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Quellenangaben |
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Recht eines Fürsten in
Kirchen-Sachen, oder die Gewalt des Fürsten
in der Christlichen Kirche, Jus Sacrorum oder Jus circa Sacra. |
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Es ist das
Recht eines Fürstens, in Kirchen-Sachen, eine der allerwichtigsten
Materien, indem man leicht in
eine Caesareo Papiam, oder Papo Caesariam, verfallen kan. Damit wir aber dieses beydes vermeiden,
müssen wir vor allen
Dingen zum voraus setzen, daß
es nicht wohl gethan sey, wenn etliche dieses Recht der Fürsten von denen
Königen der Israelitischen
Republick herleiten wollen. Dann in derselben war die
Religion nicht nur auf das genaueste mit
der
Republick
verbunden, also, daß keine
ohne die andere seyn konnte, sondern es war auch eine Theocratie, und konnte, ohne besondere und
ausdrückliche Verwilligung
GOttes, gar nichts, was die
Republick anbetraff, vorgenommen werden. |
Schickard. de jur. reg. Hebraeor. und Spener. de theocratia judaica. |
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Denn GOtt war selbsten in der Jüdischen-Republick König. Derowegen gab er alle
Gesetze, so wohl in
geistlichen, als
weltlichen
Sachen,nicht so wohl als GOtt, sondern vielmehr als
Landes-Herr, der sich die
höchste Gewalt
vorbehalten hatte. Und ob er ihnen gleich nachgehends Könige gab; so konnten doch diese weder
Gesetze geben, noch sonsten etwas anord- |
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{Sp. 1392} |
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nen und verändern; sondern sie waren blosse Statthalter, die sich nach denen von GOtt
vorgeschriebenen Gesetzen richten
musten. Ist also gar kein
Zweiffel, daß unsern Fürsten
vielmehr Rechte zukommen, als denen Israelitischen Königen. |
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Ebenso
ungereimt ist es, wenn andere dieses
Recht von den
Zeiten der ersten
Christlichen
Käyser herführen
wollen; indem aus der Kirchen-
Historie bekannt ist, daß schon der Kayser Constantin der Grosse, u. dessen Nachfolger sich ihres
Rechts gar schlecht zu bedienen
wusten; sondern vielmehr der
Clerisey alles dasjenige einräumten,
wodurch sie es endlich, zu der unumschräncktesten
Herrschafft von der
Welt bringen konnten.
Wenn also unsere Fürsten kein grösser Recht hätten, als dessen sich die ersten Kayser bedienet; so
würde es nicht nur mit den meisten ihrer
Regalien, absonderlich aber mit dem
Recht in Kirchen-Sachen, ein sehr schlechtes
Ansehen haben. |
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Nun haben zwar andere der
Sachen näher zu treten
vermeynet, wenn man defendirte, daß demjenigen das Recht in Kirchen-Sachen zukäme, dem das
Land gehörete, (Cujus est regio, illius
quoque est religio.) Es hat aber die
Erfahrung gezeiget, wie
sehr diese
Meynung denen
Protestanten selbst
geschadet, und wie
nützlich sich dessen die
Widriggesinnten, zu Unterdrückung und Ausjagung anderer, zu bedienen gewust haben. |
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Wir setzen also zum voraus, daß wir in dem N. T. nichts finden können, worinnen denen Fürsten
wäre vorgeschrieben worden, wie sie sich in Exercirung ihrer Realien verhalten sollen, wie wir
dergleichen von denen Israelitischen-Königen in dem A.T. sehen. |
Siehe 5 B. Mose XVII, 18. 19. |
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Daraus folget, daß alle Regalien aus dem
Recht der Natur müssen
hergeleitet werden. Denn ein Fürst ist ausser der
Schrifft und dem Rechte
der Natur, keinen andern Gesetzen unterworffen. Es wird also von nöthen seyn, daß wir die Sache
etwas genauer
untersuchen. |
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Es hat
GOtt den
Menschen zu einer
glückseligen Creatur erschaffen,
und in einen solchen
Zustand gesetzet, daß, wenn er
gewolt, er sich
vollkommen in diesem glückseligen
Zustande hätte erhallen können. Daß aber diesem ohngeachtet der Mensch in einen
unglücklichen und Elends-vollen
Zustand gerathen ist, kan dem allergütigsten Schöpffer nicht im geringsten beygemessen werden.
Sondern wir
handelten wider unsere gesunde
Vernunfft, wenn wir uns zu
dergleichen
Gedancken wolten verleiten
lassen. |
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Da nun also der Mensch durch seine
eigene
Schuld sich zu einer elenden
Creatur gemacht; hätte GOtt wohl
Ursache gehabt,
ihn darinnen stecken zu lassen. Aber seine
väterliche
Liebe gegen das menschliche
Geschlecht liesse dieses
nicht zu; sondern er zeigte ihm vielmehr solche
Mittel, durch welche der Mensch zu der
verlohrnen
Glückseligkeit wieder gelangen
konnte. Es lieget derowegen bloß an dem Menschen, ob er sich derselben bedienen will. |
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Diese Mittel aber selbsten bestehen in dem
Lichte der
Natur, und in dem Lichte der
Gnaden; welche beyde so genau mit einander
verknüpffet seyn, daß wir ohne beyde
ohnmöglich zu einem glückseligen
Leben gelangen können. Daß wir
aber den meisten
Theil der Menschen in einem unglücklichen
und Erbar- |
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{Sp. 1393|S. 706} |
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mungs-würdigen Zustande antreffen, ist die Ursache, weil die meisten entweder derselben sich gar
nicht bedienen, oder doch wenigstens nicht auf die Art und Weise, wie es seyn
solte; indem viele in den
falschen
Gedancken stehen, alswenn
diese beyde Lichter einander zuwider wären, und daß es also gnug sey, wenn man (wie etliche
z. E. die Qväcker
meynen) nur das Licht der Gnaden
brauchte, oder (wie andere davor halten, z. E. die Socinianer) wenn man nur nach dem Lichte der Natur
lebte. |
Siehe
Thomasius in der
Vorrede bey dem ins
Deutsche übersetzten
Grotius de J. B. et P. |
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Weil nun die Menschen in einer solchen Verderbniß stecken, daß sie nicht nur ihr
Unglücke nicht
erkennen, sondern auch
an ihrem Elende selbsten ihre Vergnügung und Glückseligkeit suchen; so
müssen deswegen andere Menschen
seyn, die sich derselben annehmen, ihnen die Thorheiten und das Elend der menschlichen Natur
zeigen, und die
Mittel und Wege lehren, wie man sich aus
diesen heraus reissen kan. Damit aber diese etwas ausrichten können, müssen sie solche Mittel
gebrauchen, die sich vor die verderbte
Natur der Menschen schicken, und ihrer Kranckheit gemäß seyn. |
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Es sind aber der Thoren in der
Welt hauptsächlich
zweyerley: Etliche, die sich durch die
Vernunfft gewinnen lassen,
und welche die Vorschläge anderer annehmen; Etliche aber, die bloß ihrem verderbten
Willen folgen, und die Vermahnung
kluger und
vernünfftiger Leute
verachten. Jene aus ihrem Elende zu einem glückseligen Leben zu führen, ist keines äusserlichen
Zwanges von nöthen, sondern bey diesen sind vernünfftige
Rathschläge schon genung. Die andern
aber können durch nichts anders, als durch
Gewalt und
äusserliche
Straffen, zu rechte und
zum
Gehorsam
gebracht werden. Daraus folget, daß man in einer jeden
Republick Gewalt und Rathschläge von
nöthen hat, als die zwey eintzigen Mittel, wodurch die Menschen können dahin gebracht werden, daß sie
glückselig zu leben anfangen. |
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Es ist aber die Glückseligkeit der Menschen zweyerley; Eine zeitliche und eine ewige Glückseligkeit.
Jene ist wiederum entweder innerlich oder äusserlich. Die innerliche Glückseligkeit bestehet in einer
wahren
Gemüths-Ruhe; die äusserliche
aber ist, daß wir nicht alleine von niemand in denen uns zukommenden Rechten gekränckt werden,
sondern daß uns auch andere Menschen helffen und beystehen. So lange wir nun diese beyde
Glückseligkeiten nicht besitzen, so lange leben wir auch nicht als glückselige Creaturen. |
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Damit wir nun durch gedachte zwey Mittel zur Glückseligkeit gelangen
mögen, müssen auch zweyerley
Menschen seyn, die uns dieselbe appliciren, nemlich der
Fürst und der
Doctor; und zwar dergestalt, daß beyde in
einer
Person zusammen nicht seyn
können, sondern so bald dieses geschiehet, wird die
Republick nicht in geringe Zerrüttung
gesetzet, wovon uns die Kirchen-Geschichte viele
Exempel darreichen kan. Doch müssen
sie auch nicht einander entgegen gesetzet werden. Denn da sie einerley
Endzweck haben, müssen sie
auch einander beystehen. |
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Und | |
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{Sp. 1394} |
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zwar machet der Doctor den
Anfang und
bemühet sich, ob er die
Menschen zu einem
vernünfftigen Leben bringen könne, ohne daß es der äusserlichcn Gewalt benöthiget sey. Siehet er
aber, daß alle
Mühe vergebens ist, und daß er durch seine
Mittel nichts ausrichten könne; so kommt die
Obrigkeit, und bedienet sich desjengen
Zwanges, so ihr, als Obrigkeit, zukommet. |
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Der
Lehrer selbsten hat gar keine
äusserliche Gewalt, sondern sein
gantzes
Amt bestehet in
Liebe und Sanfftmuth. Er muß also andern
mit
guten Exempeln vorgehen, sie vermahnen,
bitten, flehen, ihnen ihr Elend
vorstellen, und handgreiflich zeigen,
in was vor
Unglück sie sich stürtzen werden, wenn
sie seinen Vermahnungen nicht Gehör geben. Was derowegen nur auf einige Weise einer
Straffe und äusserlichen
Gewalt nahe kommet, muß von einem Lehrer weit entfernet seyn. Wann er sich also einiger Gewalt
bedienet; so giebet er dadurch zu
erkennen, daß es ihm
nicht um die Seligkeit der Menschen, sondern um seinen eigenen
Ehrgeitz und Rachgierde zu
thun sey. |
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Dieser, und sonst keiner andern
Mittel, muß er sich auch gegen den Fürsten
bedienen; also, daß wenn auch dieser einen Fehltritt begehet, er durch nichts anders, als durch bitten,
flehen, und vermahnen, ihm wiederum aufzuhelffen suchen muß. Wollen nun die Vermahnungen nicht
zulänglich seyn, sondern die Menschen
turbiren die äusserliche Ruhe der
Republick, so ist der Fürst da, welchem die Gewalt gegeben ist, durch Straffen und äusserlichen Zwang
der Republick vor dergleichen Leuten Sicherheit zu verschaffen. |
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Und dieser äusserlichen Gewalt muß sich auch der Fürst wider den Lehrer selbsten, wenn er in
Thorheit verfället, bedienen. Denn es ist kein
Unterscheid unter denen Personen,
sondern wer die äusserliche Ruhe stöhret, und wider die Gesetze der Fürsten sündiget, muß sich der
äusserlichen Straffe unterwerffen, er sey Priester, oder Laye. |
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Es hat aber der
Fürst, als Fürst, mit der
innerlichen
Glückseligkeit gar nichts zu thun,
sondern es kan derselbe auf dreyerley Art betrachtet werden, als ein
Mensch, als ein
Christ, und als ein Fürst. So ferne er ein
Mensch und Christ ist, ist er zwar, wie andere Menschen
verbunden, mit einem guten
Exempel vorzugehen, und diejenigen Liebes-Dienste, so zur Besserung anderer dienen, ihnen zu
erzeigen. So fern er aber als ein Fürst betrachtet wird, lieget ihm die innerlichen Glückseligkeit seiner
Unterthanen gar nicht ob. Er
ist auch nicht dazu gesetzt, dieselbe fromm und gottsfürchtig zu machen; es langen auch die Mittel, die
er als Fürst hat, nicht zu. Denn durch äusserlichen Zwang und Straffen wird kein Mensch fromm und
tugendhafft gemacht. Es ist
derowegen der Fürst zu keinem andern Ende, als seine Unterthanen bey der äusserlichen Ruhe zu
erhalten, damit ein jedweder in dem Seinigen sicher
wohnen könne. |
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Alle diejenigen
Rechte also, ohne welche dieser
Endzweck nicht erhalten werden kan, müssen dem Fürsten zukommen, und überlassen seyn. Und zwar,
daß er dieselbe gebrauchen kan, wie er will, und mey- |
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{Sp. 1395|S. 707} |
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net, daß die äusserliche Ruhe dadurch hergebracht werden könne. Nun ist aber kein
Zweiffel, daß zu allen diesen Rechten
hauptsächlich die Inspection und Direction aller
Collegien, die in seinem
Lande seyn, mit gehöre, und daß er also
auch das Recht in geistlichen Sachen (Jus circa sacra) als Fürst haben müsse. |
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Es erfordert also das Amt eines Fürsten, daß er vor allen Dingen dahin sehen muß, damit
diejenigen
Laster, als
Ehr-
Geld-Geitz und
Wollust, wodurch die äusserliche Ruhe
der Republick leichtlich turbiret werden kann, nicht zum
Schaden derselben ausbrechen
können, und wenn es ja geschehen, daß er verhindere, damit nicht noch ein grösserer Schade daraus
entstehen
möchte. |
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Sehen wir nun die
Religion an; so ist
gewiß, daß
Gott dieselbe zu keinem andern
Ende von uns
Menschen verlanget, als zu
unserer eigenen
Glückseligkeit. Denn durch die
innerliche Religion
sollen wir suchen, uns aus der natürlichen
Verderbniß herauszureissen; durch die äusserliche aber sollen wir einander aufzumuntern uns
bemühen, Gott mit rechtschaffenem Hertzen zu
dienen und zu preisen. Betrachten
wir aber fast alle
Zeiten; so werden wir finden, daß
die meisten Menschen, dieselbe bloß zu einem Deck-Mantel, alle
Schand und Laster zu begehen, ja die
äusserliche Ruhe zu stöhren.und
gantze
Republicken über einen Hauffen zu
werffen, gebrauchet haben. |
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Derowegen muß allerdings ein Fürst diesem
Ubel vorzubauen, und dergleichen
Menschen, auf alle Art und Weise zu bestraffen suchen. Denn es bleibet eine unstreitige
Wahrheit, daß alles
dasjenige, was die Republick turbiret, und
Streit und Zanck anrichtet, der
wahren
Christlichen Religion zuwider sey. Und
warum solle ein Fürst dergleichen Menschen nicht bestraffen, da ein solcher sich aller derer
Privilegien, die ihm wegen
der Religion zukommen, verlustig machet? Ja, da ein Fürst geringe Laster bestraffen kann; warum solte
denn ein solcher der
Straffe befreyet seyn,
welcher der Religion zum Schaden der Republick mißbrauchet? Ist also auch diese eigene
Ursache gnung,
warum dem Fürsten die Inspection über die Kirche zukommen muß. Und wäre zu wünschen, daß sich
die Obrikeit dieses Rechts, so wie es seyn solte, bisweilen besser bedienet hätte, vielleicht würden die
Republicken glückseliger seyn, als sie sind. |
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Es kommet aber dieses Recht allen Fürsten zu, sie mögen einer Religion zugethan seyn, welcher
sie wollen. Denn die Religion
verändert den Staat nicht,
sie giebet auch dem Fürsten weder mehr, noch weniger Rechte, sondern das
Imperium und Subjectio sind Correlata,
also, daß keines ohne dem andern seyn kan. Derowegen ist es auch ohnstreitig, daß dieses Recht in
geistlichen Sachen, denen Fürsten des
Deutschen Reichs in ihren
Ländern zukommet. Denn da dieses
Recht ein
Theil der höchsten
Majestät ist; so muß es auch ein Theil der
Landes-Fürstlichen Hoheit seyn. |
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Und zwar kommet denenselben dieses Recht ebenfalls aus dem
Rechte der Natur zu, und
haben sie dasselbe gehabt, ehe an das
Westphälische Friedens-
Instrument
gedacht worden; ob sie sich gleich dessen |
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{Sp. 1396} |
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sonderlich vor den
Zeiten der
Reformation nicht, wie es hätte seyn
sollen, bedienet haben. Ob sie nun also gleich durch gedachtes
Friedens-Instrument kein neues
Recht erhalten; so sehen wir doch
aus diesem, daß denen Fürsten des
Reichs desto weniger dieses Recht in
Kirchen-Sachen könne in
Zweiffel gezogen werden. Es ist zwar
in demselben enthalten, daß ein Fürst dem
Gewissen seiner
Unterthanen, so einer andern
Religion zugethan seyn, keine
Gewalt thun solte. Es
ist aber dieses ein
Satz, der an und vor sich selbsten seine
Richtigkeit hat, indem auch das Recht der Natur dergleichen keinem verstattet. |
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Wenn wir aber
fragen, worinnen dieses Recht in geistlichen
Sachen (Jus circa Sacra) bestehet; so ist es von nöthen, daß wir die
Sache etwas genauer betrachten.
Was die Religion selbsten anbetrifft, so ferne dieselbe im
Glauben an Christum bestehet; so
gehöret sie zur innerlichen
Glückseligkeit des
Menschen. Es hat derowegen
der Fürst in so weit mit derselben nichts zu
thun. Und wolte man gleich
sagen, daß die Sorge
für die
öffentlichen
Schulen einem Fürsten
zukomme; so ist doch dieses also zu
verstehen, damit nicht die
Atheisterey und ander
unartiges Leben unter jungen Leuten einreissen, oder solche
Dinge, die den
weltlichen
Staat
turbiren,
möchten gelehret werden. So ferne aber
in denen Schulen die
Gemüther in der wahren
Religion
unterrichtet werden,
überschreitet solches die
Gräntzen eines Fürstens, als
Fürsten. |
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Noch weniger lässet sich das Gegentheil aus dem 5 B. Mose XVII, 18. 19.
beweisen. Denn zu geschweigen,
daß von denen Israelitischen
Königen gar nicht auf unsere
Fürsten
geschlossen werden kan;
so siehet man aus dem angeführten Spruche, daß derselbe weder von dem Rechte des Fürstens in
Religions-Sachen handelt, noch
befiehlt, daß die
Obrigkeit für die
Unterthanen Sorge trage. Es
erweiset auch nichts 1. Timoth. II, v. 2. worinnen Paulus vermahnet, man solle für die Obrigkeit bitten,
daß man unter ihr ein geruhiges und stilles
Leben führen möge. Denn Paulus
will damit nichts anders sagen, als daß man vor die Obrigkeit bitten solle, daß sie ihr
Regiment also führen möge,
damit aller Unruhe im Lande gesteuert, und ein jeder Unterthan in Ruhe und
Friede leben könne. |
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Anders kan es nicht
verstanden werden, indem die
Obrigkeit dazumal
heydnisch war, welcher Paulus
ohnmöglich die Sorge für die
Seligkeit der Christen auftragen können. Derowegen hat auch Tertullianus in der Schutz-Schrifft vor die
Christen c. 30. unter andern dieses zu ihrer Vertheidigung angeführet, daß die
Christen in ihren
Versammlungen
Gott vor den
Kayser anrufften und beteten, daß
er demselben ein langes Leben, eine ruhige und stille
Regierung, ein tapfferes
Krieges-Heer, getreue
Räthe, fromme und getreue
Unterthanen, geben möchte. |
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Es erweiset gleicher massen nichts der Spruch Esaiä XLIX, v. 9. indem die Glieder der
wahren Kirche ihre eintzige
Pflege nur von Christo haben, und also keiner
weltlichen Könige bedürffen.
Wann also die Unterthanen einer
falschen Religion zugethan |
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{Sp. 1397|S. 708} | |
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seyn, erfordern die
Pflichten eines Fürsten, als
Fürsten, nicht dieselben zu der wahren seligmachenden Religion zu bringen, denn die Religion bestehet
im
Verstande; dieser aber
lässet sich keine
Gesetze vorschreiben,
noch zwingen, sondern da
müssen blosse Vernunfft-Schlüsse und
überzeugende
Bewegungs-Gründe
vorgekehret werden. Und warum solte man einen mit
Gewalt zur Religion
zwingen, da dieselbe uns zur Seligkeit bringen soll? Lässet man doch einem jedweden die
Freyheit, daß er eine
Handthierung
erwählen kan, welche er
will; da doch dieses nur zur
zeitlichen
Glückseligkeit gehöret. Es muß
also ein jedweder die Freyheit haben, diejenigen
Mittel zu suchen, wodurch er die
Glückseligkeit des andern Lebens erlangen möge. Und eben deswegen will Gott keinen mit Gewalt zur
Religion gezwungen
wissen. Er hat einem
jedweden die gesunde
Vernunfft und die
Schrifft gegeben, daß er in
derselben die Mittel und Wege lernen
solle, sich der ewigen Glückseligkeit
theilhafftig zu machen. |
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Es muß auch dermahleinst ein jedweder von seinem
eigenen Leben
Red und Antwort geben.
Man siehet derowegen, wie
ungereimt diejenigen
urtheilen, welche der Obrigkeit eine
Gewalt über die
Gewissen der Menschen zueignen, wie
solches
vornemlich der sonst
berühmte Hadrian Houtuyn in Polit.
general. §. 70. p. 198. zu behaupten sich nicht scheuet; massen, wenn man dieses einer Obrigkeit
einräumet, nicht zu ersehen, wie. man die heydnischen Kayser einer Ungerechtigkeit, wegen Verfolgung
der Christen, beschuldigen will, daß man also
billig, dergleichen zu
vertheidigen, einen Abscheu zu tragen hat. |
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Ebenfalls kommt dem Fürsten nicht zu, Theologische Controversien durch einen Rechts - Spruch
auszumachen. Denn Gott hat die
Schrifft einem jedweden
gegeben, darinnen zu forschen, also daß alle Menschen Schrifftgelehrte (
Theologi) seyn müssen. Es haben
auch die Unterthanen in Glaubens-Sachen ihren
Willen niemals dem Fürsten
unterworffen. |
Seckendorff im Christen-
Staat I. 2. c. 9. § 6. |
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Und ist deswegen zu bewundern, daß Grotius in seinem
Tr. de Jur. Summar. potest. circa sacracap. V. §. 3.u.ff. das Gegentheil behauptet, und sich selbst in dem Tr. de J. B. et P. Lib. II. c. 20. §. 48.
widerspricht. Denn er
verstehet durch das Judicium
imperativum nichts anders, als eine Fürstliche Sententz, wodurch die Unterthanen gezwungen werden,
die
Meynung des Fürsten
anzunehmen, welches doch ein offenbarer Zwang ist. |
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Gleicher gestalt kommt ihm nicht zu, die Decisiones deren Theologen, sie mögen gleich von
allgemeinen Conciliis oder
Theologischen Facultäten
abgefasset seyn, seinen Unterthanen mit Gewalt aufzudringen. Denn so wenig, als ein Fürst selbsten,
dergleichen Decisiones machen kan, eben so wenig kommt es denen Theologen und Conciliis zu. |
Seckend. Christen-Staat ll. IX. 6. |
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Sondern ein Fürst
muß vielmehr durch gebührende
Zwangs-Mittel zu verhindern suchen, damit Theologische Streitigkeiten den äusserlichen
Frieden nicht
turbiren. Denn es zeiget die
Erfah- |
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{Sp. 1398} |
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rung, was hitzige
Köpffe vor Unheil in einem
Lande anrichten können. Es ist aber die
Gewohnheit dererjenigen, so
eine
unrechtmäßige Sache
behaupten
wollen, daß, wenn sie durch
vernünfftige
Vorstellungen ihren
Endzweck nicht erhalten
können, sie entweder die
Vornehmen, oder die Geringen des
Landes, auf ihre Seite zu bringen suchen. |
Eine Probe davon ist in denen Apost. Gesch. XIX, 23. u. ff. und in des Thomasius
Diss. de jure princip. circa adiaph. aus den Consiliis Witteberg. |
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Es hat auch ein Fürst nicht die
Macht, einen, wegen
irriger
Meynung, aus der
Gemeinde stossen zu lassen:
indem die Kirchen-Zucht, wie sie an denen meisten
Orten
gebrauchet wird,
würcklich als eine weltliche
Straffe angesehen werden muß; weil dadurch einem an seinem ehrlichen Namen nicht ein geringer
Schade zugefüget wird; sondern ein
Fürst ist vielmehr
schuldig, einen jeden bey seiner
Gewissens-
Freyheit zu schützen. Man wird
auch nirgends lesen, daß in der ersten Christlichen Kirche, eine andere Art zu verfahren wäre
vorgenommen worden. Jedoch aber kan er
befehlen, und mit Bedrohung der
Absetzung verbieten, daß man die Streit-Fragen nicht auf die
Cantzel bringen, oder doch wenigstens
dieselben mit aller Moderation und Bescheidenheit
tractiren solle. |
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Es kan ein Fürst auch keinen wegen Ketzerey mit weltlicher Straffe belegen; indem die Ketzerey
den Staat nicht turbiret. Es
meynet zwar
Carpzov in Crimin.
Quaest. 44. n. 33. daß, wenn ein Ketzer, nach genungsamer Warnung, von seiner Ketzerey nicht
abstehen wolle, er mit Landes-Verweisung zu bestraffen sey. Aber unstreitig ist auch dieses eine
weltliche Straffe. So wenig also als man einem Ketzer, als Ketzer, das
Leben nehmen kan, so wenig kan
man ihn auch mit dieser
Straffe belegen. Es
lassen sich auch
Irrthümer mit
Gewalt nicht
benehmen; sondern es ist vielmehr wider alle
Vernunfft, jemand mit Gewalt
zur
Erkänntniß der
Wahrheit zu bringen. |
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Man muß aber mit der Landes-Verweisung nicht vermengen, wenn der Fürst dem Ketzer
befiehlet, daß er aus dem
Lande gehen, und seine
Wohnung an einem andern
Orte aufschlagen
solle. Denn dieses bemercket an und vor
sich selbst keine Straffe; es schadet auch dem andern an seinem ehrlichen Namen nicht. Ja, da einem
Bürger, aus natürlicher Freyheit,
vergönnet ist, in einer
andern
Republick sich nieder zu lassen; warum
solte nicht auch der Fürst ihm das
Bürger-Recht
aufsagen können? |
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Aus eben diesem
Grunde, ist in dem W. F. I.
Art . V. §. 36. 37.
versehen, daß, wenn einige,
z.E.
protestirende Unterthanen,
unter einem
Catholischen Fürsten leben,
und dieselben im Jahre 1624 die Religions-Übung nicht gehabt hätten, ein Fürst berechtiget seyn solte,
ihnen die Emigration anzubefehlen; und, damit sie desto besser ihre Sachen darnach einrichten können,
ist, nach
Unterscheid der
Zeit, ein
gewisser
Termin gesetzet,nemlich, wenn
sie zur Zeit der
Publicirung gedachten
Friedens-Schlusses die Religions-Ubung gehabt, solte in 5
Jahren vorhero die Emigration angesaget; so
sie aber dieselbe nicht gehabt, |
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{Sp. 1399|S. 709} | |
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nur 3 Jahr gelassen werden. Nun sind zwar die
Publicisten in dieser Sache nicht einerley
Meynung, indem etliche
dieses von Seiten derer Unterthanen vor eine freywillige Emigration
erklären; also daß, so lange sie
stille sässen, und keinen Aufruhr anfiengen, der Fürst sie dazu nicht zwingen könne, und führen
deswegen an den Art. V. §. 34. Andere aber meynen, daß es eine nothwendige Emigration sey, und
daß ein Fürst sie zwingen könne, zu weichen, wenn sie gleich ruhig lebten. |
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Es ist gewiß, daß die erste Erklärung dem
Rechte der Natur näher
kommet. Nimmt man aber die
historischen
Umstände derselben Zeit zu Hülffe; so
scheinet die letzte
wahrscheinlicher zu seyn. Denn
was wäre es sonsten von nöthen gewesen, dergleichen Termine zu setzen, da man ja nur hätte
ordnen können, daß sie
durchgehends solten geduldet werden. |
Puffendorffs Schwedische Historie das
XX Buch §. 89. |
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Aus diesem allen aber folget nicht, daß ein Fürst
unrecht
thue, wenn er einen Prediger,
der anders lehret, als die Confeßion seiner Unterthanen mit sich bringet, und dessen überzeuget ist,
seines
Dienstes erlässet. Denn er hat das
Amt zu lehren mit dieser Bedingung
angenommen. Es ist zwar bekannt, daß man insgemein wider alle diese vorausgesetzte Lehren
einzuwenden pfleget, daß es gleichwohl der Ruhe und dem
Frieden des
gemeinen Wesens zuwider sey, wenn
die Unterthanen nicht einerley Religion zugethan wären. Aber es ist auch nicht zu
läugnen, daß dieses Vorhaben der
Vernunfft und
Erfahrung zuwider ist.
Denn jene zeiget, daß die
unterschiedenen
Meynungen gar nicht hindern,
daß nicht Leute mit einander friedlich leben könnten. |
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Die Erfahrung aber lehret uns
täglich, daß Privat-Personen, von
unterschiedlichen Meynungen, friedlich zusammen leben. Ja, es zeiget es der
Staat von
Holland,da man gar deutlich
siehet, daß der
Unterscheid der Secten die
Republick nicht beunruhiget; und die Wiedertäuffer selbsten, die sonsten bey uns in einem so
übeln Credite seyn, leben daselbst
gantz ruhig. Und will man
sagen, daß das
Gegentheil doch in andem Ländern beobachtet würde; so dienet zur Antwort, daß daran nicht die
Religion, sondern
Ehr-Geitz,
Geld-Geitz,
Zorn, Rachgier, und andere dergleichen
böse
Affecten schuld seyn, welche auch
unter einerley Religions-Verwandten die wahre Freundschafft hindern, wie solches die Erfahrung zur
Gnüge lehret. Derowegen siehet man, daß ein Fürst wohl thut, wenn er Leute, so anderer Meynung
seyn, dultet. |
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Man verstehet aber durch die Tolerantz nichts anders, als daß man suchet äusserlich im gemeinen
Leben friedlich mit einander umzugehen, einander die
Pflichten des
Rechts der Natur nicht
versaget, und auf den
Cantzeln und in denen
Schrifften die
vorgegebene
irrige Meynung mit aller Sanfftmuth
widerleget. Woraus zugleich erhellet, daß ein grosser Unterscheid unter der Tolerantz, und dem
Syncretismo sey, welche sonsten insgemein pflegen vermischt zu werden. |
Seckendorff in seinem Christen-Staat 3. 13. 9. |
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Weil wir aber oben gesaget haben, daß ein Fürst über alles das- |
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{Sp. 1400} |
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jenige gebieten könne, was in dem Recht der Natur nicht ausgemachet ist; so folget daraus, daß
dem Fürsten das Recht zukomme, von allen denjenigen
Dingen, so, insgemein nur Mittel-
Dinge (Adiaphora)
genennet werden, Verfügung zu thun,
wie er es damit gehalten wissen wolle. Es wird aber das Wort adiaphoron in zweyerley, nemlich in
weitem, ober in engem Verstande, genommen.
Jener begreiffet alles dasjenige in sich, was weder
gut noch
böse, oder was in den göttlichen
Gesetzen nicht bestimmet und ausgedrucket ist. Im engen Verstande aber werden alle diejenigen
Gebräuche und Ceremonien darunter verstanden, welche in denen
Versammlungen der
Christen pflegen beobachtet zu werden,
ohne daß sie von Gott
befohlen seyn. Also war in dem
vorigen
Jahrhunderte die
Frage: Ob ein
Protestantischer Fürst in
seinem Lande den Gregorianischen Calender annehmen? Ob er die in denen Kirchen gebräuchliche
Music abschaffen? Ob er die Kleidung der Priester verändern? Ob er die Altäre, Bilder und andern
Zierrath in denen Kirchen aufheben? Ob er die Beichte, Exorcismum. und andere Kirchen-Gebräuche
verbieten könne? u.d.m. Worauf aber allerdings mit Ja geantwortet werden muß, indem alle diese Dinge
zu denen Adiaphoris gehören, welche in der Schrifft und in dem Rechte der Natur nicht geboten
seyn. |
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Bey diesem allen aber muß dennoch ein Fürst behutsam verfahren, und allezeit das Recht eines
Fürsten von demjenigen, was sich thun lässet, und was der
Nutzen des
gemeinen Wesens erfordert,
unterscheiden. Denn viele Dinge
kan man wohl thun; aber sie sind nicht allezeit gut und
nützlich, wenn man sie thut. Also hat ein
Fürst öffters das gröste
Recht, einen andern mit
Krieg zu überzühen; aber es ist eine
andere Frage, ob er wohl thut, ob es seine
Umstände, die Beschaffenheit seines
Landes, und andere dergleichen Dinge
zulassen, den Krieg anzufangen. |
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Welches ein Fürst desto mehr in Religions-Sachen in Obacht zunehmen hat; indem die meisten
Menschen an dem
äusserlichen hangen, und
meynen, daß die
gantze
Religion in äusserlichen Ceremonien
bestünde. Und zeiget die
Historie aller
Zeiten, was dergleichen
abergläubischer und
unvernünfftiger Eiffer des
gemeinen Pöbels vor
Unglück über ein und andere Länder
gezogen hat. Denn wenn man die Sache etwas genauer betrachtet; so wird man finden, daß die Religion
bey unvernünfftigen Menschen von der Einbildung abhanget. Geschiehet also darinnen nur die geringste
Veränderung; so
meynen sie gleich, es wäre wider ihr
Gewissen. |
Und wird davon des Gottfried Arnolds Kirchen- und Ketzer-Historie, die Historia
Gothana, der Hospinianus in Concordia discorde und Spanhemius in Historia Imaginum, gnug Exempel geben. |
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Damit sich also ein Fürst zum
Schaden seiner Republick darinnen
nicht vergehe; ist vor allen
Dingen von nöthen, daß er
selbsten
wisse, was Adiaphora seyn, und wie
weit sich, nach dem Rechte der Natur, seine
Macht erstrecke. Und dieses
kan er gar leichte lernen. Das allerbeste
Mittel aber ist, daß man die
Geistlichen dazu an- |
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{Sp. 1401|S. 710} |
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hält, damit sie selbsten auf denen
Cantzeln lehren
müssen, was Adiaphora seyn, und wie
ferne dieselben zur wahren Religion gehören. Denn es ist kein
Zweiffel, daß, wenn die meisten
Geistlichen dieses so, wie es seyn
solte, in Obacht nähmen, und ihrem Ehr-
und Geld-Geitze öffters nicht so sehr den Zaum liessen, daß in vielen Stücken die Christliche Religion
ein gantz ander
Ansehen haben würde. |
Carpzov in diss. de Jure
decidendi Controversias Theologicas, mit denen Noten des Geheimden Rath Thomasius. |
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Aus denen bishero gezeigten
Sätzen erhellet, daß es
falsch sey, wenn man lehret, daß ein
Protestirender Fürst ist
Deutschland bey seiner
Regierung zwey
Personen
vorstelle, nemlich eine
Bischöffliche und eine
Fürstliche. Diese in
weltlichen, jene in
Religions-Sachen. Denn hätte man betrachtet, daß das Recht in Religions-Sachen ein Stück der
höchsten
Majestät sey; so würde man dem Fürsten
in Ausübung desselben eben so wenig eine andere Person beygeleget haben, als wenn er seine übrige
Regalien ausübet. |
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Und dieses bekräfftiget auch der
Zustand voriger
Zeiten. Denn weder in der
Schrifft, noch in der ersten
Kirche, haben die
Bischöffe eine äusserliche
Gewalt gehabt;
sondern es haben auch in denen folgenden Zeiten die
Kayser und die Fürsten des
Deutschen Reichs das Recht in
geistlichen oder Kirchen-Sachen (Jus circa Sacra) ausgeübet, bis endlich die Bischöffe sich dieses
Rechtes gröstentheils angemasset, daß derowegen dieselbe bey der
Reformation mit allem Rechte die
ihnen deshalber gebührenden Rechte wiederum vindiciret haben. Und.ist es ja auch nicht etwan eine
Sache, die nur auf blossen Grillen beruhet, sondern woran insonderheit denen
Protestantischen Fürsten viel
gelegen ist. |
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Eben daraus flüsset auch, daß die andere
Eintheilung in das Bischöffliche Recht
(Jus Episcopale) und das Recht in Kirchen-Sachen (Jus Sacrorum) nichts nützet. Denn wenn man gleich
sagen will, daß das Jus circa Sacra dem Fürsten,das Jus Episcopale aber dem Consistorio zukomme;
so ist doch bekannt, daß das Consistorium ein
Collegium ist, so von dem
Fürsten
dependiret, und alles in dessen
Namen nicht anders, als wie
andere Fürstliche Collegia,
verrichtet. |
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Ferner folget daraus, daß der von einigen gemachte
Unterschied zwischen der
innerlichen und äusserlichen Gewalt (inter potestatem internam et externam) ebenfalls gäntzlich
verworffen werden
muß, weil dieselbe dunckel, und zu
vielen
falschen
Meynungen Anlaß
giebet. |
Thomasius in Diss. de
Jure princ. circa Adiaphora, desgleichen in Tr. de Historia contentionis inter Imperium et
Sacerdotium. |
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Dieweil aber in
Deutschland in Beurtheilung des Rechts
eines Fürsten in geistlichen Sachen, und Rechts, die Religion zu reformiren, nicht bloß alleine auf das
Recht der Natur, sondern vornemlich auf das
W.F.I. zu sehen; also findet
sich auch in demselben, daß denen
Ständen des Reichs ausdrücklich das
Recht eingestanden wird, zu
verordnen, welche
Religion in ihren Ländern
öffentlich gedultet werden soll,
jedoch nur in so weit ihnen das Reformations-Recht zukom- | |
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{Sp. 1402} |
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met. Wovon unter einem besondern
Artickel ein mehrers
nachgesehen werden kann. |
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