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Quellenangaben |
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Willens, (Freyheit des). |
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I Philosophische Abhandlung. |
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Es ist sowohl von den
Philosophen, als
Theologen, über diese
Materie viel
disputiret worden, und darüber manches Wort-Gezäncke entstanden: weil man sich
vorher nicht verglichen hat, was durch diese
Freyheit zu
verstehen sey. Die
Freyheit heisset entweder so viel, als eine Gleichgültigkeit, oder ein
gleichgültiges Befinden gegen die
Dinge, die einander entgegen stehen; (Indifferentia
ad opposita) oder sie heißt ein ungezwungenes Wesen, da keine äusserliche
Gewalt
uns zu einer
gewissen
Verrichtung zwingen kan. Jenes ist die innerliche,
dieses aber die äusserliche Freyheit. |
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Es sind also von der Freyheit zwey Haupt-Meynungen entstanden. Einige haben
Sie bloß eine Abwesenheit der Hindernisse genennet, wie |
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- Hobbesius
in seinem Leviathan, Cap. XIV,
- Nicolaus Gürtler, Institut. Theol. ...
- Becmann, in Lineis doctrin. mor.
...
- Anton le Grand, in Institut. philos. ...
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gethan. Andere, und zwar die meisten, haben solche in der Gleichgültigkeit
gesetzet, daß sich nehmlich der
Wille gegen zwey einander entgegen stehende
Dinge gleichgültig
verhalte. |
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Was die erste Definition anbetrifft, daß diese
Freyheit in einer Abwesenheit
der äusserlichen Hindernisse bestehe, so gehöret zwar zu der Freyheit, daß uns
kein Hinderniß in dem Wege stehe massen z.E. ein krancker
Lehrer keine Freyheit
hat, ob er lesen, spatzieren gehen will, oder nicht; Es ist aber dieser
Begriff
nicht hinlänglich. Denn zu geschweigen, wie schon D.
Buddeus, in
Institut. Theol. moral. ... erinnert, daß die unvernünfftigen Thiere
keine Freyheit haben, ohnerachtet sie durch kein äusserliches
Principium zu
einer gewissen Art zu würcken determiniret werden; so muß ja der
Grund der
Freyheit nicht sowohl von aussen, als vielmehr von innen, in der
Seelen selbst
gesuchet werden. |
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Der andere
Begriff von der
Freyheit, in soferne man darunter ein
Vermögen
verstehet, aus zwey einander entgegen gesetzten
Dingen eines sowohl, als das
andere zu erwählen, ohne, daß ein
Bewegungs Grund vorhanden sey, warum man eines
für dem andern erwähle, können wir auch nicht billigen. Denn eine solche Wahl
muß allezeit ihren
Grund haben, und ist ohnmöglich, daß man ohne Bewegungs-Grund
etwas wollen, oder nicht wollen könne; daher man auch
billig bey den würcklichen
Handlungen der
Menschen den
Grund, warum sie dieses gethan, oder unterlassen
haben, zu wissen verlanget. |
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Es zeiget solches die
Erfahrung, indem man kein eintziges Exempel einführen
kan, da man etwas |
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{Sp. 132} |
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entweder gewolt, oder nicht gewolt hätte, und kein
Bewegungs-Grund zugegen
gewesen wäre; ohnerachtet diejenigen, die nicht scharffsinnig genug sind, ihn
nicht allezeit wahrnehmen, zumahl, wenn er zuweilen so versteckt ist, daß er nur
von einem scharffsinnigen hervor gesuchet werden kan. Ja, es lauffen wohl solche
Bewegungs-Gründe mit unter, die auch die scharffsinnigsten nicht gewahr werden
und
empfinden; Z.E. warum man, wenn man zu einer Thür hinaus gehet, den rechten
Fuß vor den lincken, oder den lincken vor den rechten gesetzet, es sey denn
allemahl ein Sclave vorhanden, wie in dem Hause des Trimalcions
bey dem Petronius, der uns zuruffte: Den rechten Fuß voran. |
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Man setze den Fall, es würden zwey Ducaten, von gleichem Schlag und Werthe,
die wenigstens dem Ansehen nach einander gantz gleich wären, auf den Tisch
geleget, und Titius solte einen darvon nehmen. Nachdem er sie
genau geprüfet, und nicht den geringsten Unterschied wahrgenommen hat, so nimmt
er einen, und da meynet man, es sey ohne
Ursach, ohne
Bewegungs-Grund,
geschehen, daß er einen dem andern vorgezogen. |
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Allein, ist gleich in der
Sache selbst kein Bewegungs-Grund da gewesen, so
findet sich einer in ihrem Verhalten gegen denjenigen, der die Wahl anstellet.
Er nimmt einen, und läßt den andern liegen, weil derjenige, den er genommen hat,
ihm vielleicht näher zu der Hand war; und in solchem Fall, ist die
Bequemlichkeit der Bewegungs-Grund: doch hätte ihm auch unvermerckt eine andere
Ursach einfallen, und ihn bewegen können, den andern Ducaten zu nehmen. Denn
alle beyde wird er sie gewiß nicht liegen lassen; er wird aber auch, er nehme
nun welchen Ducaten er wolle, wenigstens unvermerckt, seine
Bewegungs-Ursach zu
solcher Wahl gehabt haben. Es
schreibet derowegen Leibnitz
in seiner Theodicee ... gar recht: |
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"Es giebt keine Indifferentiam aequilibrii, das ist, eine solche
Indifferentz, da auf beyden Seiten alles vollkommen gleich sey, ohne, daß man zu
einem geneigter sey, als zum andern. Es concurriren unendlich viel grosse und
kleine, innerliche und äusserliche Bewegungen mit uns, die wir meistentheils
nicht gewahr werden." |
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Indem wir nun aber die blosse Gleichgültigkeit verwerffen, so wollen wir
damit keinesweges eine unvermeidliche
Nothwendigkeit eingeführet wissen. Einige
der heutigen berühmten
Philosophen, welche dergleichen Nothwendigkeit behaupten,
stellen die
Sache also vor: Gleich wie in den Reyhen der
Verknüpfung der
cörperlichen Dinge dasjenige, was in dieser
Welt das Mögliche zu der würcklichen
Existentz bringet, die
würckenden Ursachen wären; Also wären gleichergestalt
dasjenige, was die Entschliessungen unserer
Seelen entgegen gesetzet, sowohl
möglich sey, als das, worzu die Seelen sich würcklich entschlössen. |
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Wie nun ferner, wenn wir in dieser gegenwärtigen Welt-Maschine diese
gegenwärtige Verknüpfung der Dinge (nehmlich der
würckenden Ursachen) setzen,
alle
cörperliche Begebenheiten in derselben |
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[Sp. 133|S. 80} |
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unausbleiblich gewiß, und also in so weit nothwendig erfolgen müssen, und
ohnmöglich anders können: Also machten auch die
Bewegungs-Gründe, wegen welcher
unserer
Seelen ihre Entschliessungen ergreiffen, und welcher also die an sich
selbst nur möglichen Entschliessungen der Seelen würcklich machten, wenn sie nur
zureichend wären, ebenfals eine Gewißheit, und zwar eine solche, daß ein
Mensch,
der etwas als besser
erkennet, ohnmöglich das schlimmere ihm vorziehen könne,
und es solchergestalt nothwendig geschehe, daß er das bessere erwähle, und zwar
so nothwendig, als auf einer Waage das grössere Gewichte vor dem kleinern einen
Ausschlag geben muß. |
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Wie es denn z.E. nicht möglich sey, daß ein Krancker in dieser
Welt, der
Artzney einnimmet, den Gebrauch derselben in dieser Welt auch solte unterlassen
können, ob es gleich in einer andern Welt geschehen könnte; Oder, daß einer, der
von seinem Sitze aufstehet, in dieser Welt an dessen statt auch sitzen bleiben
könnte, ob es gleich in einer andern Welt geschehen könnte. |
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Und dieser
Art der hypothetischen Nothwendigkeit sey die
Nothwendigkeit der
Sitten, (Necessitas moralis) welcher also, als die der physicalischen
Nothwendigkeit entgegen gesetzte Species, unter dem generalen
Begriffe der
hypothetischen Nothwendigkeit mit begriffen werde. Beydes demnach, nemlich auf
der einen Seite die
Begierden der Seelen, und auf der andern die
Bewegungen des
Leibes, habe in dieser
Welt seine Gewißheit, vermöge deren es komme, und nicht
aussen bleibe: Und um dieser harmonirenden beyderseitigen Gewißheit willen, gehe
es an, daß das Zufällige in dem Leibe und der Welt, mit dem freywilligen in der
Seele, durch die vorher bestimmte Harmonie zusammen gestimmet werde. Nur müsse
man sich beständig darbey erinnern, daß beyderley Gewißheit, oder
Nothwendigkeit, als die auf beyden Seiten, nur hypothetisch sey, in sofern
nemlich
GOtt, diese, und keiner andere
Welt, zu erschaffen erwählet hat, jener
allgemeinen metaphysicalischen Zufälligkeit der Welt keinen Eintrag thue. |
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Hierbey ist nun ein doppelter Streit entstanden. Erstlich: Ob würcklich und
in der That, in der natürlichen Folge der Begebenheiten dieser nun erschaffenen
Welt aus einander, lauter hypothetische Nothwendigkeit, oder Gewißheit, wie in
einer Maschine, und keine Zufälligkeit, zu befinden sey? Zum andern: Ob diese
Meynung der
Freyheit
des
menschlichen Willens und der
Sitten-Lehre zuwider
lauffe? |
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Was die erste Frage anbetrifft, so ist in dieser
Welt nicht lauter
physicalische
Nothwendigkeit, sondern auch eine physicalische Zufälligkeit,
vermöge deren, auch in dieser nun erschaffenen Welt, nicht alle
Dinge, oder
Begebenheiten, so, wie sie sind, oder erfolgen, nothwendig erfolgen, sondern
viele derselben, bey eben dieser
Verknüpffung der Dinge, auch nicht, oder
anders, erfolgen könnten; Und daß dergleichen Zufälligkeit allerdings in den
willkührlichen
Thaten der
Menschen zu finden sey, wie auch in den Dingen, deren
Existentz durch dieselben theils hervorgebracht, theils verhindert werden kan. |
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Denn ein jeder ist sich, durch die unleugbare innerliche
Empfindung, bewust,
daß, ob er gleich, durch die
Bewegungs-Gründe angetrieben, allezeit dasjenige zu
thun erwählet, was |
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[Sp. 134} |
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ihm am besten gefällt; Es ihm doch deswegen nicht unmöglich sey, an dessen
statt das schlimmere zu erwählen, und zwar, welches wohl zu mercken ist, in
dieser
Welt, und in eben dieser Gemeinschafft seiner
Seele mit diesem seinem
Leibe, als durch welchen er das eine je sowohl, als das andere, zu
Wercke
richten, zu können, zum Exempel, aufzustehen, und sitzen zu bleiben, sich bewust
ist, wenn auch gleich zu einem von beyden zulängliche Bewegungs-Gründe vorhanden
sind: Denn diese verursachen nur, daß man das, worzu sie antreiben, würcklich
thue, und nicht unterlasse; Nicht aber, daß es in dieser Welt, d.i. bey diesem
Zusammenhange der Dinge, nicht möglich sey, es zu unterlassen. |
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Ob dannenhero gleich in der
Verknüpffung der blos
cörperlichen Dinge und
Begebenheiten in dieser
Welt, z.E. in den
Bewegungen der himmlischen
Cörper, die
physicalische Nothwendigkeit allerdings einzuräumen ist; Indem alle blos
cörperliche Begebenheiten durch natürlich
würckende Ursachen hervorgebracht
werden, welche durch eine
Nothwendigkeit ihrer
Natur würcken, und nicht anders
können: So ist doch wider alle
Erfahrung, daß dergleichen Nothwendigkeit auch in
dem Zusammenhange unserer
Begierden und
Thaten mit ihren
Bewegungs-Gründen zu
finden sey; Indem auch die allerstärcksten Bewegungs-Gründe einem freywillig
würckenden Wesen niemahls die natürliche Möglichkeit, das, was es in dieser
Welt, und wegen dieser Bewegungs-Gründe thut, in eben dieser Welt, und
ohngeachtet eben dieser Bewegungs-Gründe, auch zu unterlassen, benehmen können. |
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In einer andern
Welt könnten ja wohl auch die
natürlichen Ursachen, die in
dieser Welt ihre
Würckungen durch eine physicalische
Nothwendigkeit
hervorbringen, etwas anders würcken, als in dieser Welt: Und der fürnehmste
Unterschied derer natürlich würckenden und willkührlich
würckenden Ursachen,
beruhet also darinnen, daß diese auch in dieser Welt, und bey einerley
Umständen, würcken und nicht würcken können, jene aber nicht. |
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Wenn der berühmte
Wolff in den Gedancken von GOtt, der
Welt, und der Seele des Menschen ... den
Willen, in Ansehung des Erfolgs seiner
Entschliessungen, aus denen
Bewegungs-Gründen, mit einer Wage, und die
Bewegungs-Gründe mit den Bewegungs-Gründen vergleichet, so kan solches zwar als
ein Gleichniß, das die
Sache schön erläutert, paßiren. Denn, wie der Ausschlag
auf der Wage unausbleiblich erfolgen muß, wo mehr Gewichte ist, also wird auch
in den Willen die Entschliessung erfolgen, zu welcher die wichtigsten
Bewegungs-Gründe vorhanden sind. Und gleichwie hingegen auf der Wage ohnmöglich
ein Ausschlag erfolgen kan, wo die Gewichte in beyden Schaalen gleich sind, also
kommt man auch so lange zu keinem
Schlusse, so lange man in dem Zweiffel stehet,
ob die Bewegungs-Gründe von einer Seite die andern überwiegen, oder nicht (in
statu perfecti aequilibrii). Man hat aber nicht aus der Acht zu lassen, daß
dieses ein blosses Gleichniß, und nicht über das so genannte Tertium
comparationis auszudehnen ist. |
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Wir wollen ein Exempel geben: Man erhält davor, ein hungeriger Esel würde
Hungers sterben müssen, wenn er zwischen zwo Wiesen stünde, deren die eine
seinen Appetit fast eben so starck rei- |
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{Sp. 135|S. 81} |
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tzete, als die andere; Dieweil, gleichwie auf einer Waage unter zweyen
gleichwiegenden Gewichten, keines das andere überwiegen könne, also in den
Willen des Esels der Appetit, auf der einen Weise zu fressen, dem gleich
starcken Appetite, auf der andern zu fressen, dergestalt die Waage halten würde,
daß er zwischen beyden Wiesen unbeweglich stehen, und nicht von der Stelle würde
gehen können. Wer wird denn aber wohl dem Esel zu einer so edlen
Substantz
machen, daß er ihm einen eigentlich so genannten
Verstand und
Willen, und nach
dem ersten, eine reichliche Überlegung, welche Wiese wohl die beste sey, nach
dem letztern aber, eine willkührliche Entschliessung, auf dieser, als der besten
Wiese, zu fressen, beylege? Was bey der Waage durch eine mechanische
Nothwendigkeit, und bey dem Esel
durch einen eingeprägten Trieb der
Natur,
und sinnlichen Appetit, geschiehet, das kan ja von einem mit Verstand und Willen
begabten Geschöpffe nicht auf eben dieselbe Weise behauptet werden. Denn alle
Gleichnisse sind auch gewissermassen einander ungleich. |
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Die Einschränckung dieses an sich sonst schönen Gleichnisses,
hat einen grossen
Nutzen, die heut zu Tage hin und wieder bestrittene
Freyheit
des
menschlichen Willens, als den
Grund der
Sitten Lehre, zu befestigen; Damit
man nicht die mechanischen Bewegungs
Regeln
vor allgemeine Gesetze der Natur, nach welchen auch alle
menschliche
Thaten vollführet würden, halten, und diese
letztern also einer physicalischen Nothwendigkeit, als welche nur in den
natürlich
würckenden Ursachen der
Dinge zu finden ist, unterwerffen möge. Denn
das würde der Natur eines freyen Wesens sowohl, als der innerliche
Empfindung
eines jeden in sich selbst, zuwider lauffen. |
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Nicht weniger ist ein jeder durch die innerliche
Empfindung sich selbst
bewust, daß seine
Seele würcklich und in der That die äusserlichen
willkührlichen
Bewegungen und
Thaten seines
Leibes hervorbringe, und also, als
die wahrhaffte physicalisch-würckende Ursach derselben, einen realen Einfluß in
die Glieder des Leibes, durch welche sie solche
Bewegungen und Thaten würcket,
habe; Es mag nun damit, in Ansehung der Art und Weise, (als welche noch niemand
hat ausforschen können) zu gehen, wie es immer wolle. |
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Dahingegen ist es wider die innerliche
Empfindung eines jeden, daß seine
Seele die durch den
Cörper verrichteten willkührlichen
Thaten nur dencken und
wollen, nicht aber auch selber, als die physische
Ursach derselben, durch ihren
Cörper vollziehen, sondern etwa nur, als eine
moralische Ursach, veranlassen
solte, daß eine andere nähere
würckende Ursach, nemlich
GOtt, die würckliche
Vollziehung, durch die vorher bestimmte Harmonie, vermittelst eines von ihr
physicalisch gantz independenten Mechanismus, leisten möge. |
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Die
Seele eines jeden, indem sie sich ihrer selbst bewust ist, muß ja wohl,
durch innerliche
Empfindung, wissen, was sie thut: Ob sie nur dencke und wolle,
oder auch würcklich durch den
Cörper vollziehe. Wenn sie auch gleich von der
eigentlichen Art und Weise, wie solches Dencken, solches
Wollen, solches
Vollziehen, zugebe, nimmermehr einen klaren und deutlichen
Begriff erlangen
solte; Genug, daß sie die
Existentz ihres würcklichen Vollziehens so gut, als
ihres Den- |
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{Sp. 136} |
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ckens und Wollens, in sich empfindet. |
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Nun wird zwar diese
Erfahrung deswegen geleugnet, weil niemand von der
Würckung der
Seele in den
Leib einen klaren
Begriff habe. Es wird uns
vorgeworffen, als ob wir aus der Erfahrung mehr, als sie würcklich lehre,
annähmen; Denn so viel lehre sie zwar, daß gewisse
Ideen und
Begierden der
Seele, mit gewissen
Bewegungen des Leibes, zugleich sind, nicht aber, daß eines
des andern
Ursache sey. Allein, es ist dieses eine
Sache, die lediglich auf die
eigene
Empfindung eines jeden ankommt, und von welcher sich also nichts weiter
disputiren lässet. |
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Doch hat D.
Müller, in seiner Einleitung in die Physick ...
gezeiget, daß vielmehr die Vertheidiger der gegenseitigen
Meynung den uns
vorgerückten Fehler gantz augenscheinlich selbst begehen, indem sie, als in der
Erfahrung gegründet, annähmen, daß die
Bewegungen des
Leibes mit den
Begierden
der
Seele zugleich sind, und mit einander übereinstimmen. Denn, da sie
behaupten, daß der Leib die Seele auf keine Art afficiren könne, und hierdurch
alle Kundschafft und Erfahrung, welche die Seele durch die äusserlichen
Sinne
von der cörperlichen Welt einziehen kan, aufheben: So können Sie ja eben diese
von ihnen verworffene Kundschafft und Erfahrung ohnmöglich als einen
Grund
annehmen; Sondern müssen erst anders woher, als aus der
Empfindung,
oder Erfahrung der Seele, die durch die äusserlichen Sinne geschiehet, erweisen,
daß eine
cörperliche Welt, und in derselben ein
menschlicher
Cörper, und in diesem
eine Harmonie seiner Bewegungen, die mit dem
Wollen der Seele zugleich seyn
sollen, existire. |
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Da solchergestalt erstlich, ein jeder, durch die sinnliche
Erfahrung sich
selbst bewust ist, daß alles, was er in dieser
Welt, auch aus den kräfftigsten
Bewegungs-Ursachen, will, und würcklich thut, oder vollziehet, er in eben dieser
Welt, und dieser Bewegungs-Ursachen ohngeachtet, auch lassen könne: So folget,
daß unsere
Seelen nicht allein eine metaphysicalische Freyheit, (in soferne wir
nemlich von dieser Welt abstrahiren) und ihre willkührlichen Entschliessungen
nicht allein eine metaphysicalische Zufälligkeit haben, also nemlich, daß unsere
Seelen das, was sie in dieser Welt thun, nur in einer andern Welt hätten lassen,
und etwas anders thun können, in dieser aber nicht; Sondern, daß unsere Seelen
auch würcklich eine natürliche, oder physicalische Freyheit in dieser Welt, und
ihre Entschliessungen und
Thaten eine physicalische Zufälligkeit, haben, vermöge
deren sie auch in dieser Welt, und bey dieser
Verknüpffung der Dinge, anders
erfolgen könnten: Daß es dahero irrig sey, den Entschliessungen unserer Seelen
eine in dieser Welt, und bey dieser Verknüpffung der Dinge, fest gesetzte
moralische Nothwendigkeit, die mit einer eben dergleichen physicalischen
Nothwendigkeit der cörperlichen Begebenheiten richtig zusammen passen, und
unausbleiblich harmoniren müsse, beyzulegen. Und diese Zufälligkeit nennen wir
die innerliche physicalische Zufälligkeit unserer willkührlichen Thaten: |
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Weil ferner die
Erfahrung lehret, daß die
Seele in ihren
Cörper, und,
vermittelst desselben, auch in andere Cörper, willkührlich würcke, und hierdurch
die sonst nothwendig zu gewar- |
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{Sp. 137|S. 82} |
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tenden
Würckungen anderer Cörper, und die
Existentz der daher zu erwartenden
Dinge, verschiedentlich hindern könne: So muß unstreitig daher auch eine
Zufälligkeit dererjenigen Dinge entstehen, die von natürlich würckenden
Grund-Ursachen ihren
Ursprung haben, und also durch eine physicalische
Nothwendigkeit, in dieser Welt existiren würden, wenn ihre Existentz durch die
willkührlich
würckenden Ursachen nicht gehindert werden könnte. Und diese
Zufälligkeit nennen wir allhier die äusserliche. |
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Wer nun also in dieser
Welt in dem Erfolg, weder unserer Entschliessungen
und äusserlichen
Thaten, aus ihren
Bewegungs-Ursachen, noch der
cörperlichen
Dinge, aus ihren natürlich
würckenden Ursachen, eine durchgängige Gewisheit,
oder
moralische und physicalische Nothwendigkeit, ist; Sondern jene alle, diese
aber grossentheils, auch in dieser Welt, und bey dieser
Verknüpffung der Dinge,
nur zufällig sind: So scheinet das gantze Gebäude der vorherbestimmten Harmonie,
als welches die gedachte beyderseitige
Nothwendigkeit in dem
Leibe und der
Seelen, als zweyen, mit einander vollkommen und auf ein Haar harmonirenden, sich
selbst
bewegenden Dingen, (Automatis) schlechterdings voraus setzet,
hinweg zu fallen; Inmassen der berühmte
Wolff, § 885, selber
sagt: Um dieser beyderseitigen Nothwendigkeit, oder Gewißheit willen, gehe es
an, daß das Zufällige in dem Leibe und in der Welt, mit dem Freywilligen in der
Seele, zusammen gestimmet werde. |
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Dem sey aber wie ihm wolle, so ist dabey diese andere Streitfrage hefftig
getrieben worden, ob nicht bey dieser beyderseitigen hypothetischen
Nothwendigkeit dieser
Philosophen, und der darauf gegründeten vorherbestimmten
Harmonie der
Seelen und des
Leibes, als zweyer mit einander übereinstimmenden sich selbst
bewegenden
Dinge, der
Freyheit
des
menschlichen Willens, und
folglich der Sittenlehre, zu nahe getreten werde? Unsers Erachtens, erhellet aus
allen Umständen so viel, daß diese Philosophen, ob sie auch gleich Seele und
Leib nicht anders, als zwey sich selbst
bewegende Dinge, und folglich, in der
Folge ihrer Begebenheiten (vermöge der mechanischen Principien) eine
durchgängige
Nothwendigkeit sich vorstellen; Dennoch eben die Absicht nicht
gehabt, der Freyheit des menschlichen Willens, und folglich der Sittenlehre,
einen Eintrag zu thun, wie ihnen einige solches Schuld geben: Indem man vielmehr
augenscheinlich siehet, daß dieses fast ihre fürnehmste, und gewiß recht mühsame
Arbeit gewesen, wie sie einen
Grund finden mogten, die Freyheit und den
Mechanismus, auf alle nur ersinnliche Art, in gutes Vernehmen mit einander zu
bringen. |
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Denn da sie einmahl keine andere als mechanische
Principia der
Natur,
annehmen wolten; So musten sie freylich alle physicalische Zufälligkeit der
Dinge in der
Welt leugnen: Weil allerdings in einer
Maschine, z.E. in einer Uhr,
alles, ihrer Structur und Zusammensetzung gemäß, nothwendig erfolgen muß.
Jedoch, damit sie gleichwohl der Freyheit des menschlichen Willens, und der
Sittenlehre, hierdurch nicht zu nahe treten mögten, meyneten sie genug zu seyn,
wenn sie die metaphysicalische |
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{Sp. 138} |
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Zufälligkeit der gantzen Welt-Maschine, und insonderheit der äusserlichen
menschlichen
Thaten, in der
Seele aber eine eben dergleichen metaphysicalische
Freyheit, wider die Stoicker und den Spinoza gründlich
behaupteten, vermöge welcher
Freyheit, die Seele an sich selbst, und, wenn wir
von der gegenwärtigen
Welt abstrahiren, viel andere mögliche Dinge, als die sie
in dieser Welt, bey dieser
Verknüpffung der Dinge will, wollen könne, jedoch so,
daß solches anderweitige
Wollen eine weit andere Welt, und einen weit andern
menschlichen
Cörper, erfordere, den
GOtt durch einen weit andern Mechanismus,
als den gegenwärtigen, auf die Vollziehung solches Wollens hätte abrichten
müssen. |
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Diese
Art der
Freyheit nun, würde keinen
Schaden leiden, wenn auch gleich
alles, in der
Seele so wohl, als in dem
Leibe, in dieser
Welt durch eine
Nothwendigkeit der
Natur erfolgete. Dem ohngeachtet aber, sind wir der
Meynung,
daß eine Sittenlehre, welche den
menschlichen Willen nicht etwan in einem
Stande, in welchem wir von dieser Welt abstrahiren, (als in welchem Stande
unsere Seele würcklich nicht ist) sondern in dieser Welt, in eben dieser
Verknüpffung der Dinge, durch
Gesetze und Rathschläge
regieren soll, nicht nur
eine blos metaphysicalische Freyheit, sondern eine physicalische, oder
naturalische Freyheit in dieser Welt, durch welche sie sich so wohl, als ihren
Leib, zu dieser oder andern
Thaten, auch nur in einer Welt, nehmlich in dieser
gegenwärtigen frey determiniren könne, voraus setze. |
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Denn, wenn wir nicht leugnen wollen, daß
GOtt durch sein
Gesetz dem
Menschen
gewisse Entschliessungen und äusserliche
Thaten, welche die
Seele in dieser
Welt, und durch diesen ihren
Leib, zu
Wercke richten solle, solche
Entschliessungen und äusserliche Thaten, zu thun auferleget: So müssen wir
einräumen, daß die Seele solche Entschliessungen und äusserliche Thaten, in
dieser Welt, und durch diesen ihren Leib, so wohl zu thun, als zu unterlassen,
fähig seyn, und also eine physicalische Freyheit in dieser Welt haben müsse. |
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Ferner, wenn der
menschlichen
Seele nicht etwa nur gewisse innerliche
Entschliessungen, sondern auch gewisse äusserliche
Thaten, in dieser
Welt
vorgeschrieben sind: So muß die Seele eine freye
würckende Ursach nicht allein
ihrer innerlichen Entschliessungen, sondern auch ihrer cörperlichen Thaten seyn;
Und sie kan dieses nicht seyn, ohne einen realen und würcklichen Einfluß in
solche
cörperliche Thaten; Dieweil eine würckende Ursach eines
Effects seyn, und
doch in den Effect keinen realen Einfluß haben, sich selbst widerspricht. |
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Zudem, wenn die cörperlichen
Thaten der
Menschen, z.E. Mord, Ehebruch, nicht
physicalisch von ihren
Seelen in dem
Cörper hervorgebracht werden, sondern
lediglich von dem Mechanismus der Cörper der gegenwärtigen Welt-Maschine
herstammen, dieser aber von
GOtt: So muß ohnstreitig GOtt selbst, vermöge der
von ihm vorher bestimmten Harmonie die vorher gesehenen mörderischen und
ehebrecherischen Entschliessungen der Seelen zu der würcklichen
Existentz in der
cörperlichen Welt bringen, und also durch etwas weit mehrers, als durch die
blosse Zulassung, zu den Sünden und Thorhei- |
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{Sp. 139|S. 83} |
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ten der Menschen in dieser Welt concurriren: Gott muß also die Welt
grossentheils nicht nach seinem Wohlgefallen, und wie sie seinen
Zwecken am
gemässesten, und folglich am besten seyn könnte, sondern nach dem vorher
gesehenen verkehrten Willen und Absicht in der menschlichen Seelen, eingerichtet
und erschaffen haben. |
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Solchergestalt aber wird den menschlichen Seelen, an statt der ihnen
abgesprochenen physicalischen Freyheit, in dieser Welt, und durch diese Glieder
die
GOtt nicht anders, als gut, erschaffen hatte, gut oder
böse zu handeln, eine
andere metaphysicalische beygeleget, nicht, der erschaffenen
Natur sich willkührlich zu bedienen, sondern die noch zu erschaffende, unter
vielen andern, durch ihren Willen zu determiniren; Die also, da sie nicht auf
diese, sondern nur auf andere in der
Idee mögliche Welten, die aber nimmermehr
existiren werden, sich beziehet, einigermassen nach Chimären schmecket. |
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Da der Mensch ein zu dieser
Welt gehöriges Geschöpffe ist; So sollte doch
wohl, unsers Erachtens, zum wenigsten in so weit seine
Freyheit
dieser
gegenwärtigen Welt subordiniret seyn, so, daß alles, was er, vermöge solcher
Freyheit, kan, natürlich, d.i. in dieser Welt möglich sey. Allein nach jener
Lehre, ist, bey aller Freyheit der Menschen, in dieser Welt, oder in dieser
Verknüpffung der Dinge, nichts anders möglich, als was würcklich geschiehet. |
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Dargegen erstrecket sich die Freyheit des
Willens, ausser dem, was in dieser
Welt durch physicalische und
moralische Nothwendigkeit geschiehet, auf die
Möglichkeiten unendlich vieler anderer Welten, die unsere
Seelen ebenfalls
hätten wollen, und hierdurch das
Werck der
Schöpffung auf selbige determiniren
können, auf diese Art ist also die menschliche Freyheit nicht der nun würcklich
erschaffenen
Natur, als eine unter derselben mit begriffene Fähigkeit, sondern
vielmehr die Natur, ja ihre
Schöpffung, der menschlichen Freyheit subordiniret. |
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Das Gute und
Böse, zu deren einem sich der
Mensch würcklich determiniret,
ist nicht beydes in dieser
Welt möglich: Sondern nur das eine von beyden,
welches in dieser Welt würcklich geschiehet, ist in dieser Welt möglich, und
also, weil es nur allein möglich ist, nothwendig; Das andere hingegen in einer
andern Welt. Demnach wählet der Mensch, vermöge der Freyheit seines Willens,
nicht unter mehrern natürlichen Möglichkeiten dieser Welt, was ihm am besten
gefält, sondern unter vielen über natürlichen Möglichkeiten unterschiedene
Welten diejenigen, die
GOtt, dem menschlichen Willen gemäß, vermöge der vorher
bestimmten Harmonie, in diese mechanische
Verknüpffung der gegenwärtigen Welt
Maschine gebracht hat. |
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Wie nun aus diesem allen sattsam erhellet, daß wohl keine
Hoffnung übrig
seyn dürffe, den durchgängigen Mechanismus der gantzen erschaffenen Welt mit der
menschlichen Freyheit, und in einigen Stücken auch mit den festesten Lehren von
GOtt, zusammen zu stimmen; So angelegen sich solches auch die grössesten
Mechanici unserer Zeiten, die es durch die sinnreichesten
Erfindungen versuchet,
haben, seyn lassen; Also sind wir der
Meynung, daß, je mehr und deutlicher, nach
allen Folge- |
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{Sp. 140} |
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rungen, sich dieses Systema nach und nach entdecket hat, und vielleicht noch
weiter entdecken dürffte; Desto mehr, nicht die menschliche Freyheit, nehmlich
die wahrhafte physicalische in dieser Welt, (als deren
Empfindung, da sich ein
jeder derselben
unmittelbar in sich selbst bewust ist, auch die
allersinnreichesten Systemata nicht zu verlöschen vermögend seyn werden) sondern
der eingebildete durchgängigen Mechanismus der Welt, darunter leiden werde. |
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Wie denn auch die
Vernünfftigsten
unter denjenigen selbst, die diesem
Systema beygethan sind, würcklich nicht den Umsturtz der Freyheit des Willens,
sondern die Zusammenstimmung derselben mit dem Mechanismus, zu der Absicht
haben: Obwohl keine Hoffnung ist, daß diese Absicht, nehmlich zwey einander so
widersprechende
Dinge mit einander zu vergleichen, jemahls einen gar lange
daurenden Fortgang haben werde. |
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Wollen wir uns bemühen, uns einen bessern und gründlichern
Begriff von der
Freyheit des Willens zu machen, so werden wir durch Betrachtung derjenigen
Handlungen, die wir freye nennen, und der Beschaffenheit des Willens, nebst
seinem Verhalten gegen den
Verstand, darzu gelangen können. Bey einer Handlung
hat man theils den vorhergegangenen
Schluß in dem Willen, oder die
Determination, welche allezeit von einem
Bewegungs-Grunde dependiret, sie mag
auf einen Endzweck, oder auf die darzu gehörigen Mittel gehen, theils die
Handlung, zu erwegen, so fern äusserlich, durch gewisse
Bewegungen des
Leibes,
der Schluß vollzogen und ausgeübet wird; Und da fragt es sich, worauf die
Freyheit auf beyden Seiten ankomme? |
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Wir wollen zum voraus ein gemeines Exempel geben. Es ist die Frage: Ob ich
das Hauß kauffen soll, oder nicht? Folglich habe ich darinnen meine Freyheit,
oder nicht. Ich habe von allen dabey vorkommenden Umständen eine
Erkänntniß, wie
das Hauß beschaffen, wie theuer es ist, und wie es mit meinem Beutel stehet.
Befinde ich nun, daß mir dasselbige sehr dienlich und nützlich sey, ich mich
auch in dem
Stande befinde, die Zahlung zu thun, so sind dieses
Bewegungs-Gründe
in dem Willen, die ihn determiniren, und schlüßig machen, den Kauf vorzunehmen;
Es fragt sich daher, wie weit dieser
Schluß nothwendig, oder frey zu nennen sey,
ingleichen, wenn nun der Schluß gefasset ist, man wolte das Hauß kauffen, ob die
deswegen anzustellende äusserliche Handlung nothwendig vor sich gehen muß, oder
unterbleiben kan? |
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Dieses giebt nun Anlaß, mit Unterschied zu erwegen, wie sich der Wille in
seinen
Würckungen, und die äusserlichen Handlungen, in Ansehung der Freyheit
verhalten? Was den Willen betrifft, so ist zu untersuchen, ob derselbige in
seinen Würckungen von einem andern
Principio dependire, auch von demselbigen
determiniret werde? |
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Es kan der
Wille so wohl physisch, als
moralisch, betrachtet werden.
Physisch, in Ansehung seiner natürlichen Beschaffenheit in so fern er
dasjenige
Vermögen der
Seele ist, welches allezeit dem Guten geneigt, und
hingegen vor das
Böse einen Abscheu hat, dependiret er allezeit von dem
Verstande. Denn in dem Willen treffen wir die Neigungen, |
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{Sp. 141|S. 84} |
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und die besondern
Begierden, als würckliche Handlungen an. |
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Die Neigungen sind entweder natürliche, bey der Erregung nur eine blosse
Vorstellung nicht aber Determination des Verstandes, nöthig, an deren Stelle der
natürliche Trieb selbst da ist; Oder durch den
Fall der
Menschen erregte, und
auf alle Menschen, als erblich, fortgepflanzte, wie der Ehrgeitz, Geldgeitz, und
die Wollust, die ihren ersten
Ursprung auch von dem Verstande, und zwar dessen
Determination haben, welches insonderheit bey den besondern
Begierden und
Handlungen des Willens geschehen muß. Denn er muß das Gute
lieben und das
Böse
hassen, Ähnliches, nach dem richtigen Sprüchworte: Ignoti nulla cupido,
das ist: Unerkannte
Dinge begehrt man nicht, ohne vorhergegangener
Erkänntniß
nicht geschehen kan, es mag dieselbige wahr, gründlich und hinlänglich seyn,
oder nicht; Genug, daß man etwas für gut, oder bös, ansiehet. |
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So haben wir auch schon oben erwiesen, daß kein
Schluß in dem Willen ohne
Bewegungs-Grund vorgehen mag. In dieser Absicht, pflegt man den Willen ein
nothwendiges
Vermögen, (Facultatem necessariam) zu nennen und ihm die
Freyheit abzusprechen. Wir haben aber ebenfalls, wider den Mechanismus
ausführlich dargethan, daß die Freyheit deswegen nicht gantz und gar aufgehoben
werde. Denn ist gleich eine innerliche
Nothwendigkeit da, daß er nach
geschehener
Erkänntniß allezeit das Gute
lieben, und das
Böse hassen muß; So ist
doch keine äusserliche Notwendigkeit da, die den Willen, auf diese, oder jene
Art zu würcken, zu diesem, oder jenem Obiecte, nöthigen könnte: Folglich muß man
diese Freyheit des Willens selbst in einer Independentz von einer äusserlichen
absoluten Nothwendigkeit suchen. |
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Es kommt auch noch hinzu: daß sich der Wille durch eigene
Kraft zu einer
Sache, die ihm gefället, neiget, und sich davon zurück ziehet, wenn sie ihm
mißfallet. Doch muß man den
Grund dieser Freyheit in dem
Verstande, und dessen
Bewegungs-Gründen, suchen, wodurch der Wille bald da, bald dorthin, gelencket
werden kan, und so weit der
Mensch dergleichen Vorstellungen in seiner
Gewalt
hat, so weit hat er auch seine würcklichen
Begierden in seiner Gewalt. |
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Betrachtet man hier den Willen
moralisch, und untersuchet
seine Freyheit, so hat es den
Verstand:
Ob, nach der göttlichen Absicht, derselbige der Direction einer höhern
Kraft
unterworffen sey, oder nicht? Welches eine gantz andere Frage. Denn ein anders
ist, daß er würcket, ein anders aber, ob die
Würckungen
vernünfftig, oder unvernünfftig sind. Er ist von
Natur,
und nach der göttlichen Absicht, der Direction, oder
Regierung des
Verstandes,
dergestalt unterworffen, daß er weder was Gutes verlangen, noch was
Böses
verabscheuen soll; Es sey denn vorher von dem Verstande auf eine judicieuse Art
als ein wahrhaftes Gut, oder als ein wahrhaftig Böses,
erkannt worden, und ist
daher nicht genug, daß es der Mensch dafür hält, sondern, ob es an sich selbst
so beschaffen, wie man sich es einbildet. |
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Durch den
Fall ist diese von
GOtt ge- |
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{Sp. 142} |
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machte
Ordnung, daß der Wille dem Verstande unterworfen seyn soll, verderbet
worden. Denn an statt, daß sich der Wille nach dem Verstande richten solte, so
muß der Verstand offt dem Willen nachgeben. Es hat der Wille dadurch, so zu
reden, eine solche
Gewalt
erlangt, daß, wenn sich gleich die
Vernunft den
bösen
Begierden entgegen setzet, und ein so genannter Streit der Vernunft und des
sinnlichen Appetites entstehet, die
Macht derselben viel zu schwach ist, als daß
der Wille nachgeben müste. |
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Kommen wir auf die äusserlichen Verrichtungen selbst, so hat hier keine
Nothwendigkeit statt, als muste man dasjenige, was man in seinem Willen
innerlich beschlossen hat, äusserlich zu der Vollziehung bringen, und alles
dasjenige thun, was einem gefällt, hingegen unterlassen, was einem mißfällt.
Denn wenn gleich
Bewegungs-Gründe vorhanden sind, warum eine Handlung beliebet
wird, so können Sie doch in den zu der Ausführung derselben nöthigen Umständen
keine
Veränderung machen, noch eine Nothwendigkeit verursachen, sondern es
bleibt alles, wie vorhin. |
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|
Es entsteht zwar eine Gewisheit, so bald man den
Schluß gefasset aber keine
Nothwendigkeit; Daher man auch aus der
Erfahrung weiß, daß ein festgesetzter
Schluß dennoch wieder geändert werden kan, wenn etwas darzwischen kommt. So
können wir auch an einer Sache einen Gefallen haben, ohne die damit
verknüpfte
äusserliche Handlung vorzunehmen, oder zu unterlassen, welches sich auf das oben
berührte Exempel von Kauffung eines Hauses also deuten lässet: Das Hauß, das mir
zu kauffen, angeboten worden, gefällt mir, habe mich auch entschlossen solches
zu kauffen, welches Wohlgefallen, welcher Schluß, besondere Actus des Willens
sind, die in so fern zwar nothwendig, weil sie sich auf gewisse
Bewegungs-Gründe
stützen, aber auch in dieser Absicht, daß sich der Wille durch seine eigene
Kraft lencket, und durch keine äusserliche Nothwendigkeit genöthiget und
gezwungen werden kan, freywillig sind; Ja, in Ansehung, daß das jetzige
Wohlgefallen und der jetzige Entschluß durch gegenseitige Vorstellungen geändert
werden kan, sind sie vielmehr gewisse, als notwendige
Würckungen zu nennen. Hat
man gleich den Schluß, das Hauß zu kauffen, gefasset, so folget noch nicht, daß
man hingehe, und den Kauf richtig mache, wozu einen nichts nöthigen kan, sondern
es kommt alles auf eines eignen Willen an, mithin kommt diese Freyheit der
Handlung darauf an, daß sie von eines Willen dependiret.¶ |
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Sollen wir alles, was von der
Freyheit
des
Menschen und des
Willens zu
sagen
ist, kurtz, zusammen fassen, so kommt es auf folgende Stücke an: |
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1) |
Auf das
Wesen der Freyheit, welche nichts anders
ist, als ein
Vermögen der
Seelen, Kraft dessen der Wille bald da, bald
dorthin, gelencket und zu etwas determiniret werden kan. |
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2) |
Auf ihren
Grund, der nicht in dem Willen, sondern
in dem
Verstande und dessen Vorstellungen zu suchen ist, durch welche
der |
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{Sp. 143|S. 85} |
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Wille bald auf diese bald auf jene Seite, bewogen
werden kan. |
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Siehe D. Samuel Christian Teubers
Responsum ad qvestionem: an voluntas absoluto dominio imperet intellectui?
Halberstadt, 1711, in 4.
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3) |
Auf die Äusserung derselbigen, die allezeit in
dem Willen durch eine Determination geschiehet, daß der selbige entweder
zu diesem, oder jenem, gelencket und determiniret wird. |
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4) |
Auf den Gegenstand welchem die Freyheit des
Willens beherrschet. |
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|
Solcher ist die
Bewegungs-Krafft der äusserlichen
Gliedmassen, und also auch die
Rede des
Menschen; Welche
Herrschaft aber
ihre Grentzen hat. Über die innerliche Sinnlichkeit hingegen, hat der
Wille wenig, oder nichts zu
befehlen: Ausser, daß er sie durch ihre
Bewegungs-Kraft auf etwas lencken, oder wovon abwenden kan. Desgleichen
hat der Wille über die Verdauungs Kraft, über die Zeugungs-Kraft, über
den Lauff des Geblüts, und dergleichen, ebenfalls keine
Herrschaft. |
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5) |
Auf die verschiedenen
Arten diese Freyheit. Es
ist dieselben |
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α) |
Exercitii, oder Contradictionis,
da man etwas thun, oder unterlassen kan. |
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β) |
Speciei, oder Contrarietatis,
da man dieses, oder etwas anders, thun kan; |
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γ) |
Modi, da man etwas auf diese, oder jene
Weise, verrichten kan.¶ |
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|
Es könnte sich ein Zweiffel in den
Gemüthern unserer Leser erregen: Ob es
denn gut sey, daß
GOTT einige Creaturen mit einem
freyen Willen begabet hat,
vermittelst dessen sie mögten sündigen können? Wir antworten aber, daß sie,
vermöge eben dieses freyen Willens, und der ihm vorgesetzten
Vernunft, das
Sündigen auch unterlassen können und sollen. Denn da rechtschaffene Leute, so
gar auch nach aller eingerissenen Verderbniß, die natürliche Neigung zu dem
Bösen hin und wieder überwinden, und Gutes thun: Um wie viel leichter und
natürlicher muß es nicht, ehe eine so grosse Verderbniß unter den
Menschen
eingerissen, gewesen seyn, durch die Vernunft den Willen zu dem Guten zu leiten
in einem Stande, da noch keine würckliche Neigung zu dem Bösen zu überwinden
gewesen ist? |
|
|
Spricht man, daß doch Gott ohnstreitig vorher gewust, daß die Menschen den
freyen Willen mißbrauchen und sündigen würden; Und daß also die
Welt vielleicht
besser gewesen seyn würde, wenn GOtt denen Menschen den freyen Willen, und mit
demselben auch so gar die Möglichkeit,
Böses zu thun, entzogen hätte: So ist
leicht zu antworten, daß hingegen auf solche Art auch die Möglichkeit,
freywillig Gutes zu thun, als die alleredelste Gabe des Menschen, weggefallen
seyn würde. |
|
|
GOtt würde solchergestalt eine
Welt ohne
vernünftige Creaturen, das ist,
eine zwar schöne, doch blosse
Maschine, erschaffen haben, in welcher keine
Erkänntniß seiner, und seiner Weisheit, anzutreffen seyn würde: Indem solche
Erkänntniß keinen
Zweck (als welcher nothwendig, nebst der
Vernunft, die
Fähigkeit eines willkührlichen Verfahrens voraussetzet) haben würde. Also würde
GOtt ein Übel vermieden haben, welches nicht einmahl ein würckliches Ubel, (Ens
actu) sondern nur ein mögliches Übel, (Ens potentia) war: welches
von denen die es angienge, vermieden |
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{Sp. 144} |
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werden konnte und sollte: Und welches, wenn es auch nicht vermieden würde,
GOTT dennoch zu dem Besten wenden konnte, und nun würcklich wendet. Dagegen
würde GOttes Geschöpffe den
Verlust eines unendlich grössern Gutes erlitten
haben, nehmlich den Verlust der vernünftigen Creaturen, folglich den Verlust der
Erkänntniß GOttes, der Tugend der Glückseligkeit und Seligkeit je einiger
Creatur. Denn es kan kein anderer
Zweck der Vernunft seyn, als die Leitung eines
freyen Willens zu der Tugend, und also GOtt zu gefallen. |
|
|
Wo also kein
freyer Wille ist, da hat keine
Vernunft statt; Wo keine
Vernunft ist, da ist keine Fähigkeit
GOtt zu erkennen; Wo demnach weder ein
freyer Wille, noch eine Erkänntniß GOttes und seines Willens ist, da kan weder
Tugend, noch Glückseligkeit, noch Seligkeit seyn. Dahero würden, ohne die
Freyheit des Willens, die Menschen nicht vernünfftig, das ist, nicht Menschen,
sondern zwar schöne und keiner Sünde fähige Thiere, aber doch blosse Thiere
seyn. |
|
|
Eine solche Welt aber würde dem letzten
Willen GOttes ohnstreitig zu wider,
und also an sich selbst, und in dem
Grunde
böse seyn: Indem zu dem letzten
Willen GOttes, in Ansehung der
Natur, in so weit wir ihn zu
erkennen vermögen,
zum wenigsten dieses gehöret, daß in seinen Geschöpffen eine Erkänntniß seiner
existire; Daß die Geschöpffe, von denen er erkennet seyn will, seinem Willen in
Ansehung der
erkannten letzten und absoluten Güte, desselben freywillig und
ungezwungen sich gemäß verhalten, (denn gezwungen, und durch eine physicalische
Nothwendigkeit, folglich ohne Erkänntniß, thun es auch Maschinen und Bestien)
und indem sie ihr durch an dem Willen GOttes Theil nehmen, eben dadurch auch der
absoluten letzten und ewigen Güte desselben, zu dem seligen Genuß, (denn
hierinnen bestehet das
Wesen der Seligkeit) theilhaftig werden sollen. Demnach
fehlet so viel, daß die mit einem
vernünftigen freyen Willen begabten Geschöpffe
nicht gut seyn solten, daß vielmehr die
Welt nicht gut seyn würde, wenn sie nur
ein Systema blosser, theils lebloser, theils mit einem blos thierischen
Leben
begabter Maschinen ohne vernünftige und mit freyem Willen begabte Geschöpffe,
wäre. |
|
|
Endlich, wenn man auch den freyen Willen der vernünftigen Geschöpfe nach
seinem eingerissenen Mißbrauche betrachtet, so ist zwar nicht zu leugnen, daß
solcher Mißbrauch ein würckliches moralisches Übel sey. Allein, da solcher
Mißbrauch in einer Unterlassung der gehörigen Determination, oder Richtung, die
der Wille von der Vernunft erlangen solte, bestehet, und also nicht ein von GOtt
hervorgebrachtes positives
Ding, sondern vielmehr eine Abwesenheit, oder Mangel,
eines von GOTT intendirten positiven Dinges, (Ens negativum) ist: So
kan solches Übel diesem Satze, daß die Freyheit des Willens, gleich wie alle
Dinge, gut sey, keinen Eintrag thun; Indem solchergestalt das Übel nicht so wohl
ein Ding, als vielmehr eine
schädliche Abwesenheit eines Dinges ist, und |
|
|
{Sp. 145|S. 86} |
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|
daher diejenigen nicht übel urtheilen, welche
sagen, daß die Sünde nicht so
wohl in einer so genannten Entitate, als vielmehr in Nonentitate,
entitati admixta, bestehe. |
|
|
Wendet man ein, daß solches Übel doch zum wenigsten nicht Ens pure
negativum, und zwar Mixtum, sey; Indem die Unterlassung der
gehörigen Richtung der
Vernunfft eine positive
That, welche gerichtet werden
solle, voraus setze; So ist zu erwegen, daß, wenn man also dieses beydes, das in
einem solchen Übel beysammen ist, nehmlich die würckliche That, und die
Unterlassung der gehörigen Richtung derselben, nicht mit einander verwirret,
sondern in
Gedancken von einander absondert, die positive That, die man begehet,
(Actio materialis, seu physica) an und vor sich selbst gut, nicht aber
böse sey; Und nur durch die unterlassene rechte Richtung, die von der Vernunfft
zu erwarten war, folglich durch die Privation oder Abwesenheit eines
Dinges,
böse werde. |
|
|
Z.E. wenn ein
Mensch Hurerey, Mord, Diebstahl, begehet, der Soldat auf
seinen Posten schläffet, und so weiter, so ist das, was in diesen
Thaten
positives, und also ein würckliches Ding ist, an sich selbst, das ist, ohne
Betrachtung der erforderten, oder unterlassenen, Richtung gut. Denn wer wolte
sagen, daß beyschlaffen, schlagen oder stechen, etwas nehmen, schlaffen, nicht
an sich selbst, oder physicalisch, gute Dinge wären? |
|
|
Allein alle diese physicalischen an sich selbst guten Dinge werden zu Übeln,
durch die unterlassene Richtung der Vernunfft, und also durch die Privation,
oder der Mangel eines darbey erforderten Dinges. Z.E. Der Beyschlaff wird zur
Hurerey, und also zu einem Übel, durch den Mangel der Richtung derselben auf
eine ehrliche Ehefrau, zu dem
Zwecke,
Kinder zu zeugen und zu erziehen, und so
weiter. |
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|
Dahero auch die Sünde in der
Heil. Schrifft sehr wohl als eine Privation
beschrieben wird: Hē hamartia
esin hē anomia.
Die Sünde ist nichts anderes, als die Ungesetzlichkeit. Weil aber dem
ohngeachtet, durch den Mangel der rechten Richtung des
menschlichen Willens, in
den Reyhen der
Zwecke der Dinge ohnstreitig grosse Unordnung entstehen muß,
welche in der sich selbst gelassenen
Natur, und ohne göttliche Fürsehung,
zuletzt dem
Willen GOttes, als dem letzten Zwecke alle Dinge, zuwieder lauffen
möchte: So lässet GOtt, wenn er, wie wir sehen, auch das
Böse zulässet, es doch
nur in so weit zu, in sofern aus dem physicalischen Guten, das in den
menschlichen
Thaten verborgen liegt, (in soferne man nehmlich dasjenige, was in
ihnen etwas positives, und also ein würckliches Ding, folglich physicalisch gut
ist; betrachtet) die Erfüllung des göttlichen Willens, entweder von Natur, oder
durch besondere Regierung, oder Richtung, der göttlichen Fürsehung, dennoch
erfolgen kan: Da denn also dem, was durch die Mängel der Menschen, und also
durch die Privation, und zufälliger Weise,
böse worden ist, dennoch an dem Ende
seine bestimmte Güte, oder Absicht auf den göttlichen Willen, wieder erstattet
wird. |
- Müllers Einl. in die philosophischen Wissenschafften, Th.
II ...
- Kämmerichs
Acad. der Wissenschafften Eröffn. ...
- D. Johann Christian Stocks „Dissertationum
philo-
|
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{Sp. 146} |
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sophicarum de partibus hominis essentialibus, prima, de
anima rationali, Jena, 1732„ |
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- Gründliche Auszüge aus
Disputat. ...
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