Stichworte |
Text |
|
|
Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber,
Lat. Tuberum oder
Rotenburgum ad Tubarin, ist eine
ansehnliche
Reichs-Stadt in
Franckenland, in der
Marggrafschafft
Anspach, gegen die
Schwäbische
Gräntzen
zu, an dem Tauber-Fluß gelegen, welche ihre Erbauung von 514 herschreibet,
wiewohl die Burg fast 100
Jahr vorhero von dem
Hertzoge Pharamund in
Francken
soll aufgerichtet worden seyn. |
|
|
{Sp. 1089|S. 558} |
|
|
Was ihren
Namen anlanget, so ist wohl am
wahrscheinlichsten, daß sie von
einer allda gestandenen Burg, die rothe Thürme gehabt, also
genennet worden, da
zumahl die Stadt nicht nur Thürme in ihrem Wappen führet, sondern auch noch ein
Ort in selbiger anzutreffen, welcher die Burg genennet wird, allwo noch einige
Uberbleibsel eines
alten Schlosses, nebst einer eingefallenen Capelle, zu sehen,
welches ohne
Zweifel das erste von den drey Schlössern, die allda gestanden,
gewesen ist. |
|
|
Diese 3 Schlösser sollen also geheissen haben, als das erste, so an der
Stadt sich befunden, wäre eigentlich die Rotheburg genennet
worden; das andere, so jenseit der Tauber gestanden, und von welchem ebenfalls
noch einige Rudera zu finden, die Engelsburg, und denn das
dritte, so auf dem Berge, hinter dem Spital gelegen, der Eßigkrug.
Wenn, und von wem diese Schlösser
erbauet
worden, ist nicht bekannt; allem Ansehen nach aber ist die Rotheburg wohl das
älteste, weil von demselben die
gantze Stadt den
Namen bekommen. |
|
|
Nach diesem war sie das Haupt einer besondern
Grafschafft, und als deren
Besitzer, so von den alten
Hertzogen in Francken herstammten, und sich
Grafen
von Rotenburg an der Tauber schrieben, unter des
Kaysers Heinrichs
IV
Regierung erbloß abgiengen, kam sie an das
Reich, da denn der
Kayser Heinrich V solche nebst dem Hertzogthum
Francken seiner Schwester
Sohn, Hertzog Conraden III
in
Schwaben, geschencket, dahero sich sein Sohn, Hertzog Friedrich,
den
Titel eines Hertzogs von Rotenburg geben lassen. |
|
|
Nach dessen 1168 erfolgtem
Absterben soll
Kayser Friedrich I
das Hertzogthum Francken dem
Bischoff zu Würtzburg geschencket haben, gleichwie
er die Stadt und
Grafschafft Rotenburg 1172, oder wie andere wollen 1191, in die
Reichs-Freyheit gesetzet. Doch verordnete er zu gleicher Zeit die
Burggrafen,
als Kays. Anwälde und Landrichter dahin, die aber 1352 auf Anhalten der Stadt
von dem Kayser Carln IV wieder abgeschafft worden. |
|
Begebenheiten |
Was die Begebenheiten der Stadt
anbetrifft, so setzte sich selbige 1406, durch Erbauung ihrer Landwehr, in
grosse Gefahr, und wurde von
Burggraf
Friedrichen zu Nürnberg belagert, auch 1408 gar in die Acht erkläret;
worauf der
Bischoff Johann zu Würtzburg, und die beyden
Burggrafen Hans und Friedrich in die
Rotenburger Landwehr einfielen, und Haboltzheim, Entsehe, Nortenberg und
Gammersfeld einnahmen, auch wegen Linthal Anstalt machten. Es schlug sich aber
der
Kayser Ruprecht ins Mittel, und that den Ausspruch, daß der
Churfürst zu Mayntz und der
Graf Eberhard zu Würtemberg obgedachte 5
Schlösser zu ihren Händen nehmen, und dieselbe noch vor Jacobi zu
Grund
abbrechen sollten. |
|
|
Im Jahr 1441 hatte eine schlimme Rotte, unter der viele von
Adel mit waren,
sich zusammen gethan, und raubte in Francken und
Schwaben hin und wieder auf den
Strassen; sonderlich fiel sie den
Städten Rothenburg, Schwäbisch Hall nebst
andern sehr beschwerlich. Sie sahen also kein ander Mittel, als dieser
schädlichen Last sich selber zu entschlagen, zu welchem Ende Rothenburg, Hall,
Ulm, Nördlingen, Eslingen, samt noch einigen, welche Mannschafft zusammen
brachten, das Schloß Maienfels, als den Aufenthalt dieser liederlichen
Gesellschaft belagerten. Die Stadt Rothenburg gab hierzu 99, die alle mit
Büchsen, Pulver und anderm |
|
|
{Sp. 1090} |
|
|
Gewehr versehen, und unter denen sich 40 Mann zu Pferde befanden. Zu
Schwäbisch Hall stiessen die Truppen zusammen, giengen vor gedachtes Maienfels,
belagerten solches, und richteten Sturm-Böcke dafür auf, weil die Stücke
damahlen noch nicht recht bekannt waren. Sie untergruben auch einen Thurm,
daraus ihnen viel Schaden geschahe; jedoch die Belagerung verzog sich bis auf
Egidi. Weil aber die Belagerten sahen, daß das Schloß unmöglich zu erhalten, so
verliessen sie es heimlich. Einige
adeliche
Weiber wollten sich salviren, allein
sie wurden gefangen, und die Belagerer vernahmen von selbigen, daß das Schloß
leer stehe, u. ihre Feinde daraus gelauffen wären; worauf solches geplündert und
geschleift wurde. |
|
|
Nach diesem ist die Stadt
selbsten 1552 von
Marggraf Albrechten erobert
worden, gleichwie sie sich 1631 an die Schweden, u. noch in eben demselben Jahr
an die
Kayserl., in dem folgenden abermahls an die Schweden, und denn aufs neue
an die Kayserl., endlich aber 1645 an die Frantzosen ergeben müssen. |
|
|
Bey dem 1688 erfolgten Einbruch der Frantzosen widerstunde sie deren
Anfordern, und ließ sich durch keine
Gewalt zur
Contribution zwingen, sondern
war fest entschlossen, sich auf das äusserste zu wehren, vornehmlich da Ihro
Fürstl. Durchl. von Bayern ihr in
Zeiten mit einem guten Succurse beygestunden,
auch kurtz darauf selbst nach Rotenburg kamen, dahero wuste sich das
Frantzösische, aus 1500 Mann bestehende Detachement, nicht besser zu rächen, als
daß sie im Rotenburgischen
Gebiethe in die 17
Dörffer ansteckten, worunter auch
verschiedene völlig in die Asche verfielen, die aber alle durch des dasigen
Magistrats
kluge Vorsicht, als auch auswärtiger Hände milde Beysteuer, gantz neu
erbauet und in guten
Stand gesetzet worden. |
|
Regiments-Form |
Was die Regiments-Form
betrifft, so ist wohl ausser Zweifel, daß so lange
sie unter Edler,
Gräfl.
Burggräfl.
und
Hertzoglicher
Gewalt sich befunden, sie
als eine Land-Stadt tractiret worden, die von ihrer
Obrigkeit
Befehle annehmen
müssen, da denn bey ihr zu der Francken, und Carls des Grossen
Zeiten, die Grafen oder Edlen ihre
Richter gewesen, und ihr das
Recht gesprochen. Was es hingegen vor denen selben mit dem Stadt-Regimente, wenn es
anders also zu nennen, vor Bewandniß gehabt, kan man so genau nicht
sagen, es
sey denn, daß man das, was Tacitus de Mor. Germ. Cap. XI
von allen
Deutschen hinterlassen, auch auf den gantz alten
Zustand von
Rothenburg appliciren wolle. |
|
Kampf gegen die Patrizier |
Nachdem aber selbige durch den
Kayser Friedrich
I zu einer
Reichs-Stadt
gemacht worden, so hat sich nothwendig auch die Regierungs-Form
geändert, welche die
Geschlechter oder
Patricii gantz alleine an sich gebracht gehabt, also ein
aristocratisch
Regiment geführet, von welchem die übrige Bürgerschafft gäntzlich
ausgeschlossen war. Allein eben dieses gab der Bürgerschafft 1441 wider jene,
denen sie auf das äusserste gehäßig waren, zu einem grossen Aufstande Anlaß. Ob
nun wohl verschiedene Patricii sich damahls aus Rothenburg hinweg, und theils
nach Nürnberg, theils anderwärts hinwandten; so konnte dieses dennoch die
innerliche Unruhe und Mißvergnügen nicht stillen, sondern die
Bürger drungen
durch, brachten es auch so weit, daß 1455 ein Vergleich getroffen ward, vermöge
dessen sie hinführo der
obrigkeitl. |
|
|
{Sp. 1091|S. 559} |
|
|
Ämter ebenfalls theilhafftig seyn sollten, zu welcher Herstellung des
innerlichen Ruhestandes in Rothenburg, einige der benachbarten Reichs-Städte das
ihrige mit beyzutragen nicht unterliessen. |
|
Gemischtes Regiment |
Seit dieser merckwürdigen
Veränderung ist das Stadt-Regiment allezeit aus
Geschlechtern u.
Bürgern gemischt gewesen, und bestehet selbiges aus dem innern
und äussern Rathe, davon jener sechzehen
Personen, dieser aber vierzig starck
ist. Ein Bürgermeister bleibet nicht länger als ein halb Jahr in seinem
Amte, so
denn wird ein anderer erwählet; die Schösserey, Präsidenten-Stelle und
Hospital-Verwesereyen hingegen dauren ein Jahr, sollen auch, vermöge nur
besagten Vergleichs, alle geändert, und die solche verrichten, das eine Jahr dem
Rathe gar nicht beywohnen. Der äussere Rath, der halb aus den Geschlechtern und
halb von der Bürgerschafft genommen wird, wählet die andern, als die
Bürgermeister, Schösser und Bauherren, und müssen diese jenen schwören. |
|
|
So offt vom Krieg oder
Frieden, Fortifications-Wesen oder
neuen Anlagen zu
handeln ist, muß die gantze Bürgerschafft zusammen geruffen werden, die durch
ihre Vorsteher erscheinet und des Raths Begehren mit anhöret. |
|
|
Im übrigen befinden sich so wohl in dem innern als äussern Rathe fünff
Bürgermeister. Der innere Bürgermeister erwählet sich einen äussern, und der
regierenden heisset alsdenn der Amts-Bürgermeister. Den äussern Rath machen
theils Gelehrte, theils
Bürger aus, jedoch müssen diese vornehmlich eines
untadelhafften
Lebens und Wandels seyn. |
|
Stadtämter |
Die Stadt-Ämter aber seyn: |
|
|
- das Kriegs-Amt, welches aus einem Bürgermeister, zwey
Raths-Herren,
davon einer aus dem äussern Rath ist, und einem Secretario bestehet:
- Das Steuer-Amt, davon der Bürgermeister Ober-Steuer-Meister heisset; der
mittlere Steuerer ist ein Raths-Herr, und der äussere Steuerer wird aus dem
äussern Rathe genommen:
- Das
Richter-Amt hat seinen Präsidenten und zwey Raths-Herren, einen
innern und einen äussern.
- Das Bau-Amt versiehet ein innerer und äusserer Raths-Herr.
- Das Vormunds-Amt wird von zwey innern und zwey äussern Raths-Herren
verrichtet.
- Das Wild-Bahns-Amt haben zwey innere Raths-Herren unter sich.
- Das Wag-Amt, wo alles Mehl, das in die
Stadt kommt, vorher gewogen
werden muß, verrichten die Vormunds-Herren zugleich mit.
- Die Allmosen-Pflege bestehet aus einem Bürgermeister, welcher der
Allmosen-Pflege genennet wird, aus einem Raths-Herrn, welcher der mittlere
Allmosen-Pfleger ist, und zweyen aus dem äussern Rathe.
|
|
Almosenpflege |
Zu selbigen seyn so wohl alte Stifftungen geschlagen, die vordem an
Klöster
oder Altäre vermacht gewesen, als auch noch neue darzu genommen worden. Hierüber
werden noch wöchentlich zu besserm Auskommen von der Bürgerschafft ein mahl
Allmosen gesammlet, dergestalt, daß dessen Einkünffte sich auf gar ein
ansehnliches belauffen. Man versorget aus selbigem nicht nur die einheimischen
Armen, denen zu
gewissen Zeiten, oder wenn sie etwas nöthig, ein gesetztes
ausgetheilet wird; sondern es haben sich auch Fremde daraus |
|
|
{Sp. 1092} |
|
|
einer milden Beysteuer zu getrösten. |
|
Vermischtes Regiment |
Ob nun wohl aus diesem zur Genüge zu ersehen, daß das
Regiment der
Stadt
Rothenburg einer aus der Aristocratie und
Democratie zusammen vermischten
Art
sey, so haben sich doch einige gefunden, die solches in Zweifel zühen, und
behaupten wollen, es sey selbiges pur aristocratisch. Weil aber von einer
Profeßion niemand besser
reden kan, als der solche
verstehet und derselben
selbst zugethan ist; als wird nicht undienlich seyn, allhier mit beyzubringen,
wie diesen Zweifel der ehemahlige Rothenburgische Stadt-Syndicus, Herr
G. Christoph Walther bey dem
Limnäo in Jur. Publ.
… umständlich aufgelöset hat. Er
beweiset, daß Rothenburg eine aus der
Aristocratie und Democratie vermischte
Regierung habe, doch so, daß jene die
letztere in etwas überwäge, aus folgenden Umständen: |
|
|
1) |
Weil auch ein Ausländer Bürgermeister und
Raths-Herr in Rotenburg werden
könne, welches aber, wo das
Regiment pur aristocratisch ist, wie in Nürnberg,
gantz nicht zu geschehen pflege; |
|
|
|
2) |
wo die Ämter in einer
Republic nicht Jahr aus Jahr ein beständig
blieben, sondern jährlich verwechselt würden, dasselbe sey, nach Aussage
aller Politicorum, eine untrügliche Marque eines democratischen
Regiments. Nun befinde solches sich bey der
Stadt Rothenburg, indem alle
Ämter jährl. ja das Consulat alle halbe Jahre verwechselt werden
müsten, also folge, daß selbiges democratisch sey; |
|
|
|
3) |
weil der äussere Rath, der aus 40
Personen bestehe, die vornehmsten
Ämter bey der Stadt
verwaltete, da denn, nach abermahliger Lehre der
Politicorum dieses nirgend anders geschehe, als wo eine
Democratie die
Oberhand habe, indem dergleichen weder zu Nürnberg, noch in einigen
andern
Reichs-Städten anzutreffen; |
|
|
|
4) |
beweise es sich daher, weil in Sachen, die Krieg u.
Frieden, oder
neue Anlagen beträffen, die sämtl. Bürgerschafft vorher um Rath
gefraget, und deren
Wille darüber eingeholet werden müste, welches doch
bekannter massen in Aristocratien gantz nicht geschehe; |
|
|
|
5) |
würden bey einem aristocratischen Regiment nur diejenigen zu Ämtern
gezogen, die man ins gemein
Geschlechter heisse. |
|
|
|
Nun zeige aber die Historie, daß seit der von der Bürgerschaft 1441 erregten
Unruhe u. dem darauf 1455 erfolgten Vergleiche an, in Rothenburg auch die
Bürger
zu selbigen gelangen könnten: diesem nach müsse auch daraus eine
Democratie zu
erkennen seyn. Weil aber dennoch eines u. das andere übrig, welches das
Regiment
der Stadt vor nicht gäntzlich democratisch zu achten mache, so gehe seine
beständige
Meynung dahin, daß die Regierung zu Rothenburg aus der Aristocratie
u. Democratie vermischt sey. |
|
|
Die erstere habe darin die Oberhand, indem alle Jura Majestatis et imperii,
wie selbige von den
Politicis genennet würden, bey den
Geschlechtern u.
Vornehmsten unveränderlich verblieben, und von selbigen verrichtet würden, ohne
daß das
Volck dabey etwas zu
sagen habe. Und obgleich in geschwinden Fällen
dieses dann u. wann darüber befraget würde, so beruhete die Vollzühung der
gemachten Schlüsse doch bey den erstern. |
|
|
Hingegen lege eine
Democratie sich darinnen an Tag, indem der äussere Rath,
der halb aus Bürgern bestünde, die
Geschlechter zu dem innern allemahl wählen
müsse, auch jene bey Ablegung der Rechnungen das ihrige zu
sprechen hätten,
annebenst dem äussern Rathe zustehe, der Geschlechter
Leben u. |
|
|
{Sp. 1093|S. 560} |
|
|
führende
Regierung zu untersuchen u. zu verbessern, zugleich der
Bürgermeister des äussern Raths in den innern mit gezogen werden müsse.
Hiernächst der von diesem erwählte Bürgermeister der andern ihre Stimmen zwar
sammlen, das seine aber selbigen nicht beyfügen dürffe, anders, als es bey
Aristocratien gebräuchlich, hier aber werde der Bürgermeister des innern Raths
von dem aus dem äussern erst um seine Stimme befragt, worauf die andern die
ihrigen nach der
Ordnung von sich geben. Zu alle dem kommt noch, daß die aus den
Geschlechtern erwählten dem äussern Rathe jährlich zu schwören
verbunden, und
diese hinwiederum jenen den Eyd ablegeten, welches in pur aristocratischen
Regierungen ebenfalls unerhöret sey.¶ |
|
|
|
|