß die Juristen nicht einmahl einig, sind,
welches unser Jus privatum patrium sey? Einige verfallen auf die alten,
zu den Zeiten des Tacitus und derer Fränckischen
Könige, auch nachhero theils
schrifftlich abgefaßte, theils nur durch ein
Herkommen hergebrachte, oder von
einem und dem andern
Schrifftsteller berührte
Rechte; und dieser ihre schönen
Raritäten sind in dem gemeinen
Leben eben so gangbar und nützlich als die
Kleidertrachten der
Völcker selbiger Zeiten; sie schicken sich auch auf die
ietzige Verfassung Deutschlandes eben so wohl, als ein alt Fränckisches Ober-
und heutiges Unterkleid zusammen. Zugeschweigen, daß es lauter particulier
Gesetze einzelner
Völcker waren, aus denen sich unmöglich allgemeine Sätze
machen lassen. Andere fallen auf den Sachsen- und |
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{Sp.1236} |
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Schwaben-Spiegel. |
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Ortsrecht |
Nun ist es wohl wahr, daß noch manche alte
Gerichts-Gewohnheit u.d.m.
wenigstens an einzelnen
Örtern üblich sind, deren auch in diesen
Büchern Meldung
geschiehet; indessen sind doch auch dieses blosse particularGesetze,
Privat-Sammlungen, und des Schwaben-Spiegels Exemplarien sind so von einander
unterschieden, daß man unmöglich etwas sicheres darauf
bauen kan. Und da zwar
viele
Gelehrten in den neuern Zeiten diese Parthey nehmen wollen, so sind doch
die Gegner noch viel stärcker, und es würde sich auch einer zum fast allgemeinen
Gelächter machen, wenn er ausserhalb Universitäten in der Praxi damit aufgezogen
käme. |
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Reichs-Gesetze |
Es bleibet also als ein
ungezweifeltes deutsches Privat-Recht übrig, was die
Reichs-Abschiede und andere
Reichs-Gesetze dießfalls verordnen. Da haben wir nun
z.E. die
peinliche Halsgerichts-Ordnung, die Reichs-Policey-Ordnung, viele
Reichs-Abschiede, sonderlich den vom Jahre 1654, welche von Proceß-Sachen
handeln, und andere mehr. |
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Nun wiederfährt endlich der, peinlichen Halsgerichts-Ordnung wiewohl selten
und von wenigen die
Ehre, daß man besondere Vorlesungen darüber hält; von den
meisten in der Reichs-Policey aber abgehandelten
Sachen, die doch gar nicht alle
ungangbar sind, höret man wenig oder nichts in allen Vorlesungen des
Privat-Rechtes. Die
Ursache ist diese, man richtet sich in dieser nach dem Model
des
Römischen Rechtes, und in demselben findet man nichts von diesen
Materien;
oder wenn es sich ja schicket, daß z.E. die
peinlichen und Proceß-Sachen, die so
wohl in dem
Römischen als
Deutschen Rechte vorkommen, in denen Vorlesungen des
Privat-Rechtes berühret werden, so ist es weit gefehlt, daß man zufürderst
sagte, was die deutschen Rechte mit sich bringen, und daß, wo diese klar und
hinlänglich genung wären, man von dem Römischen Rechte schwiege; sondern da
siehet man auch in denen besten
Büchern, daß man zuerst viel von dem Jure
subsidiario
redet; darnach
sagt man zuletzt, es habe ietzo keinen
Nutzen
mehr, sondern die Sache verhält sich so oder so; welches alles in Vergleichung
gegen jenem mit wenigen und offt allzu wenigen
Worten geschiehet. |
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Gewohnheiten |
Ferner beruhet ein Theil unsers
Privat-Rechtes auf allgemeinen und
wenigstens im größten Theile des
deutschen Rechts üblichen
Gewohnheiten. z.E.
Handwercks- und Forst-Sachen, die in Justitz-Collegien und Beamtungen täglich
vorkommen, müssen gar offt, sonderlich wo es zwey
Stände,
oder unterschiedlicher
Herren
Unterthanen mit einander zu thun haben, bloß nach dem
Herkommen
entschieden werden. Aber auch von diesen
Materien höret man gemeinglich nichts,
oder wenig gründliches auf Universitäten; und die meisten Compendia und
Systemata Juris sehen ebenfalls auch so aus, und was ließt man nicht
noch z.E. von Forst- und Jagdsachen auch in manchen neuen
Büchern für elendes
Zeug und abgeschmackte Sachen! |
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Der erste Hauptfehler also ist auch auf deutschen Universitäten, daß man
nicht nur über das Recht des Vaterlandes keine eigene Vorlesungen hält, sondern
auch wo sich schon die Gelegenheit ereignet, dennoch allemahl zuvor von dem
Jure subsidiario, darnach von dem principali, und von jenem
weitläufftig, von diesem aber |
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{Sp. 1237|S. 632} |
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kurtz
redet. |
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Nun kan dieses zwar ein Anfänger in der Rechtsgelehrsamkeit nicht ändern;
indessen können ihm doch die folgenden Errinnerungen darzu dienen, daß er |
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1) |
in seinem Lesen und Hören allemahl sein Haupt
Augenwerck auf die
Deutschen Rechte und
Gewohnheiten habe; |
2) |
dieselben für sich fleißig lese, und sich deren
erkundige; und |
3) |
wo er etwas darvon antrifft, es desto höher
halte, auch |
4) |
wenn er
Bücher unter die Hände bekömmt, welche
auf diese bezeichneten Stücke gerichtet sind, selbige andern vorziehe. |
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Des Herrn von Bergers Oeconomia Juris läßt sich in diesem Stücke
sehr wohl gebrauchen. |
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Römisches Recht |
So nachläßig aber auch unsre Juristen in Anführung des Juris patrii
sind, so überflüßig weitläufftig sind auch die besten derselben in Ausführung
vieler
Materien aus dem
Römischen Rechte, welche heut zu Tage nicht den
geringsten
Nutzen mehr haben. Aber warum übergeht man nicht lieber solche
Dinge,
und macht hingegen andere vollständiger, oder hänget zuletzt diejenigen Materien
an, welche zwar in unsern Gerichtsstätten aber nicht in dem
Römischen Rechte
vorkommen? Diese Anmerckung kan einem Anfänger in der Rechtgelehrsamkeit darzu
dienen, daß er z.E. in des Herrn Heineccius
Schrifften alle mahl zuerst an dem
Rande nachsehe, wo stehe: Usus hodiernus, und diesen Paragraph zuerst
lese, auch, wo er darinnen solchen Bescheid findet, daß man keinen Nutzen mehr
davon habe, selbige
Materie getrost übergehe. |
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Es ist auch dieser Mißbrauch darbey, daß man heutiges Tages mehr von
Römischen Alterthümern und der Historie eines Gesetzes als von dem
Gesetze
selbst
redet. Der Vorwand ist scheinbar: Man verstehe ohne dieses den
Sinn des
Gesetzes nicht, und könne der Absicht des Gesetz-Gebers leicht verfehlen. Allein
wenn man es beym Lichte besiehet, so läufft doch das meiste endlich auf eine
Curiosität hinaus, oder vieles auf ein höchst ungewisses Rathen, worauf man
nichts sicheres
bauen kan. |
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Und wenn man ja meynte, es in diesem oder jenem besser zu treffen; so
bedencke man, daß des
Römischen Rechtes gantzes
Ansehen in
Deutschland bloß auf
einen hernach durch die
Reichs-Gesetze zufälliger Weise gebilligten
Herkommen
beruhet. Aber eben diese Reichs-Gesetze bestätigen auch nicht nur die
Schreib-Art der höchsten
Reichs-Gerichte, nach denen sich die
niedrigen Gerichte
der Stände des Reichs richten sollen, sondern auch die alten löblichen Gebräuche
und Herkommen besagter niedrigen
Gerichte; und zwar so, daß nach diesen zuerst,
und nach dem Römischen Rechte zuletzt
gesprochen werden soll. |
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Wenn also auch ein Theil des
Römischen Rechts nicht wohl verstanden worden
wäre, dieser
Meynung wird aber von denen höchsten
Reichs
und vielen andern
ansehnlichen
Gerichten und denen meisten besten Juristen beygepflichtet, oder
sie wird in vielen
Land-Rechten und
Ordnungen derer
Stände des Reichs
gebilliget; so ist und bleibt es recht; und weil doch alle dergleichen
Sachen
von dem Wohlgefallen des Gesetz-Gebers abhängen, so ist nichts unbilliches
daran. |
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Man gewinnet auch mit denen vielen unnöthigen neuen
Meynungen, an denen
sonderlich Thomasius seine Freude gehat, nichts, als daß man den erbärmlichen
Zustand unserer |
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{Sp. 1238} |
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Privat-Rechte noch elender und dasselbe gantz unnütze macht. |
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Institutionen und Pandecten |
Der bishero gewöhnliche Weg, das Privat-Recht zu
studiren, ist, daß man
zufürderst über die
Institutiones und hernach über die
Pandecten höret.
Neben den Text der Institutionen selbst kan man des Herrn Heineccius
Elementa Juris civilis secundum ordinem Institutionum, und Berneggers
Examen Institutionum Imperialium nachlesen. |
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Bey denen Vorlesungen der Pandecten sind als ein Compendium abermahls
vornehlich des Heineccius Elementa Juris civilis secundum ordinem
Pandectarum, so dann Schutzentz bekanntes Compendium Juris nebst
Berneggers Resolutionibus Legum obstantium nachzulesen. Von grössern
Wercken kan Lauterbachs Collegium Pandectarum mit dem größten
Vortheile
gebraucht werden. |
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Endlich ist es auch nicht nöthig, daß ein fleißiger Anfänger in der
Rechtgelehrsamkeit mehr als ein
Collegium Institutionum und
Pandectarum höre etc. er würde besser thun, wenn er das Geld dafür an ein
gutes
Buch anlegte. |
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Von der
Nothwendigkeit, dem
Nutzen und wie das
Staats-Recht am besten zu
lernen sey, kan man Mosers Praecognita juris publici gemeralissima
nachschlagen. |
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