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Eid, ist eine vorbedächtige Anruffung
GOttes,
der uns
straffen
sollte, wofern wir die
Wahrheit
nicht
reden, oder unser Versprechen nicht halten
sollten, um unsern
Worten mehr
Glauben zu
Wege zu bringen. |
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Oder, wie ihn
Müller
definirt, ist er eine
Erklärung des
Schwöhrenden durch die
Rede, dadurch er dem andern zu
erkennen giebet, daß er
der Göttlichkeit seiner
Pflicht, das ist, daß sie dem
Willen GOttes als dem
Grunde aller
Verbindlichkeit gemäß sey, in der
That überzeuget sey, und aus
diesem Grunde den
Gewissens-Trieb, nemlich daß GOtt die Übertretung seines
Willens nicht werde ungestrafft lassen, seiner
Pflicht gegen den andern aufrichtig Folge zu
leisten,
würcklich
empfinde. |
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Beschreibung |
Aus dieser wahrhafften
Natur der Eid-Schwühre lassen sich alle
Arten
vernünfftiger
Eids-Formeln verständig erklären. Das
Wesen
derer Eid-Schwühre bestehet nemlich in
Erweckung des angeführten Triebes des
Gewissens; dieser Trieb aber gründet sich
Theils
auf die Überzeugung der
wahrhafftigen
Göttlichkeit derjenigen Pflicht, wegen welcher der
Eid geleistet wird; Theils auf einer ernstlichen
Erwägung, daß GOtt das Wohl oder Wehe derer
Menschen an die Beobachtung oder Übertretung
ihrer Pflichten unveränderlich gebunden. |
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Es müssen also alle wahrhaffte Eides-Formeln auf eine dieser beyden Betrachtungen
gerichtet seyn, nehmlich entweder auf die erste
z.E. wenn man schwöhret: Bey GOtt, bey GOttes
Wissen oder Allwissenheit: So wahr GOtt als der
Urheber der Pflicht, um deren willen man
schwöhret, sey oder lebe. Oder auf die andere
z.E. der Schwuhr: so wahr mir GOtt helffe, GOtt
straffe mich oder der Schwuhr, bey seiner
Seele
und bey seinem
Leben. |
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Doch da beyde Betrachtungen in
unzertrennlicher Folge an einander hängen, so
daß die eine die andere
nothwendig in sich fast,
oder nach sich ziehet: so sind alle vernünfftige
Eides-Formeln in der That von einem
Verstande.
Wenn nicht derjenige selbst, der schwöhret, sich
mit dem Eid heraus läst, sondern der andre, dem
der Eid |
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{Sp. 476} |
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geleistet wird, ihm den
Vortrag des Eides, um
sein
Gewissen zu rühren,
thut, so heist es
Obtestatio oder eine Beschwöhrung. Also
beschwuhr der Hohe-Priester Christum: Ich
beschwöhre dich bey dem lebendigen GOtt, daß
du uns sagest, ob du seyst Christus, der Sohn
GOttes. |
Matth. 26, 63. |
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Dahin gehören gleichfalls alle Eide, deren
sich
GOtt in der
Schrifft gegen die
Menschen
bedienet. Sie haben keine Pflicht GOttes gegen
die Menschen zum
Grunde; sondern
erinnern
vielmehr die Menschen ihrer
Pflicht gegen GOtt,
und beschwöhren die Menschen das, was GOtt
selber
saget und ordnet, vor ein göttliches Wort
ohne allen
Zweiffel anzunehmen. |
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Der Pöbel redet zwar von einer besondern
Art der Beschwöhrung, wodurch man
die
Geister bannen könne, alleine wer nur die
Natur der
Beschwöhrung einsiehet, wird gar leichte den
Ungrund dieser
Meynung
verstehen. Man wüste in
denen abergläubischen
Zeiten die Natur derer
Eid-Schwühre nicht, und fiel nach der
gewöhnlichen Art des Pöbels an dessen Stat auf
das äusserliche nemlich auf die
Wörter, und
dabey üblichen Ceremonien. Man suchte einen
besondern Seelen-Zwang in denenselbigen, wenn
sie gleich ohne
Verstand hergemurmelt und
vollbracht wurden. |
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Weil man nun solcher
Gestallt eine
Beschwöhrung vor eine torturam spriritualem, welches Wortes sich auch noch ietzo die Juristen
bedienen, hielte: so vermeynte man, daß man ja
wohl auch andre gute und böse Geister durch
Ceremonien,
z.E. durch gemachte Circel, Creutze,
Triangel, und hergemurmeltes Abracadabra,
rühren könnte. Da nachgehends dieses
Hauptstück der
Religion, die sich auf dem
Aberglauben gründete, mit schönen
Historien, die
von denen Liebhabern vor
gantz
gewiß gehalten
wurden, erläutert und bekräfftiget wurde: so hat
dieser
Wahn so tieffe Wurtzeln gefasset, daß sich
noch heutiges
Tages Leute finden, die davon nicht
abgehen
wollen. |
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Wenn der schwöhrende, um andern sein
gerührtes
Gewissen desto besser zu zeigen, sich
einer erschrecklicher Art der göttlichen Rache,
wenn er seine
Pflicht versäumen würde, bedienet,
so heisset es sich durch Flüche vermessen
z.E.
wenn sich einer vermisset, daß ihn der Donner
rühren, die Erde verschlingen,
GOtt ihn töden oder
verdammen solle. Thut hingegen ein andrer
dergleichen
Vorstellungen demjenigen, der zu
einer Pflicht
verbunden ist, auf die Art einer
Beschwöhrung, so heisset es auf eine
Person in
Ansehung einer
That den Fluch, das Anathema,
oder das Wehe legen; oder besser: den von GOtt
auf eine
That gelegten Fluch einer
Person um ihr
Gewissen zu rühren, vorstellig machen. Denn ein
angemastes bloß menschliches Fluch-Auflegen
oder Anathema auf
Thaten, auf welche GOtt
keinen Fluch geleget, ist eine menschliche
Thorheit und Lästerung. |
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Noch eine weit grössere Unbesonnenheit ist
es, wenn man sich einbildet, daß sich GOtt zum
Vollstrecker dessen, was die Thorheit derer
Menschen
begehret, werde
gebrauchen lassen.
Hieraus siehet man auch, daß alles Fluchen und
Verwünschen, so wohl seiner selbst als anderer,
welches den
Zweck und die
Grentzen des Eides
überschreitet, und nur aus Ungedult und Haß
herrühret, närrisch und
sündlich sey. Ein ieder, der
nur
verstehet, was ein Fluch sey, wird deßwegen
leicht
erkennen, daß es närrisch sey, ein Vieh,
oder lebloses
Ding, dessen Gewissen doch nicht
kan gerühret werden, zu verfluchen. |
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GOtt verfluchte zwar dort den
Acker |
Gen. 3, 17. |
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und Christus den Feigenbaum |
Marc. 11, 13. 21. |
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Aber der erste Fluch war nicht auf den Acker
sondern auf den Men- |
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{Sp. 477|S. 254} |
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schen gerichtet. Denn GOTT sprach zu
Adam: Verflucht sey der Acker um deiner willen.
Der andre aber und seine bald darauf erfolgende
Würckung wurde von CHristo gar nicht als ein
Fluch um des Baumes willen, sondern als ein Bild
des
Glaubens und seiner
Würckung
vorgetragen,
wie solches aus demjenigen, was darauf folget,
satsam erhellet. |
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Der
Grund und der
Ursprung also derer
Flüche ist in sich selbst
gut, um mit dem Grunde
derer Eid-Schwühre einerley. Der Unverstand
aber, die Leichtsinnigkeit und Thorheit derer
Menschen hat den
gewöhnlichen Mißbrauch von
beyden hervorgebracht. Ihre viele
meynen durch
die Menge derer hin und wieder im
Reden
angebrachten Theils gottlosen und lästerlichen,
Theils närrisch ersonnenen Flüche ihrer
Rede
einen sonderlichen Putz zu geben, und eine recht
furchtbare Männlichkeit zu zeigen. |
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Umstände |
Nach dieser Beschreibung derer Eide
wollen
wir die besondere
Umstände des Eides
betrachten. |
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Person |
Wir sehen erstlich auf die
Person, welche
schwöhret, da man denn
fraget, wer einen Eid
ablegen könne? Weil der Eid in der
Erkenntniß
einer
Pflicht bestehet, so kan niemand, welcher
nicht durch seinen
Verstand
eine Pflicht zu erkennen
vermögend ist, zu dem Eide gelassen werden; dahin
gehören also rasende Leute und
Kinder. |
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Atheist |
Ins besondre aber fällt hier die Frage vor: Was man von dem Eide eines Atheisten zu halten,
und ob man demjenigen, welcher in seinem
Hertzen keinen
GOTT
glaubet, dazu lassen
solle?
Kulpisius in Colleg. Grot. … will seine
Meynung
nicht entdecken, er schreibet nur: An si Atheus
juret per Deum, quem nullum credit verum dici
possit iuramentum? quaesiti respondebimus. |
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Derer andern ihre
Gedancken kan man in
drey
Classen
eintheilen. |
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Einige meynen, der Eid, den ein Atheiste
schwöhret, sey ein wahrhaffter Eid, wann man ihn
nach seiner
Natur, und nach der Absicht dessen,
dem er geschwohren werde, anzusehen
habe. |
- Textor in Synops. Jur.
Gent. …
- Willenberg in Siciliment. Jur.
…
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Andre halten nicht dafür, daß ein
wahrhafftiger Atheist einen Eid schwöhren könne,
indem das
Wesen desselbigen mit sich brächte,
daß man GOtt, als einen Zeugen u.
Richter
anruffe, mithin wäre der Eid auf Seiten des
Atheisten, der in schwöhret, nur ein Blendwerck,
u. habe bey ihm keine
Würckung. |
Zu diesen gehöret
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Die dritten
erinnern, man
müsse hier einen
Unterscheid machen, so ferne man entweder
vorher
wisse, daß iemand ein Atheiste sey, und in
diesem Falle sey er nicht zum Eide zu lassen;
oder so fern man dieses nicht wisse, und da sey
der abgelegte Eid dennoch kräfftig und
verbindlich. |
- Hochstätter in Coll.
Pufend. …
- Halbach in Biga Quaestionem de
Juram. Athei et Religionis
Jena
1715.
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Nach der
Theorie hat diese
Frage keine
grosse Schwürigkeit. Es ist
vernünfftig, daß ein
Atheiste, der keinen GOtt
erkennet, sich durch die
Göttlichkeit einer
Pflicht nicht wird rühren lassen.
Sieht man aber diese Frage in der
Praxi an, so ist
sie von wenigem |
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{Sp. 478} |
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Nutzen. Denn ist jemand in seinem Hertzen
ein Atheist, so wird er nicht leichte so tumm seyn,
daß er solches andern
saget, und so lange man
dieses nicht
weiß, so kan die Frage selbst nicht
Stat haben. Denn die Haupt-Frage ist, ob ein
Atheiste zum Eide zulassen, folglich
muß man
vorhero wissen, ob er ein Atheiste sey; schwöhret
aber ein Atheiste, dessen Atheisterey verborgen,
so ist nicht zuvermuthen, daß er nachgehends
unter dem Vorwand, er habe als ein Atheiste
geschwohren, sich von seinem Eide werde
loßmachen
wollen, und wenn er auch dieses
thäte, müste man solches geschehen lassen, weil
das zum Schein abgelegte Jurament doch nur
unkräfftig und vergebens wäre. |
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Bevollmächtigter |
Gleichfalls ist kein geringerer Streit über die
Frage: ob es erlaubet sey, daß ein
Gevollmächtigter in des andern
Seele schwören
dürffe? hierüber haben sonderlich Oldecop u.
Feltmann mit einander gestritten; Jener
behauptete mit Hottomannen, Wissenbach u.
Hubern, es wären dergl. Eide höchst
unbillig. Der
Eid wäre deßwegen erfunden worden, daß er den
Menschen ein Schrecken einjagen
sollte, die
Wahrheit zu sagen, wie könnte also der dritte
Mann, der sich zu fürchten keine
Ursache hätte,
den Eid ablegen? Man kam dahero auf die
Meynung, Juramentum esse
personalissimum. |
Gundlingiana St. IV.
… |
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Feltmann hingegen behauptete, man könne
gar wohl einen andern in seine
Seele schwöhren
lassen. Diese Meynung hat Gundling l.c. … gar
wohl erwiesen. Er mercket an, daß zwischen dem
Pacisciren und dem Schwöhren kein
Unterscheid
sey, könne man nun durch einen andern
pacisciren lassen, warum solte man nicht einen
andern in seine Seele schwören lassen? daß man
lehre, Juramenta esse personalissimum, sey von
keiner Wichtigkeit, personalissimum müste
unfehlbar so viel seyn, als quod personam non
egreditur. Dieses hätte allhier entweder den
Verstand, es gienge der Eid dem Principal in keiner
andern Person an, oder es müste soviel
heissen, es könnte niemand den Eid als die
Haupt-Person leisten. Bey dem ersten sey nichts
zu
erinnern; das andere aber sey die Frage, die
erst zuerweisen. |
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Wollte man mit dem
Beweise aufgezogen
kommen: Die Absicht bey allen Eidschwühren
gienge dahin, daß die schwöhrenden
sollten
erschrecket werden, so müsse man hier einen
Unterscheid unter weisen und tummen Leuten
machen; Ein weiser
Mann werde dadurch nicht
geschrecket, weil er
weiß, daß schwöhren und
Versprechen einerley. Es wäre also die geführte
Absicht bey solchen Menschen vergebens, sie
verstünden gar wohl, daß dasjenige, was der dritte
Mann in ihrem
Namen, oder in ihrer Seele
schwöhren, eben so viel sey, als wenn sie
dasselbige selbst geschworen, die Finger
aufgehoben, und die
Worte persönlich
ausgesprochen hätten. Wären es tumme Leute,
die solches nicht
wüsten, so müste man es ihnen
sagen, und vielleicht sey niemand so albern, der
dieses nicht wissen und begreiffen könnte. |
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Die besondere Vollmacht, so er ertheilet, daß
sein Gevollmächtigter in seine Seele schwöhren
sollte, zeige genugsam, daß er davon
unterrichtet
sey, womit die
gantze Sorge wegfalle, daß die
meisten Menschen
glaubeten, wenn sie nicht
selbst schwöhren, so wären sie nicht
verbunden,
wiewohl es auch hier nicht auf ihren Glauben
ankomme. Würcke ferner der Eid keine neue
Verbindlichkeit, so könne man auch nicht sagen,
daß die Obligation hier grösser |
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{Sp. 479|S. 255} |
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sey, als bey dem zusagen, in dem man GOTT
etwas verspräche. Gesetzt aber, daß auch GOTT
etwas versprochen würde, welches doch
falsch,
so sey erst auszumachen, ob GOTT durch einen
Gevollmächtigten nichts könne versprochen
werden? Daran nicht zu
zweiffeln. |
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Was das Schrecken anlange, so sey falsch,
daß, wenn ein Gevollmächtigter schwöhre, kein
Schrecken auf Seiten des Principals vorhanden
sey, er wisse, oder solle es doch wissen, daß es
soviel sey, als wenn er GOTT zum Zeugen und
Richter über seine Seele selbst anruffe, und wenn
er dieses ja nicht wüste, so könne man ihm
solches sagen lassen. |
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Ob es nun also wohl zuläßig, daß man per
Mandatarium schwöhren könne, so erfordert doch
die
Klugheit eines Gesetzgebers, um allen, auch
denen unbegründeten Vorurtheilen des Pöbels
vorzukommen, dergleichen Eide durch den dritten
Mann nicht ohne Unterscheid zuzulassen. Daß
man die Gerichts-Diener, die Urfehde bey der
Verweigerung derer Verbrechen selbsten in die
Seele dieser Personen ablegen lässet, solches
kan mehr nach der Klugheit, als nach der
Gerechtigkeit vertheidiget werden. |
Titius Jur. Priu.
… |
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