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Zedler: Atheisterey [2] HIS-Data
5028-2-2016-1-02
Titel: Atheisterey [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 2 Sp. 2021
Jahr: 1732
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 2 S. 1032
Vorheriger Artikel: Atheisterey [1]
Folgender Artikel: Athelardus
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Ursachen der Entstehung
Elend und Unruhe der Atheisten
Einfluss auf das Gemeinwesen
Strafbarkeit
Geschichte
gefährlichste Schriften
Gegner

Stichworte Text   Quellenangaben
Ursachen der Entstehung Von denen Ursachen, aus welchen der Atheismus entstehet, handelt Buddeus l.c. … ingleichen Reimmann l.c. §. 7. und werden deren unterschiedene angegeben, als  
 
  • der Hochmuth,
  • die böse Erziehung,
  • der Umgang mit gottlosen Leuten,
  • die Lesung Atheistischer Schrifften,
  • die unvorsichtige und verkehrte Art zu studiren,
  • das böse Leben derer Christen, sonderlich derer Theologorum, welches nicht mit der Lehre übereinstimmet,
  • die unterschiedenen Secten der Christlichen Religion;
  • die gar zu hefftigen, und alle Maaß überschreitenden Streitigkeiten von Theologischen Dingen,
  • und endlich selbst die Art den Atheismum zu widerlegen, wenn der Verfasser gleich eine gute Meinung hat, und nur um die Schärffe seines Verstandes zu zeigen neue, dabey aber auch zugleich schwache, oder dunckle Gründe hervorbringt.
 
  Eigentlich aber können zwey Haupt-Ursachen angegeben werden, bey denen die übrigen oben angeführten entweder Caussae Auxiliares sind, oder unter diesen beyden zugleich können mit begriffen werden. Nemlich:  
  bey denen gröbern Atheisten ist die Haupt-Ursache ihres Irrthums die Unwissenheit von göttlichen Dingen, wenn dieselbe mit einem verkehrten Willen verknüpfft ist. Daß wir unter denen gröbern Atheisten Leute, die ihre Vernunfft nicht zu verbessern gesucht haben, verstehen, haben wir schon oben erinnert. Lebt nun ein solcher Mensch in seinen Sünden dahin, und er fühlt etwan einige Gewissens-Stiche, so weiß er sich nicht zu helffen. Die Lehren von dem Christenthum, deren Zusammenhang er niemahls eingesehen, sind ihm nicht genungsam überzeugend. Die Neigung zum Bösen stellet ihm dieselben so harte vor, und er sucht sich davon als von einem Joche zu befreyen. Die Vernunfft kan ihm auch nicht die rechten Wege weisen, indem dieselbe niemahls ihren Aufenthalt in ihm gehabt hat.  
  Hierbey ergreifft er nun das nächste, das beste, um sein Gemüthe zu befriedigen. Er verwirfft das Ansehen GOttes, und ziehet demselben das Ansehen verkehrter Lehrer vor. Ihre Sätze können sich mit seinem Leben vertragen, und weil er also ein Pulster vor seine Sünde findet, so glaubt er alles, was er nur zum Behuff seiner Meinung halb höret, und davon er selbst nicht den geringsten Zusammenhang einsiehet. Er bestehet hartnäckig auf seiner Meinung, denn weil er dieselbe ohne Vernunfft gelernet hat, so kan ihm durch die Vernunfft das Gegentheil nicht erwiesen werden, und die Verachtung des Wortes GOttes, ist sein Haupt-Satz, daß also dieses auch keine Krafft in ihm haben kan.  
  Bey denen gelehrten Atheisten ist hingegen der Hochmuth, neue und besondere Wahrheiten zu entdecken, und alles mit ihrer Vernunfft zu begreiffen, die eigentliche Ursache ihres Irrthums. Es scheinet ihnen zu geringe zu seyn, dasjenige zu behaupten, welches nicht nur der meiste Theil derer Gelehrten, sondern auch der gemeine Mann vor eine Wahrheit hält. Sie müssen etwas zum Voraus haben, und fallen deswegen auf solche Meinungen, welchen freylich niemand anders, als diejenigen, welche ebenso grosse Narren sind, beypflichten können. Sie gebrauchen sich nicht der Vernunfft, um zu sehen, wie weit dieselbe gehe, und in wie ferne unsre Erkäntniß durch die Offenbarung müsse ergäntzet  
  {Sp. 2022}  
  werden. Sie suchen nicht durch eine vernünfftige Auslegung, die sich zu widersprechen scheinenden Schrifft-Stellen mit einander zu vereinigen. Sie bemühen sich auch nicht den Zusammenhang der geoffenbarten und vernünfftigen Sitten-Lehre zu zeigen. Ihre Vernunfft ist die einige Richtschnur, nach der sie alles richten. Wir nennen sie mit Fleiß ihre Vernunfft, da sie den Namen der gesunden Vernunfft im geringsten nicht verdienet. Sie ziehen den weiten Ruff, welchen sie durch so vielfältigen Widerspruch erhalten, dem sich nicht so weit ausbreitenden Ruhme eines frommen und redlichen Mannes vor.  
  Dieses sind die zwey Haupt-Ursachen, aus welchen so viele schädliche Würckungen entstehen. Von diesen letztern handelt Buddeus in Thesibus de Atheismo
Elend und Unruhe der Atheisten In Ansehung dererjenigen selbst, die Atheisten sind, so gerathen solche nicht nur in grosses Elend, in Betrachtung der Ewigkeit, sondern sie empfinden auch schon in diesem Leben eine grosse Unruhe. Denn worinnen sollen solche Leute ihre Glückseligkeit suchen? Vermeinen sie dieselbe in der Stillung und Ersättigung ihrer Begierden anzutreffen, so müssen doch dieselben, welche sich denen Lastern ergeben, gestehen, daß sie die Erfüllung ihrer Neigung immer beunruhige, und daß sie niemahls dasjenige erlanget haben, wornach sie gestrebet.  
  Uber dieses, so ist es eine mit dem Atheismo nothwendig verknüpffte Lehre, daß unsere Seele nach diesem Leben nichts sey. Da muß nun freylich ein solcher Mensch in die gröste Verzweiflung gerathen, wenn er sein höchstes Guth, nehmlich die Eitelkeit dieser Welt verlassen soll. Gesetzt auch, daß ein Atheiste, aus Betrachtung der Ruhe seines Gemüthes, auf dem Wege der Tugend wandeln könne, so ist dennoch vieles dabey zu bedencken. Denn eine vollkommne Gemüths-Ruhe durch die Tugend zu erlangen, erfordert auch eine vollkommne Tugend; diese aber ist in dieser Welt, geschweige denn bey einem Atheisten, dessen Irrthum aus der Untugend selbst entstehet, schlechterdings unmöglich. Man nehme nur die Hoffnung eines zukünfftigen Lebens hinweg, und sehe, ob nicht auch, das allerbeste Gemüthe träge und verdrossen werden wird, die Beschwehrlichkeiten, welche sich bey der Tugend befinden, zu ertragen. Über dieses so sey auch dem wie ihm wolle, so ist doch die Furcht, in ein nichts verwandelt zu werden, ein so heftiges Ubel, daß man unmöglich die Ruhe seines Gemüths dabey erhalten kan.  
  Man mag also die Atheisten ansehen, auf welcher Seite man wolle, so findet man nichts als Elend und Unruhe. Ja man höret sie selber über die Beschaffenheit der menschlichen Natur klagen.  
Einfluss auf das Gemeinwesen Ob die Atheisterey einen Einfluß in das gemeine Wesen habe, und ob sie demselben schädlicher sey, als der Aberglaube, ist eine Frage, worüber manche Streit-Schrifft gewechselt worden. Plutarchus de Superstitione … hat zuerst den Aberglauben vor ein noch verdammlicher Laster, als die Atheisterey gehalten. Hierauf hat Bayle in denen Pensees diverses sur les Cometes … ingleichen in der Continuation des pensees diverses … und in der Response aux questions d’un Provincial. … dieses gleichfalls behauptet, welchem Thomasius in der Einleitung zur Sitten-Lehre … gefolget, und endlich Toland in Adeisidaemone dasselbe mit vieler Freyheit zu vertheidigen gesuchet.  
  Mit dieser Frage hat sonderlich nachfolgender Satz seine nothwendige Verbindung, daß die Atheisterey nicht nothwendig das Verderbniß der Sitten nach sich ziehe, welches Bayle in Pensees diverses sur les Cometes l.c. behauptet hat.
  Wider diese erste Schrifft des Bayle, welche 1682 bey  
  {Sp. 2023|S. 1033}  
  Gelegenheit des an. 1680 erschienenen Cometens an das Licht trat, gab Peter Jurieu, nachfolgenden Tractat 1691 heraus: Courte Reueue des Maximes de Morale … Hierauf verantwortete sich Bayle wider den Jurieu in der Addition aux pensees diuerses. Sonst haben wider Bayle geschrieben  
 
  • Seckendorff in Christen-Staate in Additamentis ...
  • Pritius in Dissert. de Atheismo … Leipzig 1695.
  • Grapius in Dissert. An Atheismus
  • Idem in Theologia recenti controversa
  • Abicht in Dissert. de Damno Atheismi in Republ.
  • Löscher in Praenotionibus Theologicis …
  • Buddeus in Thesibus de Atheismo
 
  Wider Tolanden sind sonderlich herausgekommen …Jac. Fayi Defensio Religionis … und Elias Benoist in Melange des Remarques Critiques …  
  Was die erste Frage anbelanget, ob die Atheisterey oder der Aberglaube dem gemeinen Wesen schädlicher sey, halten wir es in diesem Falle mit Stollen in der Historie der Gelahrheit … Daß die Entscheidung dieses Streits unnöthig sey, weil alles beydes ein verdammlicher Irrthum ist, welche Meinung auch Thomasius de Cautelis circa praecognita Jurisprudentiae … heget. Wer die Gründe und Gegen-Gründe in dieser Sache sehen will, der schlage oben angeführte Auctores auf, und sonderlich Buddeum l.c. und J. Georg. Abichts Disp. de Damno Atheismi in Republica. Lips. 1703.
  Daß aber ein Atheiste auch äusserlich tugendhafft seyn, und die äusserlichen Gesetze der Natur beobachten könne, solches erweiset Wolff, in Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, … Wir lassen in diesem Stücke einem jeden seine Meinung, und bemühen uns vielmehr als Christen, und nicht als Atheisten, tugendhafft zu leben, und das Gesetze der Natur zu vollbringen.  
  Man siehet nun also wohl aus dem, was wir gesagt haben, daß der Atheismus in der That ein grosses Elend sey, und also wird jeder, dem seine eigene Wohlfahrt lieb ist, denselben verabscheuen. Sieht man andre in diesem Irrthum stecken, so suche man sie auf bessere Wege zu leiten. Man lasse sich aber seine Mühe nicht tauren, wenn dieselbe offtermahls vergeblich, indem dieser Irrthum gemeiniglich mit der grösten Hartnäckigkeit verknüpffet ist.  
Strafbarkeit An und vor sich ist die Atheisterey als ein Irrthum nicht zu bestrafen; werden aber dergleichen Lehren ausgebreitet, und hierdurch andere Leute verführet, so kan derselben Urheber vor einen Aufrührer angesehen werden, und dahero mit gutem Rechte mit öffentlicher Straffe beleget werden.  
Geschichte Die Historie von dem Atheismo ist sonderlich von  
 
  • Jenkino;
  • Thomasio in Hist. Philos. de Atheismo;
  • Immanuel Webern in der Beurtheilung der Atheisterey, Franckf. am Mayn. 1697.
  • Ant. Reisero in Epistola de Origine
  • Buddeo in Thesibus de Atheismo 1.
  • und Reimmann in Hist. Univers. Atheismi Hildsheim 1725.
 
  beschrieben worden; wohin auch  
 
  • Morhof Polyhistor …
  • Sagittarius in Introductione ad Historiam Ecclesiasticam …
  • Jo. Andr. Schmid in Supplementis Introductionis Sagittarii …
  • Fabricius in Bibl.

    {Sp. 2024}

    Graec. I, 8
 
  zu rechnen sind.  
gefährlichste Schriften Vor die gefährlichsten Schrifften in der Atheisterey werden gehalten:  
 
  • Julii Caesaris Vanini Amphitheatrum providentiae Divino-Magicum, Christiano-Physicum, nec non Astrologico-Catholicum; adversus Veteres Philosophos, Atheos, Epicuraeos, Peripateticos, et Stoicos, Lugduni 1615.
Siehe hiervon Buddeum de Atheismo Reimmann Hist. Univers. Atheismi …
 
  • Thomae Campanellae Atheismus Triumphatus, Rom, 1631. Paris, 1636, 4.
Siehe Buddeum l.c. … Reimmann l.c. …
 
  • Benedicti Spinozae Tractatus Theologico-Politicus de Libertate philosophandi.
  • Item, Ejusdem Ethica;
Siehe Buddeum l.c. …
 
  • Franciscus Cuperus de Arcanis Atheismi revelatis.
Siehe Buddeum l.c.
   
Gegner Dererjenigen, die wider den Atheismum geschrieben haben, sind nicht wenig. Ausser denselbigen, welche überhaupt von der natürl. Gottes-Gelahrheit, oder von der Wahrheit der Christlichen Religion geschrieben haben, von welchen letztern siehe Fabricium in Biblioth. Gr. V, 8. sind nachfolgende zu mercken, welche die Atheisterey insgemein widerleget haben:  
 
  • Anonymus in dem Traité contre les Athees, les Deistes, et les nouveaux Pyrrhoniens.
Stollens Historie der Gelahrheit …
 
  • Bentley in Stultitia et Irrationabilitate Atheismi, welches Jablonsky ins Lateinische übersetzt. Berlin 1696. Auch ist eine Deutsche Ubersetzung zu Hamburg 1715. in 8. herausgekommen;
Stolle l.c. n.e.
 
  • Biermanns Impietas Atheistica;
  • Buddei Theses de Atheismo et Superstitione, welches Buch vor allen andern zu lesen ist;
  • Georg. Cheine in Principiis Philosophicis Religionis Naturalis;
 
 
  • Sam. Clarck Demonstratio Existentiae et Attributorum Dei, welches Jenkinus, Thomasius ins Lateinische übersetzet, und seiner Historiae Atheismi beygefüget hat. Altdorf 1703. in 8.
Stolle l.c. n.g.
 
  • La Crose Dissertation sur l’Atheisme et sur les Athees modernes, welche er p. 250. seinen Entretiens sur divers sujets de litterature, de Religion, et de Critique 1711. einverleibet hat;
 
 
  • Cudworths Tractat the true intellectual System, of the uniuerse, aus welchem Mr. Le Clerc die Histoire des Systemes des anciennes Athees gezogen, und seiner Bibliotheque Choisie … einverleibet hat;
Stollen l.c. §. 35.
 
  • Fenelon Demonstration de l‘ Existence de Dieu, Amsterdam 1713. und Deutsch zu Hamburg 1714. mit Fabricii Vorrede;
Stolle l.c. §. 28.
 
  • Frommanni Atheus stultus … Tübingen, 1713. in 4to.
  • Nehemias Grew. Cosmologia Sacra, London 1701. in fol.
  • Theoph. Großgebauers Praeseruativ wider die Pest derer heutigen Atheisten;
  • Matthäus Hall von dem Ursprunge der Welt und denen Menschen, welches Heinrich Schmettau, nebst einer Vorrede vom Atheismo, aus dem Deutschen übersetzet, und an. 1701. in 8. herausgegeben hat.
 
 
  • Jaqvelot de l'Existence de Dieu, Haag 1697. in 4.
Stollen l.c. §. 27.
 
  • Jo. Lassenii besiegte Atheisterey, Hamburg 1673. in 8.
  • Henr. Morus, welcher in seinen Operibus nicht nur wider den Spinozam insonderheit, sondern auch ein Antidotum adversus Atheismum geschrieben hat;
  • Jo. Müllers Atheismus devictus, Hamburg 1672. in 4.
  • Wilhelm Nichols Collatio cum Atheista. 5. Bände, London 1696… in 8.
  • Osiandri Exercitatio de notitia Dei ...

    {Sp. 2025|S. 1034}

    …;
 
  Siehe Stollen l.c. …
 
  • Raphson Demonstratio de Deo. London 1710. in 4. und Leipzig 1712. in 8.
Stolle l.c. n.h.
 
  • Spitzelii Scrutinium Atheismi Historico-Theologicum, Augspurg 1663. in 8.
  • Ejusd. Epistola ad Henricum Meibomium de Atheismi Radice. 1666. in 8.
  • Ej. Epistola ad Antonium Reiserum de Atheismo eradicando. 1669. in 8.
  • Gisbert Voet Tom. I. Disputationum
  • Burgero de Volder Disputationes Theologicae contra Atheos.
  • Tobiae Wagneri Disputationes Theologicae contra Atheos.
 
  Der berühmte Engländer, Robert Boyle, hat sich nicht nur in diesem Stücke mit seiner Disqvisitione de Natura ipsa bekannt gemacht, sondern auch in seinem Testament ein gewisses Vermächtniß dazu ausgesetzet, daß jährlich eine Predigt wider die Atheisten gehalten, und die Schrifft von den Schmähungen dergleichen Lästerer befreyet werden soll.  
     

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Stand: 30. März 2013 © Hans-Walter Pries