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Quellenangaben |
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Verbesserung der Wissenschafften.
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Da nun noch so viel
Ungewißheit in denen Wissenschafften herrschet, so hat
man sich die
Verbesserung derselben um so mehr angelegen seyn zu lassen.
Es ist aber die Verbesserung der Wissenschafften die Bemühung, die
Wissenschafften in einen bessern und
vollkommenern
Stand, als sie bisher gewesen zu setzen. Bey
dieser Bemühung geschiehet auch eine
Veränderung der Wissenschafften, daß sie
aus einem Stande in den andern kommen. Eine Wissenschafft, die vorhero
unvollständig gewesen, so nicht
gründlich und deutlich gnug
vorgetragen worden,
kan durch die Verbesserung vollständiger, gründlicher und leichter gemacht
werden, wodurch sie also brauchbarer und
nützlicher wird. Dieses ist die
Ursache, warum Gelehrte arbeiten müssen, die Wissenschafften zu verbessern.
Damit wir aber diese
Materie
ordentlich abhandeln
mögen, so
wollen wir eine
Theoretische und Practische Betrachtung davon anstellen.¶ |
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Die
Theoretische zeiget, worauf solche Verbesserung an sich ankomme.
Dasjenige was verbessert werden soll, sind die Wissenschafften. In engern
Verstande
verstehet man dadurch eine solche Lehre, welche
gantz gewisse
Wahrheiten vorträgt, wiewohl man dieses
Wort auch von der
Erkenntniß
einer solchen Lehre brauchet. In weitern
Sinn begreift man darunter eine jede
Disciplin, sie mag gewiß oder nur wahrscheinlich seyn, folglich auch eine
jegliche Erkenntniß derselbigen, nach welcher letztern Bedeutung wir diesen
Discours einrichten, und insonderheit auf die
Philosophische Disciplinen sehen
werden. |
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Dasjenige, was daran kan gebessert werden, betrift entweder die
Materialität, oder die Formalität einer Disciplin. Die Materialität begreift die
Sachen und die
Wahrheiten selbst, die darinnen vorkommen, oder doch vorkommen
sollen. In Ansehung derselben hat man einen zweyfachen Weg |
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{Sp. 1418} |
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der Besserung. Der eine ist die
Erfindung, wenn man durch eigenes
Nachdencken etwas aussinnet, was man vorher noch nicht gewust, welches auf
dreyerley Art geschehen kan. |
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Denn entweder sinnet man neue
Principia einer schon bekannten Disciplin aus,
an welcher
Arbeit sich viele Gelehrten bey der natürlichen
Rechtsgelehrsamkeit gemacht: oder man behält die alten Principia, und bessert
sie nur aus, indem man sie gewisser und deutlicher machet; oder man erfindet aus
guten vorher von andern erfundenen Principiis neue
Schlüsse. In der
Philosophie
braucht man zu solchen Erfindungen ein gedoppeltes Mittel: Die
Erfahrung
und das Nachdencken. Jene macht Gelegenheit dazu, daß wie alle Philosophische
Disciplinen ihren ersten Anfang aus der Erfahrung haben; also müssen sie auch
daraus verbessert werden. |
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Man hatte im Anfange weder Logic, noch Physic, noch
Ethic in allgemeinen
abstracten
Regeln nach Systematischer
Ordnung; sondern die durch die
Erfahrung
bemerckte und gesammlete eintzelen Begebenheiten von der
Menschen
Irrthümern, verderbten Neigungen und
Affecten, von den
Würckungen in der
Natur
gaben dazu Anlaß. Solche Erfahrung können wir noch jetzo anstellen, allerhand
Begebenheiten wahrnehmen, und wenn wir dabey nachdencken, vieles erfinden, was
vorher noch nicht so bekannt gewesen. Die Erfahrung an sich, wenn das
Nachdencken damit nicht
verknüpffet wird, bleibet todt, und nutzet nichts. Es
liegt an Tag, wie auf solche Weise zu unsern Zeiten Physic und Medicin in einen
weit bessern
Stand gesetzet worden, als sie vorher gewesen. |
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Der andere Weg ist die Prüfung, wenn man dasjenige, was andere voraus in den
Disciplinen
gesaget, untersuchet und beurtheilet. Man entdecket Irrthümer,
unrichtige
Schlüsse, unzulängliche
Gründe unrichtige Erklärungen; man
untersuchet, ob das bisher
gesagte hieher gehöre; ob dasselbige einen
Nutzen
habe? und da findet man Gelegenheit genung, eine
Sache besser einzurichten. So
verhält man sich bey den Sachen selbst, welche bey der Verbesserung in eine
Disciplin können gebracht werden. |
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Wenn aber eine Disciplin systematisch aussehen soll, so muß sie ihren
Zusammenhang haben, worauf diese Formalität einer Wissenschafft beruhet. Der
Zusammenhang betrift entweder die
Materien, welche nach der natürlichen
Ordnung,
wie es ihre Beschaffenheit mit sich bringt, auf einander folgen müssen; oder den
Vortrag selbst, der nach unterschiedener
Methode kan eingerichtet werden. Man
siehet entweder bloß auf die
Sache; oder zugleich auf die
Personen,
die sich dessen bedienen sollen. In der ersten Absicht verfähret man entweder
Synthetisch, wenn man etwas
beweiset, daß wenn man mit gantz gewissen
Wahrheiten
zu thun hat, so legt man Definitiones und
Principia zum
Grund und ziehet daraus
die
Schlüsse; oder Analytisch, wenn man anderer ihre
Gedancken
prüfet. |
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Nach allen diesen Umständen können sich an den Disciplinen
Dinge finden, die
man zu verbessern hat. Bald bessert man die
Ordnung der
Materien, und da sie
bisher vielleicht nicht ordentlich zusam- |
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{Sp. 1419|S. 723} |
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men gehänget, so sucht man diesen Fehler zu bessern, und ein jedes an seinen
rechten
Ort zu bringen. Bald erwählt man eine andere
Methode, um die
Sache
entweder gründlicher; oder deutlicher und leichter vorzustellen. Unter anderem
sind die Theologischen Wissenschafften zu den neuern Zeiten in vielen Stücken
verbessert worden. Man kan zwar darinnen nichts neues ausdencken, weil man sich
lediglich an die
H. Schrifft
halten muß; man hat aber gleichwohl die Disciplinen nach ihrer Formalität besser
eingerichtet. Man trägt jetzo alles ordentlicher, gründlicher und deutlicher
hervor, als ehedem geschehen. |
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Aus diesem, was wir jetzo
gesagt, erhellet, daß diese Verbesserung auf vier
Stücke ankommt. |
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- Das eine ist die Vollständigkeit, wenn eine Wissenschafft mit neuen
Wahrheiten vermehret wird;
- das andere die Richtigkeit, wann dasjenige, was man bisher fälschlich
gelehret, entdecket, verworffen und an dessen Statt die
Wahrheit gelehret
wird, wie bey der
Philosophie mit den Irrthümern des Aristoteles,
Cartesius und anderer geschehen;
- das dritte die Gründlichkeit, wo man dasjenige, so bisher nicht sattsam
bewiesen worden, gewisser zu machen und auf festern Füssen zu setzen suchet,
- und die vierte die Deutlichkeit, wenn man die Lehren und Wahrheiten, die
bisher dunckel gewesen, begreiflicher machet.
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Die Practische Betrachtung dieser
Materie zeiget, wie man sich bey der
Verbesserung der Wissenschafften zu verhalten. Daß man die Wissenschafften
verbessern könne, daran ist kein Zweifel. Denn wir sehen dieses an ihren
Mängeln, die sich überall zeigen; und obwohl zu den neuern Zeiten die
Gelehrsamkeit
hochgestiegen, so kan man doch nicht
sagen, daß sie vollkommen seyn. Vielleicht
entdecken unsere Nachkommen manches, so uns jetzo unbekannt, und sagen etwas, so
wir nicht wissen. |
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Eine Probe sehen wir, wenn wir die jetzige
Gelehrsamkeit gegen die vorige
halten. Man hat daran gebessert, und unter andern sehen die
Philosophische
Disciplinen weit schöner aus, als zu der Zeit, da die Scholastici
philosophirten. Es ist eine kahle Ausflucht, daß man nichts neues
sagen könnte,
dahinter entweder eine Ungeschicklichkeit nachzudencken; oder ein Vorurtheil des
Alterthums stecket. Denn ob wir wohl nicht leugnen, daß man manche
Wahrheit
welche die Alten schon gehabt, nachgehends aber in Vergessenheit kommen, vor was
neues ausgiebt, ob man schon nur eine neue Farbe daran gestrichen; so ist doch
eben so unleugbar, daß die neuern vieles entdecket und ausgesonnen, daran vor
dem nicht gedacht. |
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Wer Wissenschafften glücklich bessern will, muß nicht nur hinlängliche
Geschicklichkeit dazu haben; sondern auch gehörige Behutsamkeit anzuwenden
wissen. Man muß sehen, ob eine Verbesserung angeht oder nicht. Denn die
Verbesserung läst sich nicht überall anstellen, wenn sich gleich Mängel finden,
die wir aber zu heben nicht vermögend. Wir wissen viele
Dinge nicht; aber ohne
unsere Schuld, und das sind die Geheimnisse, dergleichen auch in der
Philosophie
vorkommen. Wollte jemand hie- |
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{Sp. 1420} |
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rinnen eine Besserung vornehmen, so würde die Mühe vergebens seyn, und man
würde bey seiner Bemühung nur auf allerhand
schädliche und gefährliche Abwege
gerathen, und also den Wissenschafften mehr schaden als nutzen; wovon man zu den
neuern Zeiten manche Exempel gesehen, wenn man die Saiten der
Vernunfft allzuhoch spannen wollen. |
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Wie wir manche
Sache gar nicht
ergründen und
erforschen können, und dabey
unsere Unwissenheit bekennen müssen; also wissen wir von vielen
Dingen nur etwas
und haben von denselbigen keine gewisse, sondern nur eine wahrscheinliche
Erkenntniß.
Bey solchen
Materien muß man mit der Verbesserung auch nicht zu hoch hinaus
wollen, noch sich in
Kopf setzen, alles zu eigentlich so genannten
Wissenschafften zu machen und über all unleugbare
Wahrheiten zu suchen. Es ist
eine grosse Schwachheit, daß man sich mit solchen Wissenschafften so groß machen
will. Man nimmt freylich lieber eine Demonstration, als eine Wahrscheinlichkeit
an; wo kan man sie aber allezeit haben? Der größte Theil der
Philosophischen
Wahrheiten beruhet nur auf eine Wahrscheinlichkeit. |
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Zu solchem Fehler muß man insonderheit rechnen, wenn man allenthalben die
Mathematische Methode appliciren will. Vernünfftige Mathematici haben selbst
erkannt, daß sich dieses nicht allezeit thun lasse. Aus diesem folgt die
Regel:
Man nehme keine Verbesserung vor, wenn selbige nicht kan ins
Werck gerichtet
werden. Ist selbige thunlich, daß sich nicht nur Mängel finden; sondern auch
unser
Verstand
selbige zu bessern, vermögend; so ist ebenfalls hierinnen die Vorsichtigkeit
nöthig, daß man nicht zu weit gehe, welches unter andern geschiehet, wenn man
etwas richtiger, als bisher gewesen, abfassen will; und die
Meynungen oder Lehren, welche etwas unscheinbar und
unnützlich scheinen, gleich als irrig und unbrauchbar verwirft, wie zu den
neuern Zeiten mit verschiedenen Lehren der Aristotelischen Logic geschehen; oder
wenn man eine
Sache deutlicher zu machen suchet, und sie dadurch wohl noch
dunckler machet, wie bey solchen
Ideen
geschiehet, die auf die
unmittelbare
Empfindung gegründet sind. |
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Es läst sich nicht alles erklären, noch durch Sätze
beweisen; sondern man
muß einen offte, der einen
Beweis fordert, auf die
Empfindung weisen: Aus diesen
machen wir diese
Regel: Man gehe in der Verbesserung nicht zu weit, daß man
weder was gutes dabey wegschmeisse, noch die
Sache schlimmer mache. |
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Auf solche Weise kan nach den vier Stücken der Verbesserung, die wir vorher
angemercket, auch ein vierfacher Fehler vorgehen. Denn |
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- bey der Vollständigkeit verfehlet man, wenn man
Sachen ausmachen und in
eine Disciplin bringen will, die sich nicht ausmachen lassen;
- bey der Richtigkeit, wenn man ohne Noth an der bisher üblich gewesenen
Lehre etwas tadelt;
- bey der Gründlichkeit, wenn man mehrere Gewißheit, als möglich ist,
einzuführen gedencket, und über all Demonstrationes verlangt,
- und bey der Deutlichkeit, wenn man eine Sache gar zu deutlich geben
will, und sich damit nur
{Sp. 1421|S. 724}
dunckel machet.
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Es weiset auch die
Klugheit
Regeln an, nach der man sich bey solchen
Verbesserungen zu richten hat. |
Walchs Philosophisches Lexicon.¶
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Welche Wissenschafften nach der mathematischen
Methode nicht abgehandelt werden können?
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Wir haben in dem vorstehenden als einen Fehler angemercket, wenn man
allenthalben die mathematische Methode appliciren will, und wir bekümmern uns
also
billig darum, welche Wissenschafften nach der mathematischen Methode nicht
abgehandelt werden können? Unter denenselben stehet die Gottesgelahrheit oben
an, insoweit sie uns Christen alleine eigen ist. Denn von der natürlichen wird
hernach
geredet werden. Diese kan schlechterdings nicht nach der mathematischen
Lehr-Art vorgetragen werden. |
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Einmahl gründet sich selbige auf die Auslegung der
Heil. Schrifft.
Ob nun gleich der wahre
Verstand derselbigen, absonderlich wenn die Überzeugung des
Heil.
Geistes darzu kommt, gewiß erlangt werden kan; So läst sich doch selbiger
nach der Schärffe der mathematischen Lehr-Art nicht demonstriren. Hernach sind
die vornehmsten Glaubens-Artickel nicht schlechterdings nothwendig, z.E. |
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- daß die ersten
Menschen
durch ihre eigene Schuld den Sündenfall begangen haben;
- Daß, vermöge dieses Sündenfalls, ein Verderbniß der menschlichen
Natur
auf das gantze menschliche
Geschlecht fortgepflantzet worden.
- Daß sich
GOtt
über das Elend der Menschen erbarmet habe;
- Daß GOtt der
Sohn deswegen die menschliche Natur angenommen,
gestorben,
nach dreyen Tagen wieder aufgestanden und gen Himmel gefahren sey.
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Diese Lehr-Sätze, und einige andere mehr, sind ja nicht schlechterdings
nothwendig. Theils gründen sich selbige auf die Schuld des mit einem
freyen Willen
begabten
Menschen, theils aber auf den freyen
Willen GOttes.
Wie kan man sich also unterstehen, diese Sätze als schlechterdings nothwendige
Wahrheiten zu demonstriren.¶ |
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Was nun das
bürgerliche Recht anbelanget, so ist ja bekannt, daß es hier wieder
hauptsächlich auf die Auslegung ankommt; Hernach ist es von dem freyen Willen
eines mit der höchsten
Gewalt
begabten
Herrns entstanden: Einige Handlungen bey denen das
Recht der
Natur den Menschen in Ansehung der äusserlichen Umstände
Freyheit
gelassen, werden nach Willkühr des Gesetzgebers nur an gewisse
Zeiten,
Örter,
u.s.w. gebunden. Hieraus
erkennet man, daß selbiges zufällig, sehr verändernlich
und in vielen Stücken höchst ungewiß, und dennoch will man es mathematisch
demonstriren, und also als schlechterdings nothwendige
Wahrheiten ausgeben?¶ |
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Fragt man ferner: Vielleicht wird man alle
Philosophische Wissenschafften
nach der mathematischen Lehr-Art demonstriren können? So ist die Antwort: Auch
dieses nicht. Denn es gehet nur bey einigen Theilen, an. Die alten
Philosophen
haben dieses gar wohl eingesehen, dahero haben sie nicht alle, sondern nur
einige Theile |
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{Sp. 1422} |
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nach der mathematischen Lehr-Art abgehandelt. Und deswegen sind sie nicht zu
tadeln, sondern zu loben. |
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Der Ontologie, oder demjenigen Theil der
Weltweißheit, worinnen die
allgemeine
Erkenntniß
der
Dinge abgehandelt wird, gestehet man
billig die
Ehre zu, daß sie nach der
mathematischen Lehr-Art abgehandelt werden kan. Denn sie bestehet aus
schlechterdings nothwendigen
Wahrheiten. Eben deswegen hat sie auch Aristoteles
in seiner Metaphysick mathematisch vorgetragen. Einige Stücke der natürlichen
Gottesgelahrheit, des
natürlichen Rechts, und vielleicht auch der Natur-Lehre können nach der
mathematischen Lehr-Art abgehandelt werden. Alleine alle
philosophischen
Wissenschafften können nimmermehr mathematisch demonstriret werden, weil sie
nicht aus lauter schlechterdings nothwendigen, sondern auch aus zufälligen
Wahrheiten bestehen. Aristoteles
schreibet Metaphys. II.
3. gantz vernünfftig: |
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„Es giebt zwar einige, welche
diejenige nicht hören wollen, welche sich in ihren Reden der mathematischen
Lehr-Art nicht bedienen = = Wir dürffen aber die mathematische Schärffe nicht
bey allen Dingen suchen, sondern nur bey denjenigen, welche nicht cörperlich und
sinnlich sind.„ |
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Von der Sitten-Lehre hegt er gleiche
Gedancken: |
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„Man hat sich hinlänglich genug
erkläret, wenn man nach Beschaffenheit der Umstände einigen Grund angegeben hat.
Denn die mathematische Schärffe gehet nicht bey allen Dingen an.
„ „Bey der Ehrbarkeit und Gerechtigkeit,
wovon in der Politik gehandelt wird, trifft man soviel veränderliche und wider
einander lauffende Dinge an, daß selbige nicht von Natur, sondern durch ein
willkührliches Gesetz, also bestimmt scheinen. Eben dergleichen Unbeständigkeit
und Dunckelheit nimmt man bey dem wahr, was man vor gut hält, weil viele
deswegen ihres Reichthums, andere aber wegen Tapferkeit umgekommen. Es ist
dahero schon genug, wenn man nur einiger massen, oder am wahrscheinlichsten, die
Wahrheit zeiget, ob es gleich nicht nach der mathematischen Schärffe geschiehet.
„ „ |
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Man muß also das vorher angeführte also
verstehen. |
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„Ein wohl unterrichteter Mensch
wird nur insoweit die mathematische Schärfe fordern, als es die Natur einer
Sache leiden wird. Es wäre eben so ungereimt, wenn ich von einem Redner
mathematische Beweise fordern wolte, als wenn ich von einem Lehrer der
Mathematik nur wahrscheinliche Überredungen haben wolte.„ |
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Plato in Timaeo c. 13 fordert ebenfalls von einem
Philosophen nicht durchgängig die mathematische Schärffe, sondern nur bey
schlechterdings nothwendigen
Wahrheiten, bey zufälligen aber ist schon der
höchste Grad der Wahrscheinlichkeit genug. |
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Proclus ad Euclid. p. 10. edit. Bas.
macht dahero
billig die Anmerckung, ein Mathematickverständiger soll
hauptsächlich darauf sehen, daß er sich nur solche
Dinge mathematisch zu
demonstriren unterfange, welche vermöge ihrer
Natur
demonstriret werden können. Es fehlten dahero einige unverständige, wenn sie
glaubten, sie hätten einige
Sache mathematisch demonstriret, da sie doch selbige
nur
bewiesen hätten. Er leugnet dahero, daß es einem Mathematickverständigen
zukomme, zu demonstri- |
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{Sp. 1423|S. 725} |
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ren; ein Circkel wäre schöner, als eine gerade Linie. Denn dieses kan nicht
mathematisch demonstriret werden. Er spricht auch demjenigen den
Nahmen eines
Mathematickverständigen ab, welcher nicht wisse, wo die mathematische Schärffe
statt finde. |
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Aus diesen angeführten allen wird man nunmehro leichtlich begreifen, mit was
vor
Grund man die alten
Weltweisen beschuldigt, als wenn sie die mathematische
Lehr-Art nicht gewußt, oder sich selbiger nicht bedienet hätten? Wie kan man
doch den Rechtsgelehrten zu nahe treten, welche ihre
Urtheile nicht in dieser
Lehr-Art abfassen? Und warum will man diejenigen tadeln, wenn sie zufällige und
veränderliche
Wahrheiten nicht mathematisch demonstriren wollen. Unmögliche
Dinge von jemand fordern, ist die größte
Unbilligkeit.¶ |
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Allhier ist noch nöthig, einige Einwürffe aus dem Weg zu räumen. Wenn man
den Leuten die mathematische Lehr-Art anpreisen will, so berufft man sich
insgemein auf die Aussprüche der alten
Weltweisen: Plato und
Xenocrates,
sprechen sie, haben ausdrücklich befohlen, wer
Philosophie treiben will, der müsse nothwendig die Mathematick studiret haben;
Hieraus will man erzwingen, man müsse die Philosophie nach der mathematischen
Lehr-Art abhandeln. Alleine man irret sich gewaltig. Man gesteht zwar gerne zu,
daß die alten
Philosophen die Mathematick ihren
Schülern ernstlich anbefohlen;
Nicht aber deswegen, daß sie die gäntzlichen philosophischen Wissenschafften in
Zukunfft nach der mathematischen Lehr-Art vortragen sollen, oder können, sondern
hauptsächlich deswegen, weil durch die Übung der Mathematick unser
Verstand
aufgekläret und gereiniget wird, nicht eben und blos dadurch, wie es die neuern
auslegen, daß man die mathematische Lehr-Art lernet, sondern weil man sich
gewöhnt, solche
Dinge, die nicht sinnlich sind, sondern blos mit dem Verstande
begriffen werden müssen, einzusehen und zu
erkennen, daß dieselben eben so
gewiß, ja vielfältig, noch gewisser sind, als die sinnlichen, welches die
meisten nicht glauben. Diese
Ursache
haben Plato selbst in seinem 7den
Buche de rep. und
alle Platonici, auch Plutarchus angegeben, deren
Auslegung
billig sicherer ist, als diejenige, welche die neuern machen. |
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Dieses also ist der
Grund, warum die alten
Weltweisen die Mathematick
eingeschärffet haben. Andere hingegen wenden ein, wenn man sich der
mathematischen Lehr-Art nicht überall bedienen soll, so wird die Gewißheit in
den Wissenschafften übern Hauffen fallen, und die
Gewohnheit von allen
Dingen zu
zweifeln, eingeführet werden. |
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Hierauf ist aber die Antwort sehr leicht. Weil in der Geometrie lauter
schlechterdings nothwendige
Wahrheiten vorkommen, gleichwohl aber auch die
Anzahl der zufälligen Wahrheit sehr groß ist, so kan man ja nicht überall
geometrische
Beweise fordern. Es ist genug, wenn wir es bey zufälligen
Wahrheiten auf eine innerliche
Empfindung einer Gewißheit bringen, bey der sich
das
Gemüthe beruhiget, und dieses kan ohne mathematische
Lehr-Art geschehen. |
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Z.E. wenn einige hören oder lesen, Cäsar sey auf dem Rath-Hause zu |
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{Sp. 1424} |
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Rom hingerichtet worden, so entstehet ja bey vielen eine solche
Empfindung
in Ansehung der Gewißheit, als wenn sie einen Geometrischen Satz lesen oder
hören. Obgleich bey der Auslegung anderer Leute
Schrifften
die mathematische Gewißheit nicht statt hat; So können wir doch vielfältig bey
derselben eine gleiche Empfindung der Gewißheit haben, daß wir an der
Wahrheit
der Auslegung ebenso wenig zweifeln, als an einer Geometrischen Wahrheit. Die
Märtyrer sind von der Wahrheit der Christl. Glaubens-Artickel so gewiß überzeugt
gewesen, daß sie auch ihr
Leben darüber gelassen, ob man ihnen selbige gleich
nicht mathematisch demonstriret hatte. Und wir
hoffen, ja alle mit einer
unfehlbaren Gewißheit selig zu werden, ob uns diese Gewißheit gleich die
Mathematickverständigen nicht gelehret haben. Wenn es nun eine Gewißheit giebt,
die nicht durch eine mathematische Lehr-Art erlanget wird, so wird ja selbige
nicht übern Hauffen geworffen, wenn man sich gleich der mathematischen Lehr-Art
nicht allezeit bedienet, viel weniger wird die
Freyheit
zu zweifeln gelehret, wenn man behauptet, daß die mathematische
Gewißheit nicht in allen
Dingen zu suchen sey. |
Ein mehrers sehe man hiervon nach in des berühmten hiesigen
Herrn Prof.
Johann August Ernestis, Programmate, so den
Titel führet:
Defensio veterum phil. adversus eos, qui methodum mathematicam ab iis vel
ignoratam vel male neglectam esse contendunt, so zu Leipzig 1741 in 4.
herausgekommen, und davon die Recension in dem Philosophischen
Bücher-Saale im II Theile, p. 192 u.ff. zu befinden
ist.¶ |
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