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Hier wollen wir nur zwo Fragen erörtern,
welche folgende sind: |
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I. Ob GOtt durch die Zulassung des Bösen zu
einem Urheber der Sünde werde? II. Ob er durch
die Erhaltung der sündigen Creatur zu einer
Ursache derselben werde? |
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I. |
Die erste betreffend, so bemercken wir, daß
sich die Menschen an die Zulassung des
Bösen
sehr stossen. Es ist daher wohl nöthig, daß dieser
Punct berühret, und daß untersuchet werde, ob
die Zulassung des Bösen mit den
Göttlichen
Eigenschafften streite, und ob sie insonderheit mit
der Macht,
Weisheit, Güte und Heiligkeit GOttes
bestehen könne. |
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Um nun hier auf den
Grund zu kommen, so
ist
nöthig, daß wir zwischen der Sünde, welche in
den
wesentlichen
Kräfften einer
vernünfftigen
Creatur ihren Sitz hat, und zwischen denen
daraus entspringenden äusserlichen bösen
Handlungen, einen
Unterscheid
machen. Und abermahls muß ein Unterscheid gemachet
werden, zwischen der blossen
Möglichkeit zu
sündigen, und böse zu werden, und zwischen der
würcklichen
Neigung zum Bösen. |
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Das eigentliche
Böse, oder die Sünde ist
nichts anders, als eine Abweichung von der
Wahrheit und dem
Gesetze, so ferne dieselbe
ihrer Natur nach den
gantzen
Zustand eines |
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{Sp. 14} |
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vernünfftigen
Wesens verschlimmert und
unvollkommener macht. Wenn wir nun zuerst bey
der blosen Möglichkeit der Sünde und des Bösen
stehen bleiben; so finden wir leichte, daß dieselbe
bey dem Göttlichen Wesen keines Weges statt
findet. Denn Gottes-Wesen ist schlechterdings
ewig; es ist auf einmahl, was es ist, es ist ohne
allen
Schrancken, und daher unveränderlich. In
Gott ist die allerdeutlichste und vollkommenste
Erkänntniß des
Guten. Diese Erkänntniß ist daher
unveränderlich, und können folglich in Gott
niemahls
falsche
Begriffe entstehen. |
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Weil uns der
Wille nach der
Art, und dem
Maasse der Erkänntniß geneiget wird; so findet
denn auch bey Gott nicht die geringste
Abweichung von der Liebe zum Guten statt. Und
so ist es denn auf keine Weisse unmöglich, daß in
GOtt selbsten etwas böses oder sündliches solte
entstehen können; mithin hat das Böse in dem
ewigen und
vollkommensten Wesen GOttes nicht
die geringste Wurtzel, weder der
Würcklichkeit,
noch einmahl der Möglichkeit nach. |
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Wenn wir aber dargegen die Creaturen, und
insonderheit die
vernünfftigen Geschöpffe
betrachten; so sind sie alle endlich, und haben so
wohl in ihrem
Wesen als auch in ihren
Kräfften,
ihre gewisse Schrancken. Dis ist der Creatur so
wesentlich eigen, daß es ihr auch durch die
Göttliche Macht selbsten nicht kan genommen
werden. Denn wenn eine Creatur unendliche
Kräffte, und uneingeschränckte
Eigenschafften
haben
solte; so
müste sie eine Creatur und zu
gleicher
Zeit auch
GOtt selbst seyn. Dieses
wiederspricht sich aber vollkommen, stürtzet den
Grund aller
Wahrheit über einen Hauffen, ist in
sich selbst schlechterdings unmöglich, und kan
daher auch durch die Göttliche Macht nicht
bewerckstelliget werden, indem dieselbe nichts
hervorbringen kan, als was der
Göttliche Verstand
sich als möglich
vorstellet. |
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Weil denn nun aber auf jetzt besagte Weise
die vernünfftige Creatur ihre
gewisse
Schrancken
hat, und also ihre Kräffte, die sie als eine
vernünfftige Creatur besitzet, eingeschräncket
sind; so ist es an sich selbst möglich daß sich eine
vernünfftige Creatur verändern kan, so wohl in
ihren
Vorstellungen, als auch in ihren
Neigungen.
Die Möglichkeit ist also der Creatur
wesentlich
eigen, und kan ihr von dem Schöpffer nicht
genommen werden; folglich kan ihr auch die
blosse Möglichkeit,
falsche Vorstellungen und
verkehrte Neigungen zu haben, nicht genommen
werden. Allein in der blosen Möglichkeit lieget
noch nichts
böses; in dem das Böse in einer
würcklichen Abweichung von der Wahrheit und
dem Gesetze bestehet; und gleichwohl etwas
nicht deßwegen würcklich ist, oder
nothwendig
werden muß, weil es an und vor sich selbst
möglich ist. |
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Daß dieses seine Richtigkeit habe, davon
sind die Menschen in ihren
Handlungen selbst die
besten Zeugen. Es ist ja an sich selbst
möglich,
daß ein jeglicher Mensch dem andern durch ein
tödliches Gewehr das
Leben nehmen kan; aber
geschiehet es denn deßwegen würcklich, oder
muß es würcklich geschehen? Was würde man
sagen, wenn uns jemand eines würcklichen
Todschlages aus diesem Grunde beschuldigen
wolte, weil es uns möglich gewesen wäre einen
Todschlag zuverrich- |
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{Sp. 15|S. 21} |
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ten? Oder wenn jemand einem Schwerdt-Feger oder Büchsenmacher, einen Todschlag
deßwegen zurechnen wolte, weil er ein Gewehr
verfertiget hätte, mit welchem ein anderer nach
seinem eigenen Gefallen einen Menschen ums
Leben gebracht hätte? Die Zueignung ist hier auf
Gott und den ersten Menschen leicht
gemacht. |
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Insonderheit erhellet daraus soviel, daß in der
blosen Möglichkeit zu sündigen, welche bey den
ersten Menschen, als endlichen und
eingeschränckten Geschöpffen sich gefunden hat,
noch gar kein hinlänglicher
Grund zur Sünde
liege. So kan auch die blose Möglichkeit des
Bösen Niemanden zu gerechnet werden, wenn
nicht erst eine
würckliche Entschliessung zum
Bösen hinzu kommt. Es müssen erst bey der
Creatur würckliche
falsche, von der
Wahrheit und
dem
Gesetze abweichende
Vorstellungen und
Neigungen
entstehen, wenn sich etwas böses an
der Creatur befinden soll. |
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Diese falsche Vorstellungen aber müssen
entweder von der Creatur selbst, oder von andern
Creaturen, oder auch von Gott gemacht werden.
Von Gott sind dem ersten Menschen keine falsche
Vorstellungen gemacht worden; er hat ihn zur
Wahrheit erschaffen, und hat ihm nichts als
Wahrheiten vorgesagt. Ja Gott kan auch
vernünfftigen Creaturen keine falsche
Vorstellungen machen, noch beyzubringen
suchen; denn er hat dergleichen selbst nicht, kan
sie auch nicht haben, und kan sie auch bey
andern nicht lieben noch billigen, weil er sonst
wieder sich selbst und wieder seine ewige
Wahrheit handeln müste. Und so rühren denn die
falschen Vorstellungen bey den Creaturen nicht
von Gott her. |
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Daher bleiben selbige den Creaturen eigen,
nicht, so fern sie Creaturen sind, sondern, so fern
sie willkührlich und würcklich von der Wahrheit
abweichen. Denn wenn auch andere Creaturen
uns falsche Vorstellungen machen und
beyzubringen suchen, so können selbige uns
doch nicht anders zum Bösen, und daß die Sünde
würcklich in uns Platz gewinnet, bringen, als wenn
wir sie selbst annehmen, und dadurch unser eigen
werden lassen. |
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Und so haben wir denn bisßhero gesehen,
was der oben angeführte
Unterscheid, zwischen
der blosen Möglichkeit und
Würcklichkeit des
Bösen,
sagen
wolle; und wie daraus, daß
GOtt
den Menschen nicht anders, als in dem
Stande
einer blosen Möglichkeit zu sündigen, erschaffen
hat, so gar nicht folge, daß man GOtt dieserwegen
zum Urheber der Sünde und des Bösen machen
könnte, daß man auch nicht einmahl den
Menschen, alleine um der
Ursachen willen, weil
bey ihm eine blose Möglichkeit zu sündigen
vorhanden ist, als einen würcklichen Sünder
ansehen kan. |
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Wenn wir nun weiter gehen, und auf die
würckliche Abweichung vom wahren
Guten in dem
Verstande und
Willen des Menschen unsere
Augen richten; so haben wir schon vorhin
bewiesen, daß dieselbe gleichfalls nicht von Gott
herrühre. Wir
müssen aber doch zu gestehen, daß
hier eine Göttliche Zulassung mit obwalte. Und so
fraget sichs denn: Ob diese Zulassung den
Göttlichen
Eigenschafften nicht zuwieder lauffe.
Hierbey aber ist zu erwegen, daß Gott, da er den
Menschen zu einer
vernünfftigen Creatur
erschaffen hat, demselben auch den Ge- |
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{Sp. 16} |
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brauch seines
freyen Willens nicht hat
benehmen können; weil einer vernünfftigen
Creatur, wie der Verstand also auch der freye
Wille
wesentliche eigen ist, und ohne dieses
doppelte
Vermögen kein vernünfftiges
Wesen
seyn kan. |
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Wenn nun eine Creatur sich selbst
falsche
Vorstellungen macht, und machen
will, und ihre
Neigungen darnach einrichtet; so muß der
Schöpffer es geschehen lassen, wo er sie nicht
augenblicklich ihres Wesens berauben, oder zu
nichts machen will. Denn nimmet man einem
Geiste den freyen Willen, so nimmt man ihm sein
Wesen, denn der freye Wille gehöret mit zu
seinem Wesen. Und es ist eben so viel, als wenn
man ein Nichts aus ihm machen wolte. |
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Mit einem
Cörper hat es eine andere
Beschaffenheit. Denn, weil das Wesen eines
Cörpers in der Art der Zusammensetzung seiner
Theile bestehet, so wird sein Wesen zerstöhret,
wenn seine Theile, daraus der Cörper bestehet,
gantz aufgelöset werden. Aber deßwegen kan
man nicht
sagen, daß der Cörper schlechterdings
zu Nichts werde. Denn es bleiben die kleinen
Theile, daraus er bestanden, und solten es auch
nur Stäubgen seyn, noch irgendwo übrig. |
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Allein ein Geist ist kein zusammen gesetztes,
sondern ein einfaches Wesen. Daher kan ihm
nichts, was zu seinem
Wesen gehöret genommen
werden, ohne ihn in sein voriges Nichts zu setzen.
Wie nun aber der freye Wille selbst einem Geiste,
wenn er anders bestehen und ein Geist bleiben
soll, nicht genommen werden kan; also kan auch
der
Gebrauch des freyen Willens nicht
schlechterdings genommen werden. Denn wozu
wäre der freye Wille, wenn er niemahls frey solte
können gebrauchet werden? |
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In so fern demnach das
Böse so zu sagen, in
dem Schooß und
Bezirck eines Geistes entstehet,
und verborgen bleibet; in so ferne könnte
GOTT
solche Ausbrüche auf eine sehr leichte Art
hindern. Da er nun aber dieselben gleichwohl sehr
offte zuläst, so ist von dieser
Art der Sünde und
des Bösen der meiste
Zweiffel; ob nicht die
Göttliche Zulassung ein
Zeichen sey, daß Gott an
den bösen
Handlungen Theil nehme, und ob nicht
dieselbe der Göttlichen Güte und Heiligkeit zu
wiederlauffe. |
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Bey dieser
Sache
aber ist zuförderst zu untersuchen, ob man nicht eine äusserliche böse Handlung zulassen könne, ohne dieselbe zu
billigen; und in welchem Fall man selbige
ohnbeschadet der Heiligkeit zulassen könne, und
nach den
Regeln der
Weisheit und Güte zulassen
müsse. Wenn man etwas Böses zulässet,
deßwegen, weil es böse ist, um des Bösen willen;
so ist kein Zweiffel, daß man das Böse zugleich
billige und Theil daran nehme. Wenn man aber
das Böse deßwegen zuläst, weil man
weiß und
erkennet, daß sonst etwas
gutes, welches viel
wichtiger ist als das Böse, nicht würde erhalten
werden können; so ist an einer solchen Zulassung
nichts sträffliches. |
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Es ist zwar wohl eine ewige
Wahrheit, daß
man nichts böses
thun
soll, damit etwas gutes
herauskomme; aber etwas selber thun und etwas
zulassen, ist sehr weit von einander
unterschieden. Man kan nichts böses thun, ohne
das Böse zu billigen; aber man kan wohl etwas
Böses ohne Billigung desselben |
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{Sp. 17|S. 22} |
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zulassen, wenn man nehmlich weiß und
gewiß ist, daß viel ein wichtiger Gutes gantz
unterbleiben würde, wenn man das Böse
schlechterdings nicht hätte zulassen wollen.
Exempel werden diese
Sache erläutern und
bestätigen. |
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GOtt lässet zu, daß der böse
Sinn und die
bösen
Neigungen
bey einem
Menschen durch
äusserliche
Worte und
Wercke ausbrechen. Er
könnte dieses letztere durch seine Allmacht leicht
hindern, er
thut es aber nicht. Warum thut er es
nicht? Er handelt hier nach seiner
Weisheit. Wenn
eine Kranckheit in dem
Cörper verborgen bleibet,
so glaubet offt der Mensch nicht, daß er so kranck
sey, und will nichts brauchen; schläget die
Kranckheit aus, so hat er Gelegenheit seine
Gefahr zu
erkennen, und ist noch eher zu
bewegen, wider seine Kranckheit heilsame
Mittel
anzunehmen. |
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So lange das
Böse nur in den blossen
Vorstellungen u. Neigungen bleibet, glaubt der
Mensch schwerlich, daß er in einem schlechten u.
Verdammungs würdigen
Zustande sich befinde; ja
er kützelt sich wohl mit dem, was in seinem
Geiste
unordentliches vorgehet. Aber wenn es GOtt
zulässet, daß er in manche grobe Sünde
äusserlich hineinplumt, so ist es noch eher mit ihm
dahin zu bringen, daß er sich selbst erkennen und
fühlen lernet, und die Mittel von seinem Verderben
loß zu werden, sich gefallen läst. Hierauf
gründet
sich der Ausspruch Christi, wenn er zu den
Pharisäern, die darum, weil sie äusserlich und vor
der
Welt keine Räuber und Ehebrecher waren,
sich vor gantz gute und fromme Menschen hielten,
saget:
Die Hurer mögen wohl ehe ins Himmel-Reich kommen, denn ihr. |
Matth. XXI, 31. |
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Bey dem äusserlichen Ausbruch der Sünde,
kan der Mensch viel eher gefaßt, und ihm die
Scheußlichkeit und Schädlichkeit derselben zu
seiner und anderer Besserung
vorgestellet
werden, als wenn die Sünde in der Heucheley bey
ihm versteckt bleibet.
Will der Mensch bey dem
äusserlichen Ausbruch seiner Sünde sich selbst
nicht helffen lassen; so können doch andere einen
Nutzen daher haben. |
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Die bösen Handlungen der Menschen,
müssen offte andern zu vielen guten dienen,
entweder zur Übung in der
Gedult, und daß man
sich um desto mehr zu GOtt halte; oder, daß man
einen desto grössern Abscheu vor der Sünde
bekomme, und, weil der Ausbruch derselben so
scheußliche Folgen nach sich ziehet, daß man um
desto mehr über sein Hertz wache, und den
ersten verkehrten Neigungen keinen
Raum
gebe. |
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Hätte GOtt die böse
That der
Kinder Jacobs,
die sie an ihren Bruder Joseph bewiesen,
schlechterdings hindern wollen, so würde das
Gute, welches Joseph in Egypten ausrichtete,
nicht erfolget seyn. Die Brüder Josephs konnten
sich dieses Gute keinesweges zuschreiben, weil
es gar ihre Absicht nicht war; aber Joseph sahe
dabey auf die Absicht GOttes, warum er dieses
alles habe geschehen lassen, und sagte
deswegen: Ihr gedachtets böse mit mir zu
machen, GOtt aber gedachts gut zu machen, daß
er thät, wie es jetzt am ist Tage, zu erhalten viel
Volcks. |
1 B. Mosis L, 20. |
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Wenn GOTT schlechterdings hätte hindern
wollen, daß die
Jüden ihren bösen Vorsatz wider
Christum nicht ins
Werck hätten richten können,
und wenn er ihnen denselben, so zu sagen, nicht
hätte Preiß geben |
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{Sp. 18} |
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wollen, so würde das, was aus der
Creutzigung Christi erfolget ist, zugleich
unterblieben seyn. |
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Über dem so kan etwas
böses auf eine
unschuldige Weise zugelassen werden, nicht nur
in der Absicht, damit ein grösser Gut nicht
unterbleiben dürffe, sondern auch, damit ein
grösser
Übel verhindert, und demselben
vorgebeuget werde. Man setze zum
Exempel den
Fall, daß ein
Vater vorher
wüste, daß, wenn sein
Sohn
gegenwärtig aufs Eyß gienge, er ein Bein
zerbrechen würde. Er wüste aber auch vorher,
daß, wenn er gegenwärtig solches
schlechterdings hindern wolte, sein Sohn doch zur
andern
Zeit aufs Eyß lauffen, und gar ersauffen
würde. Wenn er nun dabey
gewiß wüste, daß
sein Sohn durch Zerbrechung eines Beins, von
dem Eyßgehen dermassen würde abgeschrecket
werden, daß das grössere
Unglück des
Ersauffens dadurch unterbliebe, könnte man es
denn einem Vater wohl verdencken, wenn er
gegenwärtig seinen Sohn aufs Eyß gehen liesse?
Eine solche Zulassung ist so gar ohne Schuld,
daß sie vielmehr der gütigen Vorsicht des Vaters
muß zugeschrieben werden. |
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Da nun der so gütige
GOtt, dessen
Wille und
Rathschluß immer auf das Beste gehet, den
schweren Fall des Menschen zugelassen hat; so
wäre es ja ein sehr übereiltes
Urtheil, wenn man
daraus gleich
schliessen
wolte, er habe den Fall
des Menschen, um des Falles willen gewollt; da
man ja vielmehr
Ursache hat zu
glauben, er
müsse vorher gesehen haben, daß, wenn er
solchen Fall nicht zulassen wolte, der
Mensch in
noch viel schlimmere
Umstände, die gar nicht
wieder hätten gut gemacht werden können,
verfallen würde. Wenn wir nun aber auch nicht
bey allen Fällen den guten
Zweck unsers GOttes
nicht zu erreichen vermögend wären, so hätten wir
solches lediglich unserer Unwissenheit, da wir
nicht alle Umstände durchschauen können,
zuzuschreiben, wären aber nicht befugt,
dieserwegen die Zulassung des Bösen von Seiten
GOttes als einen
Ursprung der Sünde und des
Bösen anzusehen. |
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II. |
GOtt hat nicht allein die Creaturen erschaffen;
sondern er erhält sie auch, und sie würden in ihr
voriges Nicht seyn zurücke gehen, wenn GOtt
seine Erhaltungs-Krafft von ihnen abziehen wolte.
Weil nun viele Creaturen von GOtt abgefallen, und
in die Sünde gerathen sind, bey ihnen aber keine
sündliche Handlungen statt finden würden, wenn
sie GOtt nicht in ihrem
Wesen erhielte, sondern
sie zu Nichts werden liesse; so möchte noch die
Frage entstehen, ob denn nicht von wegen
solcher Erhaltung, GOtt die
Ursache der Sünde
zugeschrieben werden können? Jedoch
ausserdem, daß die Göttliche Erhaltung allein auf
die
Würcklichkeit der
Dinge gehet, nicht aber auf
derselben Seeligkeit oder Unseeligkeit, und also
auch nicht auf ihre freywilligen
Handlungen, in
sofern aus denselben eine Seeligkeit oder
Unseeligkeit erwächset; indem aus der blossen
Würcklichkeit einer
vernünfftigen Creatur an sich
selbst nicht folget, daß sie dieses oder jenes thue,
oder
thun müsse, wodurch sie
glücklich wird, oder
sich
unglücklich macht; so haben wir fürnehmlich
dreyerley Ursachen zu erwegen, die GOtt mit
gutem
Grunde dazu bringen können, daß er die
sündige Creatur weder gantz und gar zernichte,
noch auch sonst sogleich aus |
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{Sp. 19|S. 23} |
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dem Wege räume, damit sie etwa nicht weiter
im
Stande seyn möchte, durch
gewisse
äusserliche Handlungen hier in dieser
Welt sich zu
vergehen. Die erste gehet auf GOtt selbst, die
andere auf die sündigende Creatur, und die dritte
auf andere vernünfftige Geschöpffe; alles mit
einander aber überkommt sein rechtes Gewicht
davon, daß GOtt in seinem lautern
Verstande und
nach seiner
Weisheit allen
Umstände nach
dieses oder jenes für das beste erkennet. |
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Wenn
GOtt eine sündige Creatur, die da
gleichsam wider ihn wütet und tobet,
gantz und
gar vertilgen wolte, so wäre es fast eben so viel,
als ob er sich für derselben
fürchten müste;
ebenfalls wie ein
Fürst für
gut finden
möchte,
einen Menschen, von dem er grosse Unruhe im
gemeinen Wesen und Gefahr für seine eigene
hohe Person besorget, ohne vieles Bedencken
sogleich hinzurichten, welches dem
Grunde nach
aus einer Furcht, daß ihm sonst selbst, oder
seinem
Regimente was
böses begegnen möchte,
herrühret, und ein deutliches Zeugniß und
täthliches Bekänntniß ableget, daß er seiner
eignen Macht nicht so schlechterdings trauen
dürffe. |
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Wenn ein kleines
Kind,
das man mit einem Finger über einen Hauffen stossen kan, drohet, darüber wird
sich Niemand graue Haare wachsen lassen. Wenn man aber den Drohungen durch die
Vertilgung des andern vorzukommen nöthig hat; so zeiget man damit an, daß man
sich zu fürchten
Ursache habe. Unser GOtt, als ein allmächtiger
Herr Himmels und der
Erden, darff sich weder vor
Teuffel noch Menschen fürchten. Da er nun
beyden ihren Lauff lässet, so zeiget er damit an,
daß er sie verachte, und sie nicht fürchten dürffe.
Wenn schon die Heyden toben, und die Könige im
Lande sich auflehnen, und die Herren mit
einander rathschlagen, wider den HErrn und
seinen Gesalbten; so lachet ihrer doch der im
Himmel wohnet, und der HErr spottet ihrer. |
Psalm II, 1. 2. 4. |
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Er wird doch schon zu seiner
Zeit seine
Macht an ihnen
bewiesen, und
Ehre wieder sie
einlegen. Wir haben hiervon ein Exempel an dem
König Pharao. Doch siehet unser GOtt, wenn er
die
Bösen bey ihrer Bosheit erhält, nicht allein auf
sich, sondern zugleich auch auf die Bösen selbst.
Paulus giebet uns davon einen Aufschluß, wenn
er
schreibet:
Verachtest du den Reichthum seiner
Güte, Gedult und Langmüthigkeit? Weissest du
nicht, daß dich GOttes Güte zur Busse leitet? Du
aber nach deinem verstockten und unbußfertigen
Hertzen, häuffest dir selbst den
Zorn, auf den Tag
des Zorn, und der Offenbahrung des gerechten
Gerichts GOttes. |
Röm. II, 4. 5. |
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Hier wird GOtt ein
Reichthum der
Gedult,
Güte und Langmüthigkeit zugeschrieben, die er an
den Gottlosen beweiset. Es wird aber auch
zugleich der
Zweck angezeiget, warum GOtt
solches thue; nehmlich, daß sich die Gottlosen zur
Busse
solten leiten lassen. Dieses ist nun ein so
heiliger und seeliger Zweck, daß man nicht die
geringste Ursache hat, den lieben GOtt, da er so
glücklich ist, scheel anzusehen, und von ihm zu
verlangen, er solle einen bösen Menschen
sogleich in seiner Bosheit niederschlagen, und
dem ewigen Gerichte übergeben. |
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Manche Menschen würden nicht zur |
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{Sp. 20} |
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Bekehrung gelanget seyn, wenn GOtt nicht so
lange mit ihnen Gedult gehabt hätte.
Nebucadnezar wäre nicht zur
Erkänntniß
kommen, wenn GOtt bey seinem übermachten
Hochmuth ihn so gleich hätte vertilgen wollen.
Wenigstens würde ein solches vortreffliches
Bekänntniß, welches er in einem offenen
Ausschreiben, allen
Völckern, Leuten und Zungen
seiner
Herrschafft zugeschicket hat, und darinnen
er die Macht des einigen wahren Gottes über sich
erkennet, nicht zum Vorschein kommen seyn,
wodurch doch sonder
Zweiffel manche sind
gerühret und zur Erkänntniß des wahren GOttes
sind gebracht worden. |
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Man möchte hiebey
sagen: Es habe zwar die
Göttliche Erhaltung bey denjenigen, die sich doch
endlich bekehrten, ihren guten
Nutzen; alleine
sehr viele blieben ja in ihren Sünden, und das
wisse GOtt auch wohl vorher; warum er denn
nichts desto weniger auch dieselben erhalte?
Hierauf dienet zur Antwort, daß die Göttlichen
Eigenschafften GOtt ein
Gesetze sind. GOtt ist die
höchste Güte, und nach derselben geneigt, der
Creatur, so viel es ihre selbst
erwehlten Wege
noch leiden, zu helffen. Da würde nun GOtt, so zu
sagen, mit sich selbst nicht zufrieden seyn, wenn
er nicht an seiner Seite noch thäte, was er thun
könnte, ohngeachtet er wohl weiß, daß es nichts
helffen werde. |
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Denn eben wie GOtt von uns fordert, daß wir,
wenn andere Unrecht
thun, deswegen nicht auch
unbillig handeln, und uns vom
Gutes thun, durch
anderer Verfahren nicht abhalten lassen sollen; so
ist GOtt auch also gesinnet: Er handelt für sich,
wie es nach seiner Heiligkeit und Weisheit gut ist,
und unterlässet solches nicht um der blossen
Undanckbarkeit und Unerkänntlichkeit der
Menschen willen, und damit zeiget er eben an,
daß er ein über alle Creaturen weg gesetztes
Wesen sey, welches den hinlänglichen Grund aller
seiner Handlungen eintzig und allein in sich finde,
und von keiner eintzigen Creatur dependire. |
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Ausser dem dienet auch die Langmuth
GOttes, damit er unverbesserliche Sünder eine
Zeitlang träget, ihnen selbst zu einer desto
grössern Überzeugung, daß GOtt an ihrem
Verderben keine Schuld habe, sondern, daß an
ihnen geschehen sey, was immer mehr habe
geschehen können. |
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Da nun dieses alles GOtt schon rechtfertigt,
daß ihm um Erhaltung der sündigen Menschen
willen die
Ursache der Sünde nicht dürffe noch
könne zugeschrieben werden; so wird dieses
letztere um desto weniger geschehen können,
wenn wir ferner erwegen, daß GOtt bey der
Erhaltung der sündigen Menschen auch noch das
Beste, nicht nur dieser, sondern auch anderer
Menschen zum
Zwecke habe. Er träget und erhält
ein sündiges Volck um der Nachkommen willen,
von denen er vorher gesehen, daß sie sich zu
Christo bekennen würden, wie solches aus dem
Exempel der
Jüden erhellet. |
Siehe das IX Cap. des
Briefes Pauli an die Römer. |
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Noch ein
Beweg-Grund, warum GOtt die
sündige Creatur in ihrem
Seyn erhalte, ist übrig,
welcher nicht von einem geringen Gewichte ist.
Wenn GOtt die Creatur, an welcher nichts mehr
auszurichten, und die sich von der Sünde nicht
mehr
will zurücke ziehen lassen, vernichten, und
nicht bey ihrer Erhaltung durch eine wohl
verdiente
Straffe seinen ernstlichen |
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{Sp. 21|S. 24} |
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Abscheu wider die Sünde
beweisen
wolte; so
würden andere noch viel mehr gereitzet werden,
entweder in der Sünde zu verharren, oder auch
aufs Neue von GOtt abzuweichen. Denn da die
Menschen so verderbet sind, daß sie eine kurtze
und vergängliche
Lust der Sünde ihrem ewigen
Wohl vorziehen, ohngeachtet sie
wissen, daß auf
die Sünden ewige Straffe erfolgen werde; was
würde sodann erst geschehen, wenn GOtt die
sündige Creatur nicht erhalten und bestraffen;
sondern vielmehr, nach einiger Lehre gar
vernichten wolte? Da würden sie die größte
Gelegenheit haben zu dencken, sie wolten nur
immer, so lange sie könnten, in der Sünde
fortfahren. |
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Es wäre ja eine
Zeit gewesen, da sie nicht
gewesen wäre; wenn sie nun in
künfftiger Zeit
wieder ein Nichts werden solten, so hätten sie
zwar nichts Gutes zu
hoffen, aber doch auch
nichts Böses zu befürchten. So aber, da GOtt die
Creaturen, ohngeachtet ihrer Abweichung von
dem Schöpfer, ewig erhalten, und ewig bestraffen
will; so kan solches der vernünfftigen Creatur,
wenn sie nur recht nachdencken, und ihr ewig
Bestes besorgen will, eine Anleitung geben, sich
von der Sünde bey Zeiten loß zu machen, und,
wenn sie davon befreyet ist, sich zu hüten, daß sie
sich nimmer wieder in die Sünde einflechten
lasse. |
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Wie nun aber hier in der
Welt die Erhaltung
und Bestraffung der Gottlosen den Frommen eine
Warnung giebet, und wie die Erhaltung und
Bestraffung der bösen Engel, den guten Engeln
zur Warnung dienet; also wird auch die Erhaltung
und Bestraffung der Gottlosen in der Ewigkeit den
sündigen Menschen eine beständige Warnung
seyn und bleiben, daß sie sich in alle Ewigkeit des
Bösen nicht wieder gelüsten lassen. Und so zeiget
sich denn hier abermahls eine hinlängliche
Ursache: Warum GOtt die Bösen erhalte, und wie
er deßwegen an ihrem bösen Sinne und
Thun
nicht
Theil nehmen dürffe. |
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