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Zedler: Student [2] HIS-Data
5028-40-1185-8-02
Titel: Student [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1189
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 608
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel

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Stichworte Text   Quellenangaben
Leben und Sitten Gleichwie man sich aber in allen Ständen eines rechtschaffenen Wesens befleißigen muß, wenn man das Ziel seiner Wünsche erlangen will; also hat hauptsächlich auch ein Student sich dessen zu bestreben Ursache. Ein Christl. Schüler, wenn er auf Gutbefinden seiner Eltern, Freunde und Lehrer mit GOtt entschlossen ist, seine Studien auf Academien fortzusetzen, muß sich vor allen Dingen einen heiligen Zweck vorstellen, und um heilsame Mittel besorget seyn. Er muß wissen und glauben, daß das Studiren und Lernen eben sowohl aus dem lebendigen Glauben an Christum, der Liebe GOttes und des Nächsten geschehen, und gehen, auch dadurch gezielet werden müsse, zuförderst auf die Ehre und Vollbringung seines heiligen Willens, mit nichten aber auf eigene falsche Liebe, grossen Ruhm und Ehre vor der Welt, Menschen-Gunst, gute Beförderung, ansehnliche Besoldung, Reichthum, und dergleichen irdische und vergängliche Dinge.  
  Er muß ferner die feste Entschliessung fassen und einen beständigen Fürsatz haben, sein Studiren auf der Universität mit allem Fleiß, Eifer und Ernst fortzusetzen, und nicht zu unterlassen, was zur Erlangung seines löblichen Zwecks nöthig, heilsam und nützlich seyn mag. Weil die Gottesfurcht der Weisheit Anfang, und zu allen Dingen nütze ist, auch die Verheissung dieses und des zukünfftigen Lebens hat; so hat ein Christl. Studiosus derselben sich vor allen Dingen und mit gantzem Ernste zu befleißigen. Es ist aber die heilige Gottesfurcht, als die Haupt-Tugend und Mutter aller Tugenden, eine Behutsamkeit, dadurch ein Mensch sich fleißig hütet, daß er in sei-  
  {Sp. 1190}  
  nem gantzen Leben und Wandel nichts thue, rede, oder gedencke, was GOtt zu wider, auch nichts unterlasse, was ihm wohlgefällig ist.  
  Damit sich nun ein Studiosus in die schöne und herrliche Tugend der Gottseligkeit verliebe, und derselben ernstlich sich zu befleißigen angereitzet werde soll er ihm folgende Schrifft- Sprüche öffters vorhalten, und niemahls aus seinem Gedächtniß kommen lassen:  
 
  • Die Furcht des Herrn, das ist die Weisheit, und meiden das Böse, das ist Verstand.
Hiob XXVIII.
 
  • GOtt lieben ist die schönste Weißheit,
Syr. I.
  Syr. XXV
 
  • Fürsten und Herren sind zwar in grossen Ehren, aber nicht so groß als der, welcher GOTT fürchtet. Die Gottseeligkeit ist mächtiger denn alle Dinge,
Sapient. X.
 
  • Es ist nichts bessers, denn GOTT fürchten, und nichts bessers, denn auf GOttes Gebot achten,
Syr. XXIII.
  Im Gegentheil soll ein Studiosus wissen, und sicherlich glauben, daß alles sein Studiren und Lernen, alle seine Wissenschafft, Gelehrsamkeit, Kunst und Geschicklichkeit, sie sey so groß und vollkommen, als sie wolle, vor pur lauter nichts, nur vor Koth und Schaden zu achten sey, wo nicht ein heiliges, frommes und gottfürchtiges Hertz dabey ist. Die Gelehrsamkeit in einem unheiligen und ruchlosen Menschen ist ein schädlicher Gifft. Ein gelehrter und dabey ein gottloser Mensch ist, wie die Erfahrung, der Kirche und dem gemeinen Wesen eine rechte Pest. Weil aber die Gottesfurcht nicht ein Werck ist, das in menschlichen Kräfften und Vermögen stehet, sondern der HErr das Hertz fromm machen muß, so muß ein Studiosus der gerne fromm und gottselig werden will, das Gebet ergreiffen, und unabläßig, sowohl Morgens als Abends, ja Tag und Nacht GOtt um Gnade, Krafft und Beystand seines Geistes anruffen. Er muß immer mit David beten und seuffzen: Schaffe in mir GOtt ein ander Hertz, und gib mir einen neuen gewissen Geist, verwirff mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir.  
  Wenn er des Nachts erwacht oder aufstehet, oder wenn er aus dem Hause gehet, soll er bey sich heimlich zu GOtt seuffzen: HERR mein GOTT! lehre mich an diesem Tage gedencken, reden, und thun, nach deinem Willen und Wohlgefallen, denn du bist mein GOtt, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn. Es ist nicht genug, daß man, wie viele zu thun pflegen, nur etwann den Morgen- und Abend-Seegen aus einem Buche lese; sondern man muß mit dem Gebet anhalten. Bete ohne Unterlaß, vermahnet der heilige Apostel des HERRN. Worzu denn die kurtzen Hertzens-Seuffzer, wenn man sich fein dazu gewöhnet, sehr nützlich und erbaulich sind.  
  So du mit Fleiß, spricht der weise Salomo, nach der Weisheit ruffest, und darum betest, so du sie suchest, wie Silber, und forschest sie, wie Schätze, alsdenn wirst du die Furcht des HErrn vernehmen, und GOttes Erkänntniß finden. Denn der HErr giebt Weisheit, und aus seinem Munde kommt Weisheit und Verstand. Er hütet die, so recht thun, und bewahret den Weg seiner  
  {Sp. 1191|S. 609}  
  Heiligen. Denn du wirst verstehen Gerechtigkeit und Recht, und Frömmigkeit, und allen guten Weg.  
  Es sind auch ein und andere zur Übung des Christenthums und der Gottseeligkeit dienende Hülffs-Mittel, derer ein Christlicher Studiosus sich mit Nutzen zu gebrauchen hat. Unter andern sind es folgende:  
 
1) Allezeit eingedenck zu seyn der gewissen Allgegenwart GOttes, des Hertzen-Kündigers.
 
 
Hierzu dienet, daß ein Studiosus den CXXXIX Psalm fleißig, und dabey des seeligen Herrn L. Geiers erbauliches Tractätlein, von der Allgegenwart GOttes, öffters lese. Wer festiglich glaubet, und stets daran gedenckt, daß GOTT allenthalben zugegen sey, alles wisse, sehe und höre, und ein Vergelter sey, so wohl des Bösen als des Guten, der wird sich hüten, daß er nicht freventlich und muthwillig wider GOtt sündige.
 
 
2) Fleißige Leß- und Betrachtung der heiligen Schrifft, sonderlich des Neuen Testaments und anderer erbaulichen und guten Bücher.
 
 
Wohl dem, spricht der Haus-Lehrer, der stets mit GOttes Wort umgehet, der es von Hertzen betrachtet, und gründlich verstehen lernet,
Syrach XV.
 
Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträfflich gehen? fragt David, und antwortet hierauf: Wenn er sich hält nach deinem Wort,
Psalm CXIX.
 
Soll er sich nun nach GOttes Wort halten, so muß er solches wissen und verstehen, und dazu wird eine embsige Leß- und Betrachtung der heiligen Schrifft erfordert. Ein oder ander Capitel zu lesen ist nicht genug; man muß das Gelesene ernstlich erwegen, und betrachten, und durch fleißige Meditation und Nachsinnung also ins Hertz fassen, daß man die Krafft und den Safft empfindet, sonst bringet es wenig Nutzen, wie davon in einem Tractätlein von der Nachsinnung weitläufftig gehandelt worden.
 
 
Was die Lesung geistlicher und erbaulicher Christenthums-Bücher anbelanget, so hat man derer, GOtt Lob, heutiges Tages, so wohl in lateinischenr als deutscher Sprache eine gute Anzahl. Vor andern sind fleißig zu lesen,
 
 
  • Joh. Arnds Bücher von Wahren Christenthum, und deren Kern und kurtzer Begriff,
  • Lütkemanns Vorschmack göttlicher Güte,
  • Heinrich Müllers Liebes Kuß,
  • Geiers Tractat von der Liebe GOttes und des Nächsten, und andere seine Bücher mehr.
 
 
Es muß aber ein Studiosus nicht dencken, es sey eben nicht nöthig, dergleichen Bücher zu lesen, weil er etwann die Theologie zu studiren nicht entschlossen ist. Doch nein, es wird allen Studenten die Lesung erbaulicher Schrifften bestens empfohlen, weil dieselbe ihnen allen nöthig und nützlich ist.
 
 
3) Die Heiligung des Sabbaths oder Sonntags.
 
 
Ein Studiosus muß nicht meynen, wenn er etwann die Frühe- oder Mittags-Predigt gehöret, so habe er schon der Sache eine Genüge gethan. Keinesweges. Zur rechten Feyer des Sabbaths ist nöthig, daß man den gantzen Tag und nicht nur einige Stunden desselben feyre. An einem solchen Tage soll nun ein Studiosus in keinen andern Büchern, als in der heiligen Schrifft und geistlichen Sachen studiren. Er muß die Philosophische, Philologische, Juristische, Historische und andere Bücher auf die Seite legen, und an deren statt das heilige Wort GOt-
 
  {Sp. 1192}  
 
tes, geistlicher und himmlischer Dinge embsig und mit Andacht lesen und meditieren.
 
 
4) Offtmahlige würdige Geniessung des heiligen Abendmahls, nebst aufrichtiger Prüfung des Gewissens, und alltäglicher Wiederhohlung und Erneurung des guten Fürsatzes im Hertzen.
 
 
Nicht muß ein Studiosus nur nach Gewohnheit, wenn etwann ein Viertheil- oder halbes Jahr verflossen, sich im Beichtstuhl einfinden, sondern sich zu diesem hohen und heiligem Wercke wohl vorher bereiten.
 
 
5) Erbauliche geistliche Gespräche von GOtt und seinem Worte.
 
 
Solche Übung hat einen herrlichen und vortrefflichen Nutzen und zeigt die Erfahrung, daß mancher junger Mensch in seinem Christenthum, dadurch fast mehr, als durch andere Mittel erbauet worden.
 
  Es muß sich ferner ein christlicher Studiosus befleißigen, den alten Menschen je mehr und mehr auszuziehen, die Luste der Jugend zu meiden, hingegen den neuen Menschen anzuziehen, Christi Geist und Sinn haben, und von denselben sich regieren und treiben lassen, in steter Erinnerung der Apostolischen Sprüche:  
 
  • Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wer da sagt, daß er in Christo bleibt, der soll auch wandeln, wie er gewandelt hat,
1 Ep. Joh. II.
 
  • Welche der Geist GOttes treibet, die sind Gottes Kinder,
Rom. VIII.
  Er soll auch an GOtt seine höchste Lust haben, und über seiner alle Tage und Augenblicke neuen Güte sich inniglich freuen. Alles zur Ehre GOttes fürnehmen, nur bitten, wollen und verlangen, was GOtt will, und darein sich gantz und gar ergeben. Mit Willen nichts zu reden und thun, das GOtt zu wieder, und dem Nächsten schädlich, denen Christlichen Tugenden eifrig nachstreben, und alle Gelegenheiten, dadurch eine und die andere kan practiciret werden, genau in Acht nehmen.  
  Wenn ein Studiosus bey der Immatriculation den gewöhnlichen Studenten-Eyd abzulegen hat, so soll er solches mit Gottesfurcht thun, denselben stets für Augen haben. Er soll demselben treulich Folge leisten, und es nicht für eine geringe Sünde halten, wenn man muthwillig und freventlich darwieder handelt, sondern gewiß glauben, daß das Ita me Deus adjuvet manchen den Fluch in seine Studier-Stube und in sein Hauswesen gebracht habe.  
  Dem Academischen Magistrat und den gesammten Professorn, soll er alle Wege gebührenden Respect und Ehre geben, derselben treu väterliche Vermahnungen und Warnungen ja nicht verachten, und in den Wind schlagen. Insonderheit soll er sich fleißig hüten, daß er sich nicht durch anderer Bösen und Ungehorsamen ärgerliche Exempel verleiten lasse, dieselben in einigerley Weise zu beschimpffen und zu beleidigen, sie mit Verletzung seines Gewissens, zum Zorn zu reitzen, und zum seuffzen veranlassen, sondern sich vor dem grossen und gerechten GOtt scheuen, und dessen Rache und Straffe fürchten.  
  Es erfordert auch die Pflicht und Schuldigkeit von einem christlichen Studioso, daß er sich vor nachgesetzten Lastern und Sünden mit gantzen Ernst und Fleiß hüte, und zwar  
  erstlich vor den schäd- und schändlichen Müßiggang, dadurch die edle und unschätzbare Zeit liederlich hingebracht wird. Er soll stets an die Absicht gedencken, welche seine Eltern gehabt, indem sie ihn auf die Universität geschicket,  
  {Sp. 1193|S. 610}  
  und wie gantz unverantwortlich es sey, Zeit und Geld zugleich durch Faulheit und Müßiggang verzehren. Er soll sich hüten, daß er nicht dermahleinst den Zeit-Verlust allzuspät bereuen müsse.  
  Ferner hüte er sich vor dem verhaßten und unflätigen Laster des Sauffens, der Schwelgerey und Trunckenheit, daraus so viele andere Laster und Üppigkeiten erwachsen. Vulgatum est: Anima sicca sapientior: ebrietate ingenium perit, sapientia obumbratur, vigor animi impeditur. Es wird selten was rechtschaffenes aus einem Menschen, der auf Universitäten des Sauffens und Schmausens gewohnt gewesen ist. Ein christlicher Studiosus lese und erwege öffters die Worte des heiligen Bernhards in dem Tract. de modo bene vivendi: Serm. XV. da er sagt: Ebrietas [neun Zeilen lateinischer Text].  
  Weiter hüte er sich vor unnöthiger öffterer Gemeinschafft mit dem andern Geschlecht. Es ist ein solcher Umgang, wie die Erfahrung bezeugt, einem jungen Menschen in viele Wege gefährlich und schädlich, daher zu fliehen, und die Warnung des weisen Salomo fleißig zu mercken, da er sagt: Ihre Lippen sind süsse wie Honigseim, und ihre Kehle ist glätter denn Öl, hernach aber bitter wie Wermuth, und scharff wie ein zweyschneidig Schwerdt. Darum laß deine Wege ferne von ihr seyn, und nahe dich nicht zur Thür ihres Hauses, und müssest hernach seufzen, wenn du Leib und Gut verzehret hast und sprechen: Ach wie habe ich die Zucht gehasset, und mein Hertz die Straffe verschmähet. Ich habe nicht gehorcht der Stimme meiner Lehrer, und mein Ohr geneigt zu denen, die mich lehreten, ich bin schier in all Unglück kommen vor allen Leuten und vor allem Volcke. Sprüchwörter Salom V.
  Gleichergestalt hüte er sich vor böser und liederlicher Gesellschafft. Man findet auf Universitäten wilde rohe und übelgezogene Leute, die allerley Frevel, Muthwillen, und Büberey ungescheut treiben, und ein gantz ärgerliches Leben führen, deren Umgang hat ein christlicher Studiosus sich gantz zuenthalten, und sich wohl fürzusehen, daß er nicht, wie zu weilen geschiehet, von ihnen unversehens in ein Schweiß-Bad geführet, und in Unglück gestürtzt werde. Hergegen halte er sich zu wenigen insonderheit zu denen, die da fromm, christlich, stille, eingezogen und in ihren Studiren fleißig sind.  
  Ferner hüte er sich mit gantzen Ernst vor Zanck und Stänckereyen, allen Schlägereyen, Balgereyen und Nacht-Schwärmereyen, als solchen Lastern, daran GOtt und Menschen einen Greuel und Abscheu haben; er befleißige sich hergegen eines eingezogenen, stillen Lebens, und christlichen und gottgefälligen Wandels. Er gedencke an den Spruch des Weisen, da er sagt: Die Weisheit kommt nicht in eine boshafftige Seele, und wohnet nicht in einem Leibe der Sün-  
  {Sp. 1194}  
  den unterworffen; denn der heilige Geist weichet von den Ruchlosen, welche gestrafft werden mit Sünden, die über sie verhänget werden; denn GOtt ist ein Zeuge über alle Gedancken, und erkennt alle Hertzen, und höret alle Worte. Es bezeugt die tägliche Erfahrung, daß solche tolle Männer und wilde Hummeln, die den Universitäten einen bösen Nahmen gemacht, von GOtt nicht ungestrafft bleiben, und daß sie manches mahl, da ihr Gewissen aufgewacht, in ihrem Leben, auf ihrem Siech-Bette solch ihr ruchloses Wesen jämmerlich beseufzet, und gewünschet, daß sie nimmermehr dergleichen Fehler verübet hätten.  
  Nicht weniger hüte er sich vor der heutigen Kleider-Thorheit, und andern hoffärtigen Wesen, darüber ein frommer Theologus schmertzlich geklagt, daß man jetziger Zeit nirgend mehr seltsame, närrische, fremde, üppige, leichtfertige, und prächtige Kleidung finde als auf Universitäten. Da die Eltern vermeynen, die Kinder verstudiren ihr Geld, so frisset es der Hoffarts und Allamoden-Teuffel. In einigen Academischen Statuten ist unter andern Puncten auch dieser mit enthalten; daß sich alle Studenten, in Kleidung und äusserlichen Wandel mäßig, eingezogen, und züchtig halten, und hierinnen alle Ungestalt und Miß-Stand meiden sollen, wie sich denn ihrem Stande nach gebühret. Absonderlich soll ein Studiosus, der ein Alumnus oder Stipendiate ist, sich schämen in Sammt und Seiden, und sonsten auf Alamode gekleidet einherzugehen, sintemahl die Stipendiaten-Gelder die er geneußt, als Allmosen zu achten, u. dahero nicht auf prächtige Kleider zu wenden.  
  Mit gleichem Eifer hüte er sich vor dem der Jugend fast gemeinen Laster der Verschwendung, damit er nicht über seiner Eltern Vermögen verzehre, und allzu viel aufgehen lasse. Es ist keine Kunst, drey, vier, fünf hundert, und mehr Reichs-Thaler in einem Jahr auf der Universität verzehren. Und obgleich die Eltern gutes Vermögens seyn möchten, so ist es doch sündlich. Ein Studiosus soll gedencken, wie sauer zumahl bey jetzigen sehr schweren und Geld- klemmen Zeiten, denen Eltern das Geld zu erwerben ankomme. Er hat daher Ursache, die ihm von einer Zeit zur andern gelieferte Gelder fein zu rathe zu halten, Einnahme und Ausgabe fleißig aufzuzeichnen, alle überflüßige, und unnöthige Speisen zu meiden, und die Gelder auf Collegia gute Bücher, und andere nöthige und nützliche Ausgaben anzuwenden.  
  Weiter hüte er sich vor Übermuth, Stoltz, Hoffarth: und grosser Einbildung, daß er nicht andere, die etwa geringeres Standes und Vermögens sind, denn er, die durch famuliren, Kinder informiren, in der Communität, oder Convictorio sich hinbringen müssen, oder die seines Bedünckens nicht so gelehrt, nicht eines so guten Ingenii sind, neben sich verachte und dieselben mit Worten oder Gebehrden beschimpffe. Denn an solcher Bezeugung hat GOtt einen Greuel. Er soll sich hergegen der lieben Demuth, die GOtt und Menschen gefället, befleißigen. Demuth und Niedrigkeit des Gemüths ist die schönste Tugend an einem jungen Menschen, er sey reich oder arm, gelehrt oder ungelehrt. Denen Demüthigen hat der HErr Gnade verheissen, aber stol-  
  {Sp. 1195|S. 611}  
  tze und hochtrabende Gemüther werden endlich, wie die täglichen Exempel bezeigen, vor der Welt zu Spott und Schande.  
  Nebst der Demuth soll ein Studiosus sich auch der Höflichkeit, Bescheidenheit, und guten Sitten befleißigen; den Grobianis sie mögen so gelehrt seyn, als sie wollen, ist jedermann gehäßig, und man leidet solche Leute nicht gerne um sich.  
  Endlich hüte er sich vor Karten- und Würffel-Spiel, dadurch nicht allein das Geld, sondern auch die edle Zeit verlohren gehet, und öfters zu Zänckereyen und andern Sünden Anlaß gegeben wird. Das Geld auf dem Spiel gewinnen, spricht Lutherus, ist, nicht ohne Selbst-Liebe und ohne Sünde gewinnen. Etliche geben vor: sie hätten keine Lust zum Spielen, so ferne sie nicht um etwas spieleten; man muß aber solche Leute fragen, worzu sie denn das gewonnene Geld gebrauchen wollen? Sie werden vielleicht antworten, zu einer Mahlzeit oder Gasterey: Warum nicht lieber den Armen geben? Es ist aber besser und ehrlicher kein Geld aufzusetzen; denn ob einer schon nicht zu gewinnen begehret, so kan doch der andere, mit welchem er spielet, Begierde zu gewinnen haben.  
  Man lasse die Gelegenheit zu allen Bösen fahren, welche mannigfaltig ist in vielen Dingen, so wird das Böse nachbleiben. Diß sey genug was das Leben und die Sitten eines christlichen Studiosi anlanget.  
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries