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Zedler: STUDIUM JURIS [4] HIS-Data
5028-40-1229-1-04
Titel: STUDIUM JURIS [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1243
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 635
Vorheriger Artikel: STUDIUM JURIS [3]
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Stichworte Text Quellenangaben
Ludwigs Exempel So weit also sind die Mittel angewiesen, der Verwirrung in denen Rechten und Gerichten unsers Vaterlandes abzuhelffen. Nun wollen wir solches durch ein Exempel erläutern. Und weil gleich die  
  {Sp. 1244}  
  vergangene Woche (so lauten des offt gedachten Ludwigs selbsteigene Worte) eine Rechts-Sache eingelauffen, die sich hieher schicket; so mag solche das Muster davon seyn, damit niemand gedencke, als hätte man solche erst aussuchen müssen.  
  Es ist nehmlich eine wichtige und seltene Frage vorgekommen: Ob ein Gläubiger, der seine Schuld-Post ausgeklaget, und die Rechts-Krafft eines Urtheils vor sich hat, zwölff von Hundert jährliche Zinsen fordern möge, wenn der Schuldmann nicht bezahlet? Dergleichen Proceß hänget nun an den höchsten Reichs-Gerichten, und kan wohl, bey so grosser Verwirrung des Römischen und Deutschen Rechts, niemand Bürge seyn, ob die Frage vor den Gläubiger, oder den Schuldner ausfallen werde.  
  Der Gläubiger gründet sich auf den klaren Buchstaben der Römischen Gesetze, l. 1. 2. C. de usuris rei judicatae, in welchen versehen, daß, wenn ein Schuldner, auf ein Rechts-kräfftiges Urtheil, nach vier Monaten nicht bezahle, er sodann zwölff vom Hundert zu zinsen, von solcher Zeit an schuldig seyn solle. Denn ohngeachtet der Kayser Justinianus mehr, als 6 vom Hundert zu nehmen, in dem l. 26. C. de usuris schlechterdings verboten; so habe doch derselbe die zur Strafe denen säumigen Schuldleuten und übeln Bezahlern auferlegte 12 vom Hundert, als ein gerechtes Zwangs-Mittel, beybehalten wissen wollen.  
  Der arme Schuldmann aber hält sich an die Deutsche Reichs-Satzungen der  
 
  • Reichsabsch. Augsp. 1530. tit. 26. §. 8.
  • Deputat. Absch. 1600. §. 139.
  • Reichsabsch. Regensp. 1654. §. 174.
 
  nach welchem 5 vom Hundert festgesetzet, mehr aber Zinsen zu nehmen schlechterdinges verboten, auch allen Scheinhändeln von Wiederkauffe, Gegen-Gebrauch, Gegen-Ablauff, u.s.w. darinnen umständlich vorgebauet worden. Bey welchen Umständen denn die Römische Monat-Zinsen, das ist, jährlich 12 vom Hundert, keine Statt finden.  
  Der Schuldmann suchet auch in dem Päbstlichen Kirchen-Rechte Trost, in welchem die Zinsen schlechterdinges, als eine Todsünde und Ehrenrühriges Verbrechen, verboten; indem man leihen, und dafür nichts wieder fordern, am allerwenigsten aber sich über das geliehene Zinsen bezahlen lassen solle. c. 10. X de usuris.
  Weil nun, durch die gantze Occidentalische Christenheit, mithin auch im Deutschen Reiche, diese Weise, von dem Verbot alles Wuchers und Zinsen überhaupt gar genau in Acht genommen worden; so wird der Schluß daraus gezogen, daß, wie die Römische Wucher-Gesetze das Deutsche Reich niemahls beflecket, also man auch gegen die üble Bezahler solche keinesweges zur Straffe eingeführet und angenommen halten möge.  
  Bey dieser Gesetze-Beschaffenheit nun fänget sich das Gewirre der Rechtsgelehrten an, und läuffet dergestalt durch einander, daß das Urthel einem blinden Glückes-Topff ähnlich wird, zu gewinnen, oder zu verliehren. Wilst du sicher gehen, und dich etwa von den Rechtsgelehrten für dein Geldes unterrichten lassen, so wirst du dadurch wenig gebessert. Denn in solchen Abgründen schläget die Wünschelruthe nach dem Orte, wohin, der belehret seyn will, gedencket. In dubio pro quaerente.  
  {Sp.1245|S. 636}  
  Und da haben dann alle beyde auf dem Papiere Recht und schlagen darauf in den Gerichten ein, wenden Geld und Zeit auf, bis das Glück einem wohl will, und den andern verlässet. Und damit niemand gedencke, daß dieses ohne Grund gesaget sey; so wollen wir die Nahmen der grossen Rechtsgelehrten nennen die einander hieselbst entgegen sprechen, und so wohl Klägern als Beklagten, das Wort reden.  
  Einige wollen durchaus behaupten, der Wucher 12 vom 100 sey noch jetzo billig und recht, und müsse gegen einen, durch ein rechtskräfftiges Urthel, verdammten losen Bezahler darauf gesprochen werden. Unter dieser Fahne stehen und fechten der Reichs-Hof-Rath Freyherr von Wernher Part. X. Observ. 253. wie auch der Wittenbergische Ordinarius Leyser in Medit. ad D. Specim. CCXLIV. Medit. 7. p. 866. Welche beyde diejenigen Richter einer unzeitigen Barmhertzigkeit beschuldigen, die einen solchen losen Bezahler nicht auf 12 vom Hundert, nach Schärffe der Rechte, verurtheilen wollen. Es wäre solches Straffwucher, oder Straffzinsen, und die Straffen dienten zur guten Ordnung. Es liege also nur an den unwissenden Advocaten, daß sie solchen Falls nicht auf 12 procent loß klagten. Der Richter müste darnach sprechen, weil die Gegenmeynung der barmherzigen Tröster die angenommene Gesetze nicht aufheben könnte.  
  Hingegen sagen fast alle ander Rechtsgelehrte, der Wucher 12 procent sey eine im Deutschen Reiche unbekannte Sache; und dannenhero habe es bey 5 procent auch alsdenn sein Bewenden, wenn gleich der Gläubiger ein Rechtskräfftiges Urthel vor sich erhalten. In welchem Lager  
 
  • Brunnemann in Comment. ad l. fin. C. de usur. rei jud.
  • Ummius de Process. Disp. XXI. thes. 7.
  • Struv in Synt. Jur. Civ. Exerc. 44. th. 16.
  • Lauterbach in Coll. ad D. de usuris §. 22. und de Re judicata §. 31.
  • Stryck ad Lauterbach. tit. de Usuris,
  • Graß in Dissert. Juris Rom. et Recess. Imp. Spec. VI. §. 1. p. 251.
  • Titius ad Lauterbach. Observ. 1048.
 
  und andere sich bewaffnet finden lassen. Wie denn noch ins besondere Lauterbachius hinzusetzet, daß ihm weder in der Reichs-Cammer, noch sonsten, ein Rechtshandel vorkommen, da die Partheyen entweder darauf geklaget, oder ein Urthel erhalten hätten.  
  Was nun zu thun? Beyde gegen einander streitende Partheyen haben ihre Anhänger und Liebhaber. Und wie leicht wäre es wohl, diesem Streite auf dem Reichs-Tage, durch einen tüchtigen Ausspruch, ein Ende zu machen? Nach dem ja doch auch, bey dem jetzigem ewigen Reichs-Tage, es die hohe Gesandschafften eben an der Zeit haben, dergleichen Sachen vorzunehmen, und auf einen oder den andern Weg zu entscheiden.  
  Nur du denckest vielleicht bey dir, was solle aber inzwischen hieselbst die obbesagte Lehre von dem Unterscheide des Deutschen und Römischen Rechtes helffen: Und dieses ist es eben, was hier nunmehro zu sagen und auszuführen seyn will, als wodurch man die Schwäche und Stärcke der streitenden Rechts-Lehrer leichtlich zu beurtheilen, fähig seyn wird.  
  Denn so viel die 12 vom Hundert in dem Wucher betrifft; so ist dieses eine  
  {Sp. 1246}  
  denen Römern eigene Sache: Weil diese ihre Gelder nur auf Monat-Zeiten ausgeliehen, und dahero monatlich eines von Hundert Zinsen genommen, welche man Centesimas genennet, und welche das Jahr hindurch zwölff von Hundert ausgemacht haben.  
  Inzwischen muß niemand dafür halten, daß die Römer solches jederzeit, und in einem auf lange Zeit vorgestreckten Anlehen gethan. Denn in solchem Falle vergliche man sich, der Zinsen halben, auf 4. 5. 6. 7. 8. und mehr oder weniger vom Hundert war also jederman das Unciarium Foenus, oder der Monats-Zins, eines vom Hundert, erlaubet; aber nicht mehr, als einen vom Monat zu nehmen, zugelassen. Wenn aber alle Zinsen auf etwas gewisses verglichen waren, mithin man Zweifel haben konte, wie hoch der Schuldmann, nach einem Rechtskräfftigen Urthel, den Hauptstuhl verzinsen müste; so war der Ausspruch dieser: zwölff vom Hundert, oder auch, wie es vorher gewesen, Zweymahl zwölff vom Hundert jährlich. Welches aber Justinianus in dem l. 2. C. de usur. rei jud. bey dem erstern bewenden lassen. Mit einem Worte, zwölff vom Hundert war sonsten niemand zu bezahlen schuldig, wenn es nicht nahmentlich also verglichen war. Ausser in denen, nach dem Buchstaben der Gesetze, geordneten Fällen, als z.E. wegen allzulangen Verzugs oder Saumseligkeit, nach erhaltenen und Rechtskräfftig gewordenen Urtheile, u.s.w.  
  Alles dieses verhält sich nun in dem Deutschen Reiche gantz anders. Denn die Deutsche gaben ehedem gar kein Geld auf Wucher, den sie beständig, bis zu Zeiten Lutheri vor Sünde hielten. Folglich da keine Conventional-Zinsen Statt hatten; so mochte auch um so viel weniger an rechtliche oder Straff-Zinsen gedacht werden. An statt des Wuchers aber kauffte man auf liegenden Gründen und Gütern Zinsen. Welche Beschwerung deswegen vor keinen schädlichen Wucher gehalten worden, weil es ein Kauff und kein Anlehen hiesse; so denn auch weil aus den Einkünfften des Grundstückes die jährlichen Zinsen genommen wurden. Vom Unciario Foenore oder denen Centesimis Usuris, das ist, Monat-Zinsen, wusten die Deutschen Rechte gar nichts: Weil man das Jahr bey uns nur einmahl erndtet; mithin keine andere, als Jahrs-Zinsen, im Zinsen, kauffen und verkauffen, üblich waren.  
  Endlich schicket sich diese Lehre de Centesimis Poenalibus, oder von denen Straff-Zinsen auf unsere Deutsche Gerichts-Sporteln oder Straff- und Pönalien-Cassen so wenig; als in Diebstählen die Actio in Duplum aut Quadruplum. Denn wenn die Partheyen zu bestraffen; so fliesset die Straffe den Gerichte, nicht aber dem obsiegenden Kläger, zu. Bey welchen Umständen wenn der Schluß dieser ist, daß die usurae Poenales, oder der Römische Straff-Wucher, in denen Deutschen Rechten und Gerichten keine Statt findet, wie auch ein Exempel davon gewiesen worden.  
  Solches nun noch deutlicher zu machen; so wollen wir zwey sich widersprechende Urthel hieher setzen, und daraus die Erkänntniß nehmen lassen, daß derjenige, welcher die Römischen und Deutschen Rechte gründlich gelernet, in beyde Sättel gerecht sey, dem ge-  
  {Sp.1247|S. 637}  
  meinen Hauffen nachzusingen, und so denn auch seinen eigenen Mann für sich zu stehen. Künstlich ist es, den Mantel nach dem Winde zu hängen, aber deswegen nicht recht; welches keine menschliche Absichten leidet.  
  Wir setzen also erstlich den Fall, du wärest von dem Kläger auf 12 vom Hundert gegen den Beklagten eingenommen; so würde das Urthel also ausfallen: In Sachen Titii, Gläubigers und Klägers an einem; Caji, Schuldners und Beklagten andern Theils, wird hiermit, nach Verlesung der Acten, zu Recht erkannt: Daß Beklagter dem Kläger, von Zeit des Rechtskräfftigen Urthels. die Schuld-Post mit 12 vom Hundert jährlich zu verzinsen, schuldig. V.R.W.  
  Nun höre auch die schönen Rationes dubitandi et decidendi, die Schein- und würckliche Gründe, nach unserer Waidsprach abgefasset: Ob es gleich scheinen möchte, daß die Römischen centesimae im Deutschen Reiche keine Statt fänden, angesehen anfangs die Deutsche gar keinen Wucher gebilliget, vielmehr, vor der Zeit des Christenthums, denselben der Gebrauch des Geldes gar nicht bekannt gewesen, (usum auri et argenti ignorant, saget Tacitus de M.G. c. 17.) nach angenommenen Christenthum aber dieselbe dem Päbstlichen Kirchen-Rechte gefolget, welches alle Zinsen vor verdammlich und ehrenrührig hielte, c. 10. X. de usuris.
  Ferner da man endlich auf dem Reichs-Tage dem gemeinen Besten Statt gegeben, damit reiche Leute das Geld nicht im Kasten liegen lassen möchten, man nur 5 vom 100 jährlich erlaubet, sich aber nach dem Justinianischen Rechten in dem l. 26 C. de usuris gar nicht gerichtet habe, weil in denselben 6. 8. und mehrere vom Hundert in gewissen Fällen, zugelassen; bey welchen Umständen dann auf die Poenales centesimas, das ist, 12. vom Hundert, gar keine Absicht zu nehmen: über dieses, weil die Päbstliche Kirchen-Rechte im Deutschen Reiche eher in einen gerichtlichen Gebrauch gekommen, als die Römischen Gesetze, diese letztere denen erstern billig nachzusetzen; bevorab, da die gemeine Meynung so gar auch bey den Evangelischen Rechtsgelehrten die Oberhand behielte, daß man nehmlich, so offte von Vermeidung einer Sünde gehandelt werde, allemahl dem Canonischen Rechte folgen müsse. Strykius c. 1. feud. qu. 28.
  Dahero endlich die gemeine Landstrassen diese sey, wo in dem Römischen Rechte der Straffwucher vom 12 Procent eingeführet, wenn sich ein Verwalter, Pfleger, oder Bedienter, an seines Herrn oder Pflegbefohlenen Geldern vergriffen.
  • l. 19. 38. D. de negot. gest.
  • l. 7. 54. D. de administr. lut.
  • l. 1. C. de usur. pupillar.
  Dennoch darauf so wenig in den Deutschen Gerichten, als nach einem Rechtskräfftigen Urthel, auf 12 procent vom Hundert geklaget oder erkannt werden möge.
  • Brunnemann ad l.f. C. de usur. rei. jud.
  • Struv Exerciz. 44. §. 16.
  welche gemeine Meynung denn allen Neulingen billig vorzuziehen, wovon in denen bald anfangs angezogenen Gelehrten Anzeigen N. XLII §. 20. ein mehrers.  
  Dennoch und dieweil  
 
1) das Römische Recht im Deutschen Reich schlechter Dinges eingeführet; in demselben aber gegen einen losen Bezahler, nach einem Rechtskräfftigen Urthel, dem Straffwucher, auf
 
  {Sp. 1248}  
 
  12 vom Hundert in l. 2. et fin. C. d. usur. rei jud. auch schlechterdings nachzugehen, und weder Richtern, noch Urthelsfassern erlaubet, von dieser Römischen Richtschnur abzuweichen; nachgehends
 
 
2) Dieses zur guten Ordnung dienet, wenn ein Gläubiger sich fast arm und müde geklaget, er, durch solchen Straffwucher, dem losen Zahler Füsse machte, das schuldige abzuführen, auch allenfalls
 
 
3) sich, der Unruhe und Unkosten halben, an den 12 procent wieder erholen könnte:
 
  Dagegen  
 
  • was in denen Rationibus dubitandi angeführet, dergestalt bey Seite zu legen, angesehen von den geldlosen Alten auf die heutige geldsüchtige Zeiten in Deutschland kein Schluß zu machen;
  • das Päbstliche Kirchen-Recht sich selbsten hierunter geändert und nur den übermäßigen Wucher verdammt, c. 1. de usur. in 6. c. un. Clement. de usur. die ordentliche 5 von 100 den ausserordentlichen Straffwucher so wenig aufhebten, als Justinianus, weil er l. 26. C. de usur. die centesimas auf 6 procent, um die Hlffte, herunter gesetzet, die Zwang-Zinsen nach einem Rechtskräfftigen Urthel deswegen aufgehoben;
  • die Päbstlichen Kirchen-Rechte von dem Straffwucher oder den Zwang-Zinsen, post rem judicatam nichts wissen;
  • die Rechts-Regel de peccato vitando, bey einem Evangelischen Rechts-Gelehrten, deswegen einfältig heraus kommet, weil das Päbstliche Kirchen-Recht unzählige Handlungen zur Sünde machet, die nach dem Göttlichen Rechte erlaubet, und ohne Tadel seyn;
  • was von vergriffenen Pupillen- oder herrschafftlichen Geldern in ll.cc. angeführet, auch dabey auf 12 vom 100 gegen die Betrüger billig zu erkennen;
  • wenn schon noch so viele Rechtsgelehrte dagegen sprächen, dieselbe deswegen für keine Gesetze anzunehmen, noch den Gesetzen vorzuziehen:
 
  Als sind wir, wie geschehen, zu erkennen, bewogen worden.  
  Hast du aber mit dem armen Schuldmann ein Mitleiden: so magst du auch dem vorigen gerade entgegen sprechen. Wir wollen dir darzu den Weg leichtlich bahnen, wie folget:  
  In Sachen Titii, Klägers eines; Caji, Beklagten andern Theils, wird hiermit zu Recht erkannt: Daß die Klage nicht Statt habe; Kläger auch die verursachte Unkosten dem Beklagten wieder zu erstatten schuldig. V.R.W.  
  So viel nun die Rationes betrifft; so wäre es nun wohl eine leichte Sache, in dem obigen Gegenurthel aus den Rationibus dubitandi rationes decidendi zu machen; das ist, den Schatten für den Cörper anzunehmen. Damit aber auch ein gemeiner Mann zur Erkänntniß geführet werde, wie es mit den Urtheln, die noch so schlimm seyn, heisse: sie gleissen schön von aussen; so wollen wir, zum Überfluß, die Beweg-Ursachen auch des letztern Urthels hieher setzen. Wie denn jener Amtmann wohl recht gesagt, es wäre mit dem Urthelmachen eine tolle Sache, daß sie alle einerley Kauff wären, und das schlimmste eben so viel, als das allerbeste, gelte.  
  Die Rationes sind also folgende:  
 
  • Ob es wohl scheinen möchte, daß die Römischen Gesetze wenigstens vom Jahr 1495 im Deutschen Reiche angenommen worden, und zwar dergestalt, daß nach selbigen in den Gerichten gesprochen werden solle; nachgehends solches auch die Cameralisten, mit ihrem Exempel,

    {Sp. 1249|S.638}

    befestigen, weil dieselbe, von solcher Zeit an, beständig die Römischen Gesetze in ihren Relationibus, Decisionibus, und Observationibus cameralibus zum Grunde geleget, wovon die Cammer-Gerichts-Urthel, welche Barth und Seiler, gesammlet, und ausser dem Gail, Mynsinger, Cothmann, Tilemann, Gilmann, Denaise, Blum, von Ludolph und viele andere, zum beständigen Zeugniß dienen könnten; bey welchen nichts, als die Pandecten und der Codex der Römer anzutreffen wären;
  • da nun also das Römische Recht in dem l. 2 et fin. C. de usuris rei jud. den losen Zahler nach einem Rechtskräfftigen Urthel auf 12 vom 100 verdammet wissen wollen, keinem Richter noch Rechtsgelehrten erlaubet wäre, davon abzugehen, und das Urthel aus seinem Gehirne, nicht aber aus dem Gesetz-Buche, zu sprechen;
  • und obgleich ferner so viele Rechtsgelehrten vorgäben, dieser Straffwucher 12 vom 100 wäre längstens abgeschaffet und inter leges abrogatas zu rechnen, man denselben so lange nicht zu glauben, bis sie aus einem Reichs-Gesetze, oder Reichs-Herkommen, was sie sagten, erweisen;
  • zu geschweigen, daß dieser Straffwucher in der selbst redenden natürlichen Billigkeit bestände, weil dadurch der üble Bezahler zum Gehorsam gebracht, oder dem Gläubiger sein langes Warten und Klagen einiger massen vergolten würde:
 
  Dieweil aber  
 
  • anfangs das beständige Herkommen in Deutschen Gerichten mit sich bringet, daß von dem Römischen Wucher in demselben nichts eingeführet oder angenommen worden;
  • vielmehr man bis 1530 dem Römischen Kirchen-Rechte gefolget und auf keinen Wucher jemahls erkannt hat, (wovon in den Anzeigen N XII 1732) und obgleich nach der Zeit, als der Wechsel-Handel aus Italien und denen Niederlanden sich auch in Deutschland gezogen, man auch den Wucher nachgelassen, solcher dennoch nicht nach den Römischen Gesetzen in dem l. 26 C. de usuris eingerichtet; sondern nur auf 5 vom 100 gesetzet worden, Rec. Imp. August. 1530 Tit. 26. §. 8, woraus genugsam erhellet, daß Deutschland mit den Römischen Wucher-Gesetzen gar nichts jemahls zu thun gehabt habe;
  • und da ferner die Römischen Kirchen-Rechte eher in Deutschland angenommen worden, als die Römischen Kayser-Rechte, im Urthelsprechen die Ordnung in Deutschen Gerichten und Rechts-Stühlen zu halten, daß erstlich auf den Landes-Brauch; so dann auf die Canones, und letztens erst auf das Corpus Juris zusehen, mit denen, ohne diesen, im Reich festgesetzten Modum Procedendi, umzustürtzen, man dem Römischen Straff-Wucher keine statt geben mögen;
  • nicht zu gedencken, daß die Straff-Klagen, oder Actiones poenales, keine Deutsche Weise seyn, weil die Straffen des Ungehorsams nicht denen Partheyen, sondern dem Richter zufliessen;
  • Dagegen, was oben in denen Rationibus dubitandi angeführet, leicht sich bey Seiten zu legen;
  • angesehen
 
 
 
1) die Römischen Gesetze im Jahr 1495 nicht so schlechterdinges, mit Verdringung oder Aufhebung der Deutschen Rechte und Sitten, sondern nur alsdann zum Rücken- oder Hinterhalt angenommen worden, wenn es an Deutschen Satzungen oder Sitten fehlen solte; welches hier deswegen nicht zu sagen, weil die Deutschen anfangs vom Wucher gar
 
  {Sp. 1250}  
 
 
  nichts gehalten, nachhero aber sich selbsten eigene Wucher-Gesetze gemachet, ohne auf den l. 26. C. de usur. die geringste Absicht zu nehmen;
 
 
 
2) wenn die Cameralisten dem Römischen Rechte einen weitern Platz machen, solches meistens aus Unwissenheit der Rechte ihres Vaterlandes geschiehet;
 
 
 
3) jeder Richter und Rechtsgelehrter vielmehr darauf in seiner Pflicht gewiesen, vornehmlich nach dem Land-Rechte oder Landes-Brauche eines jeden Orts zu sprechen, keinesweges aber, wenn diese sich finden, auf die Römische fremde Gesetze zu fallen;
 
 
 
4) es also in solchen Fällen eine vergebene Frage ist, ob das Römische Recht diesfalls abgeschaffet, weil vielmehr solches niemahls angenommen worden;
 
 
 
5) die Deutschen Gerichte schon andere Mittel haben, einen bösen Schuldner zum Gehorsam zu bringen, ohne der centesimarum sich zu bedienen;
 
 
 
6) die Straffen dem Richter, und nicht denen Partheyen, zu gehören;
 
 
 
7) endlich, bey solchen Umständen, der Kläger gar keinen tüchtigen Grund gehabt, die Klage anzustellen:
 
  Als sind wir, wie im Urthel enthalten, in der Haupt-Sache so wohl, als auch der Unkosten halben, zu erkennen, bewogen worden.  
  Wundre dich über diesen seltsamen Aufzug der in sich streitenden Urtheile nicht! Prüfe und erwege aber den oben in diesem Stücke angezeigten Grund dieses Unheils, und wie demselben abzuhelffen. Ein mehrers hieher gehöriges kan bey denen in Struv. Biblioth. Jur. c. 7 §. 11 in grosser Menge angeführten Rechts-Lehrern, und deren Anweisungen die Rechte zu studiren, nachgelesen werden.
  Siehe auch  
 
  • Rechts-Gelehrsamkeit, im XXX Bande, p. 1432 u.f.
  • wie auch Römische Rechtsgelehrten, im XXXV Bande, p. 1535 u.f.
 
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries