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Zedler: Recht zu reformiren HIS-Data
5028-30-1418-14
Titel: Recht zu reformiren
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 30 Sp. 1418
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 30 S. 718
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Hinweise:
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  Text Quellenangaben
  Recht zu reformiren, oder Reformations-Recht, Jus reformandi, ist ein Stück der Majestät, oder der höchsten Gewalt eines Fürsten über die Kirche, davon wir in dem Artickel von dem Rechte eines Fürsten in Kirchen-Sachen, überhaupt gehandelt.  
  Wenn ein Fürst siehet, daß der Zustand der Kirchen verdorben, daß entweder Irrthümer in der Lehre einschleichen, oder ärgerliches Leben überhand nehme, so erfordert die Nothdurfft, auch die Wohlfahrt des Staats und der Kirche, daß man diesem Ubel bey Zeiten abhelffe. Hat der Fürst auf gebührende Art vor die Religion zu sorgen, so kommt ihm auch dieses Recht zu, bey dessen Gebrauch man keinen Gewissens-Zwang ausüben, noch unter dem Vorwande einer Reformation diejenigen verfolgen, oder verjagen darff, die in einigen Lehren von der herrschenden Religion abgehen; gleichwohl aber entweder aus natürlicher Billigkeit, oder wegen gewisser Verträge, oder aus andern Ursachen solten gedultet werden. Wie solches zum Theil schon an dem angezogenen Orte berühret worden.  
  Hierbey entstehet nun die Frage, ob und in wie fern dieses Recht zu reformiren sonderlich denen Fürsten und Ständen des Heil. Röm. Reichs zukomme? Es ist aber disfalls in Deutschland bey Beurtheilung des Rechts zu reformiren so wohl, als des Rechts eines Fürsten in geistlichen Sachen oder in der
  {Sp. 1419|S. 719}
  Kirche überhaupt, nicht allein auf das Recht der Natur, sondern auch vornehmlich auf das Westphälische Friedens- Instrument zu sehen. Und findet sich auch in demselben, daß denen Ständen des Reichs ausdrücklich eingestanden wird, zu verordnen, welche Religion in ihren Ländern öffentlich gedultet werden soll; jedoch nur in so weit ihnen das Recht zu reformiren zukommt. Denn so stehet ausdrücklich m dem Art. V. §. 30.  
  "Demnach solchen unmittelbaren Ständen neben der Landes- und hohen Obrigkeit, dem gemeinen Herkommen nach, durch das gantze Römische Reich auch das Recht zu reformiren, zustehet etc." Ferner: „So ist verglichen, daß eben dieses auch ferner von beyderley Religion Ständen beobachtet, und einem unmittelbaren Stande sein Recht, welches ihm wegen Landes-Herrlicher Hoheit und Bothmäßigkeit in Religions-Sachen gebühret, nicht gehindert werden solle."  
  Und zwar kommet dieses Recht nicht alleine denen Protestantischen, sondern auch denen Catholischen Ständen zu. Ins besondere aber ist in dem W. F. I. Art. V. §. 27. denen Pfandes-Inhabern, wegen des Rechts die Religion zu reformiren, vorgesehen worden. Und zwar muß vor allen Dingen ein Unterscheid unter dem Gläubiger und Schuldner gemacht werden. Was den Gläubiger anbelanget, so ist ausser allen Zweiffel gesetzet, daß demselben als Pfands-Inhabern das versetzte Land, samt der daran hangenden Landes- und hohen Obrigkeit, samt allen Regalien zukommet, und auf ihn überbracht wird, solcher gestalt, da krafft gemeldeter Landes-Hoheit das Recht zu reformiren denen Ständen des Reichs zugehöret, auch solches Recht denen Pfands- Inhabern eingestanden werden muß.  
  Und ist derowegen zu verwundern, daß Besold in seinem Thesaur. pract. voce Pfand-Schilling, solches in Zweiffel gezogen. Es ist aber gar leicht zu begreiffen, warum er auf diesen Irrthum verfallen, massen er dergleichen Verpfändungen eintzig und allein nach dem Römischen Rechte abgemessen; dahingegen schon von andern gezeiget worden, daß es mit denen Verpfändungen derer Länder eine gantz andere Beschaffenheit hat, und daß der Gläubiger ein nützliches Eigenthum (utile dominium) dadurch erlanget.
  • Strauch de oppignor. territ.
  • Thomasius de usu pract. accuratae distinctionis inter emt. cum pacto de retrovendendo et contra pignorat.
  • und Gundling de jur oppignorat. territor.
  Es ist auch nicht abzusehen, wie man solches in Zweiffel zühen will, gestalten im W. F. I. cit. loc. selbsten dem Besitzer das Ober-Eigenthum (dominium directum) eingeräumet wird. Es ist aber eine ohnstreitige Folge, daß, wo ein Ober-Eigenthum ist, dem andern nothwendig auch das nützliche Eigenthum zukomme.  
  Was den Schuldner anbetrifft; so ist demselben das Recht zu reformiren im gedachten Orte des W. F. I. noch deutlicher zugeeignet, indem daselbst ausdrücklich stehet:  
  „So soll dem Domino directo frey stehen, in diese verpfändete, an ihn wiederkommende Landschafften, sei-  
  {Sp. 1420}  
  ner Religion Exercitium öffentlich einzuführen."  
  Und wie er sich gegen die Unterthanen, so einer andern Religion zugethan, zu verhalten habe, wird daselbst dergestalt erkläret:  
  „Die Einwohner und Unterthanen aber nicht gehalten seyn abzuzühen, oder ihre Religion, so sie unter dem vorigen Besitzer derselben verpfändeter Landen gehabt, zu verlassen. Woraus wenigstens dieses erhellet, daß die Landes-Obrigkeit ihnen das Privat-Exercitium der Religion verstatten müsse."  
  Weil aber das Recht zu reformiren eintzig und allein von der Landes-Hoheit abhanget, und mit derselben verknüpffet ist; so kann derowegen weder der Ober-Herr (dominus directus) noch der Vasall, wenn nicht zugleich bey dem Lehen gemeldete Landes-Hoheit sich befindet, sich dieses Rechts bedienen. Welches auch in dem W. F. I. Art. V. §. 42. mit klaren Worten bestärcket wird:  
  „An der blossen Lehens- oder Affter-Lehns-Qualität, sie kommen von Königreich Böhmen, oder Chur-Fürsten und Ständen des H. Röm. Reichs, oder anders woher, hanget die Gerechtigkeit zu reformiren nicht, sondern diese Lehen und Aftter-Lehen, als auch Vasallen, Unterthanen uud geistlichen Güter, sollen in Religions-Sachen, und was der Lehn-Herr prätendiret, eingeführet, oder sich angemasset hat, nach dem Zustand, des 1624sten Jahrs, und 1 Januarii beständig ermessen, was aber in- oder ausserhalb Gerichts dawider gehandelt worden, soll aufgehoben und in vorigen Stand gesetzet werden."  
  Da aber in dem W. F. I. Art. V. §. 27. enthalten, daß dem Ober-Herrn frey stehen solle, wegen des öffentlichen Religions-Exercitii mit denen Unterthanen anderer Religion einen Vergleich zu treffen, so entstehet nicht ohne Ursache die Frage: Ob nicht hier auf den Zustand des 1624sten Jahres gesehen, werden müste? Welches allerdings zu bejahen, gestalten man so lange bey der Regul zu verbleiben verbunden, bis das Gegentheil bewiesen worden. Auctor meditat. ad instrum. pac. Art. V. §. 27. p. 421. u.ff.
  Es ist aber dieses Recht zu reformiren in dem W.F.I. einiger Massen eingeschräncket, anerwogen im selbigen ausdrücklich enthalten, daß, ausser denen dreyen in dem Römischen Reiche gedulteten Religionen, keine angenommen, oder gedultet werden solle. Es siehet aber ein jeder sattsam, daß dieses nur die öffentliche Religions-Ubung (publicum religionis exercitium) angehet, mithin einem Landes-Herrn unbenommen ist, auch andere, die seiner Religion eben nicht zugethan, in sein Land ein- und anzunehmen, wenn sie nur nicht das öffentliche Religions-Exercitium zu treiben, verlangen, welches auch die Erfahrung und Gewohnheit vieler Orten in Deutschland bekräfftiget, absonderlich wann es solche Religionen sind, welche keine aufrührische oder atheistische Lehren führen, oder Secten und Rotten zu machen suchen. Und ist daran desto weniger zu zweiffeln, massen solches der Eigenschafft der Christl. Religion gemäß ist. Und hindert nichts, daß in dem W.F.I. nur derer dreyen Religionen gedacht worden, gestalten solches bekannter massen von Seiten derer  
  {Sp. 1421|S. 720}  
  Catholicken urgiret, und solcher gestalt nur ihnen zu Gefallen dem Friedens-Schlusse einverleibet worden. Daß also daraus erhellet, daß man keinesweges die Meynung gehabt, derer Protestantischen Fürsten Freyheit dadurch zu beschräncken; absonderlich da mehr als zu bekannt, daß man auf Seiten der Protestanten, wegen Verfolgung der Widriggesinnten nicht einerley Meynung mit denen Catholicken heget.  
  Es werden aber gedachte drey Religionen eintzig und allein nach ihren Glaubens-Bekänntnissen und Glaubens-Formuln beurtheilet. So lange also jemand sich zu denenselben bekennet, wenn er gleich in ein und andern, so zu dergleichen Glaubens-Lehren nicht gehöret, andere Meynungen heget, kan er keiner neuen Religion beschuldiget werden. Es würde derowegen ein sehr hartes Verfahren seyn, wann eine Landes-Obrigkeit Unterthanen, welche sich zu der Augspurgischen Confeßion bekennen, und nur in solchen Dingen, welche darinnen nicht bestimmet seyn, auch zu denen Glaubens-Artickeln nicht gehören, abgiengen, unter dem Vorwande, als wann sie eine neue Religion einführten, verfolgen wolte.  
  Besonders da man wohl weiß, wie sehr die Neigung zur Ketzermacherey bey denen meisten Menschen eingewurtzelt, und wie man öffters nur um blosse Wort-Streitigkeiten gleichsam mit Feuer und Schwerdt unschuldige Leute zu verfolgen suchet. Welches man auch bey der Hoch-löblichen Reichs-Cammer im Jahre 1694 in Sachen Laurentii Sebalds, wider die Cämmerer und den Rath zu Augspurg erkannt, und in dem ertheilten Decrete gezeiget hat, daß alle diejenigen des Religions-Friedens sich zu erfreuen haben, welche nur dem Buchstaben nach, oder nach dem buchstäblichen Verstand sich zu der Augspurgischen Confeßion bekennen.  
  Ob aber gleich dem Landes-Herrn die Macht zu reformiren zukommet; so ist doch solches nur dergestalt zu verstehen, daß er alles in Religions- Sachen in dem Zustande lassen muß, wie es im Jahre 1624 gewesen. Diejenigen also, welche zur selben Zeit das öffentliche Religions- Exercitium gehabt, können auch nicht einmahl, was die äusserlichen Ceremonien anbelanget, im geringsten Stücke turbiret werden, sondern es muß alles in eben dem Zustande verbleiben. Auch so gar diejenigen, so dazumahl den Privat-Gottes-Dienst gehabt, müssen bey diesem gelassen werden. Denn es stehet ausdrücklich in W. F. I. Art. V. § 31.  
  "Diesem aber ohngeachtet, sollen der Catholischen Stände Land-Sassen, Lehn-Leute und Unterthanen, wessen Standes sie seyn, welche entweder das öffentliche oder Privat-Exercitium der Augsburgischen-Confeßion im Jahr 1624 zu was vor einer Zeit des Jahrs auch gewesen, entweder vermöge gewissen Vertrags oder Privilegii, oder langen Herkommens, oder aus blosser Observantz erwehnten Jahrs gehabt, solches auch hinführo, sammt allem Anhang, im Gebrauch behalten, in soweit sie dasselbe gedachten Jahrs geübet, oder, daß es wäre von ihnen in so weit ausgeübet worden, beweisen können."  
  Es entstehet derowegen die Frage, ob einem Landes-Herm, welcher sich zu der Ca-  
  {Sp. 1422}  
  tholischen Kirche begiebt, die Macht zukomme, das öffentliche Religions-Exercitium seiner neu angenommenen Religion in seinem Lande einzuführen, wenn er nur sonsten seinen Evangelischen Unterthanen das freye Reiigions-Exercitium, wie sie es 1624 gehabt, lässet? Es sind, die da bejahen, dass er dieses allerdings thun könne, massen  
 
1) das Recht zu reformiren und das öffentliche Religions-Exercitium eintzig und allein von der Landes-Hoheit abhange;
2) Daß man Evangelischer Seits bey denen Evangelischen Friedens-Tractaten selbst darauf gedrungen, dem Friedens-Instrument einzuverleiben, daß das Recht zu reformiren mit denen Fürstenthümern, Landen und Herrschafften verknüpffet sey, welches auch in gedachtem Friedens-Instrument Art. V. §. 20. geschehen, und eben deswegen in demselben versehen worden sey, daß einer dem andern sein Recht, welches ihm wegen Landes-Herrlichen Hoheit und Bothmäßigkeit zukäme, nicht im geringsten hindern solte;
3) Daß der Religions-Friede in dem W. F. I. nicht aufgehoben, sondern vielmehr bekräfftiget, ausgenommen in denjenigen Dingen, in welchen ausdrücklich das Gegentheil gesetzet worden, welches aber, in Ansehen des Rechts die Religion zu reformiren nicht geschehen sey;
4) Daß auch eben deswegen denen Reichs-Städten, wegen der ihnen zukommenden Landes- und Hohen Obrigkeit, gedachtes Recht in gemeldtem Friedens-Instrument eingestanden;
 
  Hingegen  
 
5) aus eben diesem Grunde denen Grafen, Freyherren, und der mittelbaren Ritterschafft, dieses Recht sey genommen worden;
6) Eben dieses Recht in dem F. I. Art. V. §. 39. von neuem wiederholet, allwo besonders in Betrachtung zu zühen, daß man ausdrücklich gesetzet: "Ob zwar der Römisch-Kayserlichen Majestät das Recht, das Religions-Exercitium zu reformiren, nicht weniger, als andern Königen und Fürsten, zustehet."
7) Die Evangelischen Stände selbsten in ihren Landen, nach der Religion, wozu sie sich bekennten, das freye Exercitium eingeführet, da es 1624 noch nicht gewesen.
Auctor. meditat. ad I. P. p. 555. et Auctor vindictae statuum episcopatus Hildesiensis evangel.
  Hingegen verneinen hinwiederum andere solches, und zwar weil in dem W F. I. ausdrücklich ausgemacht und verordnet worden, daß ein Landes-Herr nicht berechtiget seyn soll, in seinem Lande etwas einzuführen, wodurch das freye Religions-Exercitium seiner Unterthanen turbiret und beunruhiget wird; die tägliche Erfahrung aber zur Gnüge zeiget, daß man Catholischer Seits niemahln ruhet, sondern auf alle Art und Weise die Römisch-Catholische Religion fortzupflantzen suchet, bey welchen Umständen nichts anders zu vermuthen, als daß der Landes-Herr, welcher sich zu ihrer Religion gewendet, hülffliche Hand leisten werde; Hingegen bey einem Evangelischen Landes-Herrn, wenn er auch gleich denen Catholicken das freye Religions-Exercitium in seinem Lande verstattet, dergleichen nicht zu befürchten, wohin auch der Auctor antevindic. Hildes. p. 89. zielet, wenn er schreibet:  
  Es weiset die Natur der Evangelischen Religion in diesem Stücke gantz deutlich rationem disparita-
  {Sp. 1423|S. 721}
  tis, und daß eben aus dieser Ursache die Evangelischen Reichs-Stände nicht wider das Friedens- Instrument handeln. Denn anfänglich bleiben die Catholischen Unterthanen solcher gestalt bey dem freyen Besitz ihrer Kirchen, hernach bleiben sie auch bey dem freyen Exercitio ihrer Religion und ihrer Gewissens-Freyheit, dürffen sich nicht befahren, daß die Evangelischen sie zu Ceremonien und Gebräuchen, die ihrem Gewissen zuwider wären, anstrengen werden, indem die Evangelischen entweder keine oder doch nicht so viel Bilder und Proceßionen haben, auch nicht mehr Feyertage begehen, als die Catholischen, u.d.m. Fleischers Geistl. Kirchen-Recht Lib. 1. c. 3. §. 65. u. ff.

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Stand: 10. September 2016 © Hans-Walter Pries