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Quellenangaben |
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PLEBS, dieses Wort
bedeutet sowohl in denen
alten
Römischen
Rechten, als auch bey andern
Lateinischen
Schrifftstellern eigentlich so viel, als das gemeine
Volck oder die
unterste
Classe des gesammten
Volckes, das ist, die gemeinen
Bürger, mit
Ausschlüssung derer Patricien und
Raths-Herren;
da hingegen unter dem Worte Populus oder das gesammte Volck beyde, und also sowohl
die gesammte Bürgerschafft, als auch die sonst so genannten
Geschlechter,
desgleichen die Raths-Herren, und überhaupt alle und iede ehemahls zu Rom befindlich
gewesenen
Stände,
begriffen werden. |
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Und ist also das erstere von dem letztern bloß, wie man sonst in
Schulen zu
reden pfleget, als
Species von dem Genere
unterschieden. |
- §.4.
Inst. de Jur.
Nat. Gent. et Civ. ibique Ferretus und in l. 2.
ff. de orig. jur. l.
de Verb. sign. ibique Göddaus,
- Attejus Capito beym Gellius Lib. X. c. 20.
- Brechäus in
l. plebs. ff. de verb. et rer. sign.
- Hotomann.
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Indessen aber ist doch auch nicht zu
läugnen, daß auch
der gemeine
Pöbel, eigentlich
von der Sache zu reden, nicht so wohl eine besondere Gattung (Speciem) von dem
gesamten Volcke, als vielmehr einen
gewissen, und zwar
meistens den grössern oder mehrern
Theil desselben,
anzeiget. |
Balduinus in Comment. ad tit. Inst. de Jure Nat. Gent. et
Civili. |
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Denn, wie bekannt, so ward das gesamte Römische Volck in ordinem senatorium,
equestrem und plebejum
eingetheilet. So
lange die
Könige und
Patricii die Oberhand hatten, bekam der plebs gar keine
Ehrenstellen.
Denn die Patricii rissen alles zu sich, was in
geistlichen
und weltlichen Dingen zu
sprechen
war, und hatten auch über den plebem das jus vitæ et necis, weil sie nemlich die
Ämter, welche über
Leben und
Tod zu sprechen
hatten, allein bekamen, ja das Volck wurde fast wie
Knechte
gehalten. |
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Als aber Valerius in seiner
Bürgermeisterlichen
Würde die
Unbilligkeit der Sache einsahe, machte er endlich die Verordnung,
daß der plebs hinführo mit den Patriciis gleiches
Bürgerrecht genüssen
solte. Hierdurch ward
also der
Grund zur
Freyheit
geleget. Denn er gab 2 |
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{Sp. 791|S. 409} |
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Gesetze,
welche hauptsächlich dieses ordneten, es solle die
höchste
Gewalt von dem plebe herkommen, und erlaubt seyn, von den
Obrigkeitlichen Personen an das Volck zu
appelliren, ohne dessen
Vorbewust kein Römischer Bürger geschlagen oder getödtet werden könnte. |
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Hiernächst ließ er auch selbst die fasces, als das
Zeichen seiner
höchsten Gewalt, gegen das Volck neigen, und brachte sich damit zuerst den Beynamen
Poplicolæ zuwege. Der Plebs aber bekleidete von dieser
Zeit an allerhand
Ehrenstellen, wie denn zuletzt Aediles curules, Censores, Consules, Decemviri
sacrorum, Dictatores, Prætores und Tribuni militum, aus ihrem Mittel
erwählet wurden. |
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Es war aber auch der Plebs an sich selbst zweyerley, nemlich rustica und urbana.
Jene, oder das gemeine Land- und
Bauer-Volck, wohnte
auf dem
Lande, und
muste nicht allein seine
eigene, sondern auch
die der
Republick gehörige
Äcker
bestellen. Denn die alten Römer hielten viel auf den
Acker-Bau, und schätzten
sich denselben für eine
Ehre. Dannenhero
obgleich in den folgenden Zeiten die wenigste
Reiche
das Feld mit eigenen Händen
baueten, so
blieben sie doch gerne in den Zünfften ihrer Voreltern, welche rusticæ tribus gewesen
waren, oder sie hielten sich an dieselbigen, wenn sie nur eigene Felder
besassen. |
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Es waren aber auf des
Königs Servii
Tullii
Verordnung,
15 tribus rusticæ aus denen, welche die Äcker des damahligen Römischen
Gebiets inne
hatten, angeordnet, zu welchen nach
Vertreibung der Könige,
in
verschiedenen
Zeiten, noch 16
tribus aufgerichtet worden, in welche man die Besitzer und
Einwohner
desjenigen Landes
eintheilte,
welches nachmahls das Römische Bürger-Recht erlanget hat. Das Volck kam also aus
allen municipiis zusammen, wenn Comitia gehalten, oder Schauspiele gegeben wurden;
ingleichen wenn sie geschätzet werden
solten. |
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Plebs urbana hieß das Volck, welches in der
Stadt
wohnte, und wie es
wenigstens nach der Hand, da die Römer grössern
Reichthum
erlangt, die Bewandniß hatte, keine Äcker oder
Land-Güter
besassen. Solche waren nun meist
Freygelassene, oder deren
Kinder,
arme
Handwercker,
und dergleichen, welche theils aus Dürfftigkeit, theils auch aus
Müssiggang gar
öffters Händel anfiengen, und sich leichtlich mit
Geld bestechen
liessen, ihre Stimmen und
Meynungen in
der
öffentlichen
Versammlung, wie man
es von ihnen
begehrte, zu geben, auch
wohl eine
Sache durch
ungestümes Geschrey, Betäubung des Gegentheils, sonderlich der Redner von der
widrigen Parthey, ingleichen durch Gewaltthätigkeiten, Streiche, Steinwerffen,
Verjagung derjenigen, so ihnen zuwider waren, von dem
Platz der Comitiorum, und
andere dergleichen
Unordnungen, zu
erzwingen. |
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Diese Leute
verstehen die alte
Scribenten,
wann sie plebem urbanam, turbam forensem, sellularios und dergleichen anzühen. Sie
machten aber, obgleich ihre
Zahl sehr groß, doch nicht
mehr, als 4 tribus aus, welche man tribus urbanas hiesse, und die zwar, weil es nicht
leicht fiele, die alte und erste Ordnung zu ändern, denen tribubus rusticis immer
vorgesetzet wurden, aber darum bey weitem nicht in gleichem
Ansehen mit
denselbigen gestanden sind. |
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{Sp. 792} |
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Im übrigen hat der Plebs überhaupt, so ferne er noch von den Patriciis
unterschieden
war, und ehe er sich einige
Macht und
Ansehen in dem
gemeinen Wesen zuwege
gebracht, wider die Patricios und den
Rath mehrmahlen
verdrüßliche Händel angefangen. Das erste mahl geschahe es 14
Jahre nach Austreibung der
Könige, oder A.
V. 360 wegen Unbilligkeit und Härtigkeit der Wucherer, als welchen dazumahl ihre
Schuldner gebunden zuerkannt, und in deren
Häuser geschleppet,
bißweilen auch allda erbärmlich mißhandelt wurden. Das andere mahl aus gleicher
Ursache, und im nächstfolgenden Jahr, da das Volck, ehe man ihm
hierüber
Recht geschaffet,
sich nicht wolte zu dem Feldzuge wider die Äqver, Volscer und Sabiner einschreiben
lassen. |
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Deswegen ward der Rath bewogen, einen Dictatorem, nemlich den M. Valerium
Volusium, des Poplicolä Bruder, zu
erwählen, der sie im Zaum
halten solte. Dieser aber danckte bald ab, weil ihm der Rath hinderlich war, daß er
nicht halten konnte, was er dem Volck versprochen, daß nemlich die, so im Gefängniß
sassen, auf freyen Fuß gestellet würden. Bald darauf verliessen sie die Stadt,
machten sich auf collem sacrum, und konnten in diesem Jahre nicht dahin gebracht
werden, daß sie wieder in die Stadt gezogen wären. |
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Im folgenden Jahr aber, welches von Erbauung der Stadt das 362 war, wurden sie
durch des Menenii Agrippä Anrede und gute
Vorstellungen
besänfftiget, und diejenigen, welche in den Schuld-Thurm geworffen worden, wieder
loßgelassen. Weil sie sich aber nichts gutes prophezeyten, und besorgten, der Rath
möchte dieses nicht ungerochen dahin gehen lassen, giengen sie nicht eher von der
Stelle, biß der Rath verwilligte, daß sie aus ihrem Mittel sich zwey zu ihren Ober-
Häuptern, welche Tribuni plebis
genennet wurden, erwählen
durfften, damit sie nicht etwan unterdrücket würden; welche
Zahl man nachgehends bis
auf 10 vermehren
muste. |
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Als die Decemviri nachgehends ihre
Gewalt
mißbrauchten, und nach verflossener Zeit nicht ablegen wolten, auch sonderlich einer
aus ihnen, App. Claudius, wegen der Virginia das gemeine Volck hefftig vor den
Kopff stieß,
(siehe Appius Claudius) entwichen diese abermals auf den Berg Aventinum, da sie sich
nicht eher zufrieden gaben, als bis die Tribuni plebis ihnen wieder gegeben, die
Decemviri abgeschaffet, und die
Consules dargegen wieder
eingesetzet wurden. |
- Dionys. Halicarnass. l. 5. p. 292.
- Panvinius de civitate
Romana c. 67.
- Manutius de civit. Rom. 2. 15.
- Pitiscus.
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