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Text |
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II. Von der Hermenevtischen
Wahrscheinlichkeit.¶ |
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Die Hermenevtische Wahrscheinlichkeit hat
die
Reden anderer zu dem Objecte, bey denen
Zweiffel vorfällt, wie sie zu verstehen seyn, damit
man den rechten
Verstand des Redenden
erkennen und begreiffen, und ihm keine andere
Meynung, als die er, durch seine Reden, hat zu
erkennen geben wollen, antichten möge. |
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Ist eine Rede deutlich, daß sie aus solchen
Worten bestehet, die so wohl an sich, als auch
nach ihren Bedeutungen und
Zusammenhange,
bekannt sind, so braucht sie keiner Auslegung,
welche alsdenn erst angestellt werden muß, wenn
sich eine Dunckelheit zeiget. Bey einer dunckeln
Rede, können allerhand
mögliche Auslegungen
angestellet werden, welche mancherley mögliche
Auslegungen, auf welche, bey Betrachtung eines
Textes, in Ermangelung der Gewißheit, das
menschliche Ingenium fallen kan, eben die
Hypotheses sind, deren diejenige vor allen
andern, mit welcher die meisten in dem Texte
vorfallenden Umstände übereinstimmen, als
wahrscheinlich anzunehmen ist: Dahin eben die
Hermenevtische Wahrscheinlichkeit abzielet. |
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Erwegen wir, wie vielerley Auslegungen
bisweilen über eine eintzige Stelle gemacht
werden, und wie man selbst schwere Orte
auszulegen, so erhellet daraus die
Nothwendigkeit
und die Nutzbarkeit dieser Lehre, daß wir
entweder wahrscheinliche Erklärungen machen,
oder anderer Auslegungen vernünftig nach dem
Maaß der Wahrscheinlichkeit prüfen können.
Setzen wir dieses zum Voraus, so können wir
solche Wahrscheinlichkeit also beschreiben: Sie
ist diejenige
Art der Wahrscheinlichkeit, da man,
daß eine Rede, oder ein Text, dem
Sinne seines
Urhebers gemäß, diesen, oder jenen Verstand
habe, aus der Übereinstimmung gewisser
hermenevtischer Umstände, so schliesset, daß
dabey noch eine gegenseitige
Möglichkeit statt
findet. Insbesondere können wir auch drey Stücke
erwegen: |
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1) |
Die
Sache, welche
wahrscheinlich |
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{Sp. 1043|S. 535} |
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soll
erkannt werden, so
der wahre
Verstand einer
Rede, daß man von
demjenigen, so der Redende hat anzeigen wollen,
eine
Empfindung bekommt, es sey nun, daß er
weiter nichts, als was die
Worte nach ihrer
Bedeutung unmittelbar andeuten, hat vorstellen;
oder durch die Sache noch etwas anders
anzeigen wollen. Lieset, oder höret man die Rede
eines andern um deswegen, daß man seine
Meynung erkennen möge, so ist leicht zu
erachten, wie viel an der Erkänntniß des wahren
Verstandes gelegen: |
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2) |
Der
Grund, worauf diese
Wahrscheinlichkeit beruhet, welchen wir in ihrer
Beschreibung eine Übereinstimmung gewisser
Umstände genennet. Weil aber auch die andern
Arten der Wahrscheinlichkeit auf dergleichen
Grund beruhen, so müssen wir selbigen etwas
genauer bestimmen, und sagen, es sey diese
Wahrscheinlichkeit auf die Übereinstimmung
gewisser Hermenevtischen Umstände
gegründet. |
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Solche Hermenevtische
Umstände können füglich in zwey Classen
eingetheilet werden. Einige sind in dem Texte, den
man erklären will, selber zu suchen; etliche aber
befinden sich ausser denselben. Jene, die in dem
Texte selber zu suchen, sind wieder zweyerley,
und gehen entweder die
Worte und
Redensarten;
oder die
Sache selbsten an. Die Worte und
Redensarten nimmt man nach ihrer ordentlichen
Bedeutung, indem zu vermuthen, daß ein
vernünfftiger
Mann, welcher deswegen redet und
schreibet, daß man ihn verstehen möge, sich
darnach richte, massen er, wenn er entweder
fremde Wörter, oder bekannte in fremden und
ungewöhnlichen Bedeutungen gebrauchen wolte,
er sich damit unverständlich machte, daß er
seinen
Zweck nicht erreichen könnte, und eine
Thorheit begienge. |
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Wir haben in Ansehung
der Worte und Redens-Arten fürnehmlich folgende
aus der Natur dieser Wahrscheinlichkeit gar
deutlich fliessende
Regeln, bey Auslegung eines
Textes, zu beobachten: |
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Erstlich, muß ein Ausleger
der
Sprache, in welcher der Urheber des Textes
geredet, oder geschrieben hat, vollkommen
kundig seyn, dergestalt, daß er sie nicht allein
grammatisch, sondern auch in ihrer Reinigkeit und
Schönheit, ingleichen, in Ansehung ihrer
mancherley Dialecten, besonderer Redens-Arten
und Sprüchwörter, ja auch sogar der
Barbarismorum und anderer Fehler, die etwan
einem Autor anhangen, genau kenne und
verstehe: Welches letztere insonderheit in
Ansehung vieler heutigen
lateinischen
Schrifften
zu mercken ist. |
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Zweytens, er muß ferner
von der Fortpflantzung der Schrifften der Alten bis
auf unsere
Zeiten, und folglich von den alten
geschriebenen Codicibus derselben, die etwa
noch in
Bibliothecken vorhanden sind, und ob die
davor ausgegebenen vor ächt zu halten, nöthige
Erkundigung einzuziehen suchen; Um zu wissen,
ob die Abdrucke derselben, die bis auf unsere
Zeiten gekommen, uns getreulich, ohne Schreibe-
und Druck-Fehler, unzerstümmelt, ohne Zusatz,
und betrügliche
Veränderungen, mitgetheilet
worden. |
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Drittens, aus einem in
andere Sprachen übersetzten Texte, ist keine
sichere und zuverläßige Auslegung desselben zu
machen; In Betrachtung der grossen Ungleichheit
der Sprachen, von welcher Johann |
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{Sp. 1044} |
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Clericus (Art. Critic. …)
ausführlich handelt. |
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Viertens, Ein kluger
Ausleger muß in Erklärung eines Textes,
insonderheit eines alten
Scribenten, sich hüten,
daß er seine Auslegungen nicht auf die Real-Definitionen der abgehandelten Sachen selbst,
auch nicht auf die Nominal Definitionen, die die
Wörter in den heutigen Zeiten haben, sondern auf
die Nominal-Definitionen der Wörter, theils
gebräuchlichen (usuales) der damahligen Zeiten,
theils willkührlichen (arbitrarias) des Scribenten
selbst, gründe: Oder, wie Clericus (in dem
besagten
Buche …)
sagt: |
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[sechs Zeilen lateinischer
Text]. Das ist: „Wir haben uns zu hüten, daß wir
nicht unsre Bedeutungen den Alten leyhen,
hernach aus denselben Bedeutungen von ihrer
Rede urtheilen. Wir müssen gleichsam unserer
Meynungen vergessen, und untersuchen, was dieselben alten Meister geurtheilet haben, nicht, was
sie, unserm Bedüncken nach, hätten urtheilen
sollen, damit sie weise wären.„ |
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Fünfftens, wir müssen aus
der Natur der Sprache, in welcher ein Scribent
geschrieben hat, und aus seiner
Geschicklichkeit
und Ungeschicklichkeit in derselben, den
eigentlichen Nachdruck, oder die Emphasis,
seiner gebrauchten Redens Arten, beurtheilen,
und uns also hüten, daß wir nicht einen besondern
Nachdruck in einer Redens-Art suchen, in welcher
doch keiner ist; Und ihn hingegen übersehen, wo
allerdings einer ist: In welchem Stück insonderheit
diejenigen, die der Sprache eines Scribenten nur
obenhin kundig sind, offt gar lächerliche Fehler zu
begehen pflegen. |
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Zu den Umständen der
Sache selbst, die in den Texte zu suchen,
gehören vornehmlich die Absicht, wohin eine
gantze Rede zielet, und dasjenige, was vor dem
zu erklärenden Texte hergehet, oder auf
demselbigen folget. |
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Die
Erkänntniß der
Absicht einer Rede giebt zur Erklärung
desselbigen ein grosses Licht, und macht, daß
man den wahren Verstand eines
Schrifftstellers
viel leichter treffen kan. Es würden unter andern
über des Grotius Bücher de jure belli et pacis so vielerley
Urtheile nicht gefället seyn worden, wenn
man vorher fleißig erwogen, wohin eigentlich
dieses
Werck abzielen solte. Denn da er weiter
nichts als ein
Völcker-Recht zu schreiben suchte,
so wird man bey dieser irrigen
Einbildung viele
Schwierigkeiten bey der Erklärung dieses Buches
finden. |
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Gleichen
Nutzen hat die
Betrachtung desjenigen, was entweder vor dem
Text hergehet, oder auf denselbigen folget. Wann
eine Stelle von einem gantzen Texte abgerissen
wird, so kan man sie vielmahls nicht verstehen,
und geht auch nicht an, daß man von der
eigentliche
Meynung eines Scribenten ein
Urtheil
aus den Anführungen oder Allegationen anderer,
insonderheit wenn dieses seine Widersacher sind,
fällen wolte. Denn wenn auch diese solche
eintzele Stellen richtig anführen, in den
Worten
und
Redens-Arten (wie doch offt geschiehet)
nichts ändern, verstümmeln oder hinzu thun, so
sind doch |
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{Sp. 1045|S. 536} |
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dergleichen von einem gantzen Texte
abgerissene Stellen von den vorhergehenden und
darauf folgenden Passagen, welches beydes doch
die unentbehrlichen Mittel rechter Auslegungen
sind, abgesondert, in welchen
Zustand sie offt zu
einer gantz unrechten und von dem
Sinne des
Scribenten gantz unterschiedenen Deutung
Gelegenheit geben. |
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Was die Umstände betrifft, die ausser dem
Texte zu erwegen, so sind selbige auch nöthig,
wenn man den rechten Sinn eines Scribenten
erreichen will. Man kan solche auch in zwey
Classen theilen. |
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Einige gehen den Scribenten selbst an; Es
lassen sich hierbey wieder folgende
Regeln
beobachten: |
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Erstlich, es ist gewiß, daß man offt, ohne die
ausser dem zu erklärenden Texte sich
befindenden historischen Umstände, nicht fähig
sey, den Sinn eines Scribenten zu erreichen.
Denn die
Erkänntniß der Beschaffenheit des
Verstandes, der
Studien, Secte,
Principien und
Vorurtheile eines Scribenten, ist der
Grund, nach
welchem, in dem Zweiffel, seiner gebrauchten
Worte und
Redens-Arten zu erklären sind:
Gleichwie auch seine
Affecten und fürnehmsten
Absichten, und folglich seine gantze
Lebens-Beschreibung, wenn sie zu haben ist, in
Untersuchung der eigentlichen Absichten seiner
Reden und
Schrifften offt ein grosses Licht
giebt. |
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Endlich ist nicht leicht eine Schrifft, die sich
nicht auf die Begebenheiten,
Sitten und
Gebräuche der
Zeiten, in welchen sie
geschrieben
ist, hin und wieder beziehen solte; welche man
also, wenn man solcher Begebenheiten nicht
kundig ist, ebenso wenig verstehen kan, als etwan
in dem gemeinen Leben eine kurtze Unterredung
unbekannter Personen von einer Begebenheit,
von welcher man nicht die geringste Kenntniß hat.
Z.E. Das so genannte Apostolische Glaubens-
Bekänntniß wird man ohne die Kirchen-Antiquität
nicht gründlich erklären können; davon King (in
expositione Symbolici Apostolici) eine schöne
Probe gegeben hat. |
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Zweytens, die Bemühung demnach dererjenigen, welche die Anonymos und
Pseudonymos zu entdecken suchen, ingleichen
welche die Lebens-Beschreibungen
gelehrter
Scribenten aus tüchtigen Urkunden zusammen zu
tragen, und denen neuen Auflagen alter
Buücher
beyzufügen bemühet sind, ist
billig als eine sehr
nützliche
Arbeit, durch die sie sich um alle
verständige Leser sehr wohl
verdient machen, zu
rühmen. |
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Drittens, ein Theologe also, der die
Heil. Schrifft zu erklären sich anmasset, muß in den
Geschichten und Antiquitäten des Alten und
Neuen Testamentes gnugsam erfahren seyn; und
ein Juriste, der die
Römischen,
Deutschen,
Päbstischen
Rechte auszulegen unternimmt, muß
die Verfassung des Römischen Staates, die
Römischen Antiquitäten, die Römischen und
Deutschen Staats-Geschichte, die Kirchen-
Historie, und die verschiedenen Secten der
Rechtsgelehrten, inne haben. |
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Vierdtens, wenn solchergestalt ein Juriste die
Historie der
Gesetze, und hieraus die eigentlichen
Absichten derselben, erweget, so findet sich offt,
daß die Erklärung eines Gesetzes weiter
auszudehnen, oder enger einzuschräncken sey,
als die Worte lauten: Aus welchem Grunde die
Juristen gar recht die Auslegung der Gesetze in
declarativam, ex- |
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{Sp. 1046} |
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tensivam, und
restrictivam, eintheilen. |
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Fünfftens, wenn sie ferner
die Auslegung derselben in authenticam, usualem,
und doctrinalem, eintheilen, so ist zu mercken,
daß, was erstlich die authenticam betrifft, ein
Gesetzgeber selbst zwar den eigentlichen
Verstand seiner Gesetze am sichersten anzeigen
könne, aber an diejenige
Meynung, in welcher er
sie zuerst gegeben hatte, nicht gebunden sey,
sondern, wie die Gesetze selbst, also auch den
Verstand derselben, nach seinem Gutbefinden,
ändern könne; da denn nicht so wohl eine
Auslegung, als vielmehr eine Änderung der
Gesetze, hierunter verborgen liegt: Welches
hingegen mit den Reden eines Privat-Mannes so
ohne Unterschied nicht angehet, sondern offt
mehr für eine Ausflucht, dadurch er unrichtige
setze noch bey Ehren zu erhalten suchet, als für
eine aufrichtige Erklärung seiner Reden und
Schrifften, zu achten ist. |
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Eben dieses ist auch von
der interpretatione usuali zu
sagen: Inmassen,
gleichwie überhaupt der Gebrauch, oder das
Herkommen, ein Recht machet, also auch diese
so genannte Erklärung, in so ferne sie der
doctrinali entgegen gesetzet ist, mehr eine
Änderung der eigentlichen Meynung eines
Gesetzes, durch ein Herkommen, als eine richtige
Erklärung desselben, ist: Dahero diese Eintheilung
nicht für allerdings richtig zu halten. |
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Aus der Übereinstimmung
der gedachten Umstände, entstehet nun die
Hermenevtische Wahrscheinlichkeit, bey welcher
wir |
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3) |
ihre Grade erwegen
müssen. Denn nachdem entweder viel, oder
wenig Umstände, mit einer Erklärung
übereinstimmen, so entstehen daher gewisse
Stuffen dieser Wahrscheinlichkeit. |
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Die höchste ist, wenn mit
einer Auslegung die Umstände, die sich so wohl
in- als ausser dem Texte, befinden, genau
übereinkommen. Wofern aber gewisse Umstände
derselbigen entgegen sind, so hat man dieses vor
eine mittelmäßige Wahrscheinlichkeit
anzunehmen. Wenn endlich eine Auslegung so
beschaffen ist, daß sie zwar nichts
widersprechendes in sich fasset, dennoch aber
die Hermenevtischen Umstände schwehr damit zu
vereinigen sind, so machet dieses eine schwache
und geringe Wahrscheinlichkeit aus. |
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Wir mercken hierbey noch
folgende
Regeln an: |
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Erstlich, eine Deutung, die
man einem Texte giebt, welche mit denen
angeführten Umständen desselben nicht
übereinstimmend befunden wird, und also
keinesweges für wahrscheinlich, sondern
höchstens für blos möglich angenommen werden
kan, einer würcklich wahrscheinlichen
vorzuziehen, ist sonder Zweiffel etwas sehr
ungereimtes. |
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Zweytens, es muß dahero
die bekannte Auslegungs-Regel, es sey bey dem
buchstäblichen Verstande so lange zu bleiben,
bis uns eine
Nothwendigkeit davon abzugehen
nöthige, wenn sie zu billigen seyn soll, also
verstanden werden: So lange der buchstäbliche
und eigentliche Sinn wahrscheinlicher ist, das ist,
so lange er mit den Umständen des Textes besser
übereinkommt, als irgendein anderer
uneigentlicher; nicht aber, so lange der
buchstäbliche und eigentliche Verstand nur
möglich ist. |
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Drittens, aus diesem
Grunde sind sehr viele bekannte Auslegungs-Regeln, die uns eine gewisse
Art der Auslegung,
z.E. literalem, propriam, impro- |
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{Sp. 1047|S. 537} |
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priam, extensivam, seu
latiorem, restrictivam seu strictiorem, u.s.w. bey
gewissen
Arten der
Materien beständig, und ohne
Absicht, ob sie mit den Umständen des Textes
übereinstimmen, oder nicht, vorschreiben, unter
die Hermenevtischen Irrthümer derer Rabulisten
und anderer Text-Verdreher,
billig zu zehlen:
Wovon Thomasius (in Cautelis …) unterschiedene
Exempel anführet. |
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Vierdtens,
wahrhafftig
gute Hermeneuvtische Regeln müssen nicht etwa,
als willkührliche Gesetze, aus dem Corpore juris,
oder den berühmten Glossenmachern, ohne
Verstand gelernet und angebracht, sondern aus
den gegenwärtigen logischen Gründen der
Auslegungs-Kunst hergeleitet und begriffen
werden. |
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Fünfftens, wer mit Wissen
und
Willen, und also arglistiger und betrüglicher
Weise, die rechte und wahrscheinliche
Meynung
eines Textes unterdrücket, und ihm dargegen eine
nur mögliche, mit seinem Interesse und Absichten
am besten übereinkommende, Deutung beyleget;
der heisset ein Cavillator, oder Text-
Verdreher.¶ |
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|
III. Von der Physicalischen
Wahrscheinlichkeit.¶ |
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Die Physicalische Wahrscheinlichkeit hat zu
dem Objecte die
Natur, und alles, was in ihr ist,
wie es sich unsern
Sinnen darstellet. An allen
natürlichen Dingen aber ist zweyerley zu
betrachten. |
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Das eine ist die Begebenheit selbst, oder
dasjenige, was an einem jeden natürlichen Dinge,
durch die sinnliche
Erfahrung, existirend befunden
wird, und darinnen wie eine Gewißheit haben; Z.E.
Daß der Magnet das Eisen an sich zieht, daß bey
dem Regen das Wasser in Tropffen herunter fällt,
daß es
Tag und
Nacht wird, u.s.w. |
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In so ferne diese
Erkänntniß ohne
scharffsinnige Unterscheidung alles dessen ist,
was an dem Objecte in die Sinne fället, ist sie eine
gemeine, oder ungelehrte, Erkänntniß natürlicher
Dinge, die alle Leute, wenn sie nur Gelegenheit
haben, durch den blossen Gebrauch der Sinne
erlangen können. In so ferne sie hingegen mit
scharffsinniger Unterscheidung solcher in die
Sinne fallenden
Eigenschafften verbunden ist,
machet sie eine
Art
gelehrter Erkänntniß,
nehmlich die Erkänntniß natürlicher Dinge, nach
ihren Abstractis existentialibus, aus; welche, weil
sie durchgehends auf unläugbare
Empfindungen
der Sinne sich gründet, von demonstrativer
Gewißheit ist. |
|
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Das andere ist das
Wesen natürlicher Dinge,
oder die eigentliche Beschaffenheit solcher
natürlichen Gegebenheiten, so wohl nach den
Ursachen alles dessen, was, durch jene erste
Erkänntniß, in den
Dingen existirend befunden, als
auch nach der Art und Weise, wie es gewürcket
wird. |
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|
Dergleichen Beschaffenheit solcher
natürlichen Begebenheiten, die nicht unmittelbar
in die Sinne fällt, sondern nur mit dem
Verstande
erkannt werden muß, gehöret zu der gelehrten
Erkänntniß, als welche durch das Nachdencken
erregte und abstracte
Ideen in sich fasset, und
macht das eigentliche Wesen einer wahrhafftigen
Physic aus, welche wo sie nur die natürliche
Begebenheiten blos nach ihrer
Existentz erzehlet,
weiter vor |
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{Sp. 1048} |
|
|
nichts, als vor eine
Historische Physic
anzusehen, dergleichen bey der eigentlichen
Physic sie zwar voraus zu setzen; es kommt aber
ihr wahrhafftes Wesen darauf nicht an, und
bestehet vielmehr darinnen, daß man die
natürlichen
Würckungen
nach ihren Ursachen und Arten zu würcken erkläret. Indem man dieses thun will,
so erlangt man keine gewisse, sondern nur eine wahrscheinliche Erkänntniß, indem
so vielerley
mögliche
Principia eines natürlichen
Dinges können ausgedacht werden. |
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Es ist also die Physicalische
Wahrscheinlichkeit diejenige Art der
Wahrscheinlichkeit, da man, daß eine supponirte
würckende Ursache, und die ihr beygelegte
Kräfft
und Art zu würcken, die wahrhaffte
Grund-Ursache eines natürlichen Dinges sey, aus der
durchgängigen Übereinstimmung derselben mit
den Umständen, oder Phänomenis derselben,
vermuthet. Wir können hierbey auch drey Stücke
erwegen: |
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1) |
Die
Sache, die man hier
wahrscheinlich erkennet, welches die caussa
efficiens, nebst ihrer Art zu würcken, einer
natürlichen Begebenheit ist. |
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Weil diese würckenden
Ursachen, und also das Wesen natürlicher Dinge,
unsern Sinnen verborgen ist, und aus den
Würckungen sich nicht mit demonstrativer
Gewißheit schliessen lässet; gleichwohl aber die
Erkänntniß desselben dem
menschlichen
Geschlechte sehr nützlich ist; So muß solches,
durch Hülffe des Ingenii, auf wahrscheinliche Art
erfunden und herausgebracht werden. Es können
aber gar viel dergleichen mögliche würckende
Ursachen eines natürlichen Dinges, und dessen,
was in ihm existiret, erdacht werden, die, so ferne
sie in ihrer Möglichkeit beruhen, zu der
Erkänntniß der
Wahrheit nichts beytragen, deren
auch keine für der andern einen
Vorzug hat. |
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|
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|
Soll nun also aus einer
solchen möglichen würckenden Ursache eine
wahrscheinlich werden, so muß man, Krafft des
Judicii, untersuchen, ob die Umstände, die man,
durch die sinnliche
Erfahrung, an dem Objecte
wahrnimmt, damit übereinkommen. Bey welcher
würckenden Ursache eine solche
Übereinstimmung vorhanden ist, so, daß aus
derselben alles, was in dem Objecte existiret, am
besten hergeleitet werden kan, dieselbe ist vor die
wahrscheinlichste zu achten. Es ist solchergestalt
in dieser Art der Wahrscheinlichkeit die dißfalls
supponirte würckende Ursache, und die ihr
beygelegte Krafft und Art zu würcken, die
Hypothesis, oder
Meynung, die eine
wahrscheinliche Ursach einer natürlichen
Begebenheit in sich hält. |
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|
|
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Erstlich, weil
solchergestalt der menschliche
Verstand, in
Ermangelung gewisser Erkänntniß, die
wahrhafften Grund-Ursachen natürlicher Dinge,
wenigstens durch wahrscheinliche Vermuthung,
zu finden vermag; daß es also eine
schädliche
Faulheit sey, welche aus dem Demonstrations-Kützel, und aus der Unwissenheit, wie man
natürliche Dinge untersuchen müsse, entstanden
ist, die Hypotheses, oder Vermuthungen, in
Untersuchung Physicalischer Dinge, unter dem
Vorwande der Ungewißheit, ohne Unterschied zu
verwerffen, und, an deren Statt, mit blossen
sinnlichen Erfahrungen, und daher genommenen
Abstractis existentialibus |
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{Sp. 1049|S. 538} |
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|
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der Phaenomenorum,
oder
Effecte der Natur, als unläugbaren
Gewißheiten, sich begnügen zu lassen. Rüdiger
hat hiervon eine sehr schöne und ausführliche
Dissertation seinem
Buche
de Sensu Veri et Falsi (…)
einverleibet, welche
billig alle diejenigen, die in
Untersuchung natürlicher Dinge mit der
Zeit etwas
leisten wollen, mit besonderer Aufmercksamkeit,
durchzulesen haben. |
|
|
|
|
Zweytens, es ist aber
auch anderntheils ein nicht geringer Fehler,
würckliche physicalische Hypotheses, oder
Vermuthungen von den Grund-Ursachen der
Dinge, für apodictische Wahrheiten auszugeben.
Denn ob sich gleich die
Wahrheit einer Hypothesis
auf die Phänomena des Objects, welche
unläugbare sinnliche Erfahrungen sind, gründet:
So ist doch die Folge derselben aus solchen
sinnlichen Erfahrungen keinesweges apodictisch,
sondern nur wahrscheinlich; Und es ist also eine
eitle Einbildung, wenn einige ihre Hypotheses,
oder Vermuthungen von natürlichen Dingen,
wohl gar durch die geometrische Methode
demonstriret zu haben sich einbilden, weil sie
nehmlich unläugbare sinnliche Erfahrungen zu
dem
Grund setzen. |
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|
|
Drittens, unter allen
Arten
der Wahrscheinlichkeit ist die Physicalische
unstreitig die kützlichste und zweiffelhaffteste; In
Ansehung der unendlichen Mannigfaltigkeit und
unergründlichen Vielheit der physicalischen
Möglichkeiten; Und in Betrachtung, daß die
Natur
ein
Werck eines Allmächtigen und Allweisen
GOttes ist, dessen Wercke, in Ansehung ihres
innerlichen
Wesens, weit tieffer versteckt sind, als
die auch auf das sorgfältigste verborgenen
Heimlichkeiten des menschlichen Hertzens, auf
deren Erforschung alle übrigen Arten der
Wahrscheinlichkeit abzielen. Dahero in der
That
kein grösserer Aufschneider in der
Welt seyn kan,
als der sich rühmen wolte, die Natur, als ein
Werck eines Allweisen Schöpfers, apodictisch zu
übersehen, und ihr innerstes Wesen aus der
Vernunfft, (a priori) wie etwan ein Exempel aus
der Rechen-Kunst, zu demonstriren. |
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Also muß ein vernünfftiger
Naturkündiger, der in der That einige Einsicht in
natürliche Dinge hat, eben, vermöge dieser
Einsicht, unstreitig erkennen, daß sie höchstens
auf gute Vermuthungen, die hin und wieder gar
fein und nützlich zutreffen, und nicht höher,
gebracht werden könne. Dahero unter allen
vernünfftigen
Wissenschafften wohl keine ist, die,
je gründlicher, sie ist, mit desto mehrerer
Moderationen und Bescheidenheit, und desto
wenigerer Hartnäckigkeit, bey etwa entstehenden
Streitigkeiten, behauptet zu werden
verdienet, als
eben die Physic, oder Natur-Lehre. |
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2) |
den
Grund solcher
Wahrscheinlichkeit, welcher auch überhaupt in der
Übereinstimmung gewisser Umstände beruhet:
insonderheit aber werden hier die Phisicalischen
Umstände erwogen, welche alles dasjenige in sich
fassen, was wir durch die sinnliche
Erfahrung an
einem Object wahrnehmen, und aus deren
Übereinstimmung mit der Hypothesi die
Wahrscheinlichkeit dieser letztern zu urtheilen ist.
Sie werden auch in dieser Art der
Wahrscheinlichkeit Phänomena genennet. Bey
solchem Grunde wird die physicalische Erfahrung
voraus gesetzet, und die |
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{Sp. 1050} |
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Beobachtung folgender
Regeln dienlich seyn: |
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Was die Phänomena
betrifft, so muß erstlich derjenige, der in dieser Art
der Wahrscheinlichkeit etwas leisten will,
zuförderst in der Historie der Natur, und
insonderheit von allen, so wohl gemeinen, als
künstlichen, Phänomenis, oder Experimenten des
Objects, von welchem er handelt, gnugsame
Erfahrung haben: Als welche letztern fürnehmlich,
wenn man sie auf allerhand mögliche Arten
verändert, zu nützlichen Proben dienen können,
ob eine vermeynte Wahrscheinlichkeit den Stich
halte, oder nicht. |
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Zweitens, da die
Erfahrung entweder eine eigene, oder eine fremde
ist, welche letztere, weil man jene nicht allezeit
haben kan, man vielmahls annehmen muß; So hat
man sich hierbey zu hüten, daß, wenn man sich
fremder Erfahrungen bedienet, man nicht durch
falsche Nachrichten betrogen, und dadurch in
wohl gegründeten Vermuthungen irre gemacht
werden möge. |
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Zu dessen Behuf, hat
man drittens ein jedes Phänomenon und
Experiment, nach allen seinen Neben-Umständen,
zu durchforschen; Da mann denn offt befinden
wird, das die Naturkündiger, aus
Wohlwollen
gegen ihre Hypotheses, die Phänomena und
Experimente nicht mit ihren wahrhafften
Umständen, sondern so, wie sie sich auf ihre
Hypotheses am besten schicken, zu erzehlen
pflegen. |
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Was endlich die
Hypothesen anlanget, so muß vierdtens derjenige,
der deren einige erfinden will, in den Gründen der
Physic, zuweilen auch der Mathematic, wohl
bewandert seyn. Denn ob wohl diese Regel bey
den ersten Urhebern der Natur-Lehre ihren Abfall gelitten hat: So erfordern doch heut zu tage, bey
dem Fortgange einer so versteckten
Wissenschafft, die Regeln der
Klugheit, daß, ehe
wir selbst etwas beginnen, wir die
Arbeit unserer
Vorfahren uns zu dem Voraus mit
Verstande zu
Nutze machen nicht verschmähen. |
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Man hüte sich fünfftens,
daß die Hypotheses, die man setzet, nicht allzu
allgemein, und hierdurch dunckel seyn mögen,
dahin insonderheit die Metaphysicalischen
Hypothesen gehören, dergleichen bey den
Aristotelickern z.E.
Materia und
Forma,
Entelecheia, Motus indefinitus, u.s.w. sind. |
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Zu dem Ende ist
sechstens von nöthen, daß man sich nicht
begnüge, etwan eine würckende Ursache eines
Dinges angegeben zu haben; Sondern man muß
auch sehen, daß man die Art und Weise zeigen
könne, wie die angegebene
caussa die
Würckung,
von welcher die Frage ist, hervorbringe, welche
Art und Weise eben so wahrscheinlich, das ist, mit
den Phänomenis des Objects übereinkommen
muß, als die caussa selbst, z.E. wenn man fragt,
woher es komme, daß bisweilen die Fenster in
unsern Zimmern schwitzen, so ist die Ursache
davon gar leicht zu begreiffen, daß es nehmlich
von der äussern Kälte und von der inwendigen
Wärme herrühre; allein hier muß man insonderheit
untersuchen, wie es zugehe, daß die Fenster
schwitzen, wenn es draußen kalt, in dem Zimmer
aber warm ist. |
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Siebendens, richtet man
die Hypotheses so wohl auf die Ursache, als auf
die Art zu würcken ein, so müssen selbige weder
unzulänglich, noch verworren seyn; Da nehmlich,
wenn man auch die Hypothesin setzet, dennoch
der
Effect ebenso leicht auch nicht, |
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{Sp. 1051|S. 539} |
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oder an dessen Statt
etwas anders, erfolgen kan. Z.E. Wenn man
insgemein setzet, die Grund-Ursachen, und also
das Wesen, der Wärme, bestehe in der
Bewegung: Welcher Fehler mehrentheils
entstehet, wenn man allzu generale Hypotheses
setzet; Oder auch wahrhaffte und sattsam
speciale Ursachen, die Art und Weise aber, wie
sie den Effect hervorbringen, entweder gar nicht,
oder nur nicht special genug, sondern nur auf eine
allzu generale Art, zu bestimmen weiß. |
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Man hüte sich achtens,
daß die Hypothesis, als welche an sich selbst, wo
nicht eine Wahrheit, dennoch wenigstens eine
Möglichkeit seyn muß, nicht etwan ein an sich
selbst falscher, sich widersprechender, und
unmöglicher Satz sey, als welcher, auch durch die
schönste Übereinstimmung mit den Phänomenis,
keine Wahrheit werden kan. |
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Und endlich neuntens,
daß nicht, an Statt einer guten Hypothesis, man
ein bloses Gleichniß, oder, dem Ansehen nach,
gleichförmiges Exempel, annehme. Z.E. Wenn
von der Ursache des Umlauffens der Planeten um
die Sonne die Frage wäre, und man sagen wolte
das es eben so, oder anders, damit zugehe, als
mit dem Umlauffe eines Rades, dem einmahl eine
Bewegung eingedruckt wäre. Denn es sey nun,
daß es eben so, oder anders, damit zugehe; So
ist, ungeachtet dieses Satzes, in beyden noch die
wahre Ursache, Art und Weise, wie es zugehe,
verborgen: Und man setzet auf solche Art nicht
die Ursache des Effects, von dem die Frage ist,
sondern vielmehr einen andern, dem äusserlichen
Ansehen nach, gleichförmigen Effect: Da es indeß
dahin gestellet bleibet, was vor eine entweder
gleiche, oder unterschiedene Grund-Ursache, Art
und Weise, beyde mit einander vergliechene
Effecte haben mögen. |
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3) |
hat diese
Wahrscheinlichkeit ebenfalls ihre Grade, welche
leicht können abgemessen werden, nachdem viel,
oder wenige Physicalische Umstände mit einer
Hypothesi übereinstimmen, wie aus dem, was
bereits vorher gesaget worden zu ersehen:¶ |
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