Stichworte |
Text |
Quellenangaben |
Stufen der Sünden |
Die Sünden sind einander nicht gleich,
sondern übertreffen einander an Grösse. Es
giebet daher gewisse Stuffen der Sünden. Daß
dieses seine Richtigkeit habe, können wir aus der
heiligen Schrifft erweißlich machen. Denn in
derselben finden wir, daß einige ausdrücklich
grösser
genennet werden, als: |
|
|
- Joh. XIX, 11. Der mich dir überantwortet hat,
der hats grössere Sünde.
|
|
|
- Ezech. XVI, 15. Samaria hat nicht die Helffte
deiner Sünden gethan.
|
|
|
Durch einige Sünden wird es mit dem
Menschen schlimmer |
- 2 Petr. II, 20.
- 1 Timoth. V, 8.
- Ezech. VIII, 17.
- Esa. VII,
13.
|
|
Der Heyland vergleichet einige Sünden mit
Splittern und Mücken, andere mit Balcken und
Camelen |
Matth. VII, 3. u.ff. cap. XXIII,
21. |
|
Einige Sünden werden härter
bestrafft als
andere |
- Luc. XII, 47, 48.
- Matth. XI, 21.
|
|
Eine
Obligation kan grösser oder kleiner
seyn. Weil ihre Grösse durch eine genommene
Einheit kan bestimmet werden, so machet sie
Stuffen. Die Schuld hat mit denen Sünden, und
auch mit der
Verbindlichkeit eine Proportion. Die
Sünden welche eine grössere Schuld
verursachen, sind schwerer; daher folget, daß
einige Sünden schwerer als andere sind, und daß
Stuffen unter den Sünden sind. |
|
|
Man wendet ein, die
Natur der Sünde bestehe
in einer Privation, eine Privation aber könne keine
Stuffen haben. Allein, ob schon eine Privation an
und vor sich, wie es scheinet, nicht grösser oder
kleiner seyn kan; so hat sie doch in Ansehung
ihres
Objects, dessen wir beraubet werden, und in
Betrachtung der
Nothwendigkeit und des
Nutzens
desselben Stuffen? Ob auch gleich das
Wesen
der Sünde in einer Privation bestehet; so machet
doch dieselbe nicht die Sünde allein aus, sondern
dieselbe hat
nothwendig zugleich etwas positives
bey sich. |
|
|
Wenn man die Stuffen der Sünden
beurtheilen will, so hat man auf die
Ursachen
derselben zu sehen, wobey |
|
|
{Sp. 42} |
|
|
man den Sünder zu betrachten hat. Hierbey
hat man folgende
Regeln zu mercken:¶ |
|
|
1. |
Je vortrefflicher Gaben
und Fertigkeiten der
Seelen einer vor den andern
hat, desto gröblicher mißhandelt er, wenn er eben
die Sünde
thut, die jene begehen.¶ |
|
|
|
2. |
Je mehr einer
Göttliche Erkänntniß, und Gelegenheit, dieselbe zu erhalten
und zu vermehren hat, desto schwerer ist der
Sünden Schuld.¶ |
|
|
|
3. |
Je mehr einer
übernatürliche
Kräffte, desto grösser ist die
Schuld, wenn er sündiget.¶ |
|
|
|
4. |
Je mehr Wohlthaten einer
von
GOtt empfangen und je öffterer er durch
feyerliche Bündnisse verbindlich worden; desto
grössere Schuld hat er, wenn er sündiget. |
|
- Matth. XIII, 12. cap.
XXV, 24 u.ff. Cap. XI, 21.
- Jac. IV, 17.
- Luc. XII, 47.
- 2 Petr. II, 20.
- Rom. II, 9. cap. VI, 1.
- 5 B Mos. XXXII, 6 u.ff.
- Esa. I, 2.
- Jerem. II, 13.
- 2 Sam. XII,
7.¶
|
|
Der äusserliche
Zustand der Menschen und
ihre
Lebens-Art machet offte die Sünde grösser.
Daher fliessen die Regeln:¶ |
|
|
1. |
Je
bequemere
Gelegenheit einer hat wohl zu thun, desto
unverantwortlicher sündiget er, wenn er dieselbe
nicht achtet, oder das Gegentheil thut. |
|
- 1 Joh. III, 17.
- 2
Corinth. VIII, 12.
- B. Hiob XXXI,
10.¶
|
|
2. |
Je mehr
Ansehen einer
hat, desto schwerer sündiget er, da er dasselbe
entweder gar nicht, oder übel
gebrauchet. |
|
- Jac. III, 1.
- 1 B. der
Könige XII, 30. cap. XIV, 16.
- Malach. II, 7, 8, 12.
- Jerem. XXIII, 30.¶
|
|
Der sündigende Theil des Menschen machet
einen
Unterscheid unter den Sünden. Hier hat
man folgende Regeln:¶ |
|
|
1. |
Die äusserlichen Sünden,
wenn man sie an und vor sich betrachtet, sind
schwerer als diejenigen, die nur im Hertzen
begangen werden. Oder: die mit dem Munde und
mit der
That zugleich begangen werden, sind
schwerer, als welche nur im Hertzen und in
Gedancken sind.¶ |
|
|
|
2. |
Je mehr einer Glieder des
Leibes und
Kräffte der
Seelen zur Sünde
anwendet, desto mehr sündiget er.¶ |
|
|
|
3. |
Die Sünden, so aus
Gewohnheit, und einem blinden Triebe kommen,
sind nicht so schwer, als welche mit bedacht von
der Seele determiniret werden. Doch sind die
Gewohnheiten und eingewurtzelten Sünden ärger,
als die vorbeygehenden
bösen
Handlungen.¶ |
|
|
|
In Betrachtung der Motiven zur Sünde hat
man folgende Regeln:¶ |
|
|
1. |
Die Sünden, welche aus
irrendem
Gewissen
geschehen, sind mehr zu
entschuldigen, als welche ohne
Wissen, und
wieder das Gewissen begangen werden. |
|
Rom. X, 2.¶ |
|
2. |
Welche von andern
verführet werden, haben mehr Entschuldigung, als
welche sich selbst verführen.¶ |
|
|
|
{Sp. 43|S. 35} |
|
|
3. |
Je leichter und
ungewisser die Motiven zur Sünde sind, desto
grösser ist die Schuld, wenn man sich dadurch
bewegen lässet.¶ |
|
|
|
4. |
Wer um eines
scheinbaren
Übels willen sündiget,
verdienet mehr
Entschuldigung, als wer sich durch ein
scheinbares
Gut zur Sünde bewegen lässet.¶ |
|
|
|
In Ansehung derer, welche durch die Sünden
beleidiget werden, sind diese
Regeln zu
mercken:¶ |
|
|
1. |
Die Sünden, durch welche
Gott gerade und
unmittelbar
beleidiget wird, sind
schwerer, als welche wir wieder uns, und andere
begehen. |
|
- Esa. VII, 13.
- Marc. XII, 30.
- 1 Sam. II, 25.¶
|
|
2. |
Die Sünden wieder uns
sind schwerer, als wieder andere. |
|
- Sprüchw. XXXIV, 8.
Marc. XII, 13, 33.¶
|
|
3. |
Je näher, die Leute, die
wir beleidigen mit uns verbunden sind, desto mehr
sündiget man. |
|
- Rom. XIII, 2.
- Apostel
Gesch. XXIII, 5.
- 2 B. Mos. XXII, 28.
- Psalm XXXI,
10.
- 1 Corinth. VI, 8.
- 2 Corinth. XI, 2,
6.¶
|
|
4. |
Je mehr Leute durch eine
Sünde beleidiget werden, desto grösser ist
sie.¶ |
|
|
|
5. |
Je genauer die Leute mit
Gott verbunden sind, desto schwerer ist die
Sünde, wenn sie beleidiget werden. Vornehmlich
|
|
|
|
|
- wenn sie um Gottes willen
verfolget worden
|
|
- Zach. II, 8.
- Psalm CV,
14.
- Psalm IX, 4, 5.
|
|
|
- wenn sie
arm, fremde,
schwach,
Wittwen und Waysen sind
|
|
- Psalm XCIV, 6.
- Psalm LXVIII, 6.
- Jes. I, 17, 23.¶
|
|
In Erwegung der
Gesetze hat man diese
Regel:¶ |
|
|
1. |
Die Sünden wieder das
natürliche Gesetze sind schwerer als die, welche
wieder die geoffenbahrten lauffen |
|
1 Corinth. V, 1.¶ |
|
2. |
Je mehr Gesetze durch
eine
Handlung zugleich übertreten werden desto
schädlicher ist sie. |
|
Apost. Geschichte VIII, 18
u.ff.¶ |
|
3. |
Je offenbahrer die
Billigkeit der Gesetze, und je
nützlicher die
Beobachtung derselben, desto sündlicher ist
derselben Übertretung.¶ |
|
|
|
4. |
Je öffterer, klärer und
solenner die Ankündigung und Bestätigung eines
Gesetzes ist, desto grösser ist die Schuld der
Übertretung.¶ |
|
|
|
5. |
Die Sünden, da man das
Böse
thut, sind ärger, als da man das
Gute
unterlässet.¶ |
|
|
|
Siehet man auf die
Sachen, bey welchen
gesündiget wird, so ereignen sich folgende
Regeln:¶ |
|
|
1. |
Je heiliger eine Sache ist,
oder je näher sie mit Gott und dem Gottesdienst
verbunden ist, desto weniger Entschuldigung hat
man, wenn man sie verunheiliget |
|
- 1 Corinth. III, 17.
- Gal. VI, 7.¶
|
|
2. |
Je weniger man eine
Sache braucht, die andere zur höchsten
Noth
bedürffen, desto mehr sündiget man, wenn man
sie ihnen raubet, verderbet oder verzehret. |
|
2 Sam. XII, 1. u.ff.¶ |
|
3. |
Je grösser das
Recht ist,
nach welchem einer etwas besitzet, mit desto
grösserm Unrecht wird er desselben
beraubet.¶ |
|
|
|
{Sp. 44} |
|
|
4. |
Die Sünden wieder
unsere und anderer Leute
Seele, und also wieder
die ewige Seeligkeit, sind grösser als die Sünden
wieder den
Leib.¶ |
|
|
|
Aus der innerlichen
Form und Zeugung der
Sünden fliessen folgende Regeln:¶ |
|
|
1. |
Die bewilligten Sünden
gehen über die unbewilligten.¶ |
|
|
|
2. |
Sünden, welche mit
vorhergehender und nachfolgender Bewilligung
verrichtet werden, sind schwerer, als welche durch
nachfolgendes Vergnügen erst bewilligte Sünden
worden.¶ |
|
|
|
3. |
Sünden, welche mit
langer Überlegung und Unterdrückungen der
Gewissens-Regungen begangen werden, sind
schwerer, als diejenigen, bey welchem sich keines
von beyden findet.¶ |
|
|
|
4. |
Die Sünden der
Übereilung und der Schwachheit sind schwerer,
als die Sünden der Unwissenheit.¶ |
|
|
|
5. |
Die aus Unwissenheit
begangenen Sünden, sind nicht so schwer, als die
ein unwissender thut.¶ |
|
|
|
6. |
Die
Tod bringenden
Sünden, sind schwerer als die tödlichen.¶ |
|
|
|
7. |
Die fremden Sünden,
daran man
Theil nimmt, sind grösser, als die
eigenen Sünden. |
|
Rom. I, 32.¶ |
|
8. |
Je öffter, länger, hefftiger
einer sündiget, und je öffter und mehr sich einer
hernach an der Sünde vergnüget, desto gröber
sündiget er.¶ |
|
|
|
In Ansehung der
Würckungen ist zu
mercken:¶ |
|
|
1. |
Je mehr die Herrlichkeit
Gottes durch eine Sünde verdunckelt wird, desto
grösser ist dieselbe. |
|
- 2 Sam. XII, 14.
- Rom. II, 23.
- 1 Timoth. VI, 1.¶
|
|
2. |
Je mehr Seuffzer andern
mit Unrecht ausgepresset werden, desto mehr
wird gesündiget. |
|
- Jac. V, 4.
- Ebr. XIII,
17.¶
|
|
3. |
Je mehr die Sünde
Ärgerniß verursachet, desto grösser wird sie. |
|
- Matth. XVIII, 6.
- Marc. IX, 42.¶
|
|
Zeit und
Ort unterscheiden auch die
Sünden.¶ |
|
|
1. |
Offenbahre und
öffentliche Sünden sind ärger als heimliche. |
|
2 Sam. XVI, 22.¶ |
|
2. |
Sünden, die an Orten, so
Gott und seinem Dienst gewidmet sind, begangen
werden, sind schändlicher, als die, so anderswo
begangen werden. |
|
Matth. XXIII, 35.¶ |
|
3. |
Sünden, so zu der Zeit,
die zum Gottesdienst bestimmet ist,
vorgenommen werden, sind schwerer als andere,
die zu anderer Zeit gethan werden. |
|
Matth. XXVI, 3. cap. XXVII,
62 u.ff.¶ |
|
4. |
Sünden, welche alsbald
nach einer genossenen Wohlthat von Gott, nach
dem Gottesdienst, oder nach einer besondern
Gnaden Würckung ausgeübet werden,
überwiegen diejenigen, bey welchen dergleichen
nicht ist.¶ |
|
|
|
Wir können die Grösse der Sünden noch
weiter aus folgenden Punckten
erkennen:¶ |
|
|
1. |
Je höher der
Herr ist, an
dem ich mich versündige, desto sträfflicher und
grösser ist die Schuld meiner Boßheit. Nun wird
eine jede |
|
|
|
{Sp. 45|S. 36} |
|
|
|
|
|
|
- wider die ewige
Majestät
GOttes begangen;
|
|
|
|
|
- wieder GOtt, der nicht
allein heilig ist, sondern auch ein
König der
Heiligen
|
|
Apoc. XV, 3. |
|
|
- wider GOtt den Hohen
und Erhabenen, der ewiglich wohnet, dessen
Nahme heilig ist,
|
|
Jes. LVII, 15. |
|
|
- wider GOtt, um dessen
Thron eitel Feuerflammen sind, welchem tausend
mahl tausend Seraphinen mit bedecktem
Angesicht dienen, und vor welchem zehen
tausend mahl zehen tausend aufwarten,
|
|
Daniel VII, 9. 10. 13 bis
15. |
|
|
Einen solchen HErrn
wandelt ein Sünder recht entgegen, und läßt sich
erfinden, als einer der wider GOtt streitet, ja er
untersteht sich seine
Worte mithin die
Befehle
seiner allerhöchsten Obrigkeit zu verachten, und
ihn selbst zu verwerffen. Ist nun der gerechte
Zorn
eines sterblichen Königes ein Bote des
Todes,
was wird denn die gerechte
Ungnade dessen zu
sagen haben, der
Leib, und
Seele verderben mag
in die Hölle?¶ |
|
|
|
2. |
Je geringer und
verächtlicher die
Person ist, gegen die Majestät
GOttes, die sie mit Sünden
beleidiget, desto
straffbarer ist ihre Bosheit.¶ |
|
|
|
3. |
Je mehr man seinem
GOtt zu einem unausbleiblichen
Gehorsam und
Unterthänigkeit
verpflichtet ist, desto sträfflicher ist
die Bosheit, wenn man seine Oberherrliche
Majestät muthwillig mit Sünden beleidiget.
Menschen sind in der
Policey ihren
Fürsten
unterthan und verpflichtet, weil sie sie im Fall der
Noth schützen, und ihnen zur
nöthigen Ruhe
Nahrung und
Billigkeit helffen; mithin weil sie
ihnen viele Wohlthaten erweisen. GOtt hat auch
alle Menschen an diese
Ordnung gebunden. |
|
Röm. XIII, 1. |
|
|
Inzwischen haben die
Unterthanen von ihren Fürsten ihr
Leben und
Odem, ihr Brod und Wasser, ihre Gesundheit und
Kräffte, und 1000 andere
Dinge nicht, sondern
allein von
GOtt. Entspringet denn nun schon eine
so grosse
Verbindung zum Gehorsam gegen
einen Fürsten; wie vielfach höher wird denn die
Verbindlichkeit gegen den allmächtigen GOtt, den
Fürsten aller Fürsten, die allerhöchste Obrigkeit im
Himmel und auf
Erden stehen müssen?¶ |
|
|
|
4. |
Je öffters man von GOttes
wegen der Sünde halber,
erinnert, gewarnet und
gestraffet worden: Je straffbarer ist die Sünde. Wir
rechnen hieher nicht allein die Offenbahrung des
Willens GOttes im Licht der
Natur und durchs
Gewissen; nicht allein alle Zeugnisse des
Buches
GOttes, von dem was unser GOtt von uns fordert;
nicht allein alle Drohungen seiner heiligen
Gerechtigkeit gegen alle Übelthäter, und alle
Exempel der an demselben von Anbegin der
Welt
her schon verübten
Straffen; sondern auch alle
Lockungen des frommen GOttes; alles sein
flehentliches Bitten und Vermahnen; und alle
seine Verheissungen auf dem Fall des
Gehorsams. Ist es nicht an dem, daß wer 100
mahl mehr
Wahrheiten
gewust als ein
anderer, |
|
|
|
{Sp. 46} |
|
|
|
auch 100fach schuldiger
wird als jener, so er ihnen nicht gehorsam worden?
Und für 100fach mehr Rührungen und
Gnadenwürckungen GOttes an seiner
Seele
erfahren hat, als ein anderer, wiederum 100fach
sträfflicher wird als jener, wenn er ihnen nicht
Raum giebet? Wer 1000mahl mehr Erleichterung,
Gelegenheit und Antrieb zum
wahren
Christenthum vor sich gesehen, als ein anderer,
wird denn der nicht 1000mahl mehr zu
verantworten haben, als jener, so er sie nicht in
Acht genommen?¶ |
|
|
|
5. |
Je mehr es GOtt und
Christum den HErrn gekostet hat, die Menschen
zu erlösen, desto sträfflicher ist ihre Bosheit, wenn
sie gleichwohl nicht glauben, und dem Evangelio
JEsu Christi nicht gehorsam seyn wollen, |
|
2 Thess. I, 8. 9.¶ |
|
6. |
Je mehr Sünden einer
begehet, das ist, in je mehrere
Arten von Sünden
er hineinfället; auf je mehrere Art und Weise er
eine Sünde begehet, und je mehrmahl er eine Art
von Sünden ausübet, je sträfflicher ist seine
Bosheit, und je grösser ist seine Schuld. Wer die
Zahl seiner eignen Sünden nur von einem einigen
Tage recht überschlagen will, der muß auf jedes
der bemeldten Stücke insbesondere Achtung
gegeben. Wenn man demnach nach GOttes Wort
feste setzet, daß nicht nur alle
Gedancken,
Begierden,
Affecten und Bewegungen des
Gemüths, ja auch alle Entschlüssungen, ob sie
gleich nicht ausgeübet würden, wenn sie wider
das
Gesetz geschehen, Sünden sind; sondern
auch, daß in der Seele eines Menschen, die
allermeisten, allergrösten,
allerschädlichsten und
allerunbekanntesten Sünden vorgehen; und daß
ein Mensch des Tages über leichte tausendmahl
mehr Sünden in und mit der Seele verüben kan,
als mit dem
Leibe; so wird daraus die grosse
Rechenschafft gar deutlich erhellen, die er GOtt
zu geben hat.¶ |
|
|
|
7. |
Je länger ein Mensch
sündiget, je grösser und schwerer wird seine
Rechnung.¶ |
|
|
|
Man setze, man habe 26
Jahr
gelebet, so
sind das 9496
Tage, 7
Stunden, 14 Minuten,
indem nach der neuesten Berechnung das
Sonnen-Jahr 365 Tage, 5 Stunden, 49 Minuten
währet. Man setze, man habe an einem jeden
Tage nur eine eintzige Sünde begangen; so hat
man die höchste Majestät GOttes diese
Zeit über
9000 mahl beleidiget. Da aber ein Mensch des
Tages wohl 100 Sünden begehet, so wird er auch
um desto mehr, nehmlich in 26 Jahren
900000mahl mehr GOtt beleidigen. Diese 26
Jahre machen 227911 Stunden 14 Minuten
aus. |
|
|
Nun
sollen wir von einem jeden unnützen
Worte Rechenschafft geben, das wir
geredet
haben. Man setze also: man habe in jeder Stunde
10 unnütze Worte geredet, die Stunden des
Schlaffes und Stillschweigens mitgerechnet, als
welche durch den schrecklichen Überfluß des
Redens richtig ersetzet werden, so hat man schon
2279110 solcher Worte geredet, von der jedem
man Rechenschafft geben soll. |
|
|
Doch nicht allein die Worte, sondern |
|
|
{Sp. 47|S. 37} |
|
|
auch die
Gedancken werden öffters in uns zur
Sünde. Man setze, man habe in einer Minute nur
einen sündlichen Gedancken gehabt, so wird man
derselben, da 26 Jahre 13674674 Minuten
ausmachen, 13 Millionen und drüber zählen
müssen. |
|
|
Wenn die Berechnung eigener Sünden
Schulden auf diese Weise angewendet, und
beschlossen wird, so ist sie bey dem allergrößten
Sünder nicht gefährlich. Wenn die Rechnung auf
26 Jahre so hoch zu stehen kommt, wie hoch wird
sie denn von zwey oder dreymahl 26 Jahren
angesetzet werden müssen? Wenn aber ein
Mensch in 78 Jahren eine so unbegreiffliche
Anzahl Sünden begehen, mithin so unabträgliche
Schulden häuffen kan, die er doch gewißlich alle
ewig wird tragen müssen, und niemahls abtragen
können, so ferne er kein
Recht zu JEsu Christo
hat, was ist doch von der unendlichen Ewigkeit zu
gedencken?¶ |
|
|
8. |
Je
schädlicher eine
Sünde ist, und je mehr sie schon
würcklich
geschadet, oder noch schaden kan, desto
schuldbarer wird sie vor
GOtt, wenn man sie, des
allen ungeachtet begehet. Was aber die Sünde für
Schaden so wohl in dem
Menschen selbst, als
ausser demselben bringe, haben wir oben
weitläufftig dargethan.¶ |
|
|
|
9. |
Je mehr sich jemand nach
seinem
Stand und
Beruff, fremder Sünden
theilhafftig machet, und wiederum andere an
seinen eigenen Lastern
Theil nehmen lässet,
desto schrecklichere und verdammlichere
Schulden häuffet er, und zwar solche Schulden,
die sich auch noch nach seinem
Tode viele
hundert
Jahre auf seine Rechnung mehren
können.¶ |
|
|
|
Es kan dieses auf folgende Weise
geschehen:¶ |
|
|
1. |
Durch ein gottloses
Leben, und eine jegliche Sünde insbesondere, die
ein anderer siehet oder etwas davon lieset, oder
der von ihm was erzehlet wird. |
|
- Matth. XVIII, 6.
- 1
Corinth. X, 32.
- Röm. XIV, 13.
- 1 Petr. III, 1
u.ff.¶
|
|
2. |
Wenn man andern etwas
Böses anrathet. |
|
- 4 B. Mos. XXXI, 16.
- 2
Sam. X, 3.¶
|
|
3. |
Wenn man etwas Böses
befiehlet. |
|
- Matth. II, 16.
- 2 B.
Mos. I, 15. 16.
- 1 B. Könige XII, 28.
30.¶
|
|
4. |
Wenn man andere auf
allerley Weise zum Bösen verführet und
verleitet. |
|
- 2 Petr. II, 19.
- Ephes. V, 6.¶
|
|
|
sonderlich durch
Versprechungen einigen
Vortheils von der
Sünde. |
|
Jer. XLIV, 17. 18.¶ |
|
5. |
Wenn man Sünden
unbilliger Weise entschuldiget, billiget oder gar
vertheidiget. |
|
- Röm. I, 32.
- Luc. XXII,
5.¶
|
|
6. |
Wenn man sie nicht
möglichst verhindert, und alle Gelegenheit, wo
man nur kan, dazu abschneidet. |
|
- Ezech. XXXIII, 6. 7. 8.
Cap. XXIV, 3.
- 1 B. Mos. XVIII,
19.¶
|
|
7. |
Wenn man sie nicht mit
gehörigen Ernst straffet, versucht und untersucht
nicht alles, was dagegen
möglich und
nöthig ist,
da man es doch von GOtt und Amtswegen
schuldig ist, sondern lästs aus
Furcht vor den
Gottlosen, oder gar um
schändlichen |
|
|
|
{Sp. 48} |
|
|
|
1 Sam. III, 13. Cap. II,
24.¶ |
|
8. |
Wenn man Sünden
verhehlet, und ihnen wo man nur kan, überhilfft,
da man sie angeben solte. |
|
- 3 B. Mos. V, 1. 2.
- 2
Chron. XIX, 4.¶
|
|
9. |
Wenn man mit Gottlosen,
besonders aber mit den Abtrünnigen, die von der
wahren Gottseeligkeit wieder abgefallen sind,
ohne
Noth
umgehet. |
|
- 1 Corinth. V, 9. u.ff.
- Apocal. XVIII, 4. 10.¶
|
|
10. |
Wenn man seinen Neben-Menschen, besonders aber seinen Mitt-Christen
nicht mit
Fleiß und Ernst ermahnet, tröstet und zur
Seeligkeit nicht erbauet. |
|
- 3 B. Mos. XIX, 17.
- Ephes. V, 19.
- Coloss. III, 16.
- 1 Thess. V, 11. 14.
- 1
Petr. I, 22.¶
|
|
11. |
Eine gantz eigene und
typische Maxime haben die Gottlosen, womit sie
versuchen, die Frommen in Sünden zu stürtzen;
Diese stehet im Buch der Weisheit C. II, 12 bis 20.
beschrieben; |
|
und verdienet von
dergleichen Künsten gelesen zu werden des
Herrn Prof. Riegers in Stuttgard erbauliche und
gelehrte Erzehlung von den emigrirenden
Saltzburgern, unter dem
Titel: Der Saltz-Bund
GOttes mit der Evangelisch-Saltzburgischen-Gemeine ...¶ |
|
12. |
Noch eine sehr
merckwürdige Manier, nach welcher sich jemand
anderer, ja der gantzen
Welt Sünde
theilhafftig
machen kan; wenn man die
Knechte GOttes
verfolget, das Göttliche Wort verwehret, versperret
und hindert, den gottlosen
Eltern nachfolget, den
Kindern GOttes allenthalben in den Weg tritt, die
von den Vorfahren geschlossenen
Eyde und
Bündnisse bricht u.s.w. |
|
- Matth. XXIII, 25.
- Luc. XI, 50. 51.
- 1 Thess. II, 16.
- 2 B. Mos. XX, 5.
- 1 Sam. XV, 2. 3.¶
|
|
Wenn nun jemand einen eintzigen
Menschen
nur zu einer eintzigen Sünde verführet, und dieser
begehet selbige 10 oder 100 mahl; und verführet
wieder 10 andere neben sich in gleiche Sünden,
der jeder sie wieder 10mahl begehet, und jeder
wieder 10 andere dazu verleitet, und hinein
flechtet, und diß gehet nur 2 oder 300
Jahre also
fort: Wer kan die entsetzliche Anzahl der Sünden
übersehen, die nur in 300 Jahren von so viel 1000
Menschen auf ihres eintzigen Verführers
Kopf und
Seelen Seeligkeit begangen werden? |
|
|
Man könnte noch ferner durch besondere
Exempel dergleichen Rechnungen ziehen; allein
wir besorgen daß ein gekünsteltes Rechnen, eine
Sache, so mit grossem Ernst und reiffer
Überlegung zu handeln ist, nicht fördern, sondern
eher hindern werde. Daher begnügen wir uns,
wenn mit dieser
Vorstellung nur einige
Gelegenheit zu besserer Einsicht der Sünden-Schulden gegeben wird.¶ |
|
|
Alle angeführte Puncte vermehren die
Verbindlichkeit. Je grösser die Verbindlichkeit zum
Gesetze, desto grösser ist auch die Übertretung.
Die
heilige Schrifft lehret auch, daß einige
Sünden, um
gewisser
Umstände
Willen schwerer
sind. Weil alle
Erkänntniß der Größen
mathematisch ist, so siehet man, daß es eine
mathematische Er- |
|
|
{Sp. 49|S. 38} |
|
|
känntniß der Sünde gebe. Ohne diese
erkennet man die Grösse der Erlösung nicht. |
- Eph. III, 18.
- Hiob XI, 8
u.f.
- 1 Tim. I, 15 u.f.
- Röm. V, 16,
20.
|
|
Der
Zustand der Sünder rühret von der
Ungleichheit der Sünden her. Ein jeder kan
richtiger von den seinen, als den Sünden anderer
urtheilen. Ein jeder hält sich
billig für den
grössesten Sünder. |
1 Tim. I, 15. |
|
Man kan nicht alle Sünder gleich achten, und man darff auch in der Sorge vor
ihre Besserung nicht auf gleiche Weise verfahren. Man hat zu
sehen, daß die Stuffen der Besserung und
Bemühung die Gnade GOttes zu ergreiffen den
Stuffen der vorhergehenden Verderbniß gleich
sind. Man hat sich vor den kleinsten Sünden
sorgfältig zu hüten. Denn die Sünden bleiben nicht
klein, wenn sie ein Mensch mit
Wissen begehet.
|
|
|
Die Sünde ist ein
Übel, welches den
Menschen in seinem gantzen
Leben nicht
verlässet. Die Fanatici lehren gantz falsch eine
solche Freymachung von Sünden durch JEsum in
dieser
Zeit, dadurch der Mensch von aller und
jeder Sünde
vollkömmlich soll befreyet werden,
so, daß das
Böse gantz und gar in ihm
soll
abgethan werden, und er gar keine Sünde mehr
haben. Und da wir glauben, daß uns die Sünde
nicht eher als durch den
Tod des
Leibs verlasse;
so werffen sie uns spöttischer Weise vor: Wir
glaubten, daß die Sünde durch den Tod des
Leibes ausgetilget werden müsse; und schrieben
also dadurch unserm eigenen Tod mehr zu, als
dem Tode Christi. |
|
|
Jedoch es hat allerdings seine Richtigkeit,
daß der Quell der Sünde in dem
Menschen durch
den Tod verstopfft, und dadurch der Zunder, das
Ankleben derselben abgeleget werden. Der
Zunder der Sünde liegt so wohl in der
Seele, als in
dem Leibe; fürnehmlich in der Seelen, und auch
hernach in dem Leibe. In der Seele wird er
weggenommen, wenn sich dieselbe vom Leibe
trennet. In dem Leibe aber wird dieser Quell durch
den Tod verstopffet, wenn man den Tod in dem
Verstande nimmt, daß er die Verwandelung in die
Asche mit unter sich begreifft; wodurch zwar nicht
die Sünde selbst, aber doch der Leib, in welchem
dieselbe gewohnet; und also die gantze verderbte
Masse
völlig und dergestalt aufgelöset wird, daß
kein
Zeichen der Sünde mehr übrig bleibet. |
|
Bibelstellen |
Ehe wir diese Abhandlung beschliessen,
haben wir noch einiger Biblischen Sprüche
Erwehnung zu thun, in welchen der Sünde
Zueignungen gemachet und Würckungen
beygeleget werden, als:¶ |
|
|
1.) |
1 B. Mos. IV, 13. spricht
Cain, daß seine Sünde grösser sey, als daß sie
ihm vergeben werden könne. |
|
|
|
|
Es werden diese
Worte
nicht auf einerley Weise ausgeleget. Etliche halten
selbige vor Buß-Worte, als
wolte er damit seine
Reue an den
Tag legen; andere
sagen mit den
Rabbinen, es wären Frag-Worte, als
spräche er:
Ist denn meine Sünde so groß, daß ich keine
Gnade erlangen kan? Viele aber
meynen, es
wären Klag-Worte, und
verstehen selbige nicht
von der Sünde, sondern von der
Straffe,
übersetzen sie daher also: Meine Straffe ist
grösser, denn daß ich sie ertragen möge. |
|
|
|
|
Allein keine dieser
Meynungen hat
Grund. Es sind viel mehr
Verzweiflungs-Worte, in welchen er genugsam zu
verstehen giebt, daß kein
Glaube, kein Trost in
seinem |
|
|
|
{Sp. 50} |
|
|
|
Hertzen sey, er verzeihe
sich aller Gnade GOttes, er habe keinen
Theil an
derselben, er sey verlohren und verdammet. Der
klare Buchstabe und alle
Umstände des Textes
erweisen dieses. Cain hatte mit unschuldigem
Blute seine
Seele beflecket, seines Bruders Blut
schrie zu
GOtt um Rache, GOtt forderte ihn vor
Gerichte, und rief das Wehe und den Fluch über
ihn; darüber brachte ihn nun der Teufel, in dessen
Stricke er bisher gegangen, auf die verzweiffelnde
Gedancken, seine Sünde sey so groß, daß auch
GOttes Barmhertzigkeit sie zu vergeben nicht
zureichen könne. |
|
|
|
|
Eben auf diese Weise
legen es die Kirchen-Väter aus, und endlich so
lieset man auch nicht von Cain, daß er sich
bekehret habe, sondern ist in solcher
Verzweiffelung bis an sein Ende geblieben, daher
die
Schrifft ferner nichts von ihm
redet, als nur von
einem ungerechten und argen, und der in seinen
Sünden verdorben.¶ |
|
|
|
2.) |
Sprüchw. XIV, 34. Sünde
ist der Leute Verderben. |
|
|
|
|
Weil dieses nach dem
Hebräischen lautet: Die Erbarmung ist den
Völckern eine Sünde; so wird es unterschiedlich,
und absonderlich auf dreyerley Weise
ausgeleget. |
|
|
|
|
Erstlich sind einige die es
übersetzen: Die Frömmigkeit der Völcker ist
Sünde, das ist, die Gerechtigkeit und
Gottseeligkeit der
Jüden, nach dem Wort und
Gesetz GOttes eingerichtet, erhöhet dis
Volck,
machet sie vor allen andern Völckern
angenehm
für GOtt und geseegnet in ihrem
Lande. Die
übrigen Völcker in der
Welt aber nicht also;
sondern alles, was sie
thun in ihrer Andacht und
Gottseeligkeit, ist Sünde. |
|
|
|
|
Andere geben es also:
Die Barmhertzigkeit ist den Völckern eine Sünde,
oder Sünd-Opffer, ein Opffer für die Sünde,
selbige damit auszusöhnen und zu vertilgen. |
|
|
|
|
Jedoch ist die
Übersetzung Lutheri die beste. Denn es erhellet
aus dem Worte GOttes, daß kein grausamerer
Verderber und Verwüster der Menschen sey als
die Sünde. Ferner¶ |
|
|
|
3.) |
Sünde Jacobs soll
aufhören, ist eine
Redens-Art in der
heiligen Schrifft, welche im Esaia XXVII, 9. vorkommt, und
die die Papisten gerne also auslegen wolten, als
ob die Trübsal die verdienstliche
Ursache sey,
dadurch man für die Sünde büsse, und die
Vergebung derselben
GOtt abverdiene. Aber wir
wissen, daß allein durch Christi Tod für die Sünde
sey gebüsset, und GOtt versöhnet worden, um
deswillen wir allein gnädige Vergebung der
Sünden erlangen. Daher können auf diese Weise
die Trübsalen nicht von Sünden reinigen, sondern
das Blut JEsu Christi machet uns rein von allen
Sünden. |
|
1 Joh. I, 7. |
|
|
Es haben aber diese
Worte einen gar andern
Verstand, nehmlich
diesen: Es werden die Trübsalen dem gläubigen
Jacob, der
Jüdischen Kirche, von der voraus
gesetzet wird, daß sie vor GOtt gerechtfertiget,
und durch den Meßiam ausgesöhnet, dienlich sey,
daß sie die ihr noch anklebende sündliche Unart,
werden vermindern, und ihr Gelegenheit geben,
dieselbe immer mehr und mehr in sich zu tödten,
und von derselben abzustehen, wie solches der
Prophet in den darauf folgenden Worten
erkläret.¶ |
|
|
|
|
Psalm XXV, 7. |
|
|
wird nicht nur die
angebohrne Erb-Sünde, |
|
Ps. |
|
{Sp. 51|S. 39} |
|
|
|
LI, 7. |
|
|
nicht nur die Sünden der
Unwissenheit, die man in kindlichen
Jahren aus
Unbedachtsamkeit begangen; sondern auch alle
und jede Sünden
genennet, die man jemahls in
seiner Jugend vollbracht, wie denn das
Hebräische Wort alle Jahre der Jugend bedeutet,
die vor dem männlichen
Alter vorher gehen, da
einer auch schon in dem
Ehestande
lebet; Daher
die heilige Schrifft |
|
|
|
|
- des
Weibes unserer
Jugend gedencket,
|
|
- Sprüchw. Salom. V,
18.
- Malach. II, 14.
- Esaias LIV,
6.
|
|
|
- Der
Söhne unserer
Jugend,
|
|
Psalm CXXVII, 5. |
|
|
Jerem. III, 4. |
|
|
- Des
Herrn eines jungen
Weibes,
|
|
Sprüchw. II, 17. |
|
|
|
|
|
Wie denn einige
Gelehrte
die Jahre der Jugend von dem 15ten Jahre an bis
zu dem Dreyßigsten zu rechnen pflegen, und die
vorhergehenden Jahre, die Jahre der Kindheit
nennen. |
|
|
|
|
Das Hebräische Wort ist
von sonderlichem Nachdruck und daraus zu
sehen, daß offtermahls die Jugend von ihren
geschwinden und witzigen
Bewegungen und
Affecten zu dieser und jener Sünde schnell
hingerissen wird, ehe sie sichs versiehet. |
|
- 1 B. Mos. VI. 2. XLIII,
2.
- 4 B. Mos. XXV, 1.
- Buch der Richter XVI,
1.
|
|
|
Welcher Sünde sich auch
David schuldig wuste. |
|
Psalm XXV, 7.¶ |
|
5.) |
Sünde der
Welt, Welche
Christus als das Lamm GOttes träget, wie aus
Joh. I, 29. zu ersehen, begreiffet alle und jede
Sünden, welche jemahls in der Welt begangen
worden sind, und noch werden begangen
werden. |
|
|
|
|
Beza hält zwar mit dem
Papistischen Lehrern dafür: es sey die
Rede nur
allein von der Erb-Sünde, nicht aber von den
würcklichen Sünden; woraus dann folgete, daß wir
vor die würcklichen Sünden selbsten büssen
müsten; allein wenn hamartia im Singulari gelesen
wird, heisset es nicht nur die Erb- sondern auch
die würckliche Sünde. |
|
|
|
|
- Johann. am VIII, 21. 34.
36. XV, 24. wird es gelesen von den würcklichen
der Juden;
- Cap. XVIII, 8. 9. von der Sünde des
Unglaubens;
- Röm. III, 9. 10. von den Sünden, die
aus dem
Gesetze
erkannt worden;
|
|
|
|
|
nun aber wird nicht nur
daraus die Erb- sondern am allermeisten die
würckliche Sünde erkannt. |
|
|
|
|
Lyra hat sehr wohl
angemercket, daß die Hebräer im
Gebrauch
hätten, die Menge eines
Dinges also zu
beschreiben, als wäre es eine eintzelne
Sache;
z.E. 2 B. Mos. VIII, 24 heisset es nach dem
Grund-Texte: Es kam eine grosse Mücke, welches
Lutherus sehr wohl gegeben: Es kam viel
Ungezieffers; also ist auch hier eine Sünde so viel
als alle und jede Sünden aller Menschen, wie
solches auch an dem Sünden-Bock |
|
3 B. Mos. XVI, 21.
22. |
|
|
vorgebildet, und damit auf
die Genugthuung Christi gezielet wird, davon
Esaias LIII, 4. und 12. die
Redens-Art genommen
hat. |
|
|
|
|
Alle Sünden der gantzen
Welt, Erb- und würckliche Sünden, hat
GOtt auf
Christum seinen
Sohn geleget, daß er sie trage,
und dafür an statt der
gantzen
Welt büsse; |
|
siehe 2 Corinth. V,
19.¶ |
|
6.) |
Sünde und Missethat liegt
auf uns, ist eine Redens-Art, welche man im Esaia
Cap. XXXIII, 10. lieset, und in welcher die beyden
Wörter Sünde und Missethat zu bemercken sind.
Es stehen diese zwey Wörter keinesweges
umsonst, |
|
|
|
{Sp. 52} |
|
|
|
sondern ein jegliches hat
seinen besondern
Verstand. |
|
|
|
|
Sünde
bedeutet eigentlich
eine Sünde, die mit Vorsatz begangen
worden. |
|
Sprüchw. XXIX, 16.
22. |
|
|
Dahero es auch offte, als
Hiob XXXI, 31. durch Schalckheit, und Ezech.
XXI, 24. durch
Ungehorsam übersetzet wird. |
|
|
|
|
Missethat aber
beschreibet insgemein eine Sünde, die uns auch
ohne Vorsatz aufstösset, wie nicht weniger Psalm
LI, 7. die Erb-Sünde selbst. |
|
|
|
|
Und wie nun sonsten
dieses gemein ist, daß ein Sünder bey seiner
Andacht die Worte zusammen gefüget, |
|
wie Psalm LI, 5. Psalm CIII,
10. Jerem. XVI, 10. zu ersehen; |
|
|
also eröffnen auch hier
die Israeliten ihr Hertz, daß sie in Sünden
gebohren, und in Sünden gelebet, wissentlich und
unwissentlich, heimlich und öffentlich, mit
Unterlassung des
Guten und Begehung des
Bösen gemißhandelt. |
|
- Reinbecks
Betrachtung. über die Augsp. Confess. II Th.
- Mämml. Curios. Alphab. III Th. …
- Mämmlings
abergl. Abbent. …
- Schrödters contin. Acerra Bibl.
Müller. IV Hundert …
- Walchs Religions-Streitigk.
in der Lutherischen Kirche V Th. …
- Baumgartens diss. de gradibus peccatorum.
- Pfaff. Sched. de
morte naturali.
-
Unschuld. Nachr. 1736 …
- Georg
Sarganeck Berechnung der Sünden-Schulden.
|
Rechte |
Im Übrigen mercken wir noch dieses, daß
das, was bey denen GOttes-Gelehrten eine Sünde
heißt, die Rechts-Gelehrten gemeiniglicher ein
Verbrechen nennen, wovon also unter dieser
letztern
Benennung ein mehrers. |
|
Siehe auch |
Übrigens siehe auch den
Artickel |
|
|
-
Schuld, im
XXXV[1]
Bande,
p. 1414 u.f.
- desgleichen Crimen, im VI Bande,
p. 1643 u.f.
- und
Delictum, im VII Bande, p. 454 u.f.
|
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus: XXV |
|
|
|
|