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Quellenangaben |
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Hier aber
wollen wir noch der ungleichen¶ |
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Schicksale der Wahrheiten¶ |
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gedencken. Nicht alle Wahrheiten haben
gleiches Schicksal unter den
Menschen, noch
überall sich gleiche Aufnahme zu versprechen.
Einige werden mit einem allgemeinen Beyfall
angenommen, und andere
müssen sich vieler
Dunckelheit beschuldigen, oder mit manchen
Zweiffel bestreiten lassen, ob sie gleich nicht
weniger Annehmungswürdig sind, als andere. Sie
haben ihren zureichenden Grund, und ihre
Deutlichkeit macht sie auch dem schlechtesten
Verstande begreifflich. Nur darinnen können sie
von andern
unterschieden seyn, daß sie sich
gewissen Entschliessungen und
Neigungen
eines
Menschen gerade entgegen setzen. Oder sie
haben das
Unglück, von einer solchen
Person
behauptet zu werden, welche der andere nicht
leiden kan. |
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Dorten machen ihr die Absichten, und hier der
Affect, den Eingang zu der Überzeugung
disputirlich. Beyde sind der Wahrheit geschwohrne
Feinde, und weisen sie nicht selten, unter dem
Nahmen der Unwahrheit, schon ab, ehe sie sich
noch in ihrem Lichte und Klarheit hat zeigen
können. Der Affect verschliesset ihr alle
Sinnen
und die Absichten bestreiten sie mit
Gründen, die
nur darum mehr gelten, weil sie der innerlichen
Neigung und Lust das
Wort
reden. Diese haben
sich des
menschlichen Hertzens bemeistert, und
fest gestellt, nichts anzunehmen und nichts zu
suchen, als was ihrer
Begierde, Nahrung und
Unterhalt giebt. |
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Man nennet solches Absichten: Welche so
mancherley sind, als das |
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{Sp. 917|S. 472} |
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natürliche Verlangen und Wünschen selbst.
Dieses wird täglich grösser: Der Appetit kommt hier
im Essen. Je mehr solches seinen
Zweck erhalten,
desto begieriger wird es gemacht, seine Absichten
noch höher zu treiben, und, wo möglich auf eine
Vollkommenheit zu bringen, die unübersteiglich
sey. Unterdessen wird das
Gemüth mit einem
Vergnügen unterhalten, das nicht ohne
Furcht ist.
Und diese giebet den Wächter ab, welcher
sorgfältig für alle dem warnet, was den
Unternehmungen der Absichten entgegen seyn
kan. Was ist es also Wunder, wenn manche
Wahrheit schon ihr
Urtheil bekommen hat, ehe sie zu dem Verhör gelassen worden ist?
Wenn sie schon als eine Verführerin ausgeschryen wird, ehe sie sich noch mit
ihrer redlichen Absicht hat legitimiren können? |
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Daher läst sich schliessen: Je mehr eine Wahrheit den Absichten eines
Menschen
zuwider ist, die er in der
Welt
zu erhalten sucht, desto mehr fällt er ihr bey. Der Satz läst sich umkehren, und
die Grösse des Beyfalls nach der Wenigkeit schätzen, worinnen sich die Wahrheit
seinen Neigungen widersetzet. Es thut Niemand einen Eintrag, daß die Winckel
aller Triangel nicht mehr, noch weniger, als 180 Grade ausmachen: Und der
Reiche kan ungehindert seinen Geld-Kasten anfüllen, wenn gleich das
Quadratum hypotenusae so groß ist, als die beyden Quadrata
catherorum. |
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Überhaupt bleiben alle Mathematische
Wahrheiten bey sich, haben an sich nichts mit der
Verbesserung des
menschlichen Willens zu thun,
und finden dahero allgemeinen Beyfall. Hat
hingegen ein ehrwürdiger Alter sein
Ansehen
bisher bey allen Unternehmungen respectable
erhalten, und er hat zu der Absicht, sich solches
auch künfftig im geringsten nicht vermindern zu
lassen; So mag ein jüngerer seinen Vorschlag, als
unthunlich, wieder zurück nehmen, wenn er gleich
mehr Wahrheit vor sich hat, als der Rath, den der
Alte gegeben. |
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Wir zielen auf die Historie eines alten
Lacedämonischen
Königes, Eurybiades, und
Themistocles, eines Atheniensischen Feld-Herrns.
Jener war alt, und commandirte die Alliirte
Griechische Flotte, und dieser war von jüngern
Jahren. Jener wuste wohl, daß Xerxes mit einer so
unzähligen
Macht nicht gekommen sey, daß er die
kleine Atheniensische Republick über den Hauffen
werffen wolte, sondern daß es gantz Griechenland
gelten solte. Er konnte mit Händen greiffen, daß,
wo Griechenland der Persischen
Monarchie nicht
mit vereinigter Macht Einhalt thäte, würden sie
eintzeln desto leichter überwältiget werden. |
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Nun muste sich es fügen, daß letzteres,
nehmlich aus einander zu gehen und eintzeln zu
streiten, schon von dem Eurybiades behauptet
worden war, ehe das erstere, von vereinigter
Macht, von dem Themistocles, einem jüngern,
vorgetragen wurde. Griechenland schwebte zwar
damahls in gröster Gefahr, und das Schwerdt
drang schon der
Freyheit des
Vaterlandes und
jedem Einwohner bis an die Kehle. Ein anderer
würde noch zu der
Zeit seine Einsichten und
Eigensinn lieber haben brechen, als, mit
Beybehaltung derselben, die Lebens-Gefahr
vergrössern lassen; Nur Eurybiades wolte seine
Ein- und Absicht, und in solcher sein gesuchtes
Ansehen, mit dem gewissen
Verluste seines und
der Seinigen
Lebens, wider die Wahrheit des
Themi- |
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{Sp. 918} |
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stocles, behaupten. Man bemercke hier, wie
weit es eine festgesetzte Absicht bey einem
Menschen bringen kan. Sie setzet
Leib und
Leben,
Gut und Blut auf, ihren
Zweck zu erhalten; Wie viel
weniger wird sie einige entgegenstehende
Wahrheit zulassen, welche sich mit nichts, als
damit, nothwendig machen kan, daß sie Wahrheit
ist, und einen
Nutzen nach ihrer Art bringet. |
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Es ist das nicht die
Würckung gewisser
Absichten allein, daß sie sich widersetzen,
Wahrheiten anzunehmen; Sie sind auch fähig,
Wahrheiten in Unwahrheiten zu verkehren. Wer
solte wohl glauben, daß Qvintilian nichts von dem
Nahmen des Christenthums gehöret habe, wenn er
solches den Jüdischen Aberglauben nennet? Wer
solte nicht meynen, daß er was besseres von den
Christen gesehen, oder gehöret habe? Und
gleichwohl nennet er sie eine allen
Völckern
schädliche Secte. |
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Qvintilian war bey zweyen
Printzen des Flavius Clemens Hofmeister. Dieser
hatte, mit seiner Gemahlin, Domitilla, die
Ehre, um
Christi Bekänntnisses willen, ein Märtyrer zu
werden; Die Christen giengen häuffig in seinem
Hause ein und aus; Jedermann sahe damahls auf
die Christen, und beobachtete ihre Handlungen
und Lebens-Wandel gantz genau; nur Qvintilian
stellt sich, als wenn er von allen diesen nichts
gehöret und gesehen hätte. Nein, Qvintilian! Deine
Absicht, dem Domitian zu schmeicheln, ließ dich
nichts von dem Guten der Christen sehen; Sie
bewog dich, diesen
Kayser vor einen
GOtt zu
halten; Und eben diese brachte dich auch dahin,
die Christen zu lästern. Man lese Plinius den
jüngern, wie er in einem Brieffe an seinen
Herrn,
den Kayser Trajan, die Christen loben muß. |
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„Sie versammlen sich, (sagt er) an einem
bestimmten Tag vor Aufgang der Sonnen, und
singen Christo zu Ehren, als einem GOtt,
Lob-Lieder. Sie verbinden sich zusammen durch
einen Eydschwur, nicht einiges Verbrechen
auszuüben, ihre Zusage unverbrüchlich zu halten,
was ihnen in Verwahrung gegeben worden, nicht
zu verläugnen etc.„ |
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Und was ist endlich der
Schluß?
Also ist dieses ein gerechtes
Volck, und muß
billig
des
Kayserlichen Schutzes
gewürdiget werden. So
würde er gelautet haben, wenn sich die Christen
seiner Absicht unterworffen, und den
Göttern
geräuchert hätten. Sie konnten aber dieses
Gewissens wegen nicht thun; Daher waren sie
Halsstarrige und Widerspenstige, und also
straffbar. |
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Bisher
redeten wir von Wahrheiten, welche
blos Historisch, oder allein durch das Licht der
Vernunfft
erkannt wurden. Gewisse Absichten
setzten sich ihnen entgegen, und liessen sie nicht
aufkommen. Was werden sie erst gegen geistliche
Wahrheiten thun? Diese haben ihren
Ursprung
lediglich von
GOtt, und den
Endzweck, allen Kram
des Hirn-Gespinstes und der Absichten über den
Hauffen zu werffen, wenn sie nicht mit göttlicher
Ordnung
übereinstimmen. |
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Das Hertz des
Menschen ist ohnedem voller Haß und
Widerwillen
gegen GOtt. Es verwahret mit Fleiß alle Eingänge
wider das, was göttlich ist. Nur muß man es nicht
zu grob machen. Es ist so Mode worden, sich zu
einem Bekänntnisse zu halten, das göttliche
Wahrheiten zu dem
Grunde hat. Ausser dem ist
man der Ge- |
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{Sp. 919|S. 473} |
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Gefahr ausgesetzet, nicht
geduldet zu werden.
Dahero läßt man manche geistliche Wahrheit so
paßiren, ohne sich ihr heimlich in dem Hertzen,
oder öffentlich, zu widersetzen. Dringen sie aber in
das Hertz, und wollen solches durch ihr Licht von
dem überzeugen, was sie sind; Da wird das
inwendige rege. |
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Die Absichten, welche man sich in der
Welt zu
erlangen vorgesetzet hat, messen erst genau aus,
ob die ansetzende Wahrheit ihnen zuwider, oder
nicht. Können sie noch dabey stehen bleiben, so
lassen sie es sich gefallen, wenn sie einen kleinen
Winckel von dem
Verstande des Menschen
einnehmen. Ja, sie können leiden, daß man sie
rühme, hoch halte und ausübe. Gantz anders
verhält sich die
Sachen, wenn die eindringende
Wahrheit die Absicht zu weichen nöthiget. Titius
hat sich vorgesetzet, ein
reicher
Mann zu werden,
und bereits viel
Güter gesammlet. Er belustiget
sich an dem schönen Glantze des Metalles, an der
Weitläufftigkeit und Schönheit seiner Gärten,
Äcker
und Wiesen, an der
Ehre, vor einen wohlhabenden
und angesessenen Mann angesehen zu werden.
Ein unermüdeter Fleiß und beständiges
Nachsinnen machet ihm die süsse
Hoffnung, in
kurtzem alles diß noch weit mehr vermehret zu
sehen. Er machet den
Schluß, nichts an Fleiß,
Mühe und Sorge zu sparen, bis er seines
Wunsches vollkommen theilhafftig geworden
wäre. |
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Mitten in dieser Absicht, rühret die Wahrheit
sein Hertz: Du Narr, diese Nacht, (oder in kurtzem)
wird man deine
Seele von dir fordern; Und wes wird
es seyn, das du bereitet hast? Meinen
Kindern?
Möchte Titius antworten; Aber diese leisten in jener
Ewigkeit keine Bürgschafft vor mich. Meiner Lust
ein Genüge zu thun? Aber diese giebt dorten keine
Entschuldigung ab. Mich auf das künfftige
Leben
zu versorgen, damit ich nicht Noth leiden dürffe?
Aber du hast schon mehr, als dazu nöthig ist. Die
Natur ist mit wenigem vergnügt.
GOtt will auch die
Armen nicht Hungers
sterben lassen. |
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Nun wäre die Überzeugung da: Ich muß meine
Sorge, mein Dichten und Trachten, besser
anwenden; Wenn nicht schon die eingewurzelte
Absicht solcher vorzubeugen wüste. Sie stellt ihm
das bisher genossene Vergnügen lebhafft vor; Sie
macht ihm die Vermuthung eines künfftigen
Mangels fürchterlich, und zu einem
unvermeidlichen Erfolge; Sie rühret die alten
Begriffe, durch das Anschauen der vorher
geliebten
Sachen, wieder auf; Sie schläffert das
aufwachende Gewissen, durch ein Versprechen
auf künfftige gelegene
Zeit, wieder ein, und
behauptet also ihre alte Herberge nach, wie
vorhero. |
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Auf solche Weise erhalten gewisse Absichten
die Menschen, daß sie lieber dem Mammon
dienen, als
GOtt; Lieber dem Götzen der
Ehre ein
Opffer bringen, als sich unter das Creutz Christi
beugen; Und so ferner. Es ist wahr, solange man
noch einen Respect vor die
heilige Schrifft, als
GOttes Wort, hat, giebt es noch einen Kampff in
dem Hertzen ab, ob man die gefühlte Wahrheit
gäntzlich aus den Augen setzen, oder sie zu einer
andern
Zeit williger hören wolle. Will aber das Licht
der Heil. Schrifft zu starck einleuchten, will es der
einmahl fest gesetzten Absicht zu vielen Eintrag
thun, will es zu viele Un- |
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{Sp. 920} |
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ruhe machen, hat man Mittel, sich davon zu
befreyen. Man wirfft einen Zweiffel auf: Ob sie wohl
GOttes Wort sey? Man bemühet sich,
Gründe zu
dem Gegentheil aufzubringen. Sie werden von der
innerlichen Neigung unterstützet, und damit das
Ansehen von der Göttlichkeit der
Bibel in dem
Hertzen gäntzlich zernichtet. O wie viele solten
wohl unter den äusserlich sogenannten Christen
gefunden werden welche in dem Hertzen nicht
glauben, daß die
heilige Schrifft GOttes Wort sey,
oder es wenigstens nicht der Mühe werth halten,
deswegen in
Gedancken sich einzulassen. |
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Die Verhärtung des Hertzens, die grosse
natürliche Blindheit in dem Geistlichen, und die von
Jugend auf eingewurtzelte
Liebe zu der Sünde,
können zwar viel thun; Aber doch nicht der
durchdringenden Wahrheit des göttlichen Wortes
beständig widerstehen, wenn jene nicht mit den
vorhergesagten Stücken gleichsam untermauret
wäre. Gewiß, die Deutlichkeit der göttlichen
Wahrheiten, die mit denselben würckende
Krafft,
die nachdrücklichen Ausdrücke, die mit der
göttlichen
Hoheit übereinstimmende Schreib-Art,
können nicht leer von dem Hertzen zurück
kommen, wo nicht die grössesten Hindernisse
zugegen sind. |
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Wir wollen von der letztern nehmlich von der
Schreib-Art der
heiligen Schrifft, nur zu einer
Probe, aus
Herrn Rollin de la Maniere d'enseigner
et d'etudier les belles Lettres, etwas weniges
anführen, allwo er von der Einfalt und Hoheit der
heiligen Schrifft
redet, über die
Worte: |
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„Daselbst creutzigten sie ihn. Je mehr man auf
den nicht nachzuahmenden Character der
Evangelisten Acht hat, desto mehr erkennt man,
daß sie ein gantz anderer Geist führet, als der
menschliche. Sie begnügen sich, mit einem Worte
zu sagen, daß ihr Herr gecreutziget sey, ohne
einige Erstaunung, oder einiges Mitleiden, oder
einige Erkenntlichkeit zu bezeigen. Wer würde von
einem Freund also reden, der sein Leben vor uns
gelassen hätte? Welcher Sohn würde auf eine so
kurtze und schlechte Art erzehlen, wie ihn sein
Vater von der äussersten Lebens-Straffe befreyet
hätte, da er an seiner Statt gelitten? Alleine
hierinnen sieht man den Finger des HErrn offenbar!
Und je weniger der Mensch in einer so wenig
menschlichen Aufführung vorkommt, desto klärer
ist die Würckung GOttes. |
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Die Propheten beschreiben das Leiden Christi
auf eine lebhaffte, rührende und pathetische Art;
Ps. XI. it. XLVIII. Jes. L. it. LIII. Jerem. XI. Sie sind
voller Gedancken und Betrachtungen. Aber die
Evangelisten erzählen es auf eine einfältige Art,
ohne Bewegungen, ohne Betrachtungen, ohne
ihrer Verwunderung und ihrer Erkenntlichkeit etwas
zu vergönnen, ohne das Ansehen zu haben, als
wenn sie ihre Leser in Christi Schüler verwandeln
wolten. Es war nicht natürlich, daß Leute, die so
viele Jahrhundert von des Meßias Zeiten entfernet
lebten, von seinem Leiden so gerühret waren. Es
war nicht natürlich, daß Zeugen, die sein Creutz mit
Augen gesehen hatten, und so eyfrig für seine Ehre
waren, auf eine so gelassene Art von dem
unerhörten Verbrechen reden solten, daß wider
seine Person begangen worden. Der Eyfer der
Evangelisten wäre ver- |
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{Sp. 921|S. 474} |
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dächtig gewesen; Der Eifer der Propheten
konnte es nicht sey. Wären aber die Evangelisten
und Propheten nicht von GOtt getrieben worden:
So würden die erstern weit lebhaffter, und die
andern weit gleichgültiger geschrieben haben. Die
einen würden eine Absicht zu überreden, und die
andern eine Furchtsamkeit und einen Zweiffel in
ihren Muthmassungen gezeiget haben, welches
Niemand gerühret hätte. Alle Propheten sind
feurig, eifrig, voller Hochachtung, und Ehrfurcht
gegen die Geheimnisse, die sie ankündigen: Alle
Evangelisten sind ruhig, und mit einem den
Propheten gantz gleichen Eifer haben sie eine
nicht nachzuahmende Mäßigung. |
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Im Anfang schuff GOtt Himmel und Erden.
Welcher Mensch würde wie Moses angefangen
haben, wenn er von so grossen Dingen geredet
hätte? Was für Majestät, und zugleich was für
Einfalt! Mercket man, daß uns GOtt selbst von
einem Wunder unterrichtet, welches ihn nicht in
Verwunderung setzet, und über welches er ist? Ein
gemeiner Mensch würde sich bestrebet haben
durch den Pracht seiner Ausdrücke der Hoheit
seiner Materie gleich zu kommen; Und würde nur
seine Schwäche gezeiget haben. Die ewige
Weisheit, die nur ihr Spiel hatte, da sie die Welt
schuf, macht die Erzehlung davon, ohne, sich zu
bewegen. Die Propheten, deren Absicht ist, uns die
Wunder der Schöpffung bewundern zu lassen,
reden gantz anders davor. In Ps. CXIII, 1. heißt es:
Der Herr ist König und herrlich geschmückt! Der
Herr ist geschmückt, und hat ein Reich
angefangen, so weit die Welt ist, und zugerichtet,
daß es bleiben soll. Von dem an steht dein Stuhl
fest etc. |
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Der Herr, will David sagen, geht endlich aus
seiner Einsamkeit heraus. Er will nicht mehr alleine
glückselig, allein gerecht, und allein heilig seyn. Er
will durch seine Güte und durch seine Mildigkeit
herrschen. Mit was vor Herrlichkeit ist dieser
unsterbliche König bekleidet! Was vor Reichthum
hat er vor unsern Augen ausgelegt! Aus was vor
einer Quelle entspringt so viel Licht und Schönheit?
Wo waren diese Schätze und diese reiche Pracht
verborgen, die aus dem Schooß der Finsterniß
hervorgehen? Wie muß die Majestät des
Schöpffers selbst seyn, wenn diejenige, die ihn
umgiebt, eine solche Ehrerbietung eindrücket! Wie
muß er seyn, da seine Wercke so prächtig
sind?„ |
- Grießhammers
ungleiches Schicksal derer Wahrheiten, Nürnberg
1742. in 4.
- Acta Scholast. II B.
…
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Hier müssen wir noch einige¶ |
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Sprüchwörter, Sinnbilder u.s.w. von der
Wahrheit¶ |
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überhaupt beybringen. Democritus
sagte,
die
Wahrheit liege in einem tieffen Brunnen verborgen,
anzuzeigen, wie schwehr es sey, dieselbe zu
erforschen. |
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Kinder und Narren reden die Wahrheit,
nehmlich unbedachtsamer Weise, und zu der
Unzeit, denn auch die Wahrheit erfordert ein
Wort
zu rechter
Zeit. |
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Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man die
Fiedel auf dem Kopfe entzwey, ist von
verdrüßlichen Wahrheiten die nicht zu der
Besse- |
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{Sp. 922} |
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rung, sondern zu der
Beleidigung gemeynet,
oder von boßhafftigen
Menschen, die der Wahrheit
und ihrer eigenen Wohlfahrt feind sind, zu
verstehen. |
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Die
Zeit ist eine Mutter der Wahrheit, weil
verborgene, oder durch Betrug und Lügen
verstellte
Dinge, endlich doch offenbar
werden. |
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Die Sonne hinter einer Wolcke, oder von dem
Monde verfinstert, mit der Beyschrifft: Bedeckt,
doch nicht benommen; Ist ein Sinnbild der
Wahrheit, wie sie eine Zeitlang gedruckt, aber nicht
gantz verdruckt, werden kann. |
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Eben dieses bildet auch die Lotus-Blume für,
welche bey Nacht sich in das Wasser tauchet, mit
angehendem Tage aber, wieder empor kommt; Mit
der Beyschrifft: Der Tag zeucht sie herfür.
(Extrahet orta dies) |
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Ein weiser
König beklagte sich, daß die
Wahrheit, die doch
Fürsten so nöthig sey, an
Fürstlichen Höfen am wenigsten anzutreffen. |
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Literatur |
Von der Wahrheit sich überwinden lassen, ist
ein rühmlicher Sieg: |
-
Walchs
Philosophisch. Lex. …
- Rambachs Dogmat. Theol.
…
- Jablonsky Lexicon …
- Meisners Philosoph.
Lexic. …
- Ludovici Histor. der Wolffischen
Philosophie …
- Ahlwardts Kräffte des menchl.
Verstand …
- Carpovii Erläut. der Wolffisch.
Sitten-Lehre …
-
Wolffs Gedanck. von Gott, Welt
und Seele …
- Desselben Nachricht von sein. eign.
Schr. …
- Desselben Gesellschafftl. Leben der
Mensch. …
-
Deutsche
Acta Eruditor. …
- Syrbii
kurtze Anweis. zur Weish. …
- Bruckers Philos. Hist.
…
- Zimmermanns Abriß der Vernunfft-Lehre …
- Desselben natürl. Erkännt. Gottes, Welt und
Menschen …
- v. Rohrs Vernunfft-Lehre …
- Kemmerichs Acad. der Wissensch. Eröffn. …
- Müllers Philos. Wissensch. I Th. …
- Gottscheds Gr.
der Welt-Weish. …
- Weisens Curieus. Fr. über die
Logic …
- Philosoph. Bücher-Saal …
- Fabricii Philos.
Orat. …
- Desselben Logick …
- Baumeisters Philos.
definitiv. …
- Micrälii Lex. philos.
…
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