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geographisch |
Wir
müssen endlich diese Astronomische Betrachtung der Erde und
ihre Kleinheit verlassen, um keine Verachtung gegen sie zu erwecken; und
hingegen die
Geographische Betrachtung derselben vornehmen, wie wir
uns, die wir auf der Erden
wohnen, dieselbe
vorstellen. |
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Figur |
Hier kommt nun vor allererst die
Frage vor was die Erde vor eine Figur habe?
wollten wir dem
Urtheil des Pöbels folgen, der eine
Sache nur dergestalt zu
concipiren pfleget, wie sie sich seinen
Sinnen vorstellet; so
müsten wir
die Erde als eine grosse Ebene betrachten, die sich allenthalben ausdehnete, und
an ihrem äussern Circel mit dem Himmel verbunden wäre; weilen einem solchen
Menschen, wenn er auf einer Ebene sich befindet, alles solcher gestallt
vorkommt, und ihme der Himmel auf der Erden aufzuliegen scheinet.
Keplerus in Epitom. Astron. Copern. I. erzehlet
dergleichen
Meynungen des Pöbels folgender massen: Huic videtur [10
Zeilen lateinischer Text] |
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{Sp. 1541|S. 802} |
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[2 Zeilen lateinischer Text] |
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So urtheilet nicht nur der Pöbel, sondern einige
alte
Philosophen
haben selbst dergleichen
Meynungen geheget, wiewohl sie nach ihren besondern
Einfällen, und daraus formirten
Gründen, der Erden
verschiedene Figuren gegeben. |
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Empedocles und Anaximenes haben sich die Erde als einen
platten Tisch; Leucippus als eine Trommel; Heraclitus, wie
einen hohlen Kahn; Anaximander wie eine Säule; Cleanthes als
einen Kegel; Democritus rund und hohl, damit das
Wasser nicht heraus
fliessen könne; Plato als einen Cubum vorgestellet; |
welche verschiedene
Meynungen
- Petrus Gassendus in Animadvers. in Lib X.
- Diogen. Laërt. T. I.
p. 347.
- Ricciolus in Almag. nouo L. II. c.
1. §. 1.
- Joh. Praetorius in
Diss. de Terrae facies
figura Sect. 1.
- David. Christiani in System. geograph.
general. I. 4.
- Albert. Christian. Dünhaupt. in Dissert.
tertia et postrema de sphaerica telluris figura
Wittenberg 1715.
und andere erzählen. |
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Doch haben nicht alle unter denen alten
Philosophen solchergestalt
raisonniret, sondern verschiedene davon haben der Erde eine sphaerische
oder Kugel-runde Figur zugeeignet. Nach dem Zeugniß des
Diogenes Laërtii
IX. 21. soll Parmenides Eleates zu erst diese
Meynung geheget
haben; und eben derselbe bezeuget l.c. L. II. 3. dieses von dem
Anaximandro Milesio. Plutarchus de Placit.
Philos. III. 10. hingegen
spricht solche dem Anaximandro ab, und
legt solche dem Thaleti Milesio, als dem Lehr-Meister des
Anaximandri bey; und eben dieser Plutarchus
bezeuget, daß die Stoici diese Meynung von der Rundung der Erden
gehabt. |
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Die Peripatetici sind dem Aristotelem de Coelo II 14.
gefolget, welcher die Erde Kugelrund machet; und die Cosmographi haben
die
Meynung des Ptolemaei annehmen müssen,
da er im Almag. I. 4. ihre sphaerische Figur erwiesen. Ob nun
zwar diese Meynung von der Figur der Erde der
Wahrheit gemäß, wie wir bald
darthun werden, auch nach der Zeit von denen Peripatetischen
Philosophen, die darinnen ihrem Aristoteli gefolget, starck ist
vertheidiget worden; so haben doch einige alte Kirchen-Lehrer solche als der
Religion gefährlich verworffen, zumahlen, da man alsdenn zu geben müste,
daß Antipodes wären; |
wie solches vor andern
Lactantius Divin. Instit. III. 24. und
Augustinus de Civit. Dei XVI. 6. gethan. |
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Gleicher
Meynung mit diesen sind die meisten
Christen mittler Zeiten
gewesen, und in dem 8ten
Seculo hat der
Bischoff zu Mayntz
Bonifacius, den Bischoff zu Saltzburg Vergilium, so wohl in der
Mathematic versiret war, deswegen Ketzerey beschuldiget, daß derselbe
Antipodes statuiret, in dem er davor hielte, daß man solcher gestallt
unter der Erden andere
Menschen, eine andere
Welt, eine andere Sonne, einen
andern Mond zu geben müsse; wie er denn auch durch den Papist Zachariam
zu wege gebracht, daß Vergilius das wegen seines
Bischoffthums
ist beraubet worden; |
wie solches Auentinus Annal.
Bojorum III. p. 172. und aus ihm Daniel Erasm. ab
Huldeberg in Diss. de rotunditate ac magnitudine terrae 2. §. 2.
Joh. Christ. Beckmann in Histor. Orbis Terrarum
1. §. 9. erzählen. |
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Nachdem die Mathematischen
Wissenschafften mehr und mehr sind
excoliret worden; ist auch die
Meynung von der Rundung der Erde mehr in
Schwang gekommen; und durch eine
Erfahrun- |
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{Sp. 1542} |
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gen dergestalt bekräfftiget worden, daß heut zu
Tage, ausser den Pöbel,
solch niemand mehr in
Zweiffel ziehet. Der letzere unter denen
Philosophen,
so dieser Meynung wiedersprochen, ist Franciscus
Patritius Pancosmiae XXV. XXVI. gewesen, als welcher noch die Ebene
der Erden vertheidiget; dessen
Irrthum aber Ricciolus
in Almag. novo II. 1. Schol. 3. et 4. zur Gnüge gezeiget. |
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Es sind die
Beweiß-Gründe, welche die sphaerische Figur der Erden
bekräfftigen, Theils aus denen Astronomischen Observationen,
Theils aus einigen auff der Erden selbst angemerckten
Erfahrungen herzuhohlen.
Nach der ersten
Art
wissen wir aus denen Mond-Finsternissen, daß der Schatten
der Erden sich allezeit Circel-rund in dem Monde darstelle, die Finsterniß
mag,
zu welcher Zeit und an welchen
Orte des Himmels sie will, geschehen. Hieraus ist
klar, daß weil die Erde, sie mag von einer Seiten von der Sonnen erleuchtet
werden, von welcher sie will, allezeit einen Circul-runden Schatten hinter sich
wirfft, nach denen Optischen
Principiis
nothwendig eine Kugel
seyn müsse; weil sonst, wenn ein solcher
Cörper nicht rund wäre, bey einer
andern Lage desselben in Ansehung des erleuchteten Cörpers auch eine andere
Figur seines Schattens erfolgen müste. |
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Wir wissen aus Astronomischen Observationen ferner, daß
einem jeden
Orte in einerley parallelo
die Sonne bey Tage und die Sterne bey
Nacht just eben so viel eher aufgehen, so viel er weiter
gegen Morgen lieget; woraus folget, daß die Erde von
Abend gegen Morgen zu rund
seyn müsse; indem wenn sie eben wäre, die Sonne allen zu gleicher Zeit aufgehen
würde; wäre sie aber hohl, würden die so weiter gegen Abend wohnen, die Sonne
zeitiger aufgehen sehen, als die gegen Morgen. Eben so ist auch die Erde von
Mittag gegen
Mitternacht rund; welches klärlich daraus erhellet, daß je weiter
man von Mittag gegen Mitternacht unter einerley Meridiano fortgehet, je
höher man in eben solcher Proportion den Polar-Stern über dem
Horizont erhaben siehet, welches nicht erfolgen könte, worferne die
Erde nicht nach solcher Direction rund wäre. |
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Wir könten noch mehre
Beweiß-Gründe aus der Astronomie anführen;
sie erfodern aber schon eine weitere
Erkäntniß derselbigen. Diejenigen
Erfahrungen, so man auf der Erden selbst wahrgenommen hat, und uns von der
sphaerischen Figur derselben überzeugen, sind: |
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- daß der sichtbahre Horizont der Erden sich allenthalben
circulariter terminire, wenn man solchen von einem erhabenen
Orte
besonders an der
See betrachtet;
- daß, wenn man an denen Ufern des
Meers die ankommenden
Schiffe in
Augenschein nimmt, das oberste von denen Mast-Bäumen, hernachmahls immer
mehr, ie näher das Schiff kommet, und endlich dasselbe
gantz dem Auge
entdecket werde, welches wir sonst auf einmahl gantz sehen würden, woferne
die Fläche des Meers eben wäre.
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Man muß sich hier aber nicht die fallaciam opticam verführen
lassen, daß das Meer in der Mitten höher sey, als an denen Ufern; denn aus der
Optic wissen wir, daß weit entlegene
Sachen dem Auge vorkomen, als wenn
sie höher liegen. Es ist dahero kein Wunder, daß man die Erde zur See schon
etliche mahl umschiffet hat. Ferdinand Megellanus hat
an.
1519. innerhalb 1124. Tagen die Erde das erstemahl umschiffet; nach ihm haben |
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- Franciscus Draco, ein Engländer, anno 1577. innerhalb
1056;
- Thomas
{Sp. 1543|S. 803}
Candisch, ein Engländer an. 1586. innerhalb 777.
- Simon Cordes aus Rotterdam ann. 1590. und Olicier
Noort gleichfalls ein Holländer, an. 1598. innerhalb 1077;
- Wilhelm Cornelius Schouten an. 1615.
innerhalb 749.
- und Jacob Heremiten und Johann Hugen an. 1623.
innerhalb 802. Tagen,
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dergleichen
Reise
gethan. |
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Man
erkennet hieraus, daß die Erde ein runder
Cörper seyn müsse; die obigen
Gründe hingegen zeigen, daß er eine sphaerische Figur habe. |
Diese
Beweiß-Gründe und noch mehrere dergleichen findet man weiter
ausgeführet, in
- Riccioli Geograph. I. 1.
- Varenii Geograph. general. Lib. I. Sect.
2. cap. 3.
- Liebknecht Elem. Geograph. general. P.
II. c. 2.
- Praetorius in diss. cit.
- Dünnehaupt in denen beyden erstern
dissertationibus de sphaerica telluris figura, davon er
die erstere unter Schrödern zu
Wittenberg
an. 1715. gehalten,
- Christoph Langhausen diss. de
Figura Telluris ad sensum sphaerica Königsberg 1724.
- und andern
Schrifften,
- wie auch in denen
gewöhnlichen Compendiis Geographicis, so
Mathematisch geschrieben sind.
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Man muß aber die sphaerische Figur der Erden nicht mit der
geometrischen
Notion einer Kugel vermischen, auf deren Fläche alle
Puncte von ihrem Mittel-Punct gleichweit entfernet sind; denn die Ungleichheiten
der Erde und die grossen und hohen Gebürge bezeugen augenscheinlich das
Wiederspiel. Wir wissen auch daß alle Flüsse endlich in die
See sich ergüssen,
indem das
Wasser von einem höhern
Orte, in ihnen Vermöge seiner natürlichen
Schwere flüsset; solches kan nicht geschehen wo der
Grund derer Flüsse nicht
abhängig ist, wie solches
Erfahrungen des Wasser-Wägens und des Gefälles gar
deutlich vor Augen legen; da nun dieses beständig an einem Flusse fortgehen muß,
wenn anders das Wasser darinnen
ordentlich fortlauffen
soll; so muß der Ort, wo
sich ein Fluß in die See ergüsset, folglich auch die Fläche des Meers selbst,
sehr viel tieffer liegen, als der Ort, wo die Quelle des Flusses ist; woraus man
abnehmen kan, daß das feste
Land weiter von dem Mittel-Puncte der Erden weg sey,
als die Fläche des Meeres, daraus folglich wiederum die Ungleichheit auf der
Fläche der Erd-Kugel, die aus Wasser und
Land zusammen gesetzet ist, erhellet. |
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Keplerus in Epitome Astronom. Copern. Lib. I. P. I. p. 20. 21. mercket aus
denen Observationibus derer Schiffer an, daß ein solcher Fluß, welcher in einer
weite von 200. Schritten, um einen Schritt tieff ein Gefälle habe, nicht ohne
Gefahr könne beschiffet werden; und Erhardus Weigelius in Speculo terrae
6. p. 92. stimmet bey nahe damit überein. Es setzet der letztere, |
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- daß ein sehr langsamer Fluß in einer
Stunde
2000. Schritte weit lauffe, und in einer weite von 1000. Schritten sich um einen Schritt sencke, ein
langsamer Fluß 4000. Schritt in einer Stunde durchwandere, und in einer
Weite von 1000. Schritten, 2. Schritte Gefälle habe;
- ein mittelmäßiger Fluß 6000. Schritt in einer Stunde absolvire, und in
einer Entfernung von 1000. Schritten sich um 3. Schritt sencke;
- ein schneller Fluß eine Stunde von nöthen habe 8000. Schritt zu
durchlauffen, der alsdenn innerhalb 1000. Schritten ein Gefälle von 4.
Schritten habe;
- ein sehr schneller Fluß 10000. Schritte in einer Stunde vorbey flüsse,
und sich um 5. Schritt innerhalb 1000. Schritten sencke;
- endlich ein gefährlicher Fluß in einer Stunde 12000. Schritt fortflüsse,
und in einer Weite von 1000. Schritt ein Gefälle von 6. Schritten habe.
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{Sp. 1544} |
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Wir wissen indessen, daß die meisten grossen Flüsse auf der Erden schiffbar
sind, und daher keiner wohl von solcher Beschaffenheit, daß er sich in 200.
Schritten um einen, oder in einer Weite von 200. Meilen, um 1 Meile sencken
sollte; dahero hat Keplerus mit
Recht daraus geschlossen, daß nicht
leichtlich Flüsse auf der Erden würden angetroffen, welche an dem
Orte, wo sie
sich in die See ergüssen, eine Meile tieffer liegen sollten, als der Ort ihrer
Quellen, folglich, daß ein solches
Land sehr selten um eine Meile über die
Fläche des Meers erhabener wäre. |
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Gleichergestalt wird man auf der Erden nicht leicht Berge antreffen, so im
perpendicel eine Meile hoch seyn sollten, wie bereits unter dem
Titel: Berg
Tom. III. p. 1227. ist
erinnert worden. Es
beträget demnach der
Unterscheid, welchen die Fläche eines
Landes über der
Fläche des Meers, oder die Spitze eines Berges über die Fläche des Landes in
Ansehung der Höhe haben kan, kaum eine Teutsche Meile; und wäre folglich die
Proportion einer solchen Protuberantz eines Berges, oder der
tieffgesenckten Fläche des Meers wie I.860. welche nicht mercklich ist, und
daher unsere Erden gar wohl ungeacht dieser Ungleichheiten als eine runde Kugel
könne angesehen werden. |
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Die Erfahrung bekräfftiget dieses an den Schatten der Erden bey einer
Mond-Finsterniß. Dieser praesentiret sich allezeit, wie ein Circel und
läst keine Ungleichheiten spüren so etwan von dem Gebürgen unserer Erden
herrühren könnte; welches eine Anzeige ist, daß ihre Höhe gegen den Diameter
der Erde, der hierdurch den Diameter des Erd-Schattens repraesentiret
wird, nicht mercklich sey. Wir sehen hiervon ein deutliches
Exempel an dem
Mond, von dem wir wissen, daß er gleichfalls eine Kugel und mit grossen Gebürgen
besetzet sey (siehe: Berge im Monde Tom. III. p.
1251.) dessen ungeachtet sehen wir seinen äussern Rand, sowohl im Voll-Monde,
als auch bey totalen Sonnen-Finsternissen, allezeit genau nach der
Periphaerie eines Circels terminiret, und bemercken keine
Ungleichheiten daran. Man pfleget daher die Erde mit einer Pomerantze zu
vergleichen, deren Protuberantzen ihre Rundung so wenig unscheinbar
machen können, als die grösten Berge der sphaerischen Figur unserer
Erden etwas benehmen können. |
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Es ist demnach die Erde in physicalischen, nicht mathematischen
Verstande, eine Kugel. Allein auch diese Figur hat sie in denen neuern Zeiten
nicht behalten können, sondern man hat ihr eine Oval oder
sphaeroidische Figur zugeeignet. Es
stimmen aber hierinnen auch die neuern
Philosophen nicht mit einander überein, indem einige die Erde unter dem
Aequatore erhabener, gegen die Polos zu aber gedruckt und
niedriger setzen; andere hingegen umgekehrt dieses angeben und um die Polos
die Erde höher, unter dem Aequatore aber niedriger machen. Jene gründen
sich auf Vernunfft-Schlüsse, die durch die
Erfahrung zugleich bekräftiget
werden; diese suchen ihrem
Grund in einer Ausmessung eines
Theils
der Erden. |
Die erstere Meynung hat Newton in Princip. Philos.
natural. Mathem. Lib. III. prop. 19 erwiesen. |
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Die
Sache kommt darauf an: die
Bewegung
der Erde, um ihre Axe kan heut zu Tage kein
vernünfftiger Astronome
leugnen; wo ferne aber diese Statt
findet, so folget, daß die Erde
nothwendig unter dem Aequatore höher
als um die Polos seyn müsse. Dasjenige, was die Theile unserer Erden
zusammen hält, daß sie eine |
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{Sp. 1545|S. 804} |
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physicalische runde Erde Kugel formiren, ist die Schwere
derselbigen, oder der Nisus, den sie gegen den Mittel-Punct der Erden
haben. Wenn die Erde um ihre Axe revolviret, so bekommen die
Theile der
Erden eine vim centrifugam, das ist, eine
Krafft, sich von dem
Mittel-Punct der Erden zu entfernen; und würden sie sich vermöge derselben
würcklich von der Erden abreissen und darvon flügen, wenn ihre Schwere geringer
als diese Vis contrifuga wäre; eben wie ein Stein aus der Schleuder
heraus fähret, wenn man dieselbe in einen Creise herumgetrieben hat, und den
einen Faden loß läst, da denn nichts mehr vorhanden, so dieser Krafft sich zu
entfernen Einhalt täte. Allein da die Schwere derer Theile der Erden gegen den
Mittel-Punct derselben weit grösser ist, als diese aus der Bewegung der Erden um
ihre Axe entstehende Krafft sich zu entfernen; so findet auch würcklich keine
Absonderung derer Theile der Erden von derselben Statt. |
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Inzwischen concurriren alsdenn in dieser
Sache zwey einander
entgegengesetzte
Kräffte, nemlich die Schwere eines
Cörpers, welche ihn gegen
den Mittel-Punct der Erden zudruckt; und die Vis contrifuga desselben,
so ihn von der Erden zu entfernen sich bemühet, und wird demnach ein Theil von
der Schwere des Cörpers als die grössern Kraft, von der Vi centrifuga
destruiret. Wäre nun diese Vis centrifuga an allen
Orten der Erden
gleich groß; so würde an allen Orten der Erden die Schwere derer Cörper gleich
viel dadurch destruiret werden, und man würde hierinnen kein Merckmahl
finden, ob die Theile der Erden an sich schwerer wären; allein, da wir aus der
Mechanic wissen, daß einerley Cörper, wenn er mit einer gewissen
Geschwindigkeit in einem grössern Circel beweget werde, eine grössere Vim
centrifugam habe; als wenn er mit eben derselben Geschwindigkeit in einem
kleinern Circel revolviret: so ist klar, daß da die Theile unserer
Erden alle mit gleicher Geschwindigkeit innerhalb 24 Stunden einmahl herum
gedrehet werden, die Circel aber, darinnen sie sich bewegen, unter dem
Aequatore am grösten, gegen die Polos zu immer kleiner sind (indem
die Erde bey nahe eine Kugel); auch die Vis centrifuga unter dem
Aequatore grösser seyn müsse, als unter denen parallelis, die
denen Polis näher liegen. |
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Hierdurch wird ein grösserer Theil von der
absoluten Schwere derer Cörper unter dem Aequatore destruiret,
als von eben derselben absoluten Schwere unter einem parallelo
näher nach dem Polo zu; das ist, die Cörper von einerley
Art sind unter
dem Aequatore leichter als in denjenigen
Ländern, so weiter davon
liegen.
z.E. ein Stück Bley, so hier zu Lande ein Pfund wieget, wiegt unter dem
Aequatore weniger. |
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Hieraus ist klar, daß weil dieses von allen
Cörpern gilt, auch das
Wasser
unter dem Aequatore leichter seyn müsse, als in denen
Meeren gegen die
Polos zu. Nun wissen wir, daß das Wasser in denen Meeren deswegen
einerley Höhe behalte, weil solches von einerley schwere ist, und einerley Druck
gegen einander exerciret; wie solches die Phaenomena derer
Tuborum communicantium bekräftigen; hingegen zwey Liquores, davon
der eine specifice leichter ist als der andere, halten nicht mit
einander in gleicher Höhe die Waage, sondern es stehet alsdenn der leichtere
höher, als der schwerere; wie solches gleichfalls aus denen Phaenomenis
derer Tuborum communicantium bekannt ist. Da nun das Wasser unter dem
Aequatore leichter ist, als gegen die Polos zu, so muß |
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{Sp. 1546} |
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das Wasser unter dem Aequatore
nothwendig höher und von dar an
gegen die Polos zu immer niedriger stehen, weil diese Gewässer mit
einander eben so wohl wie in denen Tubis communicantibus, communiciren,
und einen Druck gegen einander ausüben. Wäre nun die Erde gantz und gar mit
Wasser überflossen, so wüsten wir gewiß, daß sie alsdenn eine Oval-Figur
haben müste, vermöge deren sie unter dem Aequatore hoch, unter denen
Polis niedrig wäre; und diese Figur muß sie wenigstens im Anfange der
Welt gehabt haben, da sie mit Wasser umgeben, und ihr von
GOtt die Bewegung dem
die Axe ist mitgetheilet worden. |
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Allein eben diese Figur wird sie auch noch ietzo haben, da
Wasser und
Land
von einander separiret sind, denn da das Land Theils wegen der sonst zu
erfolgenden Inundation, Theils wegen des schon oben angemerckten
Ergüssens derer Flüsse in das Meer, nothwendig höher als die Fläche des Meers
liegen muß; so folget: ist das Wasser unter dem Aequatore höher, als
das Wasser unter denen parallelis gegen die Polos zu, so muß
auch das Land dort höher, als in diesen Strichen der Erden liegen. Es hat
demnach auch die Erde in dieser Verfassung, worinnen sie sich ietzo befindet,
eine Oval-Figur, und ist gegen die Polos gedruckt, unter dem
Aequatore hoch. |
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Die Obseruationes bekräftigen dieses auf das Beste. Als
Richer, ein Frantzose, in der Insel
Cayuenne, so bey America über 4. biß 5. Grad von dem Aequatore
nicht ablieget, mit Astronomischen Obseruationen beschäfftiget
war, befand er, daß er sein Pendulum um 1 ¼.
Linie habe kürtzer machen müssen, um dessen Ubereinstimmung mit dem Himmel zu
erhalten, daß solches praecise mit einer Vibration eine Secunde der Zeit
abmesse, da solches zu Paris 3. Schuhe 8
.
Linie lang war, und genau eine
Secunde schlug. |
Recueil d'Observations faites en plusieurs voyages par ordre de sa Majeste
pour perfectionner l'Astronomie et la Geographie auec diuers Traites
astronomiques par Messieurs de l'Academie Royale des Sciences; als worinnen
diese Observationes des Richers die andere Stelle erhalten
haben; Ingleichen Histoire de l'Academie Royale des
Sciences an. 1700. p. 114. seqq.
|
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gleiche Observationes haben Varin und des Hayes,
in denen Inseln Goree, Gadeloupe und Martinique angemercket,
davon die erstere 14. Grad 40. Minuten, die andere 14. Grad, die dritte 14.
Grad, 44. Minuten von dem Aequatore ablieget, und haben bey jeder die
Länge des Penduli so eine Secunde schlägt, um 2. Linien
kürtzer als zu Paris gefunden. Gleichergestalt hat Halley in
der Insel St. Helena sein Pendulum um 1 ½
Linie kürtzer machen müssen, als es zu London gewesen. |
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Nun wissen wir aus der Mechanic, daß wenn die Länge des Penduli
und die Grösse des daran gebundenen
Cörpers einerley verbleibet, hingegen die
Schwere desselben
verändert wird, sich die Zeiten derer Oscillationen
reciprocé wie die Radices quadraticae die veränderten Schweren
von dem angebundenen Cörper verhalten. |
Herrmann Phoron. I. §. 175.
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Aus diesem und der Zeit, um wie viel das Pendulum an einem dem
Aequatori nahe gelegenem
Orte weniger geschlagen, hat man die
Verhältniß
der Schwere unter dem Aequatore zu der Schwere zu Paris oder
einem andern Orte der Erden ausfündig gemacht: Newton
I. c. Prop. 20. hat hieraus
dargethan, daß das Wachstum der Schwere
einerley
Cörpers von dem Aequatore gegen die Polos zu, bey
nahe |
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{Sp. 1547|S. 805} |
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in der Proportion derer Quadrate des Sinus recti
derer breiten derer
Örter geschehe; hat auch eine Tabelle beygefüget,
darinnen vor jede Pol-Höhe die Länge eines Penduli determiniret, so
eine Secunde schlagen soll. Ist die Verhältniß der Schwere unter dem
Aequatore gegen die Schwere an einem andern Orte der Erden bekannt, so
kan man gar leicht die Höhe des Wassers, das ist, dessen Entfernung von dem
Mittel-Puncte der Erden, in Ansehung der Höhe des Wassers unter einer gegebenen
Pol-Höhe ausfündig machen; oder, welches einerley ist, man kan bestimmen, wie
sich der Diameter der Erden unter dem Aequatore, zu dem
Diameter der Erden, der von einem Polo zu dem andern reichet,
verhalte. |
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Newton setzet in der ersten
Auflage
seiner Principiorum diese
Verhältniß, wie 692. zu 689; in der neuen
hingegen bringet er heraus wie 230. zu 229. Hugenius
welcher in seinem Discours sur la cause de la pesanteur p. 154. seqq.
diese
Sache gleichfalls
untersuchet, bringet gedachte Verhältniß wie 578. zu
577. heraus; welche Rechnung des Hugenii Hermann in seiner
Phoronomia §. 642. bestätiget. Es wäre demnach unter denen Polis
die Erde um
.
nach dem Newton, oder um
nach dem Hugenio
niedriger, als unter dem Aequatore; dahero, wenn wir den halben
Diametrum der Erden unter dem Aequatore 860. Teutsche Meilen
setzen, würde nach der Rechnung des Newtons unter denen Polis
der Erde bey nahe um 4. und nach dem Hugenio, bey nahe um 1 ½
Teutsche Meile niedriger als unter dem Aequatore seyn. |
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Oval-Figur |
Dieses ist die Beschaffenheit der Oval-Figur der Erden, welche so
wohl der
Vernunfft als der
Erfahrung gemäß ist. |
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Die Frantzosen behaupten das Gegentheil, setzen die Axe der Erden grösser,
als den Diametrum der Erden unter dem Aequatore, und beruffen sich deshalben auf
ihre Ausmessung, vermöge welcher sie die Axe der Erden 6579368, den Diametrum
der Erden unter dem Aequatore 6510796. Foisen oder sechsfüßige
Frantzösische Ruthen befunden haben. |
Memoires de l'Academie Royale des Sciences an.
1718. p. 323. |
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Da nun 3217. Foisen eine Teutsche Meile ausmachen, so würde nach
dieser Ausmessung die Axe der Erden von
Mitternacht gegen
Mittag 2045, und der
Diameter unter dem Aequatore 2023. Teutsche Meilen halten;
folglich der halbe Diameter dort 1022 ½,
hier 1011 ½; daß also die Erde unter dem
Aequatore um 11. Meilen niedriger als unter denen Polis wäre. Es
erinnert aber schon Newton l.c. das ein
geringer Fehler derer
Instrumente, oder der bey der Observation
begangen worden, einen gar mercklichen Fehler hervorbringen könte, weil wenn man
solchen etlichemahl, wegen der geringen Weite, darinnen man die Ausmessung
angestellet, multipliciren müste; weswegen man dergleichen Ausmessungen nicht
viel zu trauen. Und
gewiß, wenn die Observationes des Cassini, der
diese angestellet, in allem seine Richtigkeit hätten, so wird man doch nichts
zuverläßiges hiervon
sagen können, woferne nicht, so wohl unter dem
Aequatore, als um die Polos herum, dergleichen Ausmessungen
angestellet würden. |
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Es behält demnach in diesem Stücke die Newtonische oder
Hugenianische Bestimmung der Oval-Figur der Erden den
Vorzug;
welche auch Desagulier in seiner
Dissertation de Figura Telluris
so in denen Transact. Philos. Anglic. N.
386. 387. 388. befindlich, wieder die
Meynung des Cassini vertheidiget. |
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Inzwischen siehet man hieraus, daß man auch |
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{Sp. 1548} |
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keinen mercklichen Fehler begehe, wenn man die Erde als Kugel-rund annimmt;
indem der von beyden Theilen angegebene
Unterscheid in Ansehung des halben
Diametri der Erden etwas sehr weniges beträget; wie man auch deswegen in
der Astronomie ohne mercklichen
Irrthum zuverläßig sie, als eine Kugel
betrachten könne. Doch haben
verschiedene deswegen Anlaß genommen, wegen derer
verschiedenen
Meynungen in dieser
Sache, lieber das Mittel zu erwehlen, und die
sphaerische Figur der Erden zu vertheidigen; dergleichen
Polenus in einer Epistel an den Guidonem
Grandum, und Richter in
Program. de
magnitudine et figura telluris
Leipzig
an. 1726. gethan. |
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Wir sind mit
Fleiß die
Beweiß-Gründe des Burnetii
in Theoria Telluris Sacra II. 10, und Jo. Casp.
Eisenschmidt in Diatribe de figura Telluris Elliptico sphaeroide, womit
sie die Oval-Figur der Erden erweisen
wollen, übergangen, weil solche
nicht so wichtig, als die vorher angeführten argumenta sind. |
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