HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber [1] HIS-Data
5028-32-1088-9-01
Titel: Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 32 Sp. 1088
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 32 S. 557
Vorheriger Artikel: Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber [Übersicht]
Folgender Artikel: Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber [2]
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Artikelübersicht   Teil 2  Fortsetzung

Übersicht
Begebenheiten
Regiments-Form
  Kampf gegen die Patrizier
  Gemischtes Regiment
  Stadtämter
  Almosenpflege
  Vermischtes Regiment
   

Stichworte Text  
  Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber, Lat. Tuberum oder Rotenburgum ad Tubarin, ist eine ansehnliche Reichs-Stadt in Franckenland, in der Marggrafschafft Anspach, gegen die Schwäbische Gräntzen zu, an dem Tauber-Fluß gelegen, welche ihre Erbauung von 514 herschreibet, wiewohl die Burg fast 100 Jahr vorhero von dem Hertzoge Pharamund in Francken soll aufgerichtet worden seyn.  
   {Sp. 1089|S. 558}  
  Was ihren Namen anlanget, so ist wohl am wahrscheinlichsten, daß sie von einer allda gestandenen Burg, die rothe Thürme gehabt, also genennet worden, da zumahl die Stadt nicht nur Thürme in ihrem Wappen führet, sondern auch noch ein Ort in selbiger anzutreffen, welcher die Burg genennet wird, allwo noch einige Uberbleibsel eines alten Schlosses, nebst einer eingefallenen Capelle, zu sehen, welches ohne Zweifel das erste von den drey Schlössern, die allda gestanden, gewesen ist.  
  Diese 3 Schlösser sollen also geheissen haben, als das erste, so an der Stadt sich befunden, wäre eigentlich die Rotheburg genennet worden; das andere, so jenseit der Tauber gestanden, und von welchem ebenfalls noch einige Rudera zu finden, die Engelsburg, und denn das dritte, so auf dem Berge, hinter dem Spital gelegen, der Eßigkrug. Wenn, und von wem diese Schlösser erbauet worden, ist nicht bekannt; allem Ansehen nach aber ist die Rotheburg wohl das älteste, weil von demselben die gantze Stadt den Namen bekommen.  
  Nach diesem war sie das Haupt einer besondern Grafschafft, und als deren Besitzer, so von den alten Hertzogen in Francken herstammten, und sich Grafen von Rotenburg an der Tauber schrieben, unter des Kaysers Heinrichs IV Regierung erbloß abgiengen, kam sie an das Reich, da denn der Kayser Heinrich V solche nebst dem Hertzogthum Francken seiner Schwester Sohn, Hertzog Conraden III in Schwaben, geschencket, dahero sich sein Sohn, Hertzog Friedrich, den Titel eines Hertzogs von Rotenburg geben lassen.  
  Nach dessen 1168 erfolgtem Absterben soll Kayser Friedrich I das Hertzogthum Francken dem Bischoff zu Würtzburg geschencket haben, gleichwie er die Stadt und Grafschafft Rotenburg 1172, oder wie andere wollen 1191, in die Reichs-Freyheit gesetzet. Doch verordnete er zu gleicher Zeit die Burggrafen, als Kays. Anwälde und Landrichter dahin, die aber 1352 auf Anhalten der Stadt von dem Kayser Carln IV wieder abgeschafft worden.  
Begebenheiten Was die Begebenheiten der Stadt anbetrifft, so setzte sich selbige 1406, durch Erbauung ihrer Landwehr, in grosse Gefahr, und wurde von Burggraf Friedrichen zu Nürnberg belagert, auch 1408 gar in die Acht erkläret; worauf der Bischoff Johann zu Würtzburg, und die beyden Burggrafen Hans und Friedrich in die Rotenburger Landwehr einfielen, und Haboltzheim, Entsehe, Nortenberg und Gammersfeld einnahmen, auch wegen Linthal Anstalt machten. Es schlug sich aber der Kayser Ruprecht ins Mittel, und that den Ausspruch, daß der Churfürst zu Mayntz und der Graf Eberhard zu Würtemberg obgedachte 5 Schlösser zu ihren Händen nehmen, und dieselbe noch vor Jacobi zu Grund abbrechen sollten.  
  Im Jahr 1441 hatte eine schlimme Rotte, unter der viele von Adel mit waren, sich zusammen gethan, und raubte in Francken und Schwaben hin und wieder auf den Strassen; sonderlich fiel sie den Städten Rothenburg, Schwäbisch Hall nebst andern sehr beschwerlich. Sie sahen also kein ander Mittel, als dieser schädlichen Last sich selber zu entschlagen, zu welchem Ende Rothenburg, Hall, Ulm, Nördlingen, Eslingen, samt noch einigen, welche Mannschafft zusammen brachten, das Schloß Maienfels, als den Aufenthalt dieser liederlichen Gesellschaft belagerten. Die Stadt Rothenburg gab hierzu 99, die alle mit Büchsen, Pulver und anderm  
  {Sp. 1090}  
  Gewehr versehen, und unter denen sich 40 Mann zu Pferde befanden. Zu Schwäbisch Hall stiessen die Truppen zusammen, giengen vor gedachtes Maienfels, belagerten solches, und richteten Sturm-Böcke dafür auf, weil die Stücke damahlen noch nicht recht bekannt waren. Sie untergruben auch einen Thurm, daraus ihnen viel Schaden geschahe; jedoch die Belagerung verzog sich bis auf Egidi. Weil aber die Belagerten sahen, daß das Schloß unmöglich zu erhalten, so verliessen sie es heimlich. Einige adeliche Weiber wollten sich salviren, allein sie wurden gefangen, und die Belagerer vernahmen von selbigen, daß das Schloß leer stehe, u. ihre Feinde daraus gelauffen wären; worauf solches geplündert und geschleift wurde.  
  Nach diesem ist die Stadt selbsten 1552 von Marggraf Albrechten erobert worden, gleichwie sie sich 1631 an die Schweden, u. noch in eben demselben Jahr an die Kayserl., in dem folgenden abermahls an die Schweden, und denn aufs neue an die Kayserl., endlich aber 1645 an die Frantzosen ergeben müssen.  
  Bey dem 1688 erfolgten Einbruch der Frantzosen widerstunde sie deren Anfordern, und ließ sich durch keine Gewalt zur Contribution zwingen, sondern war fest entschlossen, sich auf das äusserste zu wehren, vornehmlich da Ihro Fürstl. Durchl. von Bayern ihr in Zeiten mit einem guten Succurse beygestunden, auch kurtz darauf selbst nach Rotenburg kamen, dahero wuste sich das Frantzösische, aus 1500 Mann bestehende Detachement, nicht besser zu rächen, als daß sie im Rotenburgischen Gebiethe in die 17 Dörffer ansteckten, worunter auch verschiedene völlig in die Asche verfielen, die aber alle durch des dasigen Magistrats kluge Vorsicht, als auch auswärtiger Hände milde Beysteuer, gantz neu erbauet und in guten Stand gesetzet worden.  
Regiments-Form Was die Regiments-Form betrifft, so ist wohl ausser Zweifel, daß so lange sie unter Edler, Gräfl. Burggräfl. und Hertzoglicher Gewalt sich befunden, sie als eine Land-Stadt tractiret worden, die von ihrer Obrigkeit Befehle annehmen müssen, da denn bey ihr zu der Francken, und Carls des Grossen Zeiten, die Grafen oder Edlen ihre Richter gewesen, und ihr das Recht gesprochen. Was es hingegen vor denen selben mit dem Stadt-Regimente, wenn es anders also zu nennen, vor Bewandniß gehabt, kan man so genau nicht sagen, es sey denn, daß man das, was Tacitus de Mor. Germ. Cap. XI von allen Deutschen hinterlassen, auch auf den gantz alten Zustand von Rothenburg appliciren wolle.  
Kampf gegen die Patrizier Nachdem aber selbige durch den Kayser Friedrich I zu einer Reichs-Stadt gemacht worden, so hat sich nothwendig auch die Regierungs-Form geändert, welche die Geschlechter oder Patricii gantz alleine an sich gebracht gehabt, also ein aristocratisch Regiment geführet, von welchem die übrige Bürgerschafft gäntzlich ausgeschlossen war. Allein eben dieses gab der Bürgerschafft 1441 wider jene, denen sie auf das äusserste gehäßig waren, zu einem grossen Aufstande Anlaß. Ob nun wohl verschiedene Patricii sich damahls aus Rothenburg hinweg, und theils nach Nürnberg, theils anderwärts hinwandten; so konnte dieses dennoch die innerliche Unruhe und Mißvergnügen nicht stillen, sondern die Bürger drungen durch, brachten es auch so weit, daß 1455 ein Vergleich getroffen ward, vermöge dessen sie hinführo der obrigkeitl.  
  {Sp. 1091|S. 559}  
  Ämter ebenfalls theilhafftig seyn sollten, zu welcher Herstellung des innerlichen Ruhestandes in Rothenburg, einige der benachbarten Reichs-Städte das ihrige mit beyzutragen nicht unterliessen.  
Gemischtes Regiment Seit dieser merckwürdigen Veränderung ist das Stadt-Regiment allezeit aus Geschlechtern u. Bürgern gemischt gewesen, und bestehet selbiges aus dem innern und äussern Rathe, davon jener sechzehen Personen, dieser aber vierzig starck ist. Ein Bürgermeister bleibet nicht länger als ein halb Jahr in seinem Amte, so denn wird ein anderer erwählet; die Schösserey, Präsidenten-Stelle und Hospital-Verwesereyen hingegen dauren ein Jahr, sollen auch, vermöge nur besagten Vergleichs, alle geändert, und die solche verrichten, das eine Jahr dem Rathe gar nicht beywohnen. Der äussere Rath, der halb aus den Geschlechtern und halb von der Bürgerschafft genommen wird, wählet die andern, als die Bürgermeister, Schösser und Bauherren, und müssen diese jenen schwören.  
  So offt vom Krieg oder Frieden, Fortifications-Wesen oder neuen Anlagen zu handeln ist, muß die gantze Bürgerschafft zusammen geruffen werden, die durch ihre Vorsteher erscheinet und des Raths Begehren mit anhöret.  
  Im übrigen befinden sich so wohl in dem innern als äussern Rathe fünff Bürgermeister. Der innere Bürgermeister erwählet sich einen äussern, und der regierenden heisset alsdenn der Amts-Bürgermeister. Den äussern Rath machen theils Gelehrte, theils Bürger aus, jedoch müssen diese vornehmlich eines untadelhafften Lebens und Wandels seyn.  
Stadtämter Die Stadt-Ämter aber seyn:   
 
  • das Kriegs-Amt, welches aus einem Bürgermeister, zwey Raths-Herren, davon einer aus dem äussern Rath ist, und einem Secretario bestehet:
  • Das Steuer-Amt, davon der Bürgermeister Ober-Steuer-Meister heisset; der mittlere Steuerer ist ein Raths-Herr, und der äussere Steuerer wird aus dem äussern Rathe genommen:
  • Das Richter-Amt hat seinen Präsidenten und zwey Raths-Herren, einen innern und einen äussern.
  • Das Bau-Amt versiehet ein innerer und äusserer Raths-Herr.
  • Das Vormunds-Amt wird von zwey innern und zwey äussern Raths-Herren verrichtet.
  • Das Wild-Bahns-Amt haben zwey innere Raths-Herren unter sich.
  • Das Wag-Amt, wo alles Mehl, das in die Stadt kommt, vorher gewogen werden muß, verrichten die Vormunds-Herren zugleich mit.
  • Die Allmosen-Pflege bestehet aus einem Bürgermeister, welcher der Allmosen-Pflege genennet wird, aus einem Raths-Herrn, welcher der mittlere Allmosen-Pfleger ist, und zweyen aus dem äussern Rathe.
 
Almosenpflege Zu selbigen seyn so wohl alte Stifftungen geschlagen, die vordem an Klöster oder Altäre vermacht gewesen, als auch noch neue darzu genommen worden. Hierüber werden noch wöchentlich zu besserm Auskommen von der Bürgerschafft ein mahl Allmosen gesammlet, dergestalt, daß dessen Einkünffte sich auf gar ein ansehnliches belauffen. Man versorget aus selbigem nicht nur die einheimischen Armen, denen zu gewissen Zeiten, oder wenn sie etwas nöthig, ein gesetztes ausgetheilet wird; sondern es haben sich auch Fremde daraus  
  {Sp. 1092}  
  einer milden Beysteuer zu getrösten.  
Vermischtes Regiment Ob nun wohl aus diesem zur Genüge zu ersehen, daß das Regiment der Stadt Rothenburg einer aus der Aristocratie und Democratie zusammen vermischten Art sey, so haben sich doch einige gefunden, die solches in Zweifel zühen, und behaupten wollen, es sey selbiges pur aristocratisch. Weil aber von einer Profeßion niemand besser reden kan, als der solche verstehet und derselben selbst zugethan ist; als wird nicht undienlich seyn, allhier mit beyzubringen, wie diesen Zweifel der ehemahlige Rothenburgische Stadt-Syndicus, Herr G. Christoph Walther bey dem Limnäo in Jur. Publ. … umständlich aufgelöset hat. Er beweiset, daß Rothenburg eine aus der Aristocratie und Democratie vermischte Regierung habe, doch so, daß jene die letztere in etwas überwäge, aus folgenden Umständen:  
 
1) Weil auch ein Ausländer Bürgermeister und Raths-Herr in Rotenburg werden könne, welches aber, wo das Regiment pur aristocratisch ist, wie in Nürnberg, gantz nicht zu geschehen pflege;
 
 
2) wo die Ämter in einer Republic nicht Jahr aus Jahr ein beständig blieben, sondern jährlich verwechselt würden, dasselbe sey, nach Aussage aller Politicorum, eine untrügliche Marque eines democratischen Regiments. Nun befinde solches sich bey der Stadt Rothenburg, indem alle Ämter jährl. ja das Consulat alle halbe Jahre verwechselt werden müsten, also folge, daß selbiges democratisch sey;
 
 
3) weil der äussere Rath, der aus 40 Personen bestehe, die vornehmsten Ämter bey der Stadt verwaltete, da denn, nach abermahliger Lehre der Politicorum dieses nirgend anders geschehe, als wo eine Democratie die Oberhand habe, indem dergleichen weder zu Nürnberg, noch in einigen andern Reichs-Städten anzutreffen;
 
 
4) beweise es sich daher, weil in Sachen, die Krieg u. Frieden, oder neue Anlagen beträffen, die sämtl. Bürgerschafft vorher um Rath gefraget, und deren Wille darüber eingeholet werden müste, welches doch bekannter massen in Aristocratien gantz nicht geschehe;
 
 
5) würden bey einem aristocratischen Regiment nur diejenigen zu Ämtern gezogen, die man ins gemein Geschlechter heisse.
 
  Nun zeige aber die Historie, daß seit der von der Bürgerschaft 1441 erregten Unruhe u. dem darauf 1455 erfolgten Vergleiche an, in Rothenburg auch die Bürger zu selbigen gelangen könnten: diesem nach müsse auch daraus eine Democratie zu erkennen seyn. Weil aber dennoch eines u. das andere übrig, welches das Regiment der Stadt vor nicht gäntzlich democratisch zu achten mache, so gehe seine beständige Meynung dahin, daß die Regierung zu Rothenburg aus der Aristocratie u. Democratie vermischt sey.  
  Die erstere habe darin die Oberhand, indem alle Jura Majestatis et imperii, wie selbige von den Politicis genennet würden, bey den Geschlechtern u. Vornehmsten unveränderlich verblieben, und von selbigen verrichtet würden, ohne daß das Volck dabey etwas zu sagen habe. Und obgleich in geschwinden Fällen dieses dann u. wann darüber befraget würde, so beruhete die Vollzühung der gemachten Schlüsse doch bey den erstern.  
  Hingegen lege eine Democratie sich darinnen an Tag, indem der äussere Rath, der halb aus Bürgern bestünde, die Geschlechter zu dem innern allemahl wählen müsse, auch jene bey Ablegung der Rechnungen das ihrige zu sprechen hätten, annebenst dem äussern Rathe zustehe, der Geschlechter Leben u.  
  {Sp. 1093|S. 560}  
  führende Regierung zu untersuchen u. zu verbessern, zugleich der Bürgermeister des äussern Raths in den innern mit gezogen werden müsse. Hiernächst der von diesem erwählte Bürgermeister der andern ihre Stimmen zwar sammlen, das seine aber selbigen nicht beyfügen dürffe, anders, als es bey Aristocratien gebräuchlich, hier aber werde der Bürgermeister des innern Raths von dem aus dem äussern erst um seine Stimme befragt, worauf die andern die ihrigen nach der Ordnung von sich geben. Zu alle dem kommt noch, daß die aus den Geschlechtern erwählten dem äussern Rathe jährlich zu schwören verbunden, und diese hinwiederum jenen den Eyd ablegeten, welches in pur aristocratischen Regierungen ebenfalls unerhöret sey.  
     

vorhergehender Text  Artikelübersicht   Teil 2  Fortsetzung

HIS-Data 5028-32-1088-9-01: Zedler: Rotenburg, oder Rothenburg an der Tauber [1] HIS-Data Home
Stand: 29. November 2013 © Hans-Walter Pries