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Arten der Sünde |
Nachdem wir untersuchet haben, daß
keinesweges
GOtt, sondern der Satan und an
seinem
Theile auch der
Mensch selbsten die
Ursache der Sünde sey; so wird es
nöthig seyn
der vielerley
Arten
und Classen der Sünden Erwehnung zu thun. |
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erste Sünde |
Die Gottesgelahrten theilen
die Sünde anfänglich in die erste
Lat.
Peccatum primum und in die aus der
ersten entstandene Sünde Lat. Peccatum ex primo
ortum oder Peccatum originis originans.
Durch jene
verstehen
sie diejenige Sünde, durch welche die
gut erschaffenen
Engel von GOtt abgefallen, und sich in das ewige Verderben gestürtzet haben;
durch die aber die Sünde unserer
Eltern,
durch welche der
Fall
derselben verursachet worden, von welcher der
Artickel
Sünden-Fall nachzusehen. |
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Erb-Sünde |
Das aus dieser Sünde des ersten Menschen
entstandene allgemeine Verderben aller
Menschen nennen sie die Erb-Sünde, Lat.
Peccatum originis, und
unterscheiden von
derselben die würcklichen Sünden, Lat. Peccata
actualia. Von jener siehe den Artickel Sünde (Erb-). |
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wirkliche Sünde |
Da die Sünde eine Abweichung einer
vernünfftigen Creatur von dem
Gesetz, oder von
den moralischen Göttlichen
Eigenschafften ist; so
ist demnach eine
Handlung, die in dem
Menschen vorgehet, oder welche von dem
Menschen äusserlich begangen wird, und die |
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{Sp. 22} |
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mit dem Gesetz nicht
übereinstimmt,
sündlich. Eine solche Handlung pfleget daher eine
würckliche Sünde, Lat. Peccatum actuale,
genennet zu werden. So mancherley die
menschlichen Handlungen sind, die von dem
Gesetze abweichen; so vielerley sind auch die
würcklichen Sünden. |
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Sünde durch Unterlassen |
Man kan von dem Gesetz abweichen, wenn
man entweder dasjenige unterläst, was man
thun
solte; oder auch wenn man dasjenige thut, was
man unterlassen solte. Jene Abweichung heisset
peccatum omissionis, diese peccatum commisionis.
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Daß man eine solche Abweichung vom
Gesetz, welche durch eine Unterlassung dessen,
was man nach dem Gesetze
billig thun solte,
begangen wird, mit unter die Classen der
würcklichen Sünden setzet, solches scheinet zwar
anfänglich der
ordentlichen und
natürlichen
Bedeutung der
Worte zu wider zu lauffen; ist aber
doch dem
Gebrauch im gemeinen
Reden nicht
zuwider. Wenn jemand bey
gewissen
Gelegenheiten etwas versäumet und unterläst,
was er den
Umständen nach billig hätte
thun
sollen; so
saget man eben so wohl zu ihm:
Du
hättest das nicht thun sollen, als wenn er
würcklich
etwas gethan hat, so er billig hätte unterlassen
sollen. |
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Doch dem sey wie ihm wolle, so bringet es
nunmehro die allgemeine
Gewohnheit also mit
sich, daß die Unterlassungs-Sünden auch mit zu
den würcklichen Sünden gerechnet werden. Wir
haben nicht nöthig uns über blose Worte
aufzuhalten; genug daß es eine ausgemachte
Sache ist; daß es eben so unrecht sey, etwas, so
das Gesetz fordert, zu unterlassen, als etwas
würcklich zu thun, welches das Gesetz verbietet.
Die
Schrifft saget:
Wer da weiß Gutes zu thun,
und thuts nicht, dem ist es Sünde. |
Jacobi IV, 17. |
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Und unser Heyland
spricht: Der Knecht der
seines Herren Willen weiß, und hat sich nicht
bereitet, auch nicht nach seinem Willen gethan,
der wird viele Streiche leiden müssen. |
Luc. XII, 47. |
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Hat man denn wohl einen
Knecht deßwegen,
daß er im
Hause nur nichts
böses thun soll, und
hält man es ihm zu gute, wenn er das unterläst,
was ihm anbefohlen worden? Eben so wenig und
noch vielweniger, kan es bey den
Menschen als
etwas gleichgültiges angesehen werden, wenn sie
dasjenige unterlassen, wozu sie doch nach dem
Gesetze
verpflichtet sind. Wenn man den
Befehl
eines andern nicht ausrichtet, so thut man solches
entweder aus Verachtung, weil man nicht
glaubet,
daß der andere in diesem Stücke uns zu befehlen
habe; oder aus eingebildeter
Klugheit, weil man
denckt, daß man es besser
verstehe; oder aus
Nachläßigkeit, oder aus purer Bosheit. |
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Es mag nun die
Ursache der Unterlassungs
Sünde bey dem Menschen seyn, welche sie will;
so ist sie höchst strafbar. Hat die Sünde der
Unterlassung eine Verachtung GOttes zum
Grunde, oder sie stammet aus einer eingebildeten
Klugheit her, da der Mensch dasjenige, was
GOtt
geboten hat, gar nicht
nöthig findet; so äussert
sich der Hochmuth, da sich der Mensch GOtt an
die Seite, oder wohl gar über GOtt hinüber
setzet. |
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Ist der Mensch nachläßig im
Guten, so ist es
ein
gewisses Kennzeichen, daß es ihm an der
feurigen und ernsten Liebe zum Guten fehle.
Unterlässet der Mensch das Gute gar aus pur
lauterer Bos- |
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{Sp. 23|S. 25} |
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heit; so lieget vollends die Feindschafft wider
GOtt am
Tage. Und so
erkennet man auf alle
Weise, daß auch die Sünden der Unterlassung, so
geringe sie auch anfänglich scheinen
möchten,
dennoch ein grosses Gewichte haben. Wenn der
Mensch überhaupt das Gute unterlassen
wolte,
worzu wäre er denn in der
Welt
nütze. Er ist als
eine
vernünfftige Creatur
verbunden, sich nach
dem Muster und
Exempel GOttes zu richten. |
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Was findet nun aber der Mensch an
GOtt für
ein Muster? Etwa, daß GOtt nichts
Böses thut?
Dieses hat bey dem allervollkommensten
Göttlichen Wesen keine Statt. Er giebt uns darinne
sonderlich ein Beyspiel, daß er beständig und
lauter Gutes thut. So weichet denn der Mensch in
so weit von dem Muster GOttes ab, so viel Gutes
er unterlässet. |
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Hierbey entstehet die Frage welche unter
diesen beyden Sünden-Arten für die schwereste
zu halten sey? Überhaupt lässet sich nichts
besonders darauf antworten, sondern man muß
die
Sache nach den
Umständen erwegen. Öfters
ist die Unterlassungs-Sünde für schwerer zu
halten, als jene, da man dasjenige
thut, was man
unterlassen solte. Dieses ist hauptsächlich in 4
Fällen |
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1.) |
je besser und
nöthiger die
Handlung ist, die man unterlässet; |
2.) |
je boshaffter die Art und
Weise der Unterlassung ist, |
3.) |
je wichtiger die
Folgerungen sind, welche durch die
Unterlassungs-Sünde entstehen; und
endlich |
4.) |
je öffterer die
Unterlassungs-Sünde begangen wird; desto
schwerer. |
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Wenn man aber nach der wesentlichen
Beschaffenheit jener Sünde
urtheilen
will, so ist
sie allerdings für schwerer zu erklären, weil diese
Sünde, bey der man etwas thut, was verboten ist,
auch zugleich und allezeit mit der Unterlassungs-Sünde
verknüpffet ist. Denn indem man das thut,
was verboten ist, so unterlässet man auch das
gegenseitige Gute, welches man hätte thun
sollen,
und begehet also dadurch eine doppelte
Sünde. |
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Der Mensch hat ein Natur-Gesetz, daß er die
Wahrheit suchen, und das, was ihm seine
Sinne
vorstellen, nicht gleich für bekannt annehmen,
sondern selbiges mit seinem
Verstande recht
beleuchten und beurtheilen soll. Es ist eine zwar
mehrentheils unerkannte, aber gewiß sehr
wichtige, und dem Menschen selbst sehr
schädliche Sünde, wenn er solches unterläßt; und
können hieraus nichts anders, als viele würckliche
Sünden entstehen. |
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Wenn der Mensch der Wahrheit, sonderlich in
Dingen, die das ewige Wohl betreffen, nicht
nachspühret; so kan nichts anders darauf
erfolgen, als daß er in mancherley Irrungen, und
auf vielerley Abwege verfällt. Lässet er es in
seiner
Seelen bey den bloß sinnlichen
Vorstellungen bewenden, und beurtheilet die
Dinge, welche ihm sinnliche
Empfindungen
zuwege bringen, nicht gehörig; so wird er alle
Augenblicke etwas
böses und
schädliches für
gut
und
nützlich annehmen, und darüber in
unordentliche
Begierden,
Affecten und
Leidenschafften verfallen. Er wird dadurch
verleitet werden, mehr auf das
Gegenwärtige, als
Zukünftige zu sehen, und mehr nach dem
gegenwärtigen Gefühle, als wie es die wahre
Beschaffenheit der Sache selbst mit sich bringet,
zu handeln.
Z.E. Man stelle sich einen Menschen
vor, der einen Diebstahl be- |
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{Sp. 24} |
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gehet. Ein solcher Mensch
weiß, daß der
Diebstahl verboten sey; er weiß, daß diese Sünde
in der Welt mit dem
Tode bestraffet werde, und er
hat auch verschiedene
Exempel davon vor sich; ja
noch mehr, er weiß auch, und hat zum öfftern
gehöret, daß die
Schrifft den Diebstahl mit unter
die verdammlichen Sünden setze, und daß es
heisse: Lasset euch nicht verführen, weder die
Hurer, noch die Diebe, noch die Räuber, werden
das ewige Leben ererben |
1 Corinth. VI, 9. 10. |
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Wie kommt nun gleichwohl ein solcher
Mensch zum Diebstahl? Er siehet seines
Nächsten
Geld oder
Gut vor Augen, oder
stellet
sich dasselbe in seinem
Gemüthe
vor.
Es werden durch diese
sinnliche
Vorstellungen seine
Begierden rege, daß er entweder sich so gleich
der gegenwärtigen Gelegenheit bedienet,
zugreifft, und des Nächsten Geld und Gut an sich
nimmt; oder er fänget an in seinem
Verstande zu
überlegen, wie er es anfangen könne, daß er zu
seinem
Zwecke kommen, und das, was seines
Nächsten ist, an sich bringe. |
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Hier brauchet er zwar seinen Verstand, aber
zu spät, und anders, als er ihn hätte
gebrauchen
sollen. Er hat schon durch die blosse sinnliche
Vorstellungen des Guts seines Nächsten sich
blenden lassen, und es solchergestallt schon als
etwas gutes voraus gesetzet, wenn er durch den
Schaden seines Nächsten sich einen
Vortheil zu
wege bringen könnte; und darüber hat er das
Verbot, und die auf die Übertretung folgende
zeitliche und ewige
Straffe aus den Augen
gesetzet. Dagegen hätte er bey der ersten
Vorstellung, da ihm etwas, als gut vorkommen,
seinen Verstand zu rathe ziehen und recht
überlegen sollen, ob es ihm auch
wahrhafftig gut
seyn werde, wenn er auf diese Weise etwas an
sich brächte, was ihm nicht gehörete. |
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Ob er es auch noch so dann für etwas Gutes
halten werde, wenn sein Diebstahl entdecket, und
er darüber zur Straffe werde gezogen werden.
Und wenn auch dieses nicht geschehen solte, ob
denn der gegenwärtige Vortheil, den er sich zu
schaffen vermeynet, auch wohl so wichtig sey, als
der Verlust der Göttlichen Gnade und des ewigen
Lebens. Und wenn er dabey gedencken möchte,
er könne sich ja wohl bekehren, und seine Sünde
GOtt abbitten; ob er denn seinen Diebstahl mit
gutem
Gewissen behalten könne, und da er
denselben wieder erstatten müste, ob er denn von
denselben den geringsten Vortheil noch haben
und behalten würde. |
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Wenn der Mensch diese ernstliche
Vorstellung in seinem Verstande sich machte,
sobald seine sinnliche Vorstellungen ihm den
Besitz der Habseeligkeit seines Nächsten, als eine
angenehme Sache, vormahlen; so würde er zu
der würcklichen
That des Diebstahls sich
unmöglich entschliessen können; und würden die
Überlegungen, wie er seines Nächsten Geld und
Gut an sich bringen könnte, bey ihnen keine statt
finden. So aber bleibet der Mensch an den bloß
sinnlichen Vorstellungen kleben, leget dieselben
zum
Grunde seiner innerlichen und äusserlichen
Handlungen, und geräth darüber in die würckliche
Sünde des Diebstahls. |
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Sünden durch Handlungen |
Wir haben bisher von der
Art der würcklichen
Sünde, welche durch die Unterlassung des
Guten
begangen wird, gehandelt; |
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{Sp. 25|S. 26} |
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ietzo müssen wir zu derjenigen Art der
würcklichen Sünder fortgehen, dadurch man
etwas
Böses begehet, und auf solche Weise von
der Richtschnur des Gesetzes abweichet. |
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innerliche Handlungen |
Es ist anders woher bekannt, daß zu den
innerlichen
Handlungen der
Seele, was sonderlich
den
Verstand derselben anbelanget, gehöre,
wenn der Mensch seine
Gedancken und
Überlegungen auf etwas richte, und von einer
Sache ein
würckliches
Urtheil fälle. Hier findet nun
abermahls eine Abweichung vom Gesetz, und
folglich eine würckliche Sünde statt. Zwar, so
lange der Menschen nichts anders
thut, als daß er
eine Sache in Überlegung und Erwegung ziehet,
so weichet er dadurch so gar nicht von dem
Gesetze ab; daß er vielmehr dasjenige
beobachtet, wozu ihn sein Natur-Gesetz
verbindet. Allein, wenn es bey ihm zu einem
würcklichen Urtheil kommet, so dann kan er gar
leichte von der
Wahrheit, und von dem Gesetze
abweichen, und sich versündigen. |
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Unser Heyland
saget davon: Matth.
XV, 19.
Aus dem Hertzen kommen arge Gedancken; Eigentlich nach dem
Grunde heißet es:
Aus dem
Hertzen kommen böse Urtheile und Schlüsse. Und bey dem Marco Cap. VII, 21. 22. thut unser
Heyland hinzu: Aus dem Hertzen kommt
Unvernunfft.
Z.E. Der Mensch hat sich nur zu
lauter sinnlichen
Vorstellungen
gewöhnet, und
weiß von keinen andern Vergnügungen, als die
ihm die sichtbaren
Dinge dieser
Welt zu wege
bringen. Er handelt schon hierinne unvernünfftig
wie ein Thier, das von keinen andern Vergnügen
weiß, als was die blossen Sinnlichkeiten mit sich
bringen; aber er
beweiset noch mehr Unvernunfft,
wenn er aus seinen bloß sinnlichen
Empfindungen
und Vergnügen
Schlüsse machen
will. Er hat etwa
gehöret, daß ein
GOtt seyn
soll; er klebet aber nur
an dem sichtbaren. Weil denn nun keinen GOtt
siehet, und ihm über dem die Lehre, daß ein GOtt
sey, eine unangenehme Empfindung macht,
indem er so dann vieles unterlaßen müste, was er
heimlich mit Vergnügen begehet; so spricht der
Thor in seinem Hertzen: Es ist kein GOtt, |
Psalm XIV, 1. |
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Ebenso gehet es mit allen Schlüssen, die der
Mensch machet, wenn er sich zu den bloß
sinnlichen Empfindungen gewöhnet hat, und nach
denselben eine Sache, ob sie
gut oder
böse sey
beurtheilet. Dergleichen Menschen Grund-Satz ist:
Was mir angenehme Vorstellungen und
Empfindungen machet, das ist gut; und was mir
unangenehme Vorstellungen und wiedrige
Empfindungen zu wege bringet, das ist Böse. |
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Was für eine unzählige Menge
falscher und
sündlicher
Urtheile und
Schlüsse entspringen
nicht aus dieser vermeynten Grund-Wahrheit
eines verkehrten menschlichen Hertzens? Und
was für böse und sündliche
Thaten
veranlassen dieselbe nicht? Bey einem Freßer, und Säuffer und Hurer ist zugleich
der Schluß da: Speise und Tranck und
unzüchtige
Wercke machen mir eine
angenehme Empfindung, deßwegen mag ich
fressen und sauffen und huren, so viel ich kan und
will. Wenn es nun auch schon bey solchen
falschen und argen Gedancken nicht allemahl zur
würcklichen
That käme, so sind doch alle solche
verkehrte Schlüsse und Urtheile mit unter die
würcklichen Sünden zu rechnen, indem sie eine
würckliche Abweichung von den Re- |
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{Sp. 26} |
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geln des Gesetzes in sich faßen. |
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Zu den würcklichen Sünden im
Verstande
gehören auch diejenigen Bemühungen des
Verstandes, wenn der Mensch damit umgehet,
daß er etwas
Böses erfinden möge. Wenn der
Apostel den grossen Verfall der
Heyden
beschreibet, so
nennet er sie unter andern v. 30.
schädliche, oder in seiner Sprache eigentlich:
Erfinder des Bösen. Hieher gehören alle
diejenigen Menschen, von welchen die
Schrifft
saget: Daß sie mit Unglück schwanger gehen, daß
sie aufs Blut lauren, und daß sie suchen
Schaden
zu thun. |
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Wenn die Menschen ihre
Erfindungs-Krafft
dazu anwenden, daß sie etwas
nützliches
aussinnen und zu wege bringen mögen, so ist ihre
Bemühung allerdings löblich und Gesetzmäßig.
Allein um desto verwerfflicher und sündlicher ist
es, wenn diese an sich gute
Krafft der
Seelen aufs
Böse gerichtet ist, und der
Mensch in seinem
Gemüthe damit umgehet, daß er etwas Böses und
Schädliches, was weder mit der
Liebe GOttes
noch des Nächsten bestehen kan, erdencken
möge. |
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Jonadab, Davids Bruder-Sohn, war ein sehr
weiser Mann. Allein es war eine sehr gottlose
Erfindung, als er dem Ammon an die Hand gab,
wie er an seine
Schwester
Thamar kommen, und seine
unzüchtige
Begierden an derselben stillen
könnte; wodurch er denn in diesem Stücke nicht
so wohl eine
wahre
Weisheit, als vielmehr seine
Arglistigkeit an den
Tag legte. Solche und
dergleichen Erfindungen, wenn sie auch gleich
nicht zur Thätlichkeit kommen, sind doch eine
würckliche Abweichung vom Gesetz, und gehören
also in die Claße der würcklichen Sünden.¶ |
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Von den würcklichen Sünden, die ihren
Grund
in dem Mißbrauch des
Verstandes haben,
kommen wir nun zu denjenigen Sünden, die
eigentlich durch den
Willen begangen
werden. |
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Die Sünde ist eine Abweichung von dem
Gesetz. So sündiget der Wille, wenn die
Seele
wider das Gesetz etwas
würcklich
erwehlet oder
verwirfft, das ist, wenn sie dasjenige billiget,
liebet
und verlanget, was dem Gesetze zu wider ist; und
im Gegentheil dasjenige verwirfft, missbilliget und
verabscheuet, was das Gesetz erfordert. Wenn
denn nun auch schon hier nicht allemahl eine
äusserliche
That und würcklicher
Beweiß von
dem, was im Hertzen verborgen ist, erfolget; so ist
doch in der Seele selbst schon eine würckliche
Abweichung von dem Gesetze vorgegangen, und
GOtt, der da Hertzen und Nieren prüfet, siehet
solche Abweichungen an, als eine würckliche
That. |
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Um dieser
Ursache
willen waren die
Juden,
als sie bey sich selbst, ihren
Willen drauf gesetzet
hatten, daß sie Christum tödten wolten, in den
Augen GOttes und Christi schon würckliche
Mörder; |
Joh. VIII, 37. 40 |
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und Christus konnte von ihnen bey solcher
Beschaffenheit ihres Hertzens
sagen: Ihr thut
euers Vaters Werck, und: Ihr seyd von dem Vater,
dem Teufel, und nach euers Vaters Lust wollet ihr
thun. Derselbe ist ein Mörder vom Anfang |
v. 44 |
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Wer seinen Bruder hasset,
spricht die
Schrifft,
der ist ein Todtschläger. |
1 Joh. III, 15. |
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Wer ein Weib ansiehet, ihr zu begehren, der
hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem
Hertzen. |
Matth. V, 28. |
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Eine solche Bewandniß hat es mit allen
verkehrten |
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{Sp. 27|S. 27} |
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|
Neigungen
des Willens. Sind die
sinnlichen
Neigungen und
Begierden verkehrt und
unordentlich; so gehören sie in eben diese Classe.
Wäre die
Seele
eines Menschen nicht
vernünfftig,
und könnte sich daher nach nichts anders, als
nach den bloß sinnlichen
Vorstellungen richten; so
würden dieselben zu der
Zahl der würcklichen
Sünde nicht gerechnet werden können. Allein die
Seele des Menschen ist ein
Geist, und
solten
dahero die untern von den obern Kräfften
billig
beherrschet werden. |
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Wenn nun aber solches nicht geschiehet,
oder, wenn durch die verkehrte Vorstellung des
Verstandes, und durch die verkehrten Neigungen
des Willens, auch verkehrte und unordentliche
sinnlichen Neigungen und Begierden erwecket
werden; so gehören diese letztere eben auch mit
unter die würcklichen Abweichungen vom Gesetz;
sintemahl das Gesetze mit dem gantzen
Menschen zu thun hat, und will, daß alles bey
demselben in seiner behörigen
Ordnung seyn und
bleiben soll. |
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Hieher gehören also alle unordentliche
Begierden zur Ausübung der fleischlichen
Lüste.
Zwar eine sinnliche Begierde zu dem andern
Geschlechte, ist an und vor sich selbst eben so
wenig Sünde, als eine sinnliche Begierde zum
Essen und Trincken. Denn beydes hat der
Schöpffer selbst in die
Natur des Menschen
geleget; das letztere zur Erhaltung des
Leibes und
der Person des Menschen, das erstere aber zur
Erhaltung und Vermehrung des menschlichen
Geschlechtes. Allein, wenn in diesem Stücke
sinnliche Begierden in dem Menschen entstehen,
die mit der von GOtt gestiffteten Ordnung des
Ehestandes nicht bestehen können; so sind
dieselbe in so fern unordentlich, und eine
würckliche Abweichung von dem Gesetze. |
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Hieher gehöret ferner der
Zorn des
Menschen, in so fern derselbe in unlautern und
unordentlichen
Gemüths-Bewegungen bestehet.
In so ferne der Zorn nichts anders ist, als eine
ernstliche Abneigung von dem, was
Böse ist,
gehöret derselbe zu den
Willen. In so fern aber
auch in der
Seelen
sinnliche
Neigungen
entstehen, um äusserlich durch Geberden,
Worte
und
Wercke an den
Tag zu legen, daß uns etwas
mißfalle; gehöret der Zorn zu den sinnlichen
Begierden und
Affecten. |
|
|
Wenn nun die Abneigung des Willens gerecht
ist, und wenn die daraus entspringende sinnlichen
Neigungen und Affecten, dadurch der innerliche
Abscheu der Seele an einer
Sache sich äusserlich
zu
erkennen giebt, sich weiter nicht erstrecket, als
die Natur, und Beschaffenheit des Bösen es mit
sich bringet, so ist ein solcher
Zorn unsündlich.
Der Apostel bestätiget dieses, wenn er
saget:
Zürnet, und sündiget nicht. |
Eph. IV, 26. |
|
Wenn aller Zorn des Menschen an sich selbst
unrecht wäre, so
müste er gesaget haben:
Zürnet
nicht, damit ihr nicht sündiget, oder: ihr müsset gar
nicht zürnen, weil ihr euch sonst versündiget. Weil
er aber seine Worte so fasset: Zürnet, und
sündiget nicht, so giebt er allerdings dadurch zu
erkennen, daß nicht eine iegliche Gemüths-Bewegung, die wir den Zorn
nennen, an sich
selbst sündlich sey. Hingegen, wenn der Zorn
entweder wieder das
Gute,
oder wieder Unschuldige gerichtet ist, oder, wenn er das
menschliche
Gemüthe beunruhiget, und dasselbe
in eine solche Verwirrung setzet, daß offte der
Mensch nicht recht mehr
weiß, was er
thut; so
heisset es: Des Menschen Zorn thut |
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{Sp. 28} |
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nicht, was vor GOtt recht ist. |
Jac. I, 20. |
|
Und hieher gehören endlich überhaupt alle
unordentliche
Lüste und
Begierden. Weil diese
einen
Irrthum zum
Grunde haben, indem sich der
Mensch das Böse, als gut
vorstellet; so bezeuget
davon der Apostel, daß der Mensch durch Lüste in
Irrthum sich verderbe. |
Eph. IV, 22.¶ |
|
Wenn zwey
unterschiedene und wiedrige
Affecten sich mit einander vereinbaren, so wird
eine
Leidenschafft daraus. Z.E. Man
liebet
iemanden, und träget zu demselben eine gute
Neigung, folglich freuet und vergnüget man sich
über seinen Wohlstand. Wenn man nun etwas bey
ihm antrifft, so man ihm für
böse und
schädlich
hält; so erwecket solches bey uns Traurigkeit und
Mißvergnügen. Und so entstehet bey uns
diejenige Leidenschafft, welche wir Mitleiden zu
nennen pflegen. |
|
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Im Gegentheil, wenn man jemanden hasset,
und wieder denselben eine grosse Abneigung
träget; so entstehet daraus ein Vergnügen, wenn
es dem andern übel gehet. Wenn man nun nichts
desto weniger etwas an ihm gewahr wird, so man
für gut,
nützlich und
angenehm hält, so
entspringet daher ein Mißvergnügen. Und dieses
ist diejenige Leidenschafft, welche wir den Neid
nennen. |
|
|
Überhaupt gehören hieher alle diejenigen
wiedrige und mißvergnügende
Empfindung,
welche bey einem Menschen entstehen, wenn
man etwas ernstlich begehret, und von demselben
ein sinnliches Vergnügen erwartet, und gleichwohl
desselben nicht noch Wunsch theilhafftig werden
kan. Z.E. Der Mensch suchet ein sinnliches
Vergnügen in den
Lüsten des Fleisches; es fehlet
ihm aber die Gelegenheit dazu, so entstehet bey
ihm eine
Leidenschafft. |
|
|
Wenn nun in solchen Leidenschafften nichts
abweichendes von dem Gesetz sich findet, wie
z.E. in einem liebreichen Mitleiden; so ist auch an
denselben in so fern nichts sündliches. Wenn aber
nun dergleichen Leidenschafften und
Gemüths-Bewegungen etwas in sich fassen, welches sich
mit dem Gesetze nicht reimet, wie wir an dem
Neid gesehen haben; so sind dieselbe lasterhafft,
und gehören zu den würcklichen Sünden. |
|
|
Die äusserlichen Geberden eines
Menschen
sind eine solche Stellung des
Leibes, dadurch die
innerliche Beschaffenheit des
Gemüthes und
Hertzens ausgedrücket wird. Und so gehören sie
zu den äusserlichen
Handlungen, welche nach der
Wahl und dem Verlangen der
Seele geschehen.
Wenn nun der
Grund, woraus die Geberden
entspringen, unrichtig und sündlich ist; so werden
auch die Geberden zu einer würcklichen Sünde.
Hohe Augen und hochmüthige Geberden hasset
der HErr. |
Sprüchw. VI, 16.
17. |
|
Leute, so Augen haben voll Ehebruchs, und
durch unzüchtige Geberden andere zur
fleischlichen Lust reitzen, sind
Knechte des
Verderbens. |
2 Petr. II, 14. 18.
19. |
|
Worte sind nichts anders als Ausdrückungen
der
Gedancken; wenn denn die Gedancken und
Worte eine solche Verbindung mit einander
haben, daß wir auch so gar, so lange wir unserer
bewust, nichts anders als Worte gedencken
können. Wenn nun die Worte von der
Wahrheit
und dem Gesetze abweichen, so gehören sie mit
zu den würcklichen Sünden. Daher gedencket die
Schrifft der schandbaren Worte und
Narrentheidung, des faulen Geschwätzes und der
Lügen |
Ephes. V, 4. Cap. IV, 24.
25. |
|
als |
|
|
{Sp. 29|S. 28} |
|
|
lauter sündlicher
Wercke,
davon sich die Menschen zu enthalten haben. |
|
äußerliche Handlungen |
Wir schreiten denn endlich zu den
Handlungen fort, die in äusserlichen
Wercken
bestehen. Die äusserlichen Wercke der
Menschen, wenn sie an und für sich selbst und
ohne alle
Umstände betrachtet werden, haben
eigentlich keine Gesetzlosigkeit an sich, sondern
können alle als gleichgültige Handlungen
angesehen werden; wenn sie aber aus einem
Grunde herfliessen, welcher mit dem
Gesetze
nicht übereinstimmet, so werden sie eben um
deßwillen sündlich. |
|
|
Der Mensch hat in der
Welt mit
verschiedenen
Dingen zu
thun; entweder mit
Gott,
oder mit sich selbst, oder mit seinem Nächsten,
oder auch mit andern Creaturen. Und so kan sich
denn der Mensch auch versündigen, entweder
gegen Gott, oder gegen sich selbst, oder gegen
seinen Nächsten, oder auch gegen andere
Geschöpffe. |
|
|
Es ist wohl
wahr, daß alle Sünden, weil sie
von dem ewigen und unveränderlichen Gesetz,
das in GOtt ist, abweichen, auch wieder GOtt
gehen; so kommen auch viele Fälle vor, da der
Mensch sich zu gleich wieder sich und seinen
Nächsten versündiget. Allein es
dienet doch zu
desto deutlichern
Begriffen, wenn die Sünden
jetztgedachter massen von einander
unterschieden werden. Und so stellen wir uns
denn zuerst |
|
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Die Sünden wieder GOtt |
|
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vor. Überhaupt wird wieder GOtt gesündiget,
wenn man sich nicht gegen GOtt verhält, wie es
die Beschaffenheit seines
Wesens erfordert. GOtt
ist ein ewiges, selbstständiges und
schlechterdings nothwendiges Wesen. Er ist nicht
allein
würcklich vorhanden; sondern es ist auch
unmöglich, daß er nicht da seyn solte. So hat er
sich auch den Menschen zu
erkennen gegeben
nicht nur in dem
Wercke der Schöpffung, sondern
auch in der
heiligen Schrifft; und zwar in beyden
so deutlich, daß die Menschen keine
Entschuldigung haben, wenn sie Gott nicht aus
dem erstern, geschweige denn aus dem letztern
erkennen. |
Rom. I, 19. 20. |
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Da nun das Licht zum
Erkänntniß Gottes da
ist, so muß in dem Menschen eine Abweichung
von dem Lichte, und folglich eine grosse
Finsterniß im
Verstande vorhanden seyn, wenn es
an der Erkänntniß GOttes fehlet. Und so haben
wir auch schon hier eine
Art der Sünde, die wieder
Gott begangen wird; wenn nehmlich Gott nicht
erkannt wird, der da könnte und auch
billig
solte
erkannt werden. Noch grösser ist die Sünde, wenn
die Menschen nicht achten, oder sich nicht darum
bekümmern, daß sie Gott erkennen. Hier ist eine
Unterlassung, welche mit einer grossen
Fahrläßigkeit verknüpffet ist. |
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Wenn nun die Nachläßigkeit zum Erkänntniß
GOttes zu gelangen, schon eine Sünde ist; was
wollen wir denn davon
sagen, wenn Gott gar
verläugnet wird. Dieses setzet wenigstens voraus,
daß man
wisse es werde von andern ein höchstes
Wesen, als der Schöpffer, Besitzer und
Beherrscher Himmels und der
Erden erkannt und
geglaubet. Wenn nun gleichwohl ein Mensch Gott
verläugnet; so ist bey ihm keine blosse
Unwissenheit, auch keine blosse Nachläßigkeit,
sondern ein grosser Grad der Bosheit. |
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Der Mensch versündiget sich ferner an Gott,
wenn er seinen
Willen dem
Willen |
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{Sp. 30} |
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GOttes nicht
vollkommen unterwirfft, sondern
demselben den Göttlichen Willen entziehet, oder
sich gar ihm wiedersetzet. Eine vollkommene
Unterwerffung des menschlichen unter den
Göttlichen Willen erfordert, daß der Mensch sich
alles gefallen lässet, was der Göttliche Wille mit
sich bringet. Der Mensch kan sich hier auf eine
dreyfache Weise versündigen. Entziehet der
Mensch seinen Willen von dem, was Gott von ihm
selbsten fordert, so ist die Versündigung gantz
offenbar. |
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Richten wir unsere Augen auf dasjenige, was
er selbsten
thut, und thun
will, so ist bekannt, daß
der Göttliche Wille in der
Natur vielfältig solche
Würckungen hervorbringt, daß weder Menschen,
noch andere Creaturen des
Erdbodens daran
etwas ändern können. Dahin gehöret z.E.
Sonnen-Schein, Wind, Regen, Hagel, Schnee,
Frost, Hitze und dergleichen. Alle diese
Dinge
kommen manchmahl dem Menschen, wie er es
nach seinen besondern
Umständen gerne haben
möchte, zur Unzeit. Und da fänget sich denn an
zu zeigen, wie weit der
menschliche Wille dem
Göttlichen unterworffen sey oder nicht. Wenn sich
nun hierbey heimlicher Unwille,
Unzufriedenheit,
Ungedult und Murren wieder Gott reget; so ist
solches schon eine Abweichung des
menschlichen von den Göttlichen Willen, welcher
der Mensch allerdings als sündlich an sich zu
erkennen hat. |
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Eben eine solche Abweichung zeiget sich
auch, wenn
GOtt von andern
bösen
Menschen
etwas uns schädliches und
nachtheiliges
geschehen lässet, welches der Mensch durch
seine Vorsichtigkeit, und durch andere erlaubte
Mittel nicht hat verhindern können. |
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Die Gottes-Lästerung ist gleichfalls eine
Art
der würcklichen Sünden, welche wieder Gott
begangen werden. Sie bestehet darinnen, wenn
etwas wieder die
Ehre Gottes
geredet und
vorgenommen wird. Die Ehre, wenn man
überhaupt von derselben redet,
gründet sich in
gewissen
Vollkommenheiten eines
vernünfftigen
Wesens, und bestehet also darinne, wenn man so
redet und sich bezeiget, wie es den
Vollkommenheiten eines solchen Wesens gemäß
ist. Folglich bestehet die Ehre, welche eine
vernünfftige Creatur dem höchsten Wesen giebet,
und zu geben
verbunden ist, darinne, wenn sie
also von GOtt redet, und sich dermassen gegen
ihn
beweiset, als es die Vollkommenheiten GOttes
des höchsten Wesens erfordern. |
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Daraus wird nun klar, daß eine
Gotteslästerung sey, wenn man Gott die
gebührende Ehre nicht allein nicht erzeiget,
sondern, und zwar vornehmlich, wenn man wieder
die Ehre GOttes, und wieder seine
Vollkommenheiten etwas redet und vornimmt. Ein
Mensch also der da verächtlich und
geringschätzig von Gott, seinen
Eigenschafften,
und seinen
Wercken redet, der lästert GOtt. |
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Mit der GOtteslästerung kommt die Sünde
der Abgötterey ziemlicher massen überein. Denn
wie die erstere darinne bestehet, wenn man
wieder die Ehre Gottes etwas redet oder
vornimmt; also wird dieses letztere begangen,
wenn man die Ehre die Gott allein gebühret der
blossen Creatur beyleget. |
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Wir haben bisher von den würcklichen
Sünden, die wieder Gott begangen werden
gehandelt. Nun hat der Mensch in der
Welt nicht
nur mit
GOTT, sondern auch mit |
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{Sp. 31|S. 29} |
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sich selbst zu thun, und so schreiten wir denn
zu den¶ |
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Sünden, die der Mensch wieder sich selbst
begehet.¶ |
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Der Mensch ist sich selbst die
Liebe schuldig,
das ist, er ist
verbunden, sich als ein
vernünfftiges
Geschöpff anzusehen, und gegen sich selbst sich
so zu betragen, wie ein vernünfftiges Geschöpff
es verdienet, mithin sein eigen wahres Beste auf
eine Gesetzmäßige Art in allen Stücken zu
suchen. Wenn wir uns den
Zustand des
Menschen
vorstellen, so können wir denselben
betrachten, entweder nach seinem
Wesen, oder
nach seinen äusserlichen
Umständen. Zu dem
Wesen des Menschen gehöret
Seele und
Leib. Es
ist eine ausgemachte
Sache, daß die Seele viel
edler sey, als der Leib. So
beweiset demnach der
Mensch eine Gesetzmäßige Liebe gegen sich
selbst, wenn in der Liebe die Seele und derselben
Bestes dem Leibe vorgezogen wird. |
|
|
Hieraus können wir nun abnehmen daß der
Mensch wieder sich selbst sündige, wenn er das
wahre Beste seiner Seele hintansetzet, und das
äusserliche Wohl seines Leibes demselben
vorziehet. Der Mensch sündiget wieder sich
selbst, wenn er im
gemeinen Wesen solche
Dinge
begehet, dadurch er
rechtmäßiger Weise in
Schimpff und Schande, in
Verlust seiner
Güter
oder Freyheit, oder auch seines
Lebens selbst,
gesetzet wird. |
|
|
Der Mensch sündiget endlich wieder sich
selbst, wenn er einen Mord an seinen eignen
Leibe begehet. Denn wie er sich sein Leben nicht
selbsten gegeben hat, und auch von dem
Schöpffer zum
Herrn seines Lebens nicht gesetzet
ist, also ist auch nicht befugt, ihm selber das
Leben zu nehmen. |
|
|
Der Mensch ist nicht alleine in der
Welt;
sondern er findet an allen
Orten seines gleichen,
die ihrem Wesen und ihrer
Natur nach mit ihm
übereinkommen. Es sündiget daher der Mensch
nicht nur wieder sich selbst, sondern auch wieder
seinen Nächsten. Daher folgen¶ |
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|
Die Sünden des Menschen wieder seinen
Nächsten.¶ |
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Die vornehmste Sünde, die der
Mensch an
seinem Nächsten begehen kan, ist, wenn er ihm
durch Verführung seine
Seele verdirbet, und
dadurch, so viel an ihm ist, ins ewige Verderben
stürtzet. |
|
|
Ausser diesem kan sich ein Mensch an seinem Nächsten versündigen, wenn er
theils ihm dasselbige entziehet was er ihm zu leisten nach der
Liebe
verbunden ist; theils auch, wenn er das
an ihm
thut, was er ohne Verletzung der wahren
Liebe an seinem Nächsten nicht thun kan. |
|
|
Der Mensch ist
verpflichtet, auf des Nächsten
Beste sein Auge mit zu richten, und dasselbe
nach Möglichkeit mit zu besorgen. Daher
schreibet der Apostel:
Niemand suche alleine, was
sein ist, sondern auch was des andern ist. Wenn
nun der Mensch seinen Nächsten um deßwillen
weil er etwa nicht so groß,
reich und vornehm ist,
als er, oder weil er
meynet, daß er von ihm keinen
sonderlichen Dienst und
Nutzen wider erwarten
könne, verachtet, und ihm in seiner
Noth nicht
beyspringet, da er solches doch wohl thun könnte,
so heisset es: der Sünder verachtet seinen
Nächsten |
Sprüchw. XIV, 21. |
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Weil nun |
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{Sp. 32} |
|
|
eine solche Verachtung, daraus die
Unterlassung der Ausübung der Liebe gegen den
Nächsten entspringet, eine Unbarmhertzigkeit
zum
Grunde hat; so ist auch dieselbe schon als
eine heimliche und verborgene Sünde wieder den
Nächsten anzusehen. |
|
|
Nebst diesem versündiget sich der Mensch
wieder seinen Nächsten, wenn er ihm frevelhaffter
Weise an seinem
Leibe, an seiner Gesundheit, an
seinem
Leben, oder sonst an seinen
Gütern, und
an seiner Ehre
Schaden zufüget. Und da auch
diese würckliche
That in dem Hertzen des
Menschen eine verderbte
Neigung zum Grunde
hat, in dem man dergleichen an Niemanden
ausüben wird, wieder welchem man nicht mit
unbefugtem Zorn, Haß, Feindschafft, Rachgier
oder ungegründetem Argwohn eingenommen ist;
so gehören denn alle diese Dinge abermahls mit
zu der Classe, der Sünden wieder den
Nächsten. |
|
Sünden wider Kreaturen |
Es ist noch eine
Art der würcklichen Sünden
übrig, die nehmlich wieder die unvernünfftige und
leblose Creatur begangen wird.
Gott hat zwar den
Menschen zum
Herren über die Creatur gesetzet;
Gott bleibet aber deßwegen dennoch der oberste
Herr und Schöpffer derselben, und hat die Creatur
dem Menschen nicht solchergestalt in die
Gewalt
gegeben, daß er damit umgehen dürffte, wie er
wolte; deßwegen Gott auch gleich im Anfange,
und noch im
Stande der Unschuld, dem ersten
Menschen das Essen eines gewissen Baums
untersaget hat, damit derselbe eine
Erinnerung
haben möchte, er
müsse bey dem
Gebrauch der
Creaturen Gott beständig als seinen Oberherren
ansehen. |
|
|
So versündiget man sich denn an der
Creatur, wenn man dieselbe bloß nach seinen
verkehrten und ausschweifenden
Begierden
gebrauchet, oder vielmehr mißbrauchet. Der
Gerechte, heist es, erbarmet sich auch seines
Viehes, aber das Hertz der Gottlosen ist
unbarmhertzig. |
Sprüchw. XII, 10. |
|
Es ist zwar das Vieh dem Menschen zum
Gebrauch und
Nutzen gegeben, und, wenn es die
Noth erfordert, und der Mensch einen wahren
Nutzen, den er sonst nicht erhalten kan, davon zu
gewarten hat, so ist es keine Unbarmhertzigkeit,
wenn auch einem Viehe auf gewisse Weise hart
mit gefahren wird. Wenn aber der Mensch aus
blosser Leichtsinnigkeit mit einem Viehe hart
umgehet, so ist solches schon eine Art einer
sündlichen und vor GOTT strafbaren
Unbarmhertzigkeit. |
|
|
Noch grösser ist das Verbrechen wenn mit
dem Vieh unnatürliche Sünden getrieben werden, als worauf Gott einen besondern
Fluch geleget hat |
- 5 Buch Mos. XVII, 21.
- 2 B. Mos. XXII, 19.
- 3 B. Mos. XVII, 23. cap. XX,
15, 16.
|
weitere Sünden |
Ausser jetzt angeführten Sünden kan auch
jemand entweder wieder besser
Wissen und
Gewissen oder unwissentlich von dem
Gesetze
abweichen. Eine Sünde der Unwissenheit
Latein.
Peccatum ignorantiae, ist, wenn ein Mensch
wieder das Gesetz handelt, ohne daß er dasselbe
inne wird, oder daran gedencket. David
saget
davon: Wer kan wissen, wie offt er fehlet? |
Psalm XIX, 20. |
|
Man solte zwar
meynen, daß eine solche
unwissentliche Sünde nicht so gar viel auf sich
hätte; allein sie zeuget bey dem Menschen von
einem sehr grossen Verderben. Denn einmahl, da
der Mensch im Stande ist, |
|
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{Sp. 33|S. 30} |
|
|
unwissentlich
Böses zu
thun, so ist solches
ein
Zeichen, daß er nicht allemahl recht auf seiner
Hut sey; da es doch mit zur
Vollkommenheit
gehöret, sich bey seinen
Handlungen seiner
bewust seyn. Überdem muß derselbe, der auch
unwissentlich sündiget, schon eine grosse
Fertigkeit zum Bösen besitzen, indem er nicht
lange überlegen darff, wie er etwas Böses
ausrichten wolle, sondern solches
gantz
natürlich
ist. |
|
|
Wenn nun die Sünde der Unwissenheit schon
ihr Gewichte hat; was wollen wir denn von solchen
Sünden
sagen, die wider besser Wissen und
Gewissen begangen werden. Der
Mensch
weiß,
was er thut, er weiß auch, daß er dem
Gesetz
zuwider handelt, und dennoch thut ers. Dieses
letztere kan nicht geschehen, ohne daß der
Mensch die Sünde liebet und in dieselbe
williget. |
|
|
Es sind Sünden, die mit
Willen und Vorsatz
begangen werden, wissentliche Sünden,
Lat.
Peccata voluntaria, Proaeritica, malitiae, voluntatis
deliberatae, peccata contra conscientiam, und
sind auch Sünden, die aus Übereilung und ohne
eine völlige Einwilligung geschehen,
Schwachheits-Sünden, Lat. Peccata involuntaria,
infirmitatis. |
|
|
Die erstere sind zwar viel grösser als die
letztere; aber diese sind doch auch nicht geringe.
Denn sie zeugen von einem unordentlichen und
gewaltsamen
Affect, welcher noch in dem
Menschen verborgen ist, und davon der Mensch
billig frey seyn solte, wenn sein Hertz und
Sinn ein
würcklicher und vollkommener Abdruck des
Gesetzes wäre. |
|
|
Der Mensch kan aus Übereilung eben so viel
böses und schädliches thun, als etwa von einem
andern mit rechtem Vorsatze geschehen möchte.
Ein Mensch, der in der ersten Hitze und ohne
vorhergegangene Überlegung, einen erschläget,
thut an dem andern eben das, was ein anderer
etwa mit genugsamer Überlegung thun möchte.
Und daher können auch die Sünden der
Übereilung nicht für Kleinigkeiten gehalten
werden. |
|
übrige Sünden |
Die
Benennungen der übrigen Sünden-Arten
haben ihren
Grund theils in den sündigenden
Personen, theils ausser denselben. Und auf
solche Weise werden die Sünden der
Wiedergebohrnen, welche von ihnen entweder
aus Schwachheit oder Übereilung würcklich
begangen worden, erläßliche Sünden, Lat.
Peccata venialia,
genennet, nicht etwa aus
diesem Grunde, als ob sie an und vor sich
erläßlich wären, und die ewige Verdammniß nicht
verdieneten; sondern weil selbige von den
Wiedergebohrnen, sobald sie begangen werden,
auch so gleich wieder bereuet werden, und ihnen
Krafft der Zueignung des Verdienstes JESU nicht
zugerechnet werden; da hingegen die Sünden der
Unwiedergebohrnen Tod-Sünden, Lat. Peccata
mortalia, genennet werden, weil sie von
denselben nicht bereuet werden, und also den
geistlichen und ewigen Tod nach sich ziehen. |
|
|
Die wissentlichen Sünden werden wieder in
herrschende, Lat. Peccata regnantia, und
nicht
herrschende Sünden, Lat. Peccata non regnantia,
eingetheilet. Jene werden deswegen also
genennet, theils, weil sie aus einer blossen
Gewohnheit zu sündigen entstehen, da sich ein
Unwiedergebohrner angewöhnet hat, bald wider
dieses, bald wider |
|
|
{Sp. 34} |
|
|
jenes Gebot zu sündigen, theils, weil diese
oder jene Sünde von dem Sünder mit
Willen und
Vorsatz öffters wiederholet wird, und mit einem
rechten Verlangen, die selber noch mehrmahls zu
begehen, verknüpffet ist. |
|
|
Eine herrschende Sünde kan auch eine
solche genennet werden, welche in andern
Ausdrückungen auch eine Schoß-Sünde genennet
wird, welcher man vor allen andern gantz
besonders ergeben ist, und von welcher die
übrigen sündlichen Handlungen gleichsam
dependiren.
Z.E. bey einem
Geitzigen ist die
herrschende Sünde der Geitz. Ein solcher Mensch
wird alle seine Handlungen also einrichten, daß
sie seiner Haupt-Neigung nicht zuwider lauffen,
sondern dieselbe vielmehr befördern, sie mögen
nun offenbahre Abweichungen von dem Gesetze
seyn, oder nicht. |
|
|
Mit den
Nahmen der
nicht herrschenden
Sünden werden diejenigen beleget, welche sich
dann und wann bey den Wiedergebohrnen hervor
thun, aber in ihnen nicht die Oberherrschaft
erhalten können. |
|
|
Wenn jemand zu einer Sünde, oder zu durch
deren Fortsetzung etwas beyträget, oder billiget,
der handelt wider das Gesetz und sündiget. Daher
sind ausser den eigenen Sünden, Lat. Peccatis
propriis, auch fremde Sünden, Lat.
Peccata
aliena, peccata participata. |
1 Tim. V, 22. |
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Man kan sich fremder Sünden
theilhafftig
machen antecedenter, da man entweder Ärgerniß
giebt, die Sünde, da es möglich ist, nicht
verhindert, den andern nicht bessert; oder durch
Rathen,
Befehlen, Zwingen, oder Verschaffung
der Gelegenheit zu sündigen; und consequenter,
durch Vergnügen, Nachahmung, Vertheidigung,
Unterlassung und Verhinderung die Sünde
abzuschaffen. |
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Schreyende Sünden, Lat. Peccata clamantia,
heissen in der
heiligen Schrifft diejenigen, welche
ihrer Grösse und Abscheulichkeit wegen die
augenblickliche Rache GOttes nach sich ziehen,
und daher scheinen gleichsam zu GOtt um die
Vergeltung des
Bösen schreyen. Sie werden in
den nachfolgenden Verse begriffen: |
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Clamitae ad Coelum vox Sanguinis et
Sodomorum
Vox oppressorum, merces detenta
laborum, |
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