Stichworte |
Text |
Quellenangaben
|
Arten der Zent |
So machen auch die
Sache die vielerley
Arten der Zenth schwer, welche die
Rechts-Lehrer zur grossen Verwirrung der Sache selbst ersonnen haben. Denn da
ist |
|
|
1) |
die Centena omnigena oder universalis, die allgemeine
Zent, welche alle Verbrechen auch die geringen zu
bestraffen berechtiget, und wo
sie mit der Landes-Herrschafft vergesellschafftet ist, die Ober-Voigthey heissen
soll. |
|
Leypold. de Concurr. Jurisdict. quaest.
12.
|
|
|
Wohin alle Verbrechen, die auch vermöge des
bürgerlichen Rechts der
Criminal
Jurisdiction oder dem mero Imperio zugeeignet werden gehören sollen,
welche binnen dem zentbaren
District begangen werden, es sey zu
Dorff, Strassen und Feld, wenn nur, was die
Straffen, Frevel oder Verbrechen
betrifft, der Universal-Centh-Herr auch zugleich das Regale
viarum publicarum, oder das Recht über die öffentlichen Strassen und Wege
hat, als welchem die
Erkänntniß und
Bestraffung der auf offener Land-Strassen
begangenen Verbrechen zu- |
|
|
|
{Sp. 1071|S. 545} |
|
|
|
kommet, und der
Centh-Herr, als blosser Centh-Herr, solche
nicht abstraffen kan, es wäre denn durch besondere Landes-Verordnungen und
Statuten denen Fraisch-Herrn die Vollstreckung der Zenth auch auf denen
öffentlichen Land-Strassen verstattet, wie in
Sachsen. |
|
|
|
|
Hieher rechnet Leypold de Concurr. Jurisdict. quaest.
4. |
|
|
|
|
- alle Fraisch- und Malefiz-Fälle,
- hohe und Haupt-Rügen,
- alle Fälle und
Rügen, so
Leib und Leben, Hals und Hand,
Haut und
Haar, und dergleichen
betreffen,
- alle hohe und niedere
Gebot und Verbot, auf der
Gemein, ausserhalb
und auf den Häußlichen
Lehen, zu
Dorff und Feld, Strassen, Gassen,
Ängern,
Plätzen, so innerhalb der Zent
Gräntzen gesessen,
- auch alle
Güter, so daran
begräntzet, bekreist, begriffen,
bezirckt gelegen,
- alle Anlagen, Aufsatzung,
welche in der Zenth, nach Beschaffenheit der Umstände, fürfallen,
- Zent-Pflicht,
so alle mündige der Zenth würcklich ablegen, und leisten müssen
- Zentfrey,
- Zent-Folge,
- der
Hochzeit- und Kindtauff-Verlag,
- deren Schutz und
Friede-Gebot
auf der
Gemeine und Voigtheybaren Lehen,
- gemeine Ämbter in
Dörffern zu
besitzen, enturlauben, beeydigen,
- deren Rechnung anhören, und durchsehen, in
Ordnung bringen, abschieden,
- Einzug,
- Niederlag,
-
Handwerck-Büssen,
- Meister-Geld,
- Rein,
- Stein,
- Herdt- oder Beysitzer, und
- Schutz-Geld,
- Rüg-Zenth und
- Voigthey-Haber, Futter, Mahl und Atzung, auf denen in der Zent gelegenen
Gütern,
- Jäger- und Landwehr-Geld,
- hohe und gemeine
Land-Gericht besuchen, u.d.g.
|
|
|
|
|
Allein wer diese ausdrückliche Bestimmung der vermeinten Zent-Fälle nur so
oben hin ansiehet, wird gleich gewahr werden, daß viel darinn begriffen, welches
zur Fraischlichen Obrigkeit nicht so wohl, als zur Voigthey gehöret, viel aber
ausgelassen werde, welches unstreitig Centbarlich ist. Und wer ist der so
genannte
Voigthey-Herr, der alle diese Stücke hat? und wo er sie hat, warum muß
er eben Voigthey-Herr, und nicht
Territorial-Herr heissen, und krafft der
Territorial-Superiorität dieses alles vollziehen, nachdem doch derer
Vertheidiger Meinung noch das
Bezirck mit der Zenth vereiniget seyn muß, wo man
die Ober-Voigthey haben soll? Ferner sind derer
Rechts-Lehrer Meinungen
beyzufügen, welche mehrers davon geschrieben haben, ob ein
Beamter dabey eine
Convenienz vor seine
Herrschafft
antreffen, und zu deren
Nutzen davon etwas
gewinnen könne, ihm aber keine Gewehrschafft darüber leisten dürffe. |
|
|
Besonderheiten in Franken |
Über diese allgemeine Zent machen die Rechts-Gelehrten wiederum aus
derselben zwey andere, welche absonderlich in Francken gebräuchlich seyn sollen,
und
sagen, daß einer die hohe Zent, der andre aber die hohe Fraisch, und
Hals-Gerichtliche Obrigkeit, welches eines sey, besitzen könne, und rechnen also
zur hohen Zenth, daß die
Unterthanen, so darinnen
wohnen, |
|
|
- der Zenth Pflicht thun,
- die
Gerichte besitzen helffen,
-
Urtheil
sprechen,
- die Büssen-Rügen
anzeigen, da verbüssen, und sich straffen lassen,
- der Zenth folgen, sie
beschützen müssen,
- Rein, Stein,
Marck-Stein ausgraben, selbige heben, gehöre
auch hierher,
- wie auch Schelten, Schwören, Schmäh-Worte, fliessende Wunden verbüssen,
- Hencker-Geld geben,
- denen Zent-Knaben alle Unkosten, so aufs Richten gehen, zahlen helffen,
|
|
|
welches alles aber bey dem
|
|
|
{Sp. 1072} |
|
|
Hals- und Fraisch-Gerichte nicht anzutreffen ist, als welche eine Special-
und umschränckte Zenth sey, wie man solche durch Geding,
Gewohnheit, Verjährung
oder andere zuläßige Wege, in eines andern
Gebiet überkommen habe. |
|
|
Und hieher ziehen sie auch die hohen Wände oder Haupt-Rügen, als |
|
|
- Mord,
- Brand,
- beweister Diebstahl und
- Noth-Zucht.
|
|
|
Die übrigen Verbrechen aber, welche
sonst zur Criminal-Jurisdiction gehörig, und der Centenae omnigenae
oder der Universal-Zent zugeeignet werden, gehöreten dem
Land-Herrn, doch daß auch ein Theil davon dem
Voigthey-Herrn zukommen könne,
absonderlich wo es ein
unmittelbarer von
Adel ist, der
zuweilen als ein Antheil der Voigtheylichkeit straffen könne, als |
|
|
- Schelt-Wort,
- braun und blaue
Schlägerey,
- Blutrunst,
- Stossen,
- Kratzen,
- Werffen,
- Haar-Rauffen,
- Spielen,
- verbotene Messer tragen.
|
- Wehner
voce Zenth p. 515.
- Knich. de Super. Territ. c. 4. n.
331.
|
|
Welche
Schrifft-Steller auch, da sie sonst nur die 4. hohe Rügen der
unbeschränckten Zenth zugeschrieben haben, ihnen noch ferner kundbare Malefiz-
und Zent-Fälle zueignen, so nicht auf Inquisition beruhen (denn was nicht
handhafft, das ist, wo der Thäter nicht auf frischer
That ertappet, und das
Verbrechen nicht offenbahr ist, gehöret die Erkänntniß dem Voigthey-Herrn; und
wo das Verbrechen am Tage ist, wird es an die Zenth verwiesen) fliessende
Wunden, so dem Schultheissen geklaget werden, sind an der Zenth ruchbar: wo sie
aber nicht geklaget werden, gehören sie neben andern geringen Fällen dem
Voigt-Herrn des
Orts zu bestraffen. |
|
|
Allein es ist auch hieraus kein beständiger
Beweiß zu ziehen, nachdem diese
Meynung sich theils auf einen unerwiesenen Grund-Satz, als hätte der
unmittelbare Reichs-Adel in der
Fürsten und
Stände
Lande ihr besonderes
Gebiete,
und müsten sie ihnen gleichsam nur die 4. hohen Rügen abborgen, oder zufrieden
seyn, daß sie selbige ihnen zugestünden, beziehet, theils zu einer beständigen
Regel, die 4. hohe Rügen determinative verschreibet, gleichsam dürffte
die centena limitata keinen Schritt weiter gehen, dergleichen Exempel
doch im gantzen Römischen
Reiche nicht anzutreffen seyn wird, mithin und da über
diese Rügen der
Zenth-Herr etwas mehrers in
peinlichen Dingen ausübet; so muß
man ja wieder eine neue Arth der Zenth ersinnen: theils weil noch keine, weder
Reichs-Constitution, welche die 4 Rügen unter der beschränckten Zenth begriffe,
vorhanden, noch die vor den
Adel anzuziehen
gewohnte Bestätigung des von dem
Kayser Rudolph II erhaltenen
Privilegii, deren die
geringste Erwehnung thut; sondern nur diese
Worte gebrauchet, daß wo die Stände
auf deren von Adel
Unterthanen und
Zinß-Leuten die Zenth unstreitg hergebracht,
selbige doch über die gewöhnliche 4. Fälle, wie vor Alters herkommen, sind Mord,
Brand, Nothzucht und Diebstahl, nicht ausgedehnet werden; da denn der
lobwürdigste Kayser unter dem
Nahmen der Zenth keine beschränckte
verstehen kan,
weil er sie erst einschräncken will, gleichwohl aber einem
Stande des Reichs,
der seine Universal-Zenth auch auf Adelichem
Grund und Boden hergebracht hat,
sein
Recht wieder die
Capitulationes und
Reichs-Satzungen nicht nehmen,
oder schmählern können, es auch ver- |
|
|
{Sp. 1073|S. 546} |
|
|
muthlich nicht im Sinne gehabt hat, weil er sich auf das alte
Herkommen
beziehet, und also bloß das Vorgeben des Adels zur Rechtfertigung dieses
Privilegii geleget hat, welches Herkommen und
Gewohnheit aber erst erwiesen
werden muß, massen auch der
Souverainste Fürst mit aller seiner
Macht nicht zu
wege bringen kan, daß eine unerwiesene Gewohnheit eine Gewohnheit sey, so wenig
daß er hindern kan, daß der
Mensch per animal rationale oder als ein
vernünfftiges Thier beschrieben werde. |
|
|
Gesetzt aber, daß dergleichen zweyerley Centh hergebracht; so kan geschehen,
geben die Rechts-Lehrer weiter vor, daß in einem
Ort einer das Merum
Imperium die hohe
Malefizische Obrigkeit, ein anderer aber die Cent
ausübet, weil die Cent, wie gemeldet, auf gewisse Verbrechen eingeschräncket
wird, die übrigen aber dem ordentlichen Herrn des Ortes der die
Criminal-Jurisdiction hat, zur
Straffe überlassen werden. Dahero, wo eine zur
hohen Malefiz gehörige
That, als z.E. ein unterstandener, aber nicht
vollbrachter Todtschlag oder daß einer eines
Menschen-Mordes wegen verdächtig
ist; so gehöret er deßwegen nicht zu den Cent-Fällen, sondern es muß die That
selbst erfolgen, und der Todtschlag, oder ein anderes Verbrechen würcklich
begangen seyn, wiedrigens
erkennet der
Herr des
Ortes über die eräugnete
Umstände, welcher die übrige Malefizische Obrigkeit hat. |
|
|
Ferner setzen sie hinzu, daß derjenige, welcher die beschrenckte Zenth in
eines andern
Herrn
Gebiete hat, nicht dürffe unersuchet und unbegrüsset des
Landes-
Zenth- oder
Voigthey-Herrns, auf desselben unzentbaren voigtheylichen,
lehenbaren oder
eigenthümlichen
Grund und Boden einfallen, noch denselben mit
Durchführen mißthätiger
Personen berühren, darauf arrestiren, aufsuchen,
eingreiffen, niederwerffen, bestätigen, behefften, handfesten, noch den
entleibten
Cörper gerichtlich mit Schöppen besichtigen, weder Leib-Zeichen, noch
Stich- oder Wunden-Maaß, noch einige Fraisch-Pfand, Spahn aus des Thäters Thor
noch Hauß abnehmen, sondern der Thäter und Abgeleibte wird auf den Zentbaren
Grund und Boden geliefert. Welches alles nicht zu unterscheiden und von einem
Wiederspruche befreyet werden kan, wenn der Fall von der beschränckten Zenth,
und daß solche in eines andern Herrn
Gebiete verfolget werden müsse, gesetzet,
und am Ende doch nur die Liefferung auf dem zentbaren Grund und Boden
zugestanden wird, gleich als wäre der zentbare Grund ein anderes als das fremde
Gebiete, wo die Fraisch vollstrecket wird. |
|
|
Sonst aber sind die meisten Rechts-Lehrer der
Meinung, daß der
Ober-Richter
oder Fraisch-Herr in dem
Bezircke, wo ein anderer nur die
Nieder-Gerichtbarkeit
oder Vogthey hat, die Maleficanten ohne dessen Ersuchen, fangen, und abhohlen
könne: wiewohl auch die Vertheidiger der
Adelichen Territorial-Jurisdiction,
auch von dem Adel, wo auf ihrem
Grund und Boden ein
Fürst
die Cent hat,
erfordern, daß derselbe erst gebührend darum ersucht, und angelanget werden
müsse, welches etwa noch zu dulten wäre, wenn der Maleficant auf einem Adelichen
eigenthümlichen oder
Kayserlicher
Majestät und dem
Reich
unmittelbar zu
Lehen
gehenden Schloße,
Stadt oder
Flecken, zu finden |
|
|
{Sp. 1074} |
|
|
ist. Daß man es aber auf alle dem
Centh-Herrn selbst
lehnbare, und in seinem
oder eines andern Herrn
Gebiete gelegene
Güter ausdehnen will, ist zu viel L. 2. de Jurisdict.
und sind hier keine Requisitions-Briefe oder Reverse nöthig, wie sonst in
anderen Fällen, da man von seines gleichen oder aus einem fremden
Bezircke einen
Maleficanten abführen will. |
|
|
Daß aber die Centena omnigena oder die Universal-Zent so viel
Vortheil vor der beschränckten hat, geschiehet sonder Zweiffel deßwegen, weil
sie insgemein mit der
Lehen-Landes-Herrschafft verbunden ist, und von derselben
unterstützet wird. Wie denn derjenige, welcher nur allein das Merum Imperium
in einem gewissen
Ort hat, kein
Territorial-Herr zu nennen ist; sondern in
zweiffelhafften Fällen wird vor dem Civil-Herrn, der das
Jus
Homagii
und andere
Regalien ausübet,
gesprochen, massen auch der Fraisch-Herr kein
unumschränckter
Herr ist, sondern nur in gewisser Absicht, und wo ein Verbrechen
obhanden, so, daß ausser demselben er auf die
Unterthanen nichts zu
sprechen
hat, noch
sagen kan, daß es seine Leute seyn. |
|
|
Und ob man wohl die Fraischliche Obrigkeit hiebevor mehrentheils die
hohe
Obrigkeit genannt; so ist doch dieselbe nicht auf eine Universal-Landes-Obrig-
und Herrlichkeit, und was derselben von
Rechts- und
Gewohnheits wegen anhängig,
gezogen worden. Dahero legen auch die
Unterthanen nur demjenigen die
Huldigung
ab, und reichen die
Steuer, mithin
erkennen sie ihn vor ihren
Herrn; der die
Civil, nicht aber die
Criminal-Jurisdiction hat. |
|
Mittel- und Nieder-Centh |
Ausser obgemeldten beyden
Arten Centh machen die Rechts-Lehrer auch eine
Mittel- und Nieder-Centh, welche sie mit dem
Nahmen des
mixti Imperii
betituln. Wenn man aber ansiehet, was sie dahin rechnen; so wird sich in denen
Rechten nicht finden, daß die
Römischen Gesetze dergleichen Handlungen dem
Mero Imperio zugeschrieben hätten, noch daß lauter Verbrechen, welche die
Centh
billig voraus setzet, mit unterlieffen, dahero man wenigstens von dem
Wort
der mittlern Centh abstehen können, wie es denn auch einige
Thun, und selbige
vor die Vogthey selbst halten |
Lincker. de Jurisdict. Cent. c. 3.
§. 18. |
|
Denn da werden dahin gerechnet: |
|
|
- Gottes-Hauß-Rechnung anhören, heiligen,
- Meister setzen und entsetzen,
- Güld,
- Schuld,
- Schaden,
- Pfändung,
- alle Bussen und Frevlen,
- Blutrünst,
- Gefangniß,
- Stock,
- Halß-Eisen,
- Angriff,
- Glocken-Schlag,
- Gerichts-Schrey, und
- Folge auf der
Gemeine
und Gassen,
|
|
|
welches
alsdenn meistens Statt haben soll, wenn die Gemeine unzentbar (welches aber fast
einzuräumen scheinet, daß unzentbare
Unterthanen der mittlern Zent unterworffen seyn sollen)
welches sich in denen unmittelbaren
Adelichen
Dorffschafften,
wo die
unmittelbare
Reichs-Ritterschafft
Dorff-Herrn seyn, eräugne. |
Wehner
voce Vogthey. |
|
Allwo er die niedere Fraisch mit der
bassa Jurisdictione oder der
niedern Zenth vereiniget, und unterschiedene
Sachen anführet, welche in Francken
dahin gezogen werden sollen. Denn wo einer in des mittlern Nieder-Fraisch- oder
Vogtey-Herrn
Flecken einen entleibet,
schreibet er, oder raubt, treibt
Nothzucht oder brennet, und wird ergriffen; so liefert er den todten
Cörper oder
den Thäter der hohen Zenth,
Halß-Gericht
oder Fraisch-Herrn für seine
Obrigkeit |
|
|
{Sp. 1075|S. 547} |
|
|
hinaus. Will der Fraisch-Herr ein Leibzeichen oder Spahn aus des Todten oder
Thodtschlägers Thor nehmen; mag er es auch thun; doch den Mittel-Nieder-Fraisch-
oder Vogthey-Herrn an seiner Bassen oder Nieder-Fraischlichen Jurisdiction
dadurch nichts benommen. |
Leypold
de Concurr. Jurisdict. quaest. 7. |
|
|
|