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Sünder |
Von den Eintheilungen der unterschiedenen
Sünden-Arten, kommen wir auf diejenigen
Personen, von welchem man sagen kan, daß sie
Sünde an sich haben. |
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Es ist fast unnöthig zu
erinnern, daß man
GOtt, als das heiligste Wesen hiervon
ausschliessen müsse. Die
Jüden haben ihm aber
dennoch eine Sünde zugeeignet, indem sie in
ihrem Talmud von GOtt nicht nur auf eine höchst
ungereimte, sondern auch Gotteslästerliche Weise
behaupten: Er habe eine grosse Sünde begangen,
daß er den Mond nicht so groß als die Sonne
erschaffen habe, welcher Sünde wegen die Juden
vor ihn einen Ziegenbock opffern
müsten. |
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Die andere Sünde, welche er begangen, sey,
daß er Jerusalem, die heilige
Stadt und
Mutter in
Israel, zerstören lassen, auch die Juden als sein
auserwehltes
Volck zerstreuet. Darüber lamentire
er
täglich mit diesen
Worten: Wehe mir, was habe
ich gethan! Lasse auch täglich 2 Thrä- |
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{Sp. 35|S. 31} |
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nen ins Meer fallen, die so einen
schrecklichen Schall machten, daß man sie von
einem Ende der Welt bis an das andere hören
könne. |
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Teufel |
Unter denen also, welche man die Sünde
zueignen kan, machen die von GOtt zwar anfangs
gut erschaffenen, hernach von ihm abtrünnig
gewordenen Engel den Anfang. Was derselben
erste Sünde gewesen, und wodurch sie so schwer
gefallen? ist eine Frage, welche nicht durchgängig
auf einerley Art beantwortet wird. So viel ist aus
dem entsetzlichen Fall, welchen sie gethan,
leichte zu schliessen, daß das Verbrechen nicht
eine kleine Schwachheit, sondern eine über die
massen grosse und sehr schwere Sünde müsse
gewesen seyn. |
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Es
meynen einige, auf eine lächerliche Weise
das unzeitige Geschwätze sey die
Ursache ihres
Falles gewesen, indem sie wieder
GOttes Willen,
die Geheimnisse des Himmels den
Weibern, mit
welchem sie gebuhlet, entdecket und
ausgeschwatzet hätten. Andere geben vor, ihre
Träg- und Faulheit habe sie gestürtzet, allein es
hat diese
Meynung eben so schlechten
Grund als
die beyden ersten, und man siehet gar nicht,
woher sie das erweisen wollen oder können. |
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Mit mehrerer
Wahrscheinlichkeit behaupten
einige, die Lügen wären der Teufel erste Sünde
gewesen, und beziehen sich sonderlich auf die
Worte Christi, da er Joh. VIII, 44.
spricht: Der
Teufel ist ein Lügner und ein Vater derselben.
Allein Christus
saget hier nicht so wohl, daß die
Lügen des Satans erste Sünde sey, sondern
vielmehr, daß der erste Urheber der Lügen der
Teufel sey, welches beydes also nicht einerley
und weit von einander
unterscheiden ist. |
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Ferner stehen manche in den
Gedancken,
der Neid und Mißgunst sey der Teufel erstes
Verbrechen, weil die alte Schlange der Satanas
den ersten Menschen das Ebenbild GOttes und
den glückseligen
Zustand mißgegönnet, und sie
deswegen darum gebracht habe. Sie führen auch
zum
Beweiß dessen die
Worte aus dem Buch der
Weisheit Cap. II, 24. an: Durch Teufels Neid ist
der Tod in die Welt gekommen; allein es ist
gleichwohl daher noch nicht zu
schliessen, daß
darum auch die erste Sünde, warum der Teufel
vom Himmel gestossen worden, der Neid
gewesen. |
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Einige hingegen glauben, es sey der Haß
gegen den Sohn GOttes die erste Sünde: Denn
der Teuffel habe ihn deswegen gehasset, weil er
nicht seine Engels- sondern der Menschen-Natur
in die Persönliche Vereinigung aufzunehmen
beschlossen. Jedoch es ist solches Geheimniß
der Menschwerdung des Sohnes GOttes dem
Teufel vor dem Fall nicht bekannt gewesen,
immassen nachgehends noch den guten Engeln
gelüstete, in dieses Geheimniß zu schauen. |
Petr. I, 12. |
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Endlich sagen die meisten, die Hoffart habe
dem Teufel und seinen Engeln den Fall zuwege
gebracht; Allein was von dieser Meynung zu
halten, soll bald mit mehrerm ausgeführet werden.
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Ausser diesen Meynungen machen andere
bey Untersuchung der ersten Sünde des Satans
diesen
Unterschied, und sehen solches
Verbrechen an theils in Ansehung seiner, dadurch
er sich selbst gestürtzet, das, sagen sie, sey die
Hoffart; theils in Ansehung der Menschen,
dadurch er das menschliche
Geschlecht
gestürtzet, und das sey die Lügen. Denn
damit |
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{Sp. 36} |
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er sie desto eher betriegen und verführen
könne, habe er durch die Schlange fälschlich und
lückenhaffter Weise geredet, und sie also zu Falle
gebracht. |
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Andere machen folgenden
Unterscheid, und
meynen, der
Würckung nach könnten alle Sünden
dem Teuffel beygeleget werden, weil er ja die
Menschen zu allen Sünden und Lastern antriebe;
eigentlich aber und den Gemüths-Neigungen
nach
könnte man einem
Geiste, wie der Teufel sey,
nicht alle Sünden beylegen, bevoraus die auf
sinnliche und
empfindliche
Dinge giengen;
sondern nur allein Hoffart und Mißgunst: Denn
jene sey ein ordentlicher Appetit seiner eigenen
Vortreflichkeit, diese eine Traurigkeit wegen eines
andern Vortreflichkeit; sie wollen aber von diesen
beyden Haupt-Sünden andere, so daraus
entspringen, oder mit diesen verwand sind, nicht
ausschliessen, als da ist: Haß, Neid, Untreue,
Ungehorsam, Abgötterey, Ungerechtigkeit,
Gotteslästerung und dergleichen. |
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Noch andere betrachten das Verbrechen des
Satans nach dem Anfang, Mittel und Vollziehung
seines Falls. Beym Anfange, sagen sie, habe sich
gefunden Hoffart, Hochmuth, Undanck und
Eigenliebe; beym Mittel aber Ehrgeitz; und endlich
bey der Vollziehung Haß, Neid,
Wiederspenstigkeit und Verzweiffelung. |
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Ob nun wohl bey so unterschiedenen
Gedancken der
Gelehrten, und da die
Schrifft
überdis nichts ausdrückliches gesetzet, dahero
auch nichts
gewisses und gründliches
gesagt
werden kan; so scheinet doch, wo wir ja etwas
erwehlen
sollen, derer
Meynung am
wahrscheinlichsten zu seyn, welche die Hoffart vor
die erste Sünde des Satans, die ihm eigentlich
diesen Fall verursachet, ausgeben: Denn da findet
sich noch ein und anderer
Grund, womit solche
vor andern Meynungen behauptet werden
kan. |
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Erstlich ist solches abzunehmen aus der
listigen Verführung der ersten Menschen; denn
diese suchte er durch keine andere Sünde, als
durch Hoffart zu fällen, ohne
Zweiffel, weil ihm
diese seinen Fall auch gebracht hatte, und er also
aus seinem
Exempel leicht
urtheilen konnte, daß
solches der nächste Weg zu ihrem
Falle seyn
würde. Darum überredete er sie nach der
Gleichheit
GOttes zu streben, und
sprach:
Welches Tages ihr davon esset, so werden eure
Augen aufgethan, und werdet seyn, wie
GOtt. |
1 B. M. III, 5. |
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So dann wird auch die Hoffart ein Anfang aller
Sünde genennet; Syr. X, 15. Hoffart treibet zu
allen Sünden, oder wie es nach dem
Griechischen
lautet: Der Sünde Anfang ist Hoffart. Darum sagt
auch Salomon: Wer zu Grunde gehen soll, der
wird zuvor stoltz und stoltzer Muth kommt vor
dem Fall. |
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Weiter siehet man des Satans Hoffart auch
daher, weil er von Christo wolte angebetet seyn:
Diß alles will ich dir geben, hieß es, so gut
niederfällest, und mich anbetest. |
Matth. IV, 9. |
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So scheinet auch Paulus dessen ein Zeugniß
beyzutragen, wenn er an den Timotheum von
einem
Bischoffe also
schreibet:
Daß er sich nicht
aufblasen, und den Lästerer, nach dem Grund-Text, dem Teufel ins Urtheil fallen solle,
das ist,
damit er nicht in gleiche Verdammniß fallen
möge,
als wie der Teuffel durch Hochmuth. |
1 Tim. III, 6. |
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Endlich das übrige alles zu übergehen, so
gefällt diese Meynung den mei- |
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{Sp. 37|S. 32} |
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sten Kirchen Lehrern, und wird auch vom
Luthero, und unsern Gottesgelehrten als die Beste
angenommen. |
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Nun fragt sichs aber noch: Worinne denn
vornehmlich diese des Satans Hoffart bestanden?
oder, worauf sie eigentlich gerichtet gewesen?
Ambrosius und andere
meynen: Der Teufel habe
sich seiner Gaben, seiner
Macht,
Würde und
Vortrefflichkeit wegen erhoben. Augustinus
saget,
er habe nicht mehr von
GOtt dependiren, sondern
ein
Herr für sich seyn wollen.
Gregorius M. und
andere halten davor, er habe keiner höhern
Gewalt, und also auch GOtt nicht unterworffen
seyn, hingegen aber wohl über alle Creaturen,
wider
GOttes Willen herrschen wollen. |
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Die
Jüden, und mit ihnen der
gelehrte
Lightfoot, wie auch Reuchlinus halten dafür: er
habe denen Menschen, nach dem
Befehl GOttes
zu dienen, und sie auf ihren
Wegen zu behüten
sich geweigert, und das darum, weil er eine weit
edlere Creatur wäre, und ein viel besseres
Wesen
habe als der Mensch, so nur aus einem groben
Erdenkloß erschaffen, und also nichts als Koth
und Asche wäre. |
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Scotus und einige mit ihm stehen in den
Gedancken, er habe gar nach dem Göttlichen
Wesen gestrebet, und GOtt gleich seyn wollen, so
sie theils aus dem Esaia XIV, 14. Ich will gleich
seyn dem Allerhöchsten: und Ezech. XXVIII, 2. Ich
bin GOtt, ich sitze im Thron GOttes; theils aus
dem
Nahmen
Michael erweisen
wollen: Denn der
Ertz-Engel hätte sich diesem Unternehmen des
Satans wiedersetzet, und
gesaget:
Wer ist wie
GOtt? Daher er denn sofort den Nahmen Michael,
als welcher dieses bedeutet, erhalten. |
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Endlich wollen einige der Scholastischen
Weltweisen,
und Papisten: Der Teufel habe die persönliche Vereinigung mit GOtt begehret, und
deßwegen den Sohn GOttes verächtlich gehalten, daß er solche mit dem
menschlichen
Geschlechte
vorzunehmen beschlossen, weil seine
Natur zu
der Göttlichen sich viel besser schicke, und
bequemer sey zur Vereinigung; Daher auch
Bernhardus
schreibet: Lucifer habe in GOtt
gesehen, daß der Mensch über der Engel Natur
würde erhoben werden, dieses aber habe er als
ein hoffärtiger Geist den Menschen nicht
gegönnet, und sey also gefallen. |
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Allein gleichwie dieses letztere schon oben in
Zweiffel gezogen worden; also hat man auch von
den übrigen keine so genaue
Gewißheit. Darum
bleibet es bey dem Ausspruch Lutheri: Es ist
genung, daß wir
wissen, daß gute und böse Engel
seyn, und daß alle von GOtt gleich
gut geschaffen
worden; so ist auch gewiß, daß die Engel gefallen,
wie es aber geschehen, weiß man so genau nicht;
die
Schrifft hats nicht angeführet, und Christus
und die Apostel habens auch nicht offenbaret.
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Menschen |
Die Menschen sind es, welchen man nach
den gefallenen Engeln die Sünde zueignen kan.
Hier entstehet nun die Frage, ob man von allen
und jeden Menschen, die jemahls in der
Welt
gelebet haben, und noch
leben werden, mit gutem
Fug behaupten könne, daß sie Sünde an sich
haben? Da der Sohn GOttes die menschliche
Natur an sich genommen, und also als ein
wahrhaffter Mensch auch in der Welt gelebet, so
kan man nicht schlechterdings ohne alle
Ausnahme |
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{Sp. 38} |
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auf diese Frage antworten. Es ist zwar an
dem, daß einige Gottesgelehrten, Christum den
allergrössesten Sünder
nennen. Lutherus selbst
nennet ihn also. Dieses ist aber nicht so zu
verstehen, als ob sie durch diese Benennung
dafür hielten, Christus sey
würcklich
wie andere Menschen in Sünden empfangen und gebohren, und habe also ebenfals
Sünde an sich gehabt; Sondern sie nennen Christum den allergrössesten Sünder
deßwegen, weil er die Sünden der gantzen Welt auf sich genommen, und vor GOtt
als ein Sünder oder also sey angesehen
worden, als ob er alle diese Sünden selbsten
begangen habe. Unsern Heyland müssen wir also
von der
Zahl der Sünder ausschliessen. |
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Von den offenbar gottlosen Menschen ist es
wohl ohnstreitig, daß ihnen die Sünde müsse
zugeschrieben werden; von den Frommen und
Wiedergebohrnen aber will Petersen und sein
Anhang das Gegentheil behaupten. In einer
Antwort des erstern auf Herrn M. Schüßlers
Hirten-Brief, in welchem ihm und seinem Anhang
vorgehalten worden, sie lehreten, daß ihre
Frommen ohne Sünde wären, oder nicht mehr
sündigten, nimmt er diesen Punct absonderlich
vor. |
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Er machet darinne viel Aufhebens und will
seinen
Satz aus den Briefen Pauli, Petri Jacobi
und Johannis erweisen, und führet auch Stellen
aus den Patribus an. Allein es ist die Frage nicht,
ob einer der im
Stande der Wiedergeburth stehet
und fortgehet, über die Sünde herrsche, ihr nicht
mehr diene, wider sie streite? worüber die
Gottesgelehrten einig sind; sondern ob 1) alle im
Stande der Wiedergeburth stehende, 2) etliche,
die es in der Heiligung weiter gebracht, ohne alle
gegenwärtige würckliche Sünden seyn, und gar
nicht würcklich sündigen? |
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Petersen behauptet in der angeführten
Schrifft bald das erstere, bald das andere, und
verstecket endlich seine
Meynung unter den Satz,
die Sünde herrsche nicht, ihre
Herrschafft
sey
überwunden. Zuweilen lässet er Schwachheits-Sünden bey den Wiedergebohrnen zu, und ein
andermahl will er fast nichts davon
wissen. |
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Er gründet sich sonderlich auf Johannis
Worte, daß, der aus GOtt gebohren, nicht Sünde
thue, nicht sündigen könne. Er
verstehet
dieselben also, daß die
Person, welche im Stande
der Wiedergeburth stehet, Specificative keine
Sünde begehe, nicht fallen könne, und daß eine
wiedergebohrne Person auch keine
Schwachheits- oder Irrthums-Sünde begehe.
Jedoch Johannis Worte sind reduplicative zu
verstehen, daß nehmlich der Wiedergebohrne, der
gantze Christe, auch mit und nach seiner Gabe
und Art der Wiedergeburth betrachtet, nicht Sünde
thue, und so lange, so ferne er diese Gabe und
Art hat, nach derselbigen nicht sündigen könne:
Das ist, die Wiedergebohrnen willigen nicht in das
Böse, thun nicht wissentliche und vorsetzliche
Sünden, so lange sie solche sind. |
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Es fraget sich beyläufig: ob man in seinem
Taufbunde durch sein
gantzes Leben ohne allen
Rückfall könne stehen bleiben? oder: ob sich ein
Wiedergebohrner, von seiner Wiedergeburth an
biß an sein seeliges Ende aller vorsetzlichen
Sünden enthalten könne? Man siehet wohl, daß
hier nicht die
Rede von
Kindern sey, die in
ihrer |
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{Sp. 39|S. 33} |
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Kindheit; oder von Erwachsenen, die gleich
nach ihrer Tauffe
sterben; sondern von solchen,
welche, nachdem sie getaufft und wiedergebohren
worden, als Erwachsene eine gute
Zeit nach ihrer
Wiedergeburth auf
Erden leben, und wohl alt
werden. |
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Von diesen fragt man: Ob bey solchen
möglich sey, daß sie Lebenslang ohne einigen
Rückfall im Tauffbund, und also im
Stand der
Gnaden verharren? So gehet auch die Frage nicht
dahin: ob sich ein Wiedergebohrner aller Sünden
Zeitlebens enthalten könne? welches Niemand
behaupten wird, weil man wohl
weiß, daß
Gläubige und Wiedergebohrne ihre Schwachheits-Sünden begehen, und ihre Fehler haben.
Vielmehr
verstehet man vorsetzliche Sünden,
dadurch man sein bisher gehabtes geistliches
Leben wieder verliehret, und aus dem Stande der
Gnade GOttes fället. |
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Und so fraget man auch nicht: ob ein Rückfall
von den Wiedergebohrnen könne geschehen?
welches vor sich klar und ausser allem
Zweiffel ist;
sondern: Ob es möglich sey, daß von den
Wiedergebohrnen ein solcher Rückfall vermieden
werde, und sie sich also ihr Lebelang aller
vorsetzlichen und Tod-Sünden enthielten; damit
aber beständig in ihrem Tauffbunde
beharreten. |
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Ist auf solche Art die Streit-Frage deutlich,
und man will selbige ordentlich beantworten, so
muß man einen
Unterscheid unter der Möglichkeit
und
Würcklichkeit der
Sache machen, und daher
wieder zwey besondere Fragen anstellen. Die
eine ist: Ob die bestandige Beharrung in dem
Tauffbund, mithin in dem Stande der Gnade
GOttes möglich sey? Solche Möglichkeit kan man
wohl nicht läugnen. Solte sie nicht statt haben, so
müste sie
unmöglich seyn, und also was
widersprechendes in sich halten, welches
entweder mit dem
Willen GOttes; oder mit den
Gnaden-Würckungen bey einem Gläubigen; oder
mit den Gnaden-Mitteln, deren sich GOtt dabey
bedienet; oder mit dem
Zustand und den
Seelen-
Kräfften eines Wiedergebohrnen streiten müste;
so sich aber nicht
sagen lässet. |
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Vielmehr zeiget sich das Gegentheil, und da
also nichts widersprechendes vorhanden ist so
muß die Sache auch möglich seyn. Denn siehet
man hier auf
GOtt, so kan er nicht nur solche
Gnade mittheilen, daß man beständig in seinem
Tauffbund beharret, und allen Rückfall vermeidet;
sondern er will auch dieses thun, wenn man nur
solche Gnade annimmt, eben weil es sein Wille
ist, daß man im Tauffbund bleiben, und allezeit im
Glauben beharren möge. |
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Erwegt man ferner die Gnaden-Würckungen
GOttes in den Seelen der Wiedergebohrnen, so
fern sie erneuert und geheiliget werden, so ist
auch in Ansehung derselben möglich, allen
Rückfall zu vermeiden, indem ihnen GOtt die
Gnaden niemahls entziehet; noch verringert;
sondern vielmehr bereit ist, selbige immer nach
einem
reicheren Maaße zufliessen zu lassen,
eben weil sie
sollen wachsen, zunehmen und in
dem Herrn starck werden. |
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Nimmt man noch weiter die Gnaden-Mittel
dazu, deren sich GOtt bey der Wiedergeburth und
Erneuerung bedienet, so sind sie so kräfftig und
so beschaffen, daß ein Wiedergebohrner dadurch
einen beständigen
Glauben haben, der durch
keinen Rückfall unterbro- |
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{Sp. 40} |
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chen wird. Die Tauffe ist ein kräfftiges Mittel
der Wiedergeburth, welche krafft der Tauffe sich
durch die gantze Lebenszeit eines Menschen
äussern kan, wenn er sie nicht muthwillig
ersticket. Denn solte ihre
Würckung nur eine
Zeitlang dauern können, so würde die Schuld,
wenn ein Rückfall geschiehet nicht so wohl an den
Menschen, als vielmehr an dem Mittel und Willen
GOttes liegen, welches keinesweges
zugedencken, vielweniger zu sagen ist.
Geschichts, daß ein Wiedergebohrner ein und
andere geistliche Schwachheit
empfindet; so ist
auch ein kräfftiges Mittel zur Stärckung des
Glaubens vorhanden, und zwar das heilige
Abendmahl. |
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Man giebt vielleicht alles das zu, wendet aber
ein: es käme hier vornehmlich auf den
Zustand
der Wiedergebohrnen selbst an, daß, weil sie mit
vielen und mancherley Schwachheiten umgeben,
und dabey vieler Gefahr unterworffen, es nicht
wohl möglich, daß sie in dem Tauffbund
Lebenslang ohne Rückfall stehen blieben, so
machet dieses noch keine
Unmöglichkeit aus.
Nimmt man die
Sache genau, so fliesset weiter
nichts daraus, als daß man fallen kan, welches
freylich von den allermeisten geschiehet; ist aber
dieses möglich, so muß auch das Gegentheil
möglich seyn, daß man nicht falle. |
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Hat es mit der Möglichkeit seine Richtigkeit,
so fragt sich weiter: Ob man denn auch würcklich
Exempel derer, welche Lebenslang in der Gnade
beständig, ohne einigen Rückfall, geblieben, habe,
und welches dieselbigen sind? Daß es überhaupt
dergleichen Heilige gegeben, hat man wohl nicht
zu läugnen; wenn man aber insbesondere
sagen
soll, wer dieselbigen gewesen, so lässet sich
davon mit keiner
völligen und
gantz
überzeugenden
Gewißheit
reden. |
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Denn die
Erkänntniß, welche wir von solchen
Exempeln haben können, und die hier muß voraus
gesetzet werden, reicht dahin nicht, daß daraus
ein gantz gewisser
Schluß zu machen wäre. Sie
gründet sich entweder auf eigene
Erfahrung,
welche wohl nicht weiter, als auf eine starcke
Wahrscheinlichkeit zu bringen, daß dieser und
jener beständig in seinem Tauffbunde geblieben,
weil eine Möglichkeit des Gegentheils allezeit statt
hat, und diese die völlige Gewißheit aufhebet;
oder auf Zeugnisse anderer. |
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Solche sind entweder
göttliche oder
menschliche. Jene; oder die göttlichen,
würcken
an sich eine gewisse Erkänntniß; sie sind aber
hier nicht so genau abgefasset, daß wir daraus
deutlich und
gewiß sehen könnten, wie dieser
oder jener in dem
Stande der Gnaden beständig,
ohne allen Rückfall verblieben sey. Sie sind wohl
so beschaffen, daß wir zu
glauben
Ursache
haben, Henoch, Abraham, Isaac, Jacob, Joseph,
Samuel nebst andern, und in dem neuen
Testament Zacharias, Elisabeth, Maria und
mehrere wären solche gewesen, bey denen kein
Rückfall; weil sie aber das weder ausdrücklich
sagen; noch solche
Umstände angeben, aus
denen dieses gewiß zu
schliessen, so bleibt doch
allezeit das Gegentheil noch möglich; daß man
dencken kan; es könne gleichwohl seyn, daß ein
und der andere Rückfall geschehen, wenn davon
gleich nichts aufgezeichnet sey. Damit wird ihre
beständige Beharrung höchst
wahrscheinlich;
jedoch nicht
völlig gewiß. Die mensch- |
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{Sp. 41|S. 34} |
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|
lichen Zeugnisse machen hier noch eine
geringere Wahrscheinlichkeit. Haben sie gleich an
sich ihr gültiges
Ansehen; so sind doch diejenigen,
die sie abgeleget haben, nicht im Stande
gewesen, des andern beständige Beharrung mit
einer Gewißheit einzusehen. |
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Das alles hebt die Hauptsache, von welcher
die Frage ist, nicht auf. Man fragt ob es möglich
sey, daß ein Wiedergebohrner in dem Stande der
Gnaden sein Lebenlang ohne allen Rückfall
bleiben könne? Und das ist es, was vorher
erwiesen worden. Solchen
Beweiß brauchte man
nicht einmahl anzustellen, wenn gantz
ungezweiffelte Exempel anzugeben wären, indem
was würcklich geschehen ist, auch möglich seyn
muß; da aber solche nicht anzuführen, so ist das
eben die Ursache, warum wir vorher von der
Möglichkeit geredet haben, ehe wir der Exempel
gedacht. |
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Maria |
Es ist übrigens bekannt daß die Papisten,
ausser noch einigen andern
Personen besonders
die heilige Jungfrau Maria von aller Sünde frey
sprechen. Allein es fället diese
Meynung nicht nur
von sich selbsten weg, wenn man erweget, das ja
Maria eben wie andere
Menschen eines Erlösers
nöthig gehabt, sich auch desselben getröstet, wie
solches aus ihren
Worten:
Und mein Geist freuet
sich GOttes meines Heylandes; erhellet, und
daher
nothwendig
müsse Sünde gehabt haben;
sondern es ist dieselbe auch mit sehr schwachen
Gründen unterstützet. |
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