HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Republick, das gemeine Wesen [1] HIS-Data
5028-31-656-19-01
Titel: Republick, das gemeine Wesen [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 656
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 341
Vorheriger Artikel: Republick, das gemeine Wesen [Übersicht]
Folgender Artikel: Republick, das gemeine Wesen [2]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

vorhergehender Text  Artikelübersicht   Teil 2  Fortsetzung

Übersicht
1. Theorie
  1.1 Ursprung
  Literatur

Stichworte Text Quellenangaben
  Republick, das gemeine Wesen, Lat. Respublica, Fr. Republique.  
  Es hat das Wort respublica vielerley Bedeutungen, welches man auch von dem Wort Civitas sagen muß, indem es die Gesellschafft des menschlichen Geschlechts, die Innwohner der Stadt, den Ort selbst, wo sie sich aufhalten, u. den eine bürgerliche Gesellschafft und einen Staat bedeutet.  
  Man versteht hier durch die Republic die bürgerliche Gesellschafft, welche aus Regenten und Unterthanen zusammen gesetzt, die sich mit einander  
  {Sp. 657|S. 342}  
  zur Erhaltung und Beförderung der gemeinen Wohlfahrt vereiniget haben. Pufendorf de jure nat. ... sagt, sie sey eine moralisch zusammen gesetzte Person, deren Wille, so aus vieler Menschen Vergleich verwickelt und vereiniget, vor ihrer aller Willen gehalten werde, damit sie aller und jeder Kräffte und Vermögen zum gemeinen Frieden und Ruhe gebrauchen möge, welche Beschreibung auch Thomasius in jurisprudentia divina … und Hochstetter in Collegio Pufend. exercit. .. behalten. Etwas anders beschreiben diese Gesellschafft Grotius de jure belli et pacis … und Hobbesius de Cive  
1. Theorie Von dieser Republick soll eine theoretische und practische Betrachtung angestellet, und nach jener so wohl der Ursprung, als auch die Einrichtung und Beschaffenheit der Republiquen erwogen werden.  
1.1 Ursprung Was bey der theoretischen Betrachtung anlangt erstlich den Ursprung der Republiquen, so haben diejenigen, welche davon disputiret, zwey Fragen nicht sattsam unterschieden. Denn ein anders sind die Gründe, daraus die Vernunfft die Nothwendigkeit der Republiquen erkennet, und meynet, daß die Menschen dadurch wären veranlasset worden; ein anders aber der würckliche historische Ursprung derselben, zu welchem vielleicht die erwehnten Gründe wenig oder nichts beygetragen haben.  
  Solchen Ursprung muß man aus historischen Nachrichten erkennen; die Lehr-Sätze aber nicht zu einer würcklichen Geschichte machen, und meynen, daß die ersten Republiquen würcklich auf eine ausgedachte Art und durch die ausgesonnene Bewegungs-Mittel entstanden wären, so viel erkennet man aus den politischen Gründen von der Nothwendigkeit der Republiquen, daß man sie in der menschlichen Gesellschafft beyzubehalten habe, sie mögen nun entstanden seyn wie sie wollen. Doch muß man hiervon die Gedancken der Gelehrten anführen.  
  Es sind zwey Wege, wie die Republiquen haben können eingeführet werden; entweder aus freyem Willen der Menschen; oder durch Gewalt. Soll es durch den freyen Willen der Menschen geschehen seyn, so führt man allerhand Bewegungs-Gründe an, warum sie sich in solche Gesellschafft eingelassen. Aristoteles hat den Menschen ein zoon politikon genennet, daher seine Anhänger zu der Meynung Anlaß genommen, als wenn die Menschen durch einen natürlichen Trieb zur Einführung der bürgerlichen Gesellschafft angetrieben worden.  
  Es ist zwar nicht gewiß, was Aristoteles mit dieser Bedeutung eigentlich hat haben wollen. Doch kan er weiter nichts angezeiget haben, als daß der Mensch von Natur zur Gesellschafft geneigt, welches seine Richtigkeit hat, woraus aber noch nicht folget, daß man auch einen natürlichen Trieb zur bürgerlichen Gesellschafft habe. Man muß vielmehr sagen, daß, weil alle Menschen von Natur zu ihrer Freyheit geneigt sind, ihnen vielmehr nach diesem natürlichen Trieb die bürgerliche Gewalt, welche solche Freyheit einschräncket, zuwider.  
Man lese
  • Conring de prudent. civili
  • Pufendorf de jure naturae et gentium
  • Thomasium in Ju-
  {Sp. 658}  
   
  risprud. divina ...
  Andere haben zur bewegenden Haupt-Ursach die Bedürffniß und Bequemlichkeit angeführet. Nun ist zwar nicht ohne, daß man in einer bürgerlichen Gesellschafft viel bequemer leben, und was zur Leibes-Nahrung und Erhaltung gehöret, füglicher anschaffen kan; es folgt aber daraus noch nicht, daß deswegen hätten nothwendig Obrigkeiten und Unterthanen seyn müssen, weil man diesem Mangel auch durch Bündnisse hätte abhelffen können.  
  Pufendorf de jure nat. et gent. … meynet, daß die Furcht und Sicherheit vor dem Anfall anderer Leute die wahre Ursach sey, warum man Städte erbauet habe. Andere rechnen beydes zusammen, daß man sein Absehen so wohl auf die Bequemlichkeit; als auf die Sicherheit gehabt. Titius obs. 547. über Pufendorf mercket an, daß die Pufendorfische Meynung von der Aristotelischen nicht abgehe. Denn daß die Menschen ihre Sicherheit gesucht, dieses wäre durch einen natürlichen Trieb geschehen.  
  Einige halten auch die nothwendige Folge aus den kleinern Gesellschafften, welche die Familien sind, so wiederum aus der ehelichen, väterlichen und herrschafftlichen Gesellschafft bestehen, zu einer wahrhafften Ursach der Republick hinlänglich. Es hat der Haus-Vater als das Haupt der Familie zwar eine Art der Herrschafft; eine Familie aber ist noch keine bürgerliche Gesellschafft; ja wenn auch gleich aus einer Familie verschiedene Familien entstehen, so ist doch dieses noch keine Ursach, daß aus solchen Familien nothwendig eine Republick werden müste, weil eine jede Familie ihr besonderes Haupt haben kan.  
  Wenn nach diesen Grundsätzen die Republiquen aus freyem Willen der Menschen eingeführet worden, so mercket man weiter an, daß hiezu nöthig gewesen  
 
a) ein gewisses Pactum, wodurch das Volck, so sich versammlet hat, in eine Gesellschafft getreten, und sich zu einem gewissen Endzweck, die gemeine Wohlfahrt zu befördern, verbunden, welches denn entweder durch einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Consens geschehen:
 
 
b) ein gewisser Schluß, daß sie sich sammt und sonders einer gewissen Obrigkeit unterwerffen wollen, und
 
 
c) ein gewisses Pactum zwischen dem Volck und der künfftigen Obrigkeit, wodurch sich das Volck der neuen Obrigkeit dergestalt unterworffen, daß jene Macht haben sollte, zu befehlen, was zur Beförderung der gemeinen Wohlfahrt vor nöthig erachtet; dieses aber schuldig seyn sollte, solchen Befehlen zu gehorchen, da hingegen sich die Obrigkeit wieder verbindlich machet, die Wohlfahrt des Volckes bestens zu befördern.
Man lese
  • Pufendorf de jure nat. et gent.
  • Thomasium in jurisprud. divina
  • Hochstetter in colleg. Pufendorf. exercit.
  So stellt man sich die Ursache nach der Vernunfft für, wie sie hätte seyn können, und wie sie ordentlich hätte seyn sollen, wenn die Republiquen aus freyem Willen wären eingeführet worden. Ob es aber würcklich so geschehen, ist eine andere Frage. Es ist gar nicht glaublich, daß alles so ordentlich hergegangen. Daß sich im Anfang eine Menge Volcks von  
  {Sp. 659|S. 343}  
  ohngefehr zusammen niedergelassen, und in eine Gesellschafft getreten, hat wohl seine Richtigkeit; man kan aber nicht sagen, daß sie sich durch ein ausdrückliches Pactum hierzu verbunden. Es ist auch nicht zu vermuthen, daß sie sich wegen der Obrigkeit, welcher sie sich unterwerffen wollen, werden berathschlaget haben; sondern vielmehr glaublich, daß die Gewalt den ersten Grund zu den Republiquen geleget, es sey nun dieses auf eine offenbare, oder heimliche und listige Art geschehen.  
  Dieses kommt auch mit den historischen Nachrichten, die wir davon in der Schrifft haben, am besten überein. Was die heydnischen Scribenten vom Ursprung der Republiquen vorgeben, ist ungewiß, und auf einen sandigten Grund gebauet. Die meisten stimmen darinnen überein, es sey vor Aufrichtung der Regierung ein freyes Leben gewesen, da niemand dem andern zu befehlen gehabt, ob sie wohl den Zustand der Menschen, wie er damahls soll seyn beschaffen gewesen, auf unterschiedliche Art beschrieben.  
  Etliche stellen ihn als den allerglücklichsten für, wie Ovidius Lib. I. metamorphos. andere als den verdorbensten, wie Sallustius de bello Catilinar. cap. 6. und noch andere sagen, er sey Anfangs glücklich; bald aber darauf verdorben gewesen, daß man genöthiget worden, eine bürgerliche Herrschafft einzuführen, auf welchen Schlag Tacitus lib. 3. annal. cap. 26 schreibet: die allerältesten Menschen wusten noch von keinem boshafftigen Muthwillen, sie lebten ohne Sünde und Schande, und also auch ohne Straffe und Zwang. Es bedurffte auch keiner Belohnung, weil sie aus freyer Neigung nach der Ehrbarkeit strebten; und weil sie nichts wider die Gewohnheiten verlangten, so war nicht nöthig, ihnen etwas durch eingejagte Furcht zu verbieten. Allein nachdem man die Gleichheit bey seite setzte und an statt der Bescheidenheit und Schamhafftigkeit der Ehrgeitz und Gewaltthätigkeit einriß, so erwuchsen hieraus die Herrschafften welche bey vielen Völckern bis auf diese Stunde geblieben sind, wobey Christoph Forstneri Noten über diese Stelle p. 254 nebst Barbeyracs Anmerckungen über Pufendorfen de jure naturae et gentium … zu lesen.  
  Diese Urtheile der Heyden scheinen auf die Tradition gegründet zu seyn, daß sie etwas von dem höchstglückseligen Zustand der Menschen vor dem Fall, und von dem grossen Verderben nach dem Fall und zwar vor der Sündfluth gehöret. Am sichersten geht man bey den Nachrichten, welche uns Moses in seiner Historie aufgezeichnet. Dieser berichtet, daß bey dem Anwachs des menschlichen Geschlechts Cain die erste Stadt gebauet und sie nach seines Sohns Nahmen Hanoch genennet. 1 Mos. IV. v. 17.
  Ob nun wohl die Erbauung einer Stadt noch keine Aufrichtung einer bürgerlichen Gesellschafft ist; auch nicht gewiß kan gesagt werden, was er vor ein Absehen dabey gehabt, so ist doch wahrscheinlich, daß wie er dergleichen Werck aus einer Ehrfurcht fürgenommen, also auch dieses zur bürgerlichen Gesellschafft Anlaß gegeben habe.  
  Augustinus de civitate Dei … leitet auch den Ursprung derselbigen von den Caini-  
  {Sp. 660}  
  ten her; und will nicht zugeben, daß die Nachkommen Seths dergleichen gehabt, welches sich auch wegen Mangel der gehörigen Nachrichten nicht ausmachen lässet.  
  Daß vor der Sündfluth gar keine Republiquen gewesen, kan man nicht beweisen. Denn daß einige dieses daher schlüssen wollen, wenn man Republicken gehabt hätte, so würde das Wesen der Menschen nicht so gar in Grund verdorben gewesen seyn, indem die Obrigkeit solcher Bosheit hätte Einhalt thun können; solches hat nicht viel auf sich. Denn ob wohl die Leute auch nach der Sündfluth unter der Obrigkeit lebten, so führten sie doch ein solches ruchloses Leben, daß sich die göttliche Gerechtigkeit genöthiget sahe, gantze Städte zu vertilgen, wie man von Sodom und Gomorrha siehet.  
  Nach der Sündflüth finden wir, daß Nimrod den Grund zu dem Assyrischen Reich gelegt, 1. B. Mos. X. v. 8.9.
  aus dessen Exempel zu ersehen, daß der Ehrgeitz und Herrschsucht die Leute getrieben, Reiche aufzurichten und zu erweitern. Bald darauf entstunden auch mehr andere Staaten, deren Regenten Könige heissen 1. B. Mos. XIV. v. 1.2.
  Man mag endlich sagen, daß die Menschen freywillig sich in die bürgerliche Gesellschafft begeben, oder daß sie mit Gewalt dazu angetrieben worden; so ist doch dieses gewiß, daß das menschliche Verderben Anlaß dazu gegeben. Denn wären die Menschen im Stand der Unschuld geblieben, so hätte man keine Republicken gehabt, weil alle Absicht, warum man solche hat, weggefallen wäre, daß man deren nicht nöthig gehabt hätte, wie  
 
  • Hertius in element. prudent. civil.
  • Thomasius in jurisprud. divina ..
  • Griebner in jurisprudent. nat. ..
 
  wohl angemercket, wiewohl  
 
  • Alberti in Compendio jur. nat. ..
  • Böcler in not. ad Grotium
  • Becmann in meditat. polit. …
  • Müller de imperio civili in statu innocent.
 
  anderer Meynung sind.  
  Es läßt sich auch nicht sagen daß Gott die ersten Reiche unmittelbar aufgerichtet; ob er gleich solche Gesellschafften als ein zur Erhaltung des menschlichen Geschlechts nach dem Fall nöthiges Mittel gut geheissen und gebilliget. Daß das Verderben der Menschen zu diesem Stand Anlaß gegeben, macht ihn an sich nicht verwerfflich, und ist eine Schwachheit von einigen gewesen, wenn sie ihn vor sündlich angesehen und gemeynet, durch dessen Abschaffung grössere Vollkommenheiten in die Welt zu bringen. Man lese von diesem Punct noch nach
  • Menz in Disputatione de prima imperii inter homines origine, Leipzig 1703.
  • Locks Tractat du gouvernement civil. cap. 7.
  • Bierling in thesibus politic. de origine rerum publicarum. die Observation. Hal.
  • Buddeum in instit. theol. moral.
  • Böhmer in introductione in jus public. universale
  • Treuer in not. ad Pufendorf. de officio hominis … welcher noch einige andere hieher gehörige Bücher anführet.
     

vorhergehender Text  Artikelübersicht   Teil 2  Fortsetzung

HIS-Data 5028-31-656-19-01: Zedler: Republick, das gemeine Wesen [1] HIS-Data Home
Stand: 12. Januar 2016 © Hans-Walter Pries