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Quellenangaben |
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Ob zwischen allen Wissenschafften eine so genaue
Verbindung, daß keine ohne die Erkenntniß der übrigen gehörig begriffen werden
könne?
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Es stehen etliche, und unter andern Toland in dem ihm
zugeeigneten Discurs von der Freyheit im Dencken in den Gedancken, als wenn alle
Wissenschafften und
Künste so genau mit einander
verknüpfft wären, daß man
unmöglich in einer vollkommen seyn könne, ohne von den andern einige Kenntniß zu
haben: Es möge auch kein
Buch gefunden werden, daß nach ihrer Art vor vollkommen
zu halten sey, davon der Verfasser nicht in allen Künsten und Wissenschafften
unterrichtet ge- |
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{Sp. 1405|S. 716} |
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wesen. Man führet zum Exempel den Homer an, in dessen
Jliade man mit den Patronen dieses Poeten, aller Künste und Wissenschafften
Grundrisse zu finden vermeynet, und von ihm
saget, daß er nimmermehr einen Wagen
so gut würde haben beschreiben können, wenn er nicht gewust wie selbiger zu
bauen wäre. Desgleichen hält man auch die
Bibel vor so ein
Buch, in welches
alles hineinlauffe, was nur die
Menschen
wissen könnten, und wäre nicht zu gedencken, daß
GOtt in allen diesen
Dingen unvollkommener geschrieben, als
ein blosser Mensch würde gethan haben; Woraus man den folgert, daß man zu dem
Erkenntniß
der
Heil. Schrifft
nicht gelangen könne, ohne die
Freyheit
zu haben, über alles zu dencken. |
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Allein es
redet obbesagter Autor, und die mit ihm einerley
Meynung hegen, unstreitig zu reichlich. Denn daß keine
Kunst
und Wissenschafft ohne die andere seyn könne, ist eine
angenehme
Phantasie, die
in einem Panegyrico scientiarum et artium noch mitlauffen möchte. Die
Wahrheit aber zu
sagen, so ist nicht zu sehen, warum einer z.E. nicht eine
vollkommene Sitten-Lehre
schreiben könne, ohne von der Poesie
Wissenschafft zu
haben. Ein Schneider, der ein gut
Manns-Kleid macht, bleibt nach seiner Art
vollkommen, wenn er gleich keinen Weiber-Rock in seine dreyfache Falbula
abtheilen kan. Homer würde vielleicht vor keinen schlechten
Poeten zu halten seyn, wenn er sich gleich nicht um die Wagner-Arbeit gekümmert.
Ein jeder entdeckt seine Blösse alsdenn, wenn er sich von etwas zu schreiben
vornimmet, daß er nicht
verstehet. Läßt er aber das weg, was ihm verborgen ist,
bleibt er in seiner Art vollkommen. Petersquentz hätte wohl ein nützlicher
Schul-Meister seyn können, wenn er nicht, wie er
spricht, vor einen
Universalem gehalten seyn wollen. Und so kan man zwar
sagen, daß es erlaubt
sey, alles zu wissen; allein nicht, wie es einige zu thun scheinen, einem jedem
dieses als eine
Nothwendigkeit
aufbürden wollen. |
- Discours sur la liberté de penser
(Londen 1714 in 8) p. 11. u.ff.
-
Deutsche
Acta Erudit. XXVIII
Theil, p. 232 u.f.¶
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Eintheilung der Wissenschafften in die
Haupt-Wissenschafften und Instrumental-Wissenschafften.
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Es giebt Wissenschafften, welche zum
Wesen der Gelehrsamkeit gehören, und
ihrer Natur
nach die Glückseligkeit der Menschen befördern; es sind aber auch andere, welche
an und vor sich selbst nicht zur Wohlfahrt der Menschen beytragen, doch aber zu
denen übrigen Wissenschafften dienen, und derselben Erlernung ungemein
erleichtern. Jene könnte man die Haupt-Wissenschafften, diese
aber die Instrumental-Wissenschafften nennen. Zu diesen gehören
die so genannten schönen Wissenschafften, davon der
Artickel:
Humaniora, im XIII
Bande, p.
1155 u.f. aufzuschlagen. |
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Das Hohe in den Wissenschafften. |
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Durch das Hohe (Sublime) wird dem
Nahmen |
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{Sp. 1406} |
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nach dasjenige verstanden, was an den
Cörpern
die so wohl von Natur, als durch der
Menschen und der Künstler Hände bereitet
sind, der
Empfindung derer Menschen unterworffen ist. Wenn man ein wenig Acht
hat, so muß man
verstehen, daß Hohe sey dasjenige, wozu man nicht ohne viele
Stuffen kommen kan. Dieser
Begriff, sofern er bey den Cörpern angenommen wird,
ist deutlich. So bald aber eben dieser Begriff auf einen Theil der
Gelehrsamkeit, oder auf die Wissenschafften überhaupt gezogen wird, so bald wird
er verwirret. |
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Denn es ist nicht klar, was vor einen Zugang zu denen Wissenschafften, die
wir hoch nennen, sey, oder was vor Stuffen sind, durch welche man hinauf steigen
müsse. Weil von den
Menschen um keiner andern
Ursache
Willen geirret wird,
alsweil diejenigen welche irren, nicht wissen, was das Hohe in der
Erkenntniß
der
Wahrheiten sey; So siehet man leicht, wie viel daran gelegen sey, daß man
das Hohe in denen Wissenschafften unterscheide; vornehmlich da die
Ordnung in
dem Studiren nicht beobachtet werden kan, wo man nicht einen deutlichen
Begriff
von den hohen Sachen hat. |
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Durch die
Wissenschafft
verstehen wir die gantze Menge der
demonstrirten
Wahrheiten, welche auf einerley Vorwurff zielen. Was wir nun von
dem Hohen
sagen werden, das kan alles auf die
Welt-Weißheit, und auf die andern
Disciplinen, in welchen die Demonstration statt findet, gedeutet werden. Vor
allen Dingen müssen wir die Beschaffenheiten derer Wissenschafften und derer
Cörper mit einander vergleichen. Bey denen Cörpern wird das Hoch genannt, zu
welchem man nicht anders, als durch viele Stuffen, kommen kan. In allen
Wissenschafften wird etwas gefunden, daß diesem ähnlich ist. Denn in denselben
lehret man gewöhnliche Wahrheiten und
Begriffe, welche leicht zu
verstehen sind,
und nur eine gemeine
Erkenntniß bey dem Leser oder Zuhörer, erfordern; Es sind
aber auch andere, welche nicht verstanden und begriffen werden können, woferne
man sich nicht viel andere Wahrheiten, die noch nicht gelernet worden, bekannt
gemacht hat. |
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Es sind also hier gleichsam gewisse Stuffen wahrzunehmen. Daher kan man
leicht verstehen, daß das Hohe in den Wissenschafften dasjenige sey, welches, wo
man nicht zuvor viel andere
Sachen verstanden, nicht begriffen werden kan. Weil
nun denen Sachen, die sich demonstriren lassen, daß Hohe zugeeignet wird, dieses
aber entweder
Begriffe, oder Sätze, oder endlich
Schlüsse sind; So wird die
Beschaffenheit des Hohen in den Wissenschafften überhaupt besser bekannt werden,
wenn wir erklären, was das Hohe in einem jedem Stücke sey. Auch in den Begriffen
findet sich eine Hoheit; Dieweil offt viele, oder andere Begriffe, oder Sätze
zuvor verstanden werden müssen, ehe der
Begriff von dieser, oder jener Sache uns
erweckt werden kan, oder man
verstehen kan, ob er möglich sey. |
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Das Hohe |
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{Sp. 1407|S. 717} |
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so in den
Begriffen der obern
Arten ist, wird aus der Weise dieselben zu
machen, welche die Vernunfft-Lehre uns vorschreibet, bekannt. Wenn wir zu den
obern Arten, oder Geschlechtern hinauf steigen wollen, so müssen wir eine
Art (Genus)
mit andern allgemeinen Begriffen vergleichen, und mercken, was darinnen
gleiches, oder ungleiches vokömmt; Das gleiche müssen wir abstrahiren, und mit
einem besondern
Worte benennen, auch durch öfftere Vorstellung der abstracten
Sache uns also bekannt machen, daß, so bald der
Begriff des Wortes in
Gedancken
ist, auch die Vorstellung der Sache uns bald in den
Sinn kommt. Dieses alles muß
so offt wiederholt werden, so offt ein Begriff einer obern Sache von dem
Begriffe des
Geschlechts, den wir uns gemacht haben, formiret werden soll. |
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Es ist eine doppelte Weise, allgemeine
Begriffe, und folglich Begriffe der
obern
Arten zu machen; Die eine geschiehet durch eine Abstraction, die andere
durch eine willkührliche Verbindung unterschiedener Begriffe. Die letzte
scheinet uns auf kürtzere Manier zu den Begriffen der obern Arten zu führen;
Allein die Sache befindet sich nicht also: Denn die Möglichkeit und Realität der
freywillig angenommenen Begriffe wird uns nicht so leicht bekannt, als
dererjenigen, die wir uns durch die Abstraction gemacht haben; Weil die
Würcklichkeit in diesen durch die Formirung selbst offenbahret, in jenen aber
entweder durch eine Demonstration, oder durch die
Erfahrung,
endlich erwiesen wird. |
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Die Hoheit, die den
Begriffen der obern
Arten zukommet, muß ferner auch in
den Begriffen, welche gegen jene als Theile anzusehen sind, gefunden werden. Es
ist aber nicht zu leugnen, daß einer zu den hohen Begriffen eher, als der andere
gelanget. Denn einige müssen sich bey der Formirung der eintzelen mittlern
Begriffe länger aufhalten; Andere aber sehen die abstracten Begriffe leichtlich,
wenn sie nur die
Sache
empfinden. Die
Ursache hiervon ist in der Schärffe,
allgemeine
Dinge in eintzeln, und mehr allgemeine in nicht so allgemeinen Sachen
zu sehen, zu suchen. |
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Wir können aber, vermöge der Abstraction, auf unterschiedene Weise zu dem
Hohen kommen. Wie wir von den
Begriffen unterschiedener besonderer
Arten (Specierum)
auf einerley
Geschlecht hinauf steigen können; So können wir auch von
unterschiedenen niedrigen Geschlechten auf eben das obere hinauf kommen. Der
Begriff von dem, was natürlich ist, welchen wir einen Hohen nennen, kan gemacht
werden, wenn wir von den
Dingen, die in den
Cörpern vorgehen, den Begriff
desjenigen, was natürlich in den Cörpern ist, abstrahiren, dabey, den Begriff
der
Cörper fahren lassen, und allgemein erklären, was natürlich
sey. Dieser Begriff aber wird auch bekannt, wenn wir von dem, was in unserer
Seele
vorgehet, ordentlich philosophiren. |
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Den allerweitesten
Begriff von der Vollkommenheit schöpffen wir |
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{Sp. 1408} |
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aus den Vollkommenheiten, die in den
Cörpern gefunden werden; Doch kan eben
derselbe auch aus
moralischen
Sachen, aus der Psychologie, und so weiter,
abgesondert werden. Weil man von Zwey untern Begriffen zu einem höhern steigen
kan, so kan es geschehen, daß einer von derjenigen
Erkenntniß
weit entfernet ist, welche durch gemeine und schlechte Aufmercksamkeit erlanget
wird, der andere aber nichts, als vulgäre Aufmercksamkeit erfodert. Daher kommt
es, daß ein Begriff bald mehr, bald weniger hoch zu seyn scheinet. |
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Der
Begriff des Natürlichen wird viel leichter aus der Betrachtung der
Cörper, als aus den Psychologischen
Gründen, die schon höher sind, hergeleitet.
Weil dasjenige, worinnen gleiche
Sachen von einander unterschieden sind, ihre
Gradus, oder Stuffen ausmacht; So wird eine unterschiedene Menge der Begriffe
und Sätze, welche zu dem
Verstande eines Begriffes erfodert wird, den
Grund derer
Stuffen, welche in dem Hohen derer Wissenschafften unterschieden werden können,
darstellen. Den Begriff, welchen die Römischen Rechts-Gelehrten von der
Obligation gemacht haben, zählen wir
billig zu den höhern in der
Rechts-Gelehrsamkeit, weil er aus der
Erkenntniß der
Römischen Gesetze nicht
unmittelbar gefasset werden kan, sondern viel
Begriffe, z.E. von dem Kauffen, und der
Verbindlichkeit, die daraus folget, von Verträgen, u.s.w. nöthig sind. |
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Ein
Begriff kan in einer Disciplin hoch seyn, und in der andere gantz keine
Hoheit haben. Der Begriff der
Obligation, die aus den Römischen Gesetzen
entstehet, ist in der Jurisprudentz hoch; Der
Philosoph, da er die Exempel der
Obligation sich vorstellen und abstrahiren solte, kan von dieser Römischen
Obligation nachzudencken anfangen, dadurch zu dem Begriffe der bürgerlichen
Obligation, und durch diesen zu dem
philosophischen Begriffe von der Obligation
kommen. Daher haben auch die scharffsinnigen
Welt-Weisen, die diesen Begriff
behalten, die Obligation durch eine
Nothwendigkeit,
etwas zu thun, oder zu unterlassen, die aus der Verbindung der Belohnung und
Straffen
mit den Handlungen entstehe, beschrieben. |
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Das Hohe findet sich auch in denen
Urtheilen und
Schlüssen. Wenn die
Urtheile hoch seyn sollen, so wird bey den, der sie machet, eine grosse
Fertigkeit zu schliessen erfordert. Die Urtheile, welche von einem höhern
Geschlechte gefällt worden, haben etwas hohes. Wir wollen aber vielmehr von der
Hoheit der Urtheile, die aus der Demonstration der Sätze kommt,
reden. Es ist
aus der Vernunfft-Lehre bekannt, daß einige Urtheile
unmittelbar aus dem
Begriffe der
Sache gemacht, und leicht verstanden werden können; Und das andere
sind, welche man beweißliche
Wahrheiten nennet, die ohne andere Urtheile und
Schlüsse nicht verstanden werden können, oder ob sie wahr sind,
erkannt werden.
Offt sind die Urtheile, die man als Grund-Sätze annimmt, |
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{Sp. 1409|S. 718} |
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wiederum demonstrabel; Daher muß man in dergleichen Weise zu
beweisen so
weit gehen, bis man zu solchen Urtheilen kommt, die nicht demonstriret werden
können. Wenn die Kette der Schlüsse länger wird, als daß sie ein jeder leicht
begreiffen kan, so zeiget sie eine Hoheit des Urtheils an. Daher ist klar, daß
die Höhe der
Urtheile in der Menge der Urtheile und Schlüsse, die dieselben zu
beweisen, oder zu verstehen erfordert werden, bestehe. Weil ein Satz mehr oder
weniger Urtheile erfordert, so ist auch ein Unterschied des Hohen. |
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Wenn wir die Stuffen des Hohen recht beurtheilen und ausmachen wollen,
welcher Satz unter zweyen höher sey; So müssen wir uns die gantze
Gestalt der
Demonstration von beyden Sätzen vor Augen stellen, oder einen, der von
Beweis-Gründen nichts weiß, von der
Wahrheit eines Satzes zu überführen suchen.
Keines von beyden kan geschehen, wo nicht alle Sätze in richtiger
Ordnung
vorgestellet werden; Wodurch die Menge, oder die Höhe der Sätze bekannt wird.
Gesetzt, es soll einer, der von der
Philosophie nichts weiß, überzeuget werden,
daß diese
Welt
die beste sey. Da muß er durch Ontologische, Cosmologische und Theologische
Wahrheiten zuvor gleichsam mit der Hand geführet werden, ehe er weiß, daß diese
Welt die beste ist. Diejenigen, welchen die
Gründe, so zu dem Beweisen gehören,
schon bekannt sind, mercken die Hoheit der Sätze, und die Stuffen der Hoheit
nicht so leichtlich. |
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An den systematischen
Büchern hat man zu loben, daß alles vorgetragen wird,
wie es aus voranstehenden Sätzen verstanden und
bewiesen werden kan, und daß
zugleich die Stellen angewiesen werden, daher man die Erklärungen oder
Beweise
zu nehmen hat. Aus der Beschaffenheit dieser
Bücher fliesset dieser
Nutzen,
welchen man insgemein nicht wahrnimmt, daß zugleich mit der
Wahrheit auch die
Hoheit der Sätze dem Leser bekannt wird. |
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Es kan auch in einer eintzeln
Sache etwas Hohes seyn. Denn die eintzeln
Sachen dienen ebenfalls hohe
Urtheile zu machen; Welches daraus zu
erkennen, daß
so bald ein ander hohes
Urtheil mit denselben, verbunden wird, dergleichen
Schluß nothwendig folget. Solches geschiehet, weil eine jede eintzele Sache mit
einem höhern
Geschlechte einige Ähnlichkeit hat, und deswegen desselben
Prädicata in sich fasset. Die Exempel hiervon sind nicht seltsam: Seneca
beschreibet den Cato, der berühmte Wolff die
Philosophie des Confutius. |
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Das Hohe wird in den Disciplinen gelehret, wenn aus bereits bekannten
Wahrheiten andere hergeleitet werden, deren
Erkenntniß
jener Bekanntschafft voraussetzet. So offt aber dieses geschiehet, so wird die
Anzahl der erfundenen Wahrheiten vermehret. Weil die Wissenschafften ein
Zusammenhang bewiesener Wahrheiten, die auf einerley Vorwurff gehen, so kan
keine andere Vollkommenheit in denselben seyn, als welche entweder aus der Menge
der demonstrirten Sachen, oder aus der angewandten Strenge zu beweisen,
entspringet. Diese Hoheit sehen Unwissende vor eine Unvollkommenheit an. Man
erzehlet, Clericus habe die von Leibnitzen
erhaltenen Gedancken von der bestimmten Harmonie seinen |
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{Sp. 1410} |
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Diariis nicht einverleiben wollen, weil sie dergleichen Stelle wegen ihrer
Undeutlichkeit nicht
verdienten. Der sonst gelehrte Clericus
aber hat das, was Leibnitz aus der Psychologie, Cosmologie und
andern Lehr-Sätzen in seinem
Sinne gehabt, nicht verstanden. Wer von der Hoheit
einer Disciplin, oder der darinnen enthaltenen
Wahrheit urtheilen will, der muß
die ersten
Begriffe, oder Lehr-Sätze derselben Disciplinen wohl zu beurtheilen
wissen. |
- Chladenii Disp. philos. de sublimi in
scientiis, Wittenb. 1734.
- Gründl. Auszüge aus Disput. B.
III, p. 651 u.ff.¶
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Die Ungewißheit der Wissenschafften.
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Daß in denen Wissenschafften viele Ungewißheit herrsche, ist durch die
Erfahrung
mehr als zu bekannt. Wir machen
billig den Anfang von denen
Sprachen, bey
welchen man so wohl den grossen Unterscheid, als auch die vielfältigen
Veränderungen, denen dieselben unterworffen sind, bedauren muß. Man hält
insgemein die Arabische vor die älteste, weil sie die ärmste, die Arabische und
Griechische aber vor die gelehrtesten, wiewohl sie auch wegen ihres
Reichthums die schwersten, wie denn in der erstern mehr als 500
Wörter sind,
welche das
Wort Schwerdt, und bey nahe 1000, welche das Wort Löwe ausdrücken. |
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Bey dem Schicksal der
Sprachen ist sonderlich von der
Griechischen
anzumercken, daß heut zu Tage um keine Gegend elender Griechisch
geredet werde,
als um Athen. Die Dictionaria sind viel zu unzulänglich, diesen
Schwierigkeiten abzuhelffen, wovon das Exempel der Academie Francoise
zeugen kan, welche in die 40 Jahr daran gearbeitet, und doch nach so langer
Arbeit noch genug an demselben zu verbessern gewest ist. Des
Bischoffs
Wilkins seine
Erfindung, welcher eine besondere
Philosophische
Sprache
durch Characteres aussinnen wollen, scheinet gleichfalls nicht thunlich zu seyn,
weil die
Philosophen doch unter sich nicht einig sind, und also bey so
unterschiedenen
Begriffen sich an einerley Characteres nicht werden binden
lassen.¶ |
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Gehet man weiter fort, und kommet auf die Grammatick; Was vor Ungewißheit
wird man dann nicht antreffen? Man hat sich hier insonderheit über den Eigensinn
der Criticorum zu beschweren, welche öffters ein
Wort, das die
Sache doch gut
ausdrucket, z.E. Ingratitudo, incertitudo etc. bloß deswegen
verwerffen, weil es nicht bey den reinesten Autoribus zu finden, wiewohl auch
diese selbst sich ihrer Censur als wie Cicero des Erasmi und Vallä seiner
unterwerffen müssen. Ja Atticus hatte diesem schon in einem Briefe vorgeworffen,
es sey des Terentii
Schreib-Art weit netter als seine.¶ |
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Wenn man die Rhetorick betrachtet, so kan man zwar freylich ihren
Nutzen
nicht in Zweifel ziehen, doch kan man gleichfalls den grossen
Schaden, den sie
verursacht, nicht leugnen. Wie denn alle die innerliche Unruhen zu Rom und zu
Athen den Verwirrungen der Redner zuzuschreiben, als welche durch ihre
weitläufftig Geschwätze den Pöbel lencken können, auf welche Seite sie gewolt, |
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{Sp. 1411|S. 719} |
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da es hingegen zu Lacedämon, wo man kurtz
geredet, so viele Empörungen nicht
gegeben. Wie denn die Redekunst nicht so wohl mit bündigen Schlüssen, als
scheinbaren Erfindungen umgehet, womit man bey den Zuhörer
Leidenschafften zu
erregen suchet. Wie denn, nach dem Zeugniß des Malebranche, bey
dem Seneca mehr
Wörter-Pracht, als gültige Folgerungen
anzutreffen. |
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Die heutige Beredsamkeit will vielen nicht gefallen, und ist mancher mit
Einsicht begabter
Mann mit der Academie Françoise
übelzufrieden, weil sie durch ihren Eckel und Behutsamkeit
ihre
Sprache allzuweibisch gemacht, welches gleichsam dadurch vorbedeutet worden,
daß sie den ersten Preiß der Redekunst an ein
Frauenzimmer, nemlich an Madelle
Scuderi gegeben. Es ist hier auch zu erwegen, wie vielerley der
Geschmack der
Völcker
in dieser Sache, und wie sonderlich die Morgenländischen hierinnen von den
Europäern unterschieden seyn, endlich aber ist doch nach einiger
Meynung den Italiänern und Frantzosen der Preiß zu lassen,
da sie die meiste Mühe angewendet, diese
Kunst recht hoch zu treiben, wiewohl
doch immer eine Nation der andern ihre Fehler vorwirfft.¶ |
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Die Logick, von der wir nunmehro
reden, ist die erste Disciplin der
Real-Philosophie. Zeno hat dieselbe erst als eine
Disputir-Kunst gehandelt, Aristoteles aber ihr besser ins Maul
gegrieffen. Obgleich Aristoteles in seiner Logick auch nicht
vielmehr gethan als die Leute gelehret, wie sie Schluß-Reden machen, das heist
auf Deutsch, wie sie nach den
Arten und Figuren disputiren sollen, so muß man
ihm den Ruhm doch lassen, daß er die
Sache mit besserer
Ordnung angefangen, als
die Stoici, welche bloß schwatzten, und wundert man sich, wie hernach
Ramus sich Aristoteli entgegensetzen können, da er
doch nichts anders auf die Bahn gebracht, als was Aristoteles
an der Eleatischen Logick vorher zu schanden gemacht. |
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Bey den Römern ist die Logick mehr eine Rhetorick gewesen, weil sie die
Römer mit der Stoischen Secte von den Griechen angenommen. Dem Baconi
muß man zwar zugestehen, daß er seiner Vorgänger Fehler eingesehen, doch
scheinet sein modus ratiocinandi per inductionem nicht thunlich, weil
dazu mehr als eines
Menschen
Wissenschafft erfordert wird. Cartesio ist
Schuld zu geben, daß er diese Disciplin gar nicht tractirt, indem sein
Buch
de methodo mehr einer Metaphysick als Logick gleich siehet. Die Ars
cogitandi, vor deren Verfasser einige Arnaulden, andere
den Nicole halten, hat nach vieler
Meynung vor
Aristotele wenig zum voraus, und halten einige die Exempel, die
darinnen angetroffen werden vor einem, der erst von der Logick zu
studieren
anfängt allzuschwer, indem sie schon eine Wissenschafft der andern Disciplinen
voraus setzen. Tschirnhausens medicina mentis wird von
vielen aus dem
Grunde getadelt, weil sich derselbe allzuviel Unbetrüglichkeit
zueignet. Kurtz es giebt mit Einsicht begabte
Männer, die die meisten bisher
bekannten Logicken tadeln, ohne eine zu nennen, welche ihnen angestanden. |
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Bey der sittlichen
Weltweißheit muß man
billig von Socrate
anfangen, der an statt der Stern- |
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{Sp. 1412} |
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kunde, welche bis dahin Mode gewesen, die
Sitten-Lehre aufgebracht, wie man
denn auch deswegen von ihm
gesagt: Quod coelo deduxerit philosophiam.
Es ist nichts an ihm zu tadeln als seine Undeutlichkeit und Unordnung seiner
Regeln, und daß er alles als ob er selbst noch daran zweifelte, vorgebracht.
Plato soll den Socratem meist ausgeschrieben
und mehr Furchtsamkeit gehabt haben, da er gesehen, wie es dem Socrati
gegangen. Das ist auch eben die
Ursache warum Socratis
Regeln
so ungewiß scheinen. In den Lebens-Beschreibungen der alten
Weltweisen ist
keines seine
Meynung auf eine Systematische Art vorgetragen, daß wenige
ausgenommen, was man bey dem Plutarcho davon findet. Von
Socrate insonderheit hat man nichts als was man aus Platone rathen kan. Wir
sagen Rathen. Denn wer weiß wie viel Socrates in diesen
Schrifften
Platoni zu gefallen
reden muß. Zum wenigsten ist gewiß, daß dieser allen
Dingen
seine Farbe angestrichen. Er war aber ein
Mann, der immer was artiges sagen
wolte, und es steht dahin wie viel Zusammenhang er selber im
Kopfe
gehabt. |
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An Aristotele muß man zwar die
Ordnung des Vortrags loben,
doch sind seine
Gedancken
nicht so artig, als des Platonis und Socratis.
Die Stoicker haben allzu harte Aufsätze; und der Scepticismus kan einem noch
weniger anstehen, wie denn Pyrrho, der Urheber dieser Secte,
sich allezeit besann, ob er einem Wagen oder dem Pferde ausweichen wolte, aber
ein Hund, der ihn gähling anlieff, konnte ihn aus seiner Sceptischen
Gelassenheit setzen. Zu Zeiten Varronis sollen nur über der
Materie vom höchsten Gut mehr als 288 unterschiedene
Meynungen gewesen seyn, aus welcher Uneinigkeit der
Weltweisen gar leichte der
Schluß zu machen, wie viel Ungewißheit in der
vernünfftigen Sitten-Lehre herrsche, daß wir also keine bessere, als in der
Heil. Schrifft
finden können.¶ |
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Bey der Physick, deren Ungewißheit zwar wohl ohnedem von niemand in Zweiffel
gezogen wird, ist zu erinnern, daß Aristoteles hierbey mehr
Vernunfft-Schlüsse als
Erfahrung
gehabt, da doch durch diese letztere die meisten Geheimnisse der
Natur
müssen erforschet werden. Derer andern alten Natur-Lehrer Grundsätze sind von
den neuern wieder hervorgesucht worden. Copernicus hat
gleichwie Pythagoras die Sonne zum Mittel-Punct der Natur
gemacht; die Seelen-Wanderung hat Bulstrode vertheidigt; und
des Platonis seine
Meynungen von der
Seele der
Welt ist in
einem Englischen
Buche, Lux orientalis genannt, wieder aufgewärmt
worden. |
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Die cörperliche Philosophie (Philosophia corpuscularis) des
Democrits und Epicurs, welchen Cartesius
gefolgt, leitet nach der Meynung der meisten zum
Atheismo, oder stößt zum
wenigsten die göttliche Fürsehung über den Hauffen. Es scheinet zwar kein
Grundsatz in der Natur-Lehre besser zu seyn als das principium attractionis,
welches Keil, wie aus den
Lateinischen
Act. Erud. Supp. T. IV. p 272 seq.
erhellet, angenommen. Dennoch, wenn man die
Sache hin und her reiflich überlegt,
so kan man doch lieber bey der Allmacht |
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{Sp. 1413|S. 720} |
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Gottes beruhen, als sich mit ungewissen Muthmaßungen
verwirren wollen.¶ |
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In der Astronomie muß man
billig den Chaldäern den ersten Ruhm lassen, weil
die Lage ihres Landes
und ihr Aberglauben sie zuerst darzu angeleitet. Die Chineser haben zwar auch
diese Wissenschafft ehe als wir gehabt, es ist ihnen aber damit gegangen, wie
mit ihrem Schieß-Pulver, Buchdruckereyen und andern Erfindungen, welche sie eher
als die Europäer gehabt, aber schlecht ausgearbeitet, wie denn, als die
Mißionarien nach China gekommen, ihre Mathematici nicht einmahl so
geschickt
gewesen, einen Calender zu verfertigen. Ptolemäo und
Copernico muß man ein Systema zugestehen, keinesweges aber dem
Tycho de Brahe. Des Ptolemäi seines ist allzu
künstlich und sind allzuviel Phänomena, welche daraus nicht können erkläret
werden. Copernicus scheint zwar wahrscheinlich zu
philosophiren, man kan aber nicht begreiffen, auf was vor Art eine flüßige
Materie, wie diejenige so die
Welt
umgiebt seyn soll, so eine ordentliche
Bewegung würcken könne. Man muß nicht
wenig lachen, daß Hevelius eine Geographie von dem Monde
geschrieben; Ricciolus aber gar einem jeglichen Astrologo einen
Theil desselben anweisen wollen.¶ |
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In der Metaphysick ist des Cartesii Grundsatz: Ego
dubito ergo sum, vielfältig angefochten worden; doch muß man gestehen, daß
schon Aristoteles, ob gleich seine Metaphysick nicht viel
taugt, die menschliche
Erkenntniß
auf diesen
Grund
gebaut. Poiret kan man mit
Recht
einen begeisterten
Weltweisen nennen, und des P. Malebranche
seine Recherche de la Verité ist allzu abstract, sein mundus
idealis aber zu fanatisch.¶ |
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Von der Metaphysick kommen wir auf die Historie, da man denn, was die
älteste Profan-Historie anlangt, sich nicht
unbillig über den Mangel
glaubwürdiger Nachrichten beschweret. Die älteste Griechische Historie müssen
wir aus den Poeten, unter denen Homerus der erste ist, nehmen,
aus welchen ihre Historici hernachmahls das meiste abgeschrieben, wie denn dem
Herodoto so wenig als dem Thucydidi und
Diodoro Siculo wegen der untermengten Fabeln Glauben
beyzumessen ist. Die Römischen Geschichtschreiber sind zwar in grössern
Ehren zu
halten als die Griechischen; dennoch muß man gestehn, daß sie die erforderte
Vollkommenheit auch nicht haben. Doch ist nicht zu begreiffen, woher
Livius die ältesten Nachrichten von der
Stadt Rom gekriegt, da er
zumahl derselben Auferbauung auf die Fabeln der Poeten gründet. Die Tradition
scheinet vor einem Geschichtschreiber ein allzu schlüpfriger Weg zur
Wahrheit zu
seyn, und alles dasjenige Lob, welches sich die Römer in ihren Historien
zueignen, läst sich nicht besser als aus den Schutz-Schrifften derer in der
ersten Kirche von ihnen verfolgeten Christen widerlegen. Man hätte können zum
voraus sehen, was die Historie, welche Cicero in
Willens gehabt zu
schreiben vor Mängel würde gehabt haben. |
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{Sp. 1414} |
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Die neuen Historici widersprechen sich selbst allzu offte, als daß man auf
ihrem Bericht fußen könnte. Man hat sonderlich hier die Prahlerey der Spanier zu
verachten, welche bey Entdeckung der neuen Welt, lauter Ungeheuer darinnen
wolten angetroffen haben, da sich doch die
Sache gantz anders ausgewiesen, wie
sie denn z.E. ein
Volck,
da die
Männer langer Haare auf den Haupte, aber wenig in Barthe haben, vor den
Rest des Amazonischen ausgegeben. Die so genannten Histoires secretes
scheinen mehr Romane, als wahrhafte Geschichts-Beschreibungen zu seyn.¶ |
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Die Historie leitet uns auf die Chronologie, und wir finden bey den alten
Griechischen Zeit-Rechnungen eben so viel Schwierigkeit als bey den Römischen.
Bey den letztern muß man den Fleiß des Numä loben, den Unfleiß
aber der Pontificum schelten, welche den Calender in solche Unordnung
gerathen lassen, das zu Zeiten des Jul. Cäsaris der Winter im Herbst u.s.f.
eingefallen. Cäsar brachte die Zeit-Rechnung mit Hülffe des
Sosigenes wieder in
Ordnung, muste aber um in die Schnurre zu
kommen, ein Jahr von 15 Monaten machen, welches man dieserhalben annum
confusionis genennet; und dennoch war zu Zeiten Pabst Gregorii XIII
das Jahr nach dem Sonnen-Lauff um 10 Tage unrichtig, wiewohl dieses Pabsts
Calender vielen Tadeln unterworffen gewesen und daher der alte und neue
Stilus gekommen. Unter den neuern Chronologisten haben Scaliger
und Petavius viel Streit gehabt, und beyde seynd endlich von
dem Pagi gleiches Irrthums beschuldiget worden. Endlich muß man
auch die Zeit-Rechnung die man aus Müntzen herleitet, tadeln, und kan man
weisen, was sich hierbey vor Ungewißheit mit eingemischet, wenn man sich
insonderheit auf Harduins Exempel berufft, der durch Müntze alle Historische
Wahrheit hat umstossen wollen.¶ |
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Bey der
Geographie
ist zu mercken, daß der Alten ihre sich nicht weiter als bis an die Meer-Enge
Gibraltar erstrecke und daß sie diejenigen
Länder deren Lage
ihnen unwissend gewesen, mit dem
Nahmen Indiens bezeichnet; bis endlich
Strabo zu erst diese Fehler angemerckt. Ptolemäus weil
er Mathesin verstanden, ist zwar noch weiter gekommen, hat aber dennoch die
gröbsten Fehler begangen, da er zum Exempel: Scandinaviam vor eine gantz kleine
Insul gehalten, da es doch vielmehr eine grosse Halb-Insul ist. Die neuen haben
zwar durch Entdeckung West-Indiens einen grossen
Vortheil vor den Alten, es ist
aber doch noch mehr als der vierte Theil von der Welt-Kugel gegen Süden noch
unentdeckt, und wegen der Longitudinem noch grosser Zweiffel.¶ |
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Was das
Römische Recht anbetrifft, so kan man zeigen, daß unter den LL. XII.
Tab. von welchen uns doch nur einige Stücke übrig geblieben, viele
unbillige Satzungen |
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{Sp. 1415|S. 721} |
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geweßt. Z.E. daß die Glaubiger befugt waren ihren Schuldner in Mangel der
Zahlung zuzerschneiden und sich in die Stücken zu theilen. Bey dem
weltlichen Recht kan man wahrnehmen, daß Justinianus nach
dem Zeugniß des Svidä nichts weniger als ein gelehrter
Fürst
gewesen, indem er nicht einmahl das Alphabet recht gekonnt. An
Triboniano ist zu tadeln, wo nicht die Betrüglichkeit, doch die
Unachtsamkeit, und allzu grosse Übereilung bey einem so wichtigen
Wercke. In den
Pandecten sind viel unnütze Grillen eingeschlossen, die im menschlichen
Leben
keinen
Nutzen schaffen können. In dem
Codice, kan man deutlich sehen,
wie Tribonianus die
Verordnungen der vorhergehenden
Kayser
verfälscht hat, und ist kein Zweifel, daß wir dieses auch würden an den
Digestis bemercken, wenn wir nur die
Schrifften
der alten Rechtsgelehrten noch hätten. Der Codex Theodosianus scheinet
besser zu seyn, und man kan muthmassen, es würde auch bey dessen Beobachtung das
Justinianische Recht wieder verlohren gegangen seyn, wo es nicht zu Pisa und
Florentz aufgehoben gewest, und hernach unter dem Lothario wieder hervor gesucht
worden. Die Glosse des Accursii scheinet allzu elend und die
Entschuldigung: Graeca sunt non intelligio, allzu aufrichtig. Des
Bartoli Axioma: De verbis non curat JCtus kan uns noch
weniger gefallen. Ob man ihn also gleich den
Titul eines
Gelehrten absprechen
muß, so kan man ihn doch vor einen guten Rechtsgelehrten gelten lassen: Wiewohl
einige hier einwenden werden, daß dieses letztere ohne daß erstere schwerlich
seyn könne. Alciatus, Cujacius und Budäus
haben, weil sie mehr die schönen Wissenschafften verstanden, auch mehr leisten
können, als ihre Vorgänger, und sind dahero zwar wohl vor gelehret, aber nicht
vor Rechtsgelehrte zu halten. |
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Kurtz, ob man gleich alle Hochachtung vor die
Römischen Rechte hat, so ist
doch solches durch die Chiquane und Unwissenheit seiner Ausleger so verderbt,
daß es den Italiänern nicht vor übel zu halten, wenn sie es vor nicht allzu
langer
Zeit mit unter die drey grossen Übel gerechnet, um deren Abwendung sie
täglich beteten, und also das et caetera der Notarien, der Raserey der
Bauern und den Glücksgriffen der Mediciner an die Seite gesetzet. |
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Bey dem
Geistlichen Recht muß man sich über die Unwissenheit des Gratians
verwundern, welcher öffters ein Concilium vor einen Patrem, ja wohl gar einen
Ketzer als einen Kirchen-Lehrer angeführet. Diese Unwissenheit war schuld, daß
er so wenig Gunst vor die
Studien hegte, wie er denn den
Geistlichen
überhaupt die Lesung heydnischer
Scribenten untersagt. Die Stelle in der 34
Distinct. Ne quis ob Concubinatum a Communione repellatur, ist nicht weniger zu
tadeln, wie solche denn auch vom Luthero bey Verbrennung des
Päbstlichen Rechts
vorgeschützt worden. In den Decretalibus wird die unumschränckte
Gewalt des
Pabsts vollends bekräfftiget, weswegen sie auch von den Frantzosen, welche
solche wegen der
Freyheit
ih- |
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{Sp. 1416} |
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rer Kirche nicht vortragen können, meists verworffen worden.¶ |
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Was die Medicin betrifft, so ist zu bemercken, daß solche
vor den Zeiten des Hippocratis, nur von dem Marcktschreyern
getrieben worden, bis sie Hippocrates in förmliche
Regeln gebracht, weswegen ihn
denn die Alten, sonderlich Macrobius vor gantz unbetrüglich
gehalten, welches sich doch in den neuern Zeiten gantz anders gewiesen.
Galenus hat seines Vorfahrens
Meynung in den meisten gefolget, nur daß dieser allzu
weitläufftig, Hippocrates aber allzu kurtz ist.
Paracelsus, welcher die principia Chymica aufgebracht, und mit
Verachtung der Alten gleichsam die Unsterblichkeit versprochen, ist selbst in
der Helffte seiner Jahre
gestorben, da es hingegen Galenus über
100 Jahr gebracht, daraus zu muthmassen, daß die Chymischen Artzeneyen zwar
geschwinde
Würckungen haben, aber auch desto gefährlicher seyn. |
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Bey den Chinesern soll die Medicin in grossen Werthe stehn, wie denn der
König Chiohamti, da er alle
Bücher in seinem
Reiche verbrennen ließ, dennoch die Medicinischen davon ausgenommen. Jedoch
die Unwissenheit in der Medicin hat gemacht, daß sich dieses
Volck
seiner
Wissenschafft nicht sonderlich gebrauchen können. Doch
scheinet auch die Anatomie überhaupt eine sehr ungewisse
Sache zu seyn, weil
eben ein so vielfältiger Unterscheid, unter den innerlichen, als den
äusserlichen Gliedmassen des
Menschen
ist, daher leichtlich zu schliessen, daß keine eintzige Disciplin so unsicher
ist als die Medicin.¶ |
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Bey der Arte Critica finden einige zu erinnern, daß dieselbe heut
zu Tage meists in Kleinigkeiten bestehet. Zu Erasmi Zeiten ist es ein anders
gewesen, denn der hatte wegen der Unwissenheit der vorigen Zeiten genug
auszumisten, aber jetzund werden aus den Criticis Grammatici. Von der
Betrüglichkeit dieser Wissenschafft zeigen die Exempel des Herrn Clerici
und Simons.¶ |
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Kömmt man auf die
Schrifften
der
Jüden und Araber, so bemerckt man bey den ersten, daß ihr ausgegebenes
Alterthum eine Unwahrheit ist. Von ihrem Talmud findet man, wie Mornäus
geglaubt, nicht ältere Zeugnisse, als von den Zeiten Justiniani, da der
Misna in der 146 Nov. gedacht wird, die andern
Bücher derselben müssen
folglich noch jünger seyn, und über dieses würde einem die Mühe schlecht
belohnet werden, wenn man ihre mühsamen Possen mit grossen
Kopff-brechen
durchstudiren wolte. Was ihre Rabbinen noch etwan gescheites haben, das ist
entweder von der
Philosophie oder von den Arabern entlehnet, diese aber hätten
ihre
Künste den Griechen abgelernt, als sie die
Provintzen dieses Kayserthums überschwemmet. Das, was die Araber noch am
besten getrieben haben, ist die Medicin und
Philosophie. Ihre Historie hingegen
ist fabelhafft, und ihre
Geographie
abgeschmackt. |
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Bey der Theologia Scholastica bemer- |
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{Sp. 1417|S. 722} |
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cket man, daß die Erfinder derselben kein
Griechisch verstanden, und also weder den Aristotelem, noch die Patres, aus
welchen sie doch seltsamer Weise ein Systema zusammen geflickt, recht
eingesehen, sonst würden sie wahrgenommen haben, daß die Lehren der Patrum,
welches Platonici gewest, sich schwerlich zu den Grundsätzen des Aristotelis
schickten. Die allzugrosse Spitzfindigkeit, welche sie recht mit Fleiß
angenommen, hat sie unverständlich gemacht, und ist darnach zu denen meisten
Ketzereyen in der Kirche Anlaß gegeben worden. Doch sind Thomas
und Peter Lombard noch vor die deutlichsten unter den Theologis
Scholasticis zu halten. |
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Aus diesem hier angeführten nun ist wohl der Haupt-Endzweck und beste Rath
dieser, daß man andere Wissenschafften, so unvollkommen sie auch sind, zwar
lernen, aber doch selbe zu desto besserer Verstehung der
Heil. Schrifft,
als der allervollkommensten Wissenschafft, anwenden, und sie unter diese setzen
soll. |
- Traite de l'Incertitude des sciences. Amsterdam 1715 in 12.
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Deutsche
Acta Erudit.
34 Theil, p. 749 u.ff.¶
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