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Quellenangaben |
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Verpflichtung, oder Verbindung, Verbindlichkeit,
Lat. Obligatio, oder
Obstrictio. |
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natürliche Rechtgelehrsamkeit |
Wenn man in der
natürlichen Rechtgelehrsamkeit auf die
Materie so wohl vom
Gesetze überhaupt; als insonderheit von dem natürlichen Gesetze kommt, so
untersuchet man
billig, was die Verbindlichkeit sey, indem ein jedes Gesetze
verbindet. Man findet aber in der Beschreibung derselbigen eine große
Ungleichheit.
Pufendorf in jurae naturae et gentium L. I. c.
6. §. 5.
nennet die Verbindlichkeit eine
würckende
moralische
Eigenschafft,
dadurch jemand gehalten sey, was zu
thun oder zu leiden.
Thomasius
sagt, in jurisprudentia divina ... Die Obligation sey eine leidende
moralische Eigenschafft, welche eine
Person von dem Gesetze bekommen, und
dadurch ihre
Freyheit eingeschräncket werde, daß sie demjenigen, mit welchen sie
in Gesellschaft lebet, entweder was geben oder thun
müste. |
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In den fundamentis juris naturae et gentium aber ... stellt er die
Sache anders für, indem er daselbst
sagt, die Verbindlichkeit sey eine Neigung
des
Willens, durch die eingejagte
Furcht und
Hoffnung, welches derjenige gethan,
der
Recht habe, einem eine Furcht zu erwecken; und der mit
Klugheit die Furcht
vereinige, oder die Hoffnung erwecke. Ihm folget Pragmann in
der Jurisprudenta naturali exercit. ... und andere, welche seine
Principia in den fundamentis Juris naturae et gentium angenommen haben.¶ |
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zwei Absichten |
Man muß die Verbindlichkeit in einer zweyfachen Absicht betrachten, als auf
Seiten dessen, der einen
obligiret, und auf Seiten dessen, der obligiret wird.
Denn von beyden braucht man dieses
Wort. |
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Derjenige, der einen verbindet, ist der Gesetz-Geber, oder derjenige, der
Macht hat einem was zu
befehlen, und wenn er einem was
befiehlet und verbindet,
so ist hier die Verbindlichkeit diejenige Handlung, dadurch er ihm zu
verstehen
giebt, wie er nothwendig dieses oder jenes wolle gethan, oder unterlassen haben,
und damit ihm die
Freyheit
benimmt. |
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tätige Verbindlichkeit |
Dieses könnte man eine thätige Verbindlichkeit, (Obligationem
activam) nennen, darauf auch Cumberland de
legibus naturae ... gesehen. Solche kommt, wie schon gedacht, blos von
demjenigen her, welcher
Macht hat, dem andern zu
befehlen, daß also weder ein
Gleicher dem andern; noch ein |
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{Sp. 1556} |
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Geringer den Höhern verbinden kan. Auf solche Weise verbindet nur das
Gesetze, nicht aber ein Rathschlag. Es kan auch ein
Mensch sich selber nicht
verbinden, ob er wohl freywillig durch einen Vergleich dazu Anlaß geben kan. Die
Verbindlichkeit aber selbst kommt von dem Gesetz-Geber. |
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leidende Verbindlichkeit |
Erwegt man die Verbindlichkeit auf Seiten dessen, der
verbunden wird, so ist
sie nichts anders, als eine leidende
Eigenschafft, vermöge deren die
Freyheit,
dieses oder jenes zu thun, oder zu unterlassen, benommen, und hingegen zu diesem
oder jenem genöthiget ist, welche man eine leidende Verbindlichkeit,
(Obligationem passivam) nennen
kan. Bey dieser Beschreibung muß man zwey Umstände erwegen, wenn man die
eigentliche Beschaffenheit der Verbindlichkeit
erkennen will. |
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Der eine ist dasjenige, was die Verbindlichkeit ausmachet,
welches wir eine
moralische Nothwendigkeit nennen, daß wenn man wozu
verbunden
ist, so hat man dabey seine
Freyheit
nicht mehr, ob man solches thun oder lassen
will, welche man vor dem
Gesetze hatte, sondern man muß es nunmehro thun oder
lassen. Diese
Nothwendigkeit ist eine moralische Nothwendigkeit, weil sie eine
moralische Ursache; oder das Gesetze hat, so allein die Verbindlichkeit zu wege
bringet. Die
Regeln in der
Klugheit, welche Anschläge oder Mittel, wie man
seinen
Zweck leicht erhalten, oder seinen
Nutzen befördern soll, in sich halten,
verbinden eigentlich nicht, man wolte denn dem
Worte Verbindlichkeit eine
weitläufftige Bedeutung beylegen, da sie denn auch anders müste beschrieben
werden. |
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Der anderer Umstand ist der
Grund, warum man die Obligation annimmt,
und sich nach der vorgeschriebenen Norm richtet. Dieser ist äusserlich
die Dependentz des
Unterthanen in Ansehung seiner Verrichtung von dem
Befehl
seines Obern, weil er unter dessen
Herrschafft stehet; innerlich die Überzeugung
solcher Dependentz. Weil aber den
Menschen nach ihrer verderbten
Natur
unangenehm fürkommt, wenn ihre
Freyheit
eingeschräncket werden soll, und sie
ungern dran gehen, wenn sie sich nach einer gewissen Norm richten sollen, so muß
auch ein innerlicher
Grund da seyn, wodurch der
Wille bewogen wird, sich dem
Gesetze zu unterwerffen und die Obligation oder moralische Nothwendigkeit zu
übernehmen, welches die Vorstellung des
Bösen, wenn man
ungehorsam, und des
Guten, wenn man
gehorsam ist, machet. Aus diesem läst sich die
Meynung
derjenigen beurtheilen, welche
sagen, daß die Obligation blos auf
Furcht und
Hoffnung beruhe. |
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Einteilung |
Es wird die Verbindlichkeit in unterschiedene
Arten getheilet, als |
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1) |
in obligationem internam et externam, welche Eintheilung
Thomasius in fundamentis Juris naturae et gentium
... machet. Die innerliche (Obligatio
interna) sey, welche aus
Furcht eines solchen
Schadens, oder
Hofnung eines solchen
Nutzens entstünde, der ordentlich und natürlich
auf die
That erfolgen müste; die äusserliche (Obligatio
externa) aber, welche eine Furcht eines solchen Nutzens zum
Grunde habe, der in eines anderen Willkühr stehe. |
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Wolte man diese Eintheilung ja beybehalten, so könte man die
Nothwendigkeit selbst, wie sie von dem Gesetz- |
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{Sp. 1557|S. 792} |
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geber durch das
Gesetze herkommt, die äusserliche; die
Bewegungs-Gründe aber, wodurch der
Wille bewogen wird, solche
anzunehmen, die innerliche nennen, wiewohl sie nach der Erklärung, die
wir oben von der Verbindlichkeit gemacht, überhaupt nicht wohl angeht: |
2) |
in obligationem naturalem und acquisitam. Jene, die
natürliche Verbindlichkeit (Obligatio
naturalis), ist nichts anders, als diejenige, die von dem
natürlichen Gesetze herkommt, und von dem
Menschen muß angenommen
werden, sie mögen wollen oder nicht, siehe den
Artickel:
Natürliche Verbindlichkeiten, im XXIII
Bande, p.
1031. u.f. |
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diese, die erlangte Verbindlichkeit (Obligatio
acquisita) aber komme von einem Vergleich, und setzte den
Willen dessen, der verpflichtet werde, voraus, welche Eintheilung auch
keinen sonderlichen
Grund hat. Denn wie ein Vergleich an sich selbst
nicht verbindet, und die Verbindlichkeit allein aus dem
Gesetze kommt;
also hat man nicht nöthig, von dem eintzigen Umstand, daß man zur
Obligation vermittels eines Vergleichs selbst Anlaß gegeben, eine
Eintheilung zu machen; |
3) |
in obligationem perfectam und imperfectam; jene, die
vollkommene Verbindlichkeit (Obligationem
perfectam) nennet man, wenn man so verpflichtet, daß man in
Weigerungs-Fall äusserlich könne gezwungen werden, welches im
natürlichen Stande durch den Krieg, und im bürgerlichen durch
Obrigkeitliche Hülffe geschehen muß; wo aber solcher Zwang nicht statt
finde, so sey sie unvollkommen. (Obligatio
imperfecta) |
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Aus diesem siehet man, daß diese Eintheilung nur auf den andern
gehet, so ferne der selbige entweder ein vollkommenes oder
unvollkommenes Recht wozu hat, und man ihm daher verpflichtet ist, wobey
noch zu erinnern, daß in dem menschlichen
Gerichte ein
Recht
unvollkommen seyn kan, das hingegen in dem Göttlichen als vollkommen
angesehen wird.¶ |
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Man lese hier nach
- Hochstetter in
collegio Pufendorfiano exerc. 3.§. 4.
-
Buddeus de
comparat. ...
- Gundling in via ...
- Gerhard in delineat. ...
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Wolf: leidenschaftliche und tätige Verbindlichkeit |
Der Herr Geheime Rath
Wolf hat die Verbindlichkeit durch eine sittliche
Nothwendigkeit etwas zuthun erkläret, und dieses nennet er die
leidenschafftliche Verbindlichkeit. Die thätige
definirt er durch eine Verknüpffung des
Bewegungs-Grundes mit der Handlung. Nach
seiner
Weltweißheit, ist die Nothwendigkeit nach dem
Göttlichen Willen zu thun
sittlich und nicht natürlich. Denn weil der
Mensch bey seinem
Wollen und
Nichtwollen
frey ist, und er demnach dasjenige thun kan, was ihm gefällt, und
deswegen auch dasjenige was
GOtt nicht will: so ist es seiner
Macht zu würcken
nicht entgegen, daß er etwas thut, was GOtt nicht will; folglich gehet es
natürlicher Weise an, daß er etwas wieder den Willen GOttes thue. |
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Die
Nothwendigkeit nach dem
Willen GOttes zu thun, ist also bey dem
Menschen
nicht natürlich, sondern nur sittlich. Nehmlich nothwendig ist dasjenige, davon
das Gegenteil ohnmöglich ist. Wenn also das Gegentheil natür- |
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{Sp. 1558} |
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lich oder Physisch unmöglich ist, so ist die
Sache auch natürlich oder
physisch nothwendig. Wenn aber das Gegentheil nur sittlicher Weise unmöglich
ist, so wird die Sache auch sittlicher Weise nothwendig seyn. |
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Aus diesen beygebrachten Erklärungen, wird man die gegebene Erklärung von
der Verbindlichkeit, daß sie eine sittliche Nothwendigkeit sey etwas zu
thun,
verstehen. Als
Herr Wolf die andere obige
Erklärung von der thätigen Verbindlichkeit zum ersten mahle
bekannt machte, so wunderten sich diejenigen, welche sie mit der
leidenschafftlichen für eins ansahen, daß er eine, nach ihrer
Meynung gantz
ungewöhnliche Bedeutung einem in den
Gerichten, der Gottesgelehrsamkeit und
Weltweißheit, schon längst hergebrachten
Worte gegeben habe. |
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Allein dieses hat nichts zu bedeuten. Denn er hat die thätige
Verbindlichkeit, nicht anders erkläret, als nur so, wie es die gemeine, und in
den
Wissenschafften gewöhnliche Art zu
reden mit sich bringt. Denn wie verbindet
ein
Fürst seine
Unterthanen, daß sie keine
böse
That begehen? Nicht dadurch, daß
er Straffen auf die Übertreter setzet, und sie hernach auch würcklich
vollziehet? Was ist aber die
Würckung der Straffe? stellet nicht derjenige,
welcher die böse That begehen wolte, um der Straffe willen, von welcher er
denckt, daß er sie nicht vermeiden könne, sich die That als böse vor, und will
sie deswegen nicht begehen, ohnerachtet er sie um anderer
Gründe willen, durch
welche er sie sich als gut vorstellet, begehen möchte? Die Vorstellung einer
bösen That als einer bösen, ist der
Bewegungs-Grund, warum er sie nicht begehet. |
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Ein
Fürst verbindet demnach seine
Unterthanen die bösen
Thaten nicht zu
begehen, indem er ihnen einen
Bewegungs-Grund mit der Handlung
verknüpffet. Ja
es liesse sich aus der
Natur der
Seele erweisen, daß ein
Mensch nicht anders
verbunden werden können, etwas zu begehen oder zu unterlassen, als wenn ihm ein
Bewegungs Grund mit der Handlung verknüpft wird. |
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Die
Sache verhält sich auch nicht anders, wenn man
sagt, ein Freund sey dem
andern verbunden, daß er ihm seine Bitte nicht abschlage. Denn aus dieser
thätigen Verbindlichkeit, entstehet die Leidenschafftliche, indem durch den
Bewegungs-Grund, welchen der andere mit der Handlung verbindet, derjenige,
welcher auf eine sittliche Weise verbunden wird, genöthiget ist, die Handlung zu
begehen, oder zu unterlassen. Und solchergestalt ist die sittliche
Nothwendigkeit etwas zu thun vorhanden, oder die leidenschafftliche
Verbindlichkeit, welche man gemeiniglich die Verbindlichkeit zu nennen pflegt. |
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Es ist aber der
Mensch
verbunden, seine freyen Handlungen nicht nach seiner
Willkühr, sondern nach dem
Willen
GOttes einzurichten, und diese
Nothwendigkeit
ist sittlich, und nicht natürlich oder physisch. Da nun die sittliche
Nothwendigkeit etwas zu thun die leidenschafftliche Verbindlichkeit genennet
wird: so ist der Mensch verbunden, seine freyen Handlungen nicht nach seiner
Willkühr, sondern nach dem Willen GOttes einzurichten. |
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Und solchergestalt
verstehet man, was die Verbindlichkeit des Menschen sey,
seine freyen Handlungen nach dem Willen GOttes gemäß einzurichten, welche aus
dem
Rechte |
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{Sp. 1559|S. 793} |
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GOttes über die Menschen herfliesset. Wie sich aber
GOtt denselben
verbindlich mache, dieses muß aus dem
Begriffe von der thätlichen
Verbindlichkeit gezeiget werden. |
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Die Verbindlichkeit erfodert ferner, daß der
Mensch seine freyen Handlungen
nach seiner und seines
Zustandes, auch anderer Menschen und ihres Zustandes, ja
zu der gesamten
Welt ihrer Vollkommenheit einrichte. Denn da er dieselben dem
Willen
GOttes gemäß zu vollbringen verbunden ist, und dieses alles GOtt will, so
siehet man die
Wahrheit und die
Nothwendigkeit dieser
Pflichten. |
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Hier wird die Verbindlichkeit, aus dem Willen GOttes, als unsers HErrn,
hergeleitet, weil nur die
Rede von der Göttlichen Verbindung, nicht aber von der
natürlichen ist, welche von ihr unterschieden wird, und in der allgemeinen
Sittenlehre erkläret werden muß. Man darf daher nicht dencken, als ob die,
welche diese Sätze annehmen, der
Meynung derjenigen beiträten, welche die innere
Ehrbarkeit, und Schändlichkeit der Handlungen läugnen, und bey dem
Menschen
keine andere Verbindlichkeit in Absicht auf die Einrichtung der freyen
Handlungen einräumen, als welche von einem
Ober-Herrn entspringt. Dieses ist nur
von dem Rechte GOttes über die Menschen, und der daher entstehenden
Verbindlichkeit zu
verstehen, deswegen aber läugnet man nicht die natürliche
Ehrbarkeit und Schändlichkeit der Handlungen. |
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Der Mensch ist ferner verbunden seine freyen Handlungen eben nach solchen
Endursachen einzurichten auf welche die natürlichen abzielen, und dieselben zur
Verherrlichung der
Ehre
GOttes zu verrichten. Denn dieses erfodert der
Wille
GOttes, nach welchem er sich in seinen Verrichtungen und Handlungen richten
soll. Man muß aber beobachten, daß die Verbindlichkeit, seine freyen Handlungen
zu seiner und seines
Zustandes Vollkommenheit, ingleichen die Verbindlichkeit,
solche zur Vollkommenheit der gantzen
Welt hinzulencken, und endlich die
Verbindlichkeit, dieselben zur Verherrlichung der Ehre GOttes einzurichten,
keine verschiedene Verbindlichkeiten seyn, sondern die eine die andere unter
sich begreiffe. |
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Denn die Verbindlichkeit seine Handlungen zur Offenbarung der Ehre GOttes
einzurichten begreifft die Verbindlichkeit, dieselben zur Vollkommenheit seiner,
und seines
Zustandes, wie auch zur Vollkommenheit der gantzen
Welt zu
verrichten, und gleicher massen, enthält die Verbindlichkeit seine Handlungen
zur Vollkommenheit seines Zustandes einzurichten, auch die Verbindlichkeit,
solche zur Vollkommenheit der gantzen Welt zu unternehmen. |
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Denn indem der
Mensch dieselbigen nach seiner und seines
Standes
Vollkommenheit einrichtet, so richtet er auch dieselben zugleich nach der
Vollkommenheit der gantzen Welt ein, und wenn in der Einrichtung zu seiner
Vollkommenheit nichts fehlet, so richtet er sie zugleich zur Verherrlichung der
Ehre
GOttes ein. |
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Endlich ist der
Mensch auch
verbunden bey Einrichtung seiner freyen
Handlungen, diejenigen
Bewegungs-Gründe nicht zu vergessen, welche von den
Göttlichen Eigenschafften, und insbesondere von der
Herrschafft
GOttes über |
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{Sp. 1560} |
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die Menschen hergenommen werden. Denn der Mensch ist schuldig, seine freyen
Handlungen zur Verherrlichung der
Ehre GOttes einzurichten. Da er nun durch die
Einrichtung seiner freyen Handlungen die Ehre GOttes nicht anders verherrlichen
kan, als wenn die Göttlichen Eigenschafften
Bewegungs-Gründe zu derselbigen
abgeben, so stehet es dem Menschen nicht
frey, diese von den Göttlichen
Eigenschafften hergenommene Bewegungs-Gründe aus der Acht zu lassen. |
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Es ist demnach eine gewisse sittliche Nothwendigkeit vorhanden, diejenigen
Bewegungs-Gründe nicht aus der Acht zu lassen, welche von den Göttlichen
Eigenschafften hergenommen werden. Da nun diese Verbindlichkeit
leidenschafftlich ist: so ist der
Mensch
verbunden, bey seinen freyen Handlungen diejenigen
Bewegungs-Gründe,
nicht ausser Acht zu lassen, welche von denen Göttlichen Eigenschafften
hergenommen werden. Eben dieses kan auch von der
Herrschafft
GOttes über die Menschen
bewiesen werden, welche in dem Wesen und
Natur GOttes ihren
Grund hat, und also allerdings unter die Göttlichen
Eigenschafften mit zu rechnen ist. |
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Wenn also gleich eine Handlung sonst recht ist, so ist sie doch noch nicht
gut, wenn die
Bewegungs Gründe außer Acht gelassen werden, welche von den
Göttlichen Eigenschafften hergenommen werden können. Dieses muß man wohl in
Erwegung ziehen, damit man davon urtheilen könne, ob die menschlichen Handlungen
recht seyn, oder nicht. |
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Wenn wir die
Menschen als Christen betrachten, so treffen wir bey diesen
eine andere
Art der Verbindlichkeit an. Denn da aus der durch den Heyland
geschehenen Erlösung eine neue Verbindlichkeit entstehet, welche so wohl von der
natürlichen verschieden ist, die aus der
Natur des Menschen selbst fliesset, als
auch von der göttlichen, welche ihren
Ursprung aus der
Schöpffung und Erhaltung
hat: so erfordert bey den Christen die Richtigkeit der Handlungen, auch solche
Bewegungs-Gründe, welche von dem
Wercke der Erlösung hergenommen sind, und
welche die Gottesgelehrten aus einander zu setzen, und in der heiligen
Sittenlehre aus der
Heil. Schrifft zu
beweisen haben. |
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andere Arten |
Ausser diesen
Arten der Verbindlichkeit giebt es noch einige andere, unter
welchen die oben schon gedachte natürliche zuerst in Betrachtung zu ziehen ist. |
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natürliche Verbindlichkeit |
Weil der
Göttliche Verstand alles möglich machet, und durch seinen
Willen
das Mögliche die
Würcklichkeit erreicht; so ist auch durch den Verstand GOttes
möglich worden, daß aus den freyen Handlungen der
Menschen entweder die
Vollkommenheit oder Unvollkommenheit ihrer und ihres
Zustandes herrühret, und
nach seinem Rathschlusse erfolget es auch in der That. |
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Derowegen da die Vorstellung dieser Vollkommenheit der
Bewegungs-Grund ist,
daß wir einige Handlungen vollbringen: hingegen die Vorstellung der
Unvollkommenheit, daß wir andere unterlassen; so hat auch
GOtt die Bewegungs
Gründe mit denen Handlungen
verknüpffet, und demnach verbindet er auch die
Menschen zu thun, was das Gesetze der Natur haben will. Auf eine solche Weise
ist die natürliche Verbindlichkeit zugleich eine Göttliche Verbindlichkeit, und
das |
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{Sp. 1561|S. 794} |
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Gesetze der Natur ein göttliches Gesetz. |
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göttliche Verbindlichkeit |
Wir finden aber ausser der natürlichen Verbindlichkeit noch eine gantz
besondere göttliche Verbindlichkeit, wodurch das Gesetze der Natur zu
GOttes
Gesetze wird. Wir
erfahren, daß gar offt auf gute Handlungen Glücksfälle, auf
böse aber Unglücksfälle erfolgen. GOtt aber hat durch seinen Rathschluß
bestätiget, daß sie so kommen sollen. Dannenhero sind auch die Glücksfälle, die
auf gute und die Unglücksfälle, die auf böse Handlungen erfolgen als
Bewegungsgründe anzusehen, jene zu vollbringen, und diese zu unterlassen;
folglich da GOtt diese Bewegungsgründe, freywillig mit denen Handlungen der
Menschen verknüpfft: so verbindet er dadurch die Menschen, das Gute zu
vollbringen, und das
Böse zu unterlassen. |
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neue Art |
Ob nun zwar hierzu alle Menschen von
Natur
verbunden sind; so ist doch die
natürliche Verbindlichkeit nicht hinlänglich, sie zu Erfüllung ihrer
Pflichten
zu bringen. Daher ist im
gemeinen Wesen eine neue
Art der Verbindlichkeit
entstanden, welche durchdringt, so die natürliche unkräfftig wird. |
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Strafen, Belohnungen und Zwang |
Es kan aber diese Verbindlichkeit auf zweyerley Weise bewerckstelliget
werden, theils wenn man auf die Übertretung dessen, was man ordnet,
Straffen
setzet, oder auch mit desselben Erfüllung Belohnungen verknüpfft, theils wenn
man sie mit äusserlichem Zwange (welcher die Hülffe genennet
wird) bedrohet, woferne sie sich nicht gutwillig
bequemen wollen. Denn so wohl
die Furcht für der Straffe und
Hoffnung der Belohnung als auch die Furcht für
der Hülffe ist ein
Bewegungsgrund zu thun, was befohlen wird, und solchergestalt
werden wir dadurch solches zu thun verbunden.¶ |
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Verbindlichkeit des Gewissens |
Endlich hat man noch eine
Art, welche man die Verbindlichkeit des
Gewissens zu nennen pflegt. Weil uns unser Gewissen viel und große
Unlust macht, wenn wir
Böses gethan haben: hingegen aber Lust und Freude, wenn
wir das Gute vollbracht, und das Böse unterlassen haben: Lust und Unlust aber
unter die
Bewegungsgründe gerechnet werden: so hat auch unser Gewissen mit den
guten und
bösen Handlungen Bewegungsgründe verknüpfft, und folglich verbindet es
uns, die guten Handlungen zu vollbringen, und die bösen zu unterlassen, das ist,
zu thun, was uns und unsern
Zustand vollkommener macht, und hingegen zu
unterlassen, was uns und ihnen unvollkommener macht. Da nun das Gesetze der
Natur gleichfalls erfordert dasjenige zu thun, was uns und unsern Zustand
vollkommenener macht: so verbindet uns unser Gewissen, unsere Handlungen nach
dem Gesetz der Natur einzurichten.¶ |
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Treuers Meinung |
Übrigens ist noch anzumercken, daß man mit der gegebenen Erklärung des Herrn
Wolffs von der Verbindlichkeit nicht durchgängig zufrieden
gewesen. Herr Treuer, Professor der
Moral und
Politic zu
Helmstädt, hat dieselbe in seinen Anmerckungen über
Pufendorfs
Bücher von der Pflicht eines Menschen und Bürgers ver- |
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{Sp. 1562} |
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worffen. In dem andern Capitel von der Norm der menschlichen Handlungen
leitet der
Herr von Pufendorff die Verbindlichkeit, welche uns
anhält eine
Sache zu thun, oder nicht zu thun, aus dem
Rechte eines Obern her,
und zeiget, daß der Quell aller Verbindlichkeit unter den
Menschen in
GOtt zu
suchen sey. Dieser
Meynung pflichtet Prof. Treuer bey, und
wiederlegt zugleich den Herren Geheimden Rath Wolff, welcher in
seinen vernünfftigen Gedancken von der Menschen Thun und Lassen p. 8 §.
8. den
Grund der Verbindlichkeit, wie Treuer meynt, in dem
Eigennutze sucht, und dasjenige Verbindlichkeit nennet, wenn der Mensch durch
Vorstellung etwas Guten oder
Bösen angetrieben wird etwas zu thun oder nicht zu
thun. |
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Dieses kan nach Treuers Meynung nicht seyn. Denn |
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1) |
können wir auf diese Weise die
Idee von
GOtt und dem
Gesetz in
moralischen
Dingen gantz und gar entbehren; wenn wir bloß auf unsern
Nutzen
sehen wollen; welcher eben der
Grund ist, auf welchen die
Atheisten ihr
gantzes moralisches Systema
bauen. |
2) |
Entstehet eine grosse Confusion in der Moral daraus. Denn weil man
überall
Bewegungsgründe findet; so wird man den Unterschied zwischen
physicalischen und moralischen
Notionen nicht mehr antreffen; welche
Pflichten von vollkommener und unvollkommener Verbindlichkeit sind, nicht
mehr zeigen; was man von einem andern mit
Gewalt fodern könne, und was man
nur bitten müsse, nicht anzeigen können. |
3) |
Und weil nichts in der
Welt ohne hinlänglichen
Grund geschiehet, so
werden alle Handlungen eine Verbindlichkeit haben, und keine indifferent
bleiben. Welches ungeräumtet wäre. |
4) |
Es wird auf diese Weise ein jeder sich selbst
Bewegungs-Gründe etwas zu
thun oder nicht zu thun vorstellen, und also sich selbst verbinden, oder
auch von einer Verbindlichkeit lossprechen können. |
5) |
Überhaupt scheint hier der Nachdruck einer Erinnerung oder eines Raths,
und der Nachdruck des
Gesetzes oder der Verbindlichkeit vermischet. |
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Dieses sind die Einwürffe, welche Treuer wieder des
Herrn
Wolffs Definition von der Verbindlichkeit vorbringt. Dieser
letztere aber ist von vielen Gelehrten vertheidiget worden, denen man die
Geschicklichkeit und Gründlichkeit in
Beweisen
gewiß nicht absprechen kan. |
Man sehe unter andern des Herrn Cantzens
Buch de usu
Philosophiae Leibnitianae et Wolfianae in Theologia p. 459. wo derselbe die
Erklärung der Verbindlichkeit bestätiget, und von denen Einwürffen befreyet.¶ |
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