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Anmerkung |
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Die Freyheit der Seele
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ist dasjenige
Vermögen
der Seele, durch
eigenen
Willkühr
aus zwey gleich
möglichen
Dingen dasjenige zu
wehlen, was ihr am meisten gefällt,
z.E. ein
Buch, welches
wir im Buchladen sehen, entweder zu kauffen, oder den
Kauff zu
unterlassen,
oder, welches gleichviel ist, sich selbst zu demjenigen determiniren, dazu sie
weder ihrer
Natur nach, noch von etwas von aussen determiniret ist. Diejenigen
irren, welche die Freyheit
erklären durch ein Vermögen, aus zweyen
widersprechenden Dingen eines so wohl als das andere zu erwehlen, ohne daß ein
Bewegungs-Grund vorhanden, warum man eines für dem andern erwehlet. |
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Siehe übrigens den
Artickel:
Freyheit,
im VIII
Bande, p. 1870 u.f.
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Die Unsterblichkeit der Seele:
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Solche ist eine
Art der Dauerung, welche der Seele zukommt, daß sie zwar
einen Anfang hat; aber beständig in ihrer Subsistentz verharret, und zu
existiren nicht aufhöret. Es wird von dieser wichtigen
Materie eine dogmatische
und historische Betrachtung angestellet werden können. |
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dogmatisch |
Nach der dogmatischen Untersuchung hat man sich um die
Existentz ihrer
Unsterblichkeit zu bekümmern: Ob die menschliche Seele unsterblich sey? Nach |
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{Sp. 1118} |
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der
heiligen Schrifft hat die
Sache keinen Zweifel; siehet man aber auf die
Erkenntniß,
die man aus der
Natur
durch die
Vernunfft hat, so ist dieses eben der Punct, den die
Philosophen untersuchen. |
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Nimmt man die Unsterblichkeit in solchem Umfang, daß damit die Auferstehung
der Todten, und der Genuß eines andern
Lebens
verknüpffet ist, so hat man diese
Lehre allerdings als einen Glaubens-Artickel anzusehen; betrachtet man sie aber
an sich selbst, ohne Absicht auf den
Leib, so kan man sie allerdings aus dem
Licht der Natur erkennen. Indem aber die
Erkenntniß entweder gewiß, oder
wahrscheinlich, so halten viele dafür, daß man nur wahrscheinlich erkennen
könne, die
menschliche Seele sey unsterblich. Es sind auch die gemeine Argumente
zum Theil so beschaffen, daß sie zusammen nur eine grosse Wahrscheinlichkeit
machen, welche nach einander angeführet werden sollen. |
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1. Haupt-Beweis |
Das erste nimmt man von der
Natur und den
Würckungen der Seele her. Denn
überhaupt schlüsset man von der Immaterialität der Seele auf ihre
Unsterblichkeit, daß, wenn sie aus keiner
Materie bestehe, so folge, daß sie
unsterblich sey. Den
Grund dieses
Schlusses setzet man darinnen, daß, wenn in
der Natur etwas sterbe, vergehe, verderbe, diese
Veränderung allezeit in einer
Trennung der Theilgen bestehe, daraus dasjenige zusammengesetzt gewesen, was
diese Veränderung leide. Sey dieses richtig, so könne dasjenige, was nicht
zusammengesetzet sey, nicht geschieden werden, was nicht geschieden werden
könne, könne auch nicht vergehen, oder
sterben; nun sey die Seele immateriell,
und weil sie aus keinen Theilen bestehe, darein sie könne getheilt werden, so
könne sie nicht vergehen, und müsse daher unsterblich seyn. |
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Eben so hat Cicero in Catone majore geschlossen,
wenn er cap. 21.
saget: Quum simplex animi natura esset, neque
haberet in se quidquam admistum dispar sui atque dissimile, non posse eum
dividi: quod si non possit, non posse interire, das ist meine Meinung
gewesen, wie er vorher
gesagt, weil die Natur der Seele einfach sey, das
ist, nichts, was ihr ungleich und unähnlich ist, mit sich vermischet habe, so
könne sie nicht zertheilt werden, so könne sie auch nicht untergehen.
Dieses Argument ist sehr kräfftig, und wenn es recht gebraucht wird, macht
solches eine Gewißheit, wie hernach mit mehrerm soll gewiesen werden. |
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Wenn aber Cicero in dem vorhergehenden und nachfolgenden
der angeführten Stelle noch andere
Gründe anführet, so machen sie nur zusammen
eine Wahrscheinlichkeit aus. Er
spricht: Quid multa? Sic mihi persuasi, sic
sentio, quum tanta celeritas animorum sit, tanta memoria praeteritorum
futurorumque prudentia, tot artes, tantae scientiae, tot inventa, non posse eam
naturam, quae res eas contineat, esse mortalem, was soll ich viel
sagen? so
habe ich allezeit geglaubet, das ist allezeit meine
Meinung
gewesen, da die Gemüther so geschwind gedencken können, da das Gedächtniß alle
vergangene
Dinge wieder zurück ruffen, die Seele so glücklich künfftige Dinge
vorher sehen kan, da so viele
Künste,
Erfindungen und
Wissenschafften sind, es
könne dieselbe
Natur,
welche alles dieses in sich |
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{Sp. 1119|S. 573} |
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fasset, nicht sterblich seyn. Diese
Schluß-Rede, wie sie seinen
Worten nach
vor Augen lieget, ist so wichtig nicht. Denn er will von dem vortrefflichen
Wesen der Seele auf ihrer Unsterblichkeit schlüssen, welches nicht angehet, weil
die Vortrefflichkeit an sich in der Dauerung keinen
Vorzug giebet, wie man denn
weiß, daß das vortrefflichere oft weniger dauert, als das geringere. Ist aber
seine Absicht dabey gewesen, daß er die Seele bey den angeführten
Würckungen als
einen
Geist vorstellet, und von ihrem geistlichen und immateriellen Wesen auf
ihre Unsterblichkeit schlüsset; so wäre der
Schluß zwar besser; er käme aber auf
eins mit dem, der vorher angeführet worden, hinaus. |
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Er fähret fort, und führet aus dem Xenophon folgenden
Beweis des Cyrus an: Jam vero videtis, nihil esse morti tam
simile, quam somnum. Atqui dormientium animi maxime declarant divinitatem suam.
Multa enim, quum remissi et liberi sunt, futura prospiciunt. Ex quo
intelligitur, quales futuri sint, quum se plane corporis vinculis relaxaverint:
Jetzt aber seht ihr, wie dem
Tode nichts so ähnlich sey, als der Schlaff: nun
weisen aber die Seelen der Schlaffenden vortrefflich ihre Göttlichkeit. Denn
wenn sie ruhig und frey sind, so sehen sie das künfftige vorher; daher kan man
leicht dencken, wie vortrefflich sie seyn würden, wenn sie gantz von den
Banden
des
Leibes befreyet werden. |
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In diesen
Worten soll ein gedoppelter
Beweis liegen. Der eine ist, daß, wenn
der Leib schlaffe, und sich in einem dem
Tode ähnlichen
Stande befände, die
Seele gleichsam wache und würcke; der andere aber, daß die Seele im Schlaff eine
Krafft,
künfftige
Dinge vorher zu
empfinden, habe, davon keiner einen sonderlichen
Nachdruck giebet. Denn jener gründet sich auf ein Gleichnis, daß der Schlaff dem
Tode ähnlich sey; dieser aber auf eine dunckele
Idee der Weissagungs-Krafft der
Seele. |
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Es heißt weiter: Quum semper agitetur animus, nec principium motus
habeat, quia se ipse moveat, ne finem quidem habiturum esse motus, quia nunquam
se ipse sit relicturus: Weil die Seele allezeit in völliger
Bewegung, auch
keinen auswärtigen
Grund ihrer Bewegung hat, indem sie sich selber beweget, so
wird sie auch niemahls ein Ende ihrer Bewegung haben, indem sie sich selbst
niemahls im Stiche lassen wird. |
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Dieser
Beweis wäre gut und vortrefflich, wenn sich nur die Seele in ihrer
Bewegungs-Krafft vor sich selber erhalte; da sie aber von
GOtt darinnen erhalten wird, so kömmt die Sache auf den
göttlichen Willen an, wie lange ihr GOtt diese Krafft
verleihen wolle. |
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Fast auf gleichen Schlag hat Alcmäon geschlossen, dessen
Meinung
Aristoteles im ersten
Buch de anima erzehlet:
Alcmäon
sagt, „daß die Seele unsterblich
sey deswegen, weil sie den unsterblichen
Dingen gleich ist: es sey aber diese
Gleichheit in ihr, weil sie immer bewegt wird; denn also würden auch alle
göttliche Dinge unaufhörlich bewegt, Mond, Sonne, Sternen, und der gantze
Himmel,„ nur daß die Meinung vieler Alten voraus
gesetzet wird, als wenn der Himmel und himmlische
Cörper unvergänglich wären,
welches doch nicht zu erweisen ist. |
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Ja, wenn auch dieses wäre, so würde doch nicht zu schlüssen seyn, wenn |
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{Sp. 1120} |
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die Seele in der
Bewegungs-Krafft den himmlischen Cörpern gleich ist, also
muß sie auch die Unvergänglichkeit mit ihnen gemein haben. Denn man müste
darthun, daß die
Bewegung der
Grund der Unvergänglichkeit sey. Dieses ist der
erste Haupt-Beweis, den man von der
Natur der Seele hernimmt. |
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2. Haupt-Beweis |
Der andere beruhet auf dem innerlichen Zeugniß des Gewissens, da sich der
Mensch
seiner unvernünfftigen
Thaten
und seines
bösen
Lebens erinnerte; durch solche
aber in eine innerliche
Gemüths-Unruhe aus
Furcht vor der
Straffe
nach diesem
Leben gesetzt werde; woraus also zu schlüssen, daß die Seele nach
dem
Tode des Menschen noch übrig bleiben müsse. |
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Die Stärcke dieses
Beweises setzet man darinnen, daß dieses Zeugniß und die
daher entstehende Gemüths-Unruhe was allgemeines sey. Sie befände sich bey allen
Menschen, wenn gleich nicht in einerley Beschaffenheit, welche an so
unterschiedenen
Orten
und zu allen Zeiten dergleichen an sich wahrgenommen. Nun könte man hiervon
keine andere
Ursach angeben, als daß etwas in der
Natur
liegen müste, welches sie in einen solchen
Stand setzte. Denn wolte man etwa
einer Tradition, oder einer leeren
Einbildung und Vorurtheil die Schuld
beylegen, so wären dieses particulaire
Ursachen,
daraus keine allgemeine
Würckung kommen könnte. |
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Bey diesem Argument findet man zweyerley anzumercken. Einmal kan man
selbiges wider diejenigen, welche die Unsterblichkeit der Seele boshafftig
leugnen, nicht brauchen. Denn sie können kühnlich
sagen, sie hätten dergleichen
Regungen in ihrem
Gemüth nicht, und wenn sie dieses thun, so ist kein Weg mehr
übrig, sie zu überzeugen. Denn der
Beweis
ist schon von der
unmittelbaren
Empfindung hergenommen; etwas aber über die Empfindung hinaus zu
beweisen, gehet
nicht an. Doch, wenn dieses Argument recht eingerichtet wird, wovon hernach noch
wird
gesagt werden, so kan es trefflich zur Überzeugung sein selbst, auch
anderer, welche die
Wahrheit nicht halsstarrig aufhalten, dienen. |
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3. Haupt-Beweis |
Drittens, nimmt man einen
Beweis
von der göttlichen Gerechtigkeit, Krafft deren ein ander
Leben seyn müste, welches andere Leben die genaueste
Verknüpffung mit der Unsterblichkeit der Seele habe. Denn man schlüsset so: Ist
ein ander Leben, so muß die Seele unsterblich seyn. Den
Grund dieses Schlusses
setzet man darinnen, weil der menschliche
Leib zergehe, und aufgelöset werde, so
müsse dieses andere Leben vor die Seele gehören, die deswegen unsterblich seyn
müste. |
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Nun ist zu
beweisen, daß ein ander
Leben sey; welchen
Beweis man von der
göttlichen Gerechtigkeit hernimmt, und also einrichtet: Muß
GOtt kraft seiner Gerechtigkeit das Gute belohnen, und das
Böse straffen; solches geschicht aber nicht in dieser
Welt, indem es den
Gottlosen wohl; den Frommen aber übel gehet, so muß doch ein ander Leben seyn,
in welchem er sich die Ausübung seiner Gerechtigkeit vorbehalten hat. |
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Dieser
Beweis ist einer der vornehmsten, indem er dahin gehet, daß
GOtt
wolle, die Seele soll unsterblich seyn, welches der wichtigste Punct in dieser
Sache ist. Er
beweiset auch sehr kräftig, wenn er recht und ordentlich
eingerichtet wird, wie hernach soll gezeiget werden. |
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4. Haupt-Beweis |
Viertens führet man als einen
Beweis an |
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{Sp. 1121|S. 574} |
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die allen
Menschen
angebohrne Neigung zur Unsterblichkeit, da diejenigen insonderheit, welche
tugendhaft und vernünftig lebten, nichts mehr, als die Unsterblichkeit ihrer
Seele wünschten. Dieses Argument braucht auch Cicero im
Catone majore cap. 23. Sed nescio, quomodo animus erigens se
posteritatem semper ita prospiciebat, quasi cum excessisset e vita, tum denique
victurus esset, quod quidem ni ita se haberet, ut animi immortales essent, haud
optimi cujusque animus maxime ad immortalitatis gloriam niteretur: Aber ich
weiß nicht, wie zu aller Zeit meine Seele sich so erhöhet, und ihr die Nachwelt
so vorgestellet, als ob sie alsdenn erst, wenn sie aus diesem
Leben würde
entwichen seyn, recht leben solte: und wenn die Seelen nicht unsterblich wären,
so würden nicht aller wackern Leute Seelen sich so um die
Ehre der
Unsterblichkeit bemühen. |
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Wenn bey diesem
Beweis zwey Umstände vorher ausgemacht wären, so hätte er
eine grosse Stärcke bey sich. Der eine ist, daß dieses Verlangen nach der
Unsterblichkeit was allgemeines, und daher bey allen
Menschen anzutreffen sey.
Denn ist es nur ein gemachter und durch die
Gedancken erregter, folglich kein
natürlicher Trieb, so kan man daraus nichts beweisen; wenn er sich aber nur bey
einigen findet, so ist er nicht natürlich. |
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Der andere Umstand ist, daß wenn auch dieser Trieb natürlich, so müste er
natürlich von
GOtt und nicht von dem
Fall und von der Verderbniß seyn, in dem er
letzteren Fall eine Frucht oder
Würckung des Ehrgeitzes wäre. |
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Gewissheit |
Dieses sind die gewöhnlichen Argumente, die man braucht, wenn man durch die
Vernunft die Unsterblichkeit der Seele erweisen will. In dieser wichtigen
Materie ist wohl nicht genug, eine Wahrscheinlichkeit zu zeigen, daß die
menschliche Seele unsterblich sey. Denn ob man wohl in vielen
Dingen mit
wahrscheinlichen
Gründen zufrieden seyn muß; so sucht man doch eine Gewißheit,
wo man dieselbe haben kan. Es kommen aber dabey zwey Stücke zu erweisen vor. |
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Das eine ist, daß die Seele ihrer
Natur
nach nicht könne untergehen; das andere aber, daß
GOtt die Seele beständig wolle erhalten haben. Es ist gar
viel daran gelegen, daß man diese beyde Wahrheiten wohl von einander
unterscheide. Denn bleibt man nur bey der ersten, und
beweiset, die Seele habe
ein solches
Wesen, das sie vor sich nicht könne untergehen, so giebt man dem
Menschen
keine völlige Versicherung, daß seine Seele unsterblich sey, und man erhält den
Nutzen nicht, denn die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele eigentlich geben
soll. |
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Zeigt man einem gleich auf das gründlichste, wie was Einfaches nicht könne
zertheilet und zerrüttet werden; so wird er dennoch einwenden, es folge weiter
nichts daraus, als daß die Seele vor sich, wenn sonst kein ander
Wesen sie
zerrüttet, nicht könne untergehen; da aber
GOtt auch ein geistliches Wesen
zernichten könnte, so sey man ja nicht versichert, ob er dieses nicht thun
wolle, und damit muß man auf die andere
Wahrheit kommen, daß GOtt die
menschliche Seele wolle erhalten haben. Will er dieses, so liegt auch nichts
daran, ob die Seele ihrer
Natur nach sterblich, oder unsterblich sey, daß also
in dieser
Sache das meiste darauf ankommt, ob die Seele nach dem
Willen |
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{Sp.1122} |
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GOttes unsterblich seyn soll. |
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Jenes, daß sie ihrer Natur nach an sich selbst nicht vergehen könne, ist aus
dem oben angeführten Argument klärlich zu ersehen. Denn ist dieses richtig, daß
die Seele eine
Substantz ist, die aus keiner
Materie bestehet, so folgt
unwidersprechlich, daß sie nicht kan zertrennet und getheilet werden. So lange
dieses nicht geschicht, kan auch kein
Sterben, oder
Tod erfolgen; sondern die
Seele bleibt beständig in ihrer Subsistentz beharren, und würcket als ein
Geist
ohne Aufhören so lange, bis sie
GOtt zerrüttet. Doch dieses will GOtt nicht
thun, welches nun insonderheit zu erweisen, daß die Seele dem
Willen GOttes nach
unsterblich sey. |
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Diesen Punct hatte Rüdiger in der Anweisung zu der
Zufriedenheit der menschlichen Seele Cap. 3. gründlich ausgeführet. Er setzt den
Beweis darinnen: Es sey eine Seligkeit vor die
Menschen vorhanden, und weil
selbige in diesem
Leben gar nicht zu finden, so müsse selbige erst nach dem
Tode
von den Menschen empfunden werden. Indem aber die Asche des Menschen, so nach
dem Tode übrig bleibe, nichts
empfinden könne, und gleichwohl der gantze
Leib zu
Asche werde, so sey es nicht der Leib, der solche Seligkeit empfinde, sondern
vielmehr die Seele, ausser der sonst der Mensch nichts habe, weswegen sie nicht
mit dem Leibe sterben, sondern unsterblich seyn müste. |
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Dieser
Schluß von der Unsterblichkeit der Seele setzet drey Sätze voraus,
welche
bewiesen werden müssen: |
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1) |
daß eine Seligkeit vor die
Menschen
vorhanden. |
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Dieses wird daher
bewiesen, weil
GOtt allen Menschen einen Trieb zur höchsten Glückseligkeit
eingepflantzet. Denn hat er dieses gethan, so muß auch die höchste
Glückseligkeit, als das Object solchen Triebes, vorhanden seyn, weil
GOtt nichts vergeblich thut; gleichwol aber würde ein solcher Trieb
vergeblich seyn, wenn er kein würckliches Object hätte. Nun kommt es
darauf an, ob GOtt allen Menschen einen Trieb zur höchsten
Glückseligkeit eingepflantzet? Um solches darzuthun, so hat
Rüdiger in dem angezogenen Ort §. 23 u.ff. die Sache in fünf
Sätze gebracht, und einen jeden
bewiesen. |
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Der eine ist, daß die Seele einen würcklichen
Trieb zur höchsten Glückseligkeit habe, welches zwar ein jeder durch
eigene
Empfindung fühlen könte; man sähe aber dieses auch daraus, daß
die Menschen mit dem, was sie in dieser
Welt
hätten, nicht zufrieden wären. Unvernünftige wolten entweder immer was
anders haben, als die Wollüstigen; oder etwas mehrers, als sie
gegenwärtig hätten, wie die Ehr- und Geldgeitzigen. So blieben auch
vernünftige und christliche
Menschen bey dem, was sie in der Tugend und
in
GOtt in dieser
Welt finden, nicht stehen; sondern trachteten immer
nach grösserer Vollkommenheit. Und weil solche Bestrebungen sich bey
allen Menschen finde, so müste der Trieb auch allgemein seyn. |
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Der andere Satz ist, daß die
Begierde zur
höchsten Glückseligkeit ursprünglich ein Trieb, und nicht durch eine
Gedancke erreget sey. Denn käme sie von einer Gedancke, so müste eine
Empfindung der höchsten Glückseligkeit geschehen seyn, welche allezeit
vor der Gedancke hergehe; solte man sie aber empfinden, so müste sie
würcklich vorhanden seyn; weil nun aber das nicht wäre, so könte man sie
nicht empfinden, folglich |
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{Sp. 1123|S. 575} |
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auch keine Gedancken davon haben. Man sähe dieses
noch aus andern Umständen. Denn diese
Begierde befände sich bey allen
Menschen
in gleichem Grad der Heftigkeit; da hingegen diejenigen Begierden,
welche aus den Vorstellungen, oder Gedancken entstünden, die
Gemüther
ungleich bewegten, daß sie bald scharff, weil schwach wären. Ja
diejenigen, welche wenig dächten, als dumme Leute und
Kinder, empfänden
eben so einen starcken Trieb dieser Glückseligkeit, als kluge und
erwachsene. |
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Der dritte Satz ist, daß dieser Trieb natürlich
sey, und mit allen
Menschen
gebohren werde. Dieses
beweiset er aus dem
Weinen der
Kinder über einen vergangenen Schmertz, wenn sie etwa
böse
Worte, oder Gebehrden, oder einen Schlag bekommen, und jämmerlich zu
weinen fortfahren. Dieses zeige einen Schmertz in der Seele an; da nun
ein
Kind sehr viele
Annehmlichkeit genüsse, und vielmehr, als wenn es
erwachsen sey, und dennoch wegen einer eintzigen Verdrüßlichkeit so
lange nachweine, so könne dieses Nachweinen nichts anders bedeuten, als
eine Betrübniß darüber, daß wir nicht lauter Annehmlichkeit genössen.
Auf solche Weise wolten auch die neugebohrnen
Kinder lauter
Annehmlichkeit genüssen, das ist, eine vollkommene Glückseligkeit haben,
folglich werde der Trieb dazu uns angebohren. |
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Der vierte Satz ist, daß solcher Trieb von
GOtt eingepflantzet sey. Denn es sey gewiß, daß alle
natürliche, allgemeine Triebe, wenn sie weder der
göttlichen Liebe, noch
der vernünftigen
Liebe anderer
Menschen, und seiner selbst zuwider, von
GOtt herkommen; da nun dieser Trieb aber von diesen, so müste man ja
sagen, daß er von GOtt gegeben. |
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Der letzte und fünfte Satz heisset, daß solcher
Trieb dem Menschen allein zukomme, welches daher erwiesen wird, weil man
bey den Thieren weder Freudigkeit noch Betrübniß, als
Würckungen dieses
Triebs, anträfe. |
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Nachdem er dieses voraus gesetzet, so schlüsset
er, weil
GOtt diese
Begierde nicht vergeblich eingepflantzet, so müsse
ihr Object, das ist, die höchste Glückseligkeit vorhanden seyn, welches
der erste Haupt-Satz in dieser Demonstration ist. |
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2) |
[1] Der 2te ist, daß in dieser
Welt solche höchste
Glückseligkeit nicht anzutreffen, welches er vorher in einem besondern
Capitel erwiesen, und gezeiget, wie das Gute und
Böse allezeit mit
einander vermischet, voraus den folget, daß nach diesem
Leben noch ein
ander Leben, in welchem die vollkommenste Glückseligkeit statt finde: |
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[1] |
HIS-Data: Zählung ergänzt |
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3) |
zum Genuß dieser Glückseligkeit kan nicht der
Leib; sondern die Seele gehören. Denn man weiß aus der
Erfahrung,
daß der Leib verweset, und die Seele hat auch solche bey sich. Dieses
ist der nächste Satz, der den
Schluß von der Unsterblichkeit der Seele
an die Hand giebt. Denn soll sie zu der höchsten Glückseligkeit
gelangen, so muß sie unsterblich seyn. |
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