Stichworte |
Text |
Quellenangaben
|
Folgerungen |
Aus diesen
Sätzen, die wir von dem Eide
angeführet haben, können noch
unterschiedene
Wahrheiten gefolgert werden: |
|
|
1) |
Daß uns kein Eid
verbinden könne etwas verbotenes oder
unmögliches zu leisten, in solchen Fällen hat
keine
Pflicht Stat, deßwegen kan auch der Eid, als
welcher eine Pflicht zum Voraus setzet, nicht Stat
finden; dennoch aber bleibt es eine Verwegenheit,
wenn man unbedachtsam oder sonst aus einem
andern Fehler sich dahin bringet, daß man sich zu
solchen
Sachen vermittelst eines Eides
anheischig machet. Aus diesem
Grunde kan man
urtheilen, daß David wohl
gethan, wenn er seinen
Eid wegen Ausrottung des Nabals nicht gehalten
und sich durch die Abigail auf andere
Gedancken
bringen lassen. |
|
1. Sam. 5, 22. |
|
|
Weder auf Seiten des
Nabals, noch auf Seiten des Davids fanden sich
zu einer solchen
That, die er sich vorgenommen
hatte, hinlängliche
Umstände, mithin war es eine
verbotene Sache, dabey er gar wohl von seinem
Eide abgehen konnte, welches er selbst
erkannte,
und dahero dem HErrn danckte, daß er diese That
verhindert hätte. |
|
- Osiander ad Grotium
…
- Tesmar ad Grotium …
- Hochstetter in Colleg.
Pufend. …
- Uffelmann de Jure
…
|
|
{Sp. 486} |
|
|
|
|
|
|
Dahin gehöret gleichfalls
der Eidschwur des Sauls |
|
1. Sam. 14, 24. |
|
2) |
So folgt, daß man nicht
schuldig sey, den Eid zu halten, wenn man durch
Betrug oder unrechtmäßige
Gewalt dazu
gezwungen worden. Denn die
Verbindlichkeit in
der Haupt-Sache, oder in dem Versprechen
selbst, fällt weg, indem die Einwilligung freywillig
und ohne Zwang geschehen
muß. Daß aber
Grotius und mit ihm einige andere
meynen, man
müsse doch einen solchen Eid in Ansehung
GOttes halten, dem man sich dadurch verbindlich
gemacht; so ist solches
irrig, und beruhet auf dem
oben angegebenen
Principio. |
|
-
Pufend.
de Jure Nat.
…
- Henniges ad Grot. …
|
|
|
Von der
Meynung des Grotii siehe
Osiandrum ... ad Grot. und
van der Muelen ad eumdem ... |
|
|
In der
Heiligen Schrifft
treffen wir den Eid an, darzu die Gibeoniter den
Josua mit List und Betrug brachten. |
|
Josua 9. |
|
|
Er machte mit ihnen ein
Bündniß und schwur, daß sie bey dem
Leben
erhalten werden
sollten. Weil aber die Gibeoniten
den Betrug brauchten, daß sie sich vor Fremde
ausser dem Lande Canaan ausgaben, so wäre er
nicht
verbunden gewesen, ihnen sein
Versprechen und das eingegangene Bündniß zu
halten, hätte also der Eid keine
Krafft gehabt;
doch hielte Josua vor rathsamer, es bey dem
einmahl getroffenen Bündnisse bewenden zu
lassen. Der Betrug derer Gibeoniten gereichte
nicht zum Schaden derer Israeliten, sondern
vielmehr zu ihrer Erhaltung. Die
Kinder Israel
hätten sich auch sonst gar leichte in den übeln
Ruff setzen können, als wären sie so gottloß, daß
sie auch nicht einmahl die beschwornen
Bündnisse hielten. |
|
|
|
|
Auf welche Weise denn
das Brocardicum
falsch ist, als wenn man allen
und jeden Eid bey Verlust seiner Seeligkeit halten
müste. |
|
Ludouici
Disp. An omne
juramentum …
Halle
1705. |
|
3) |
Flüsset daher, daß bey
dem versprechenden Eid allezeit jemand seyn
müsse, der ihn acceptiret, und wenn dieses nicht
ist, der Eid auch keine
Verbindlichkeit habe.
Ingleichen daß derjenige, der den Eid acceptiret hat, uns auch den Eid
erlassen könne, welches aber so leichte nicht angienge, wenn nach
Grotii
Meynung in einem Eide
GOTT etwas versprochen
würde. |
|
|
|
4) |
Daß also auch ein jeder
Contract, der sonst ungültig ist, zernichtet werden
kan, ob er gleich mit einem Eide bestätiget ist, und
daß hingegen niemand, der etwas zu
thun oder zu
lassen
schuldig ist, von solcher
Obligation durch
einen Eid sich befreyen könne. |
|
Thomasius Jurisp. Diuin. … |
|
5) |
Die
Erklärung des Eides
muß nach dem
Sinn und
Meynung desjenigen,
welcher denselben empfängt, geschehen, und
hilfft es einem nichts, wenn er gleich, indem er
geschworen, das Gegentheil gedacht, und mit
Fleiß zweydeutige Worte
gebraucht. Dieses zu
thun ist |
|
|
|
|
α) |
thöricht, denn derjenige muß nicht wohl
klug
seyn, der sich durch Verstellung und Sophisterey wissentlich selbst ein
Blendwerck machen, und sich dabey einbilden kann, daß sich
GOtt eben
dergl. werde machen lassen. Eben dieser Gebrauch der Reseruation
ist |
|
|
|
|
|
β) |
auch gottloß, ja der Mein-Eid selber. Denn wenn
derjenige ein Meineidiger ist, der von seiner Pflicht, die er vor
göttlich hält, abweichet; so ist dieser gleichfalls ein Meineidiger,
welcher nur ein leichtes Blendwerck um seine Pflicht zu übertreten
vormachet. |
|
|
|
|
|
γ) |
So ist eine solche Thorheit und Gottlosigkeit nur
vergebens. Denn dasjenige ist ausser allen
Zweiffel vergebens, wo- |
|
|
|
|
{Sp. 487|S. 259} |
|
|
|
|
durch man seine Absicht nicht erreichet. |
|
|
|
|
|
Die Absicht nun derer
Reseruationum soll diese seyn: daß, ob man
gleich den Eid, in Absicht auf eine
gewisse
wahrhaffte
Pflicht
würcklich leiste, man dennoch
diese Pflicht kühnlich übertreten, und doch auch
mit gutem
Gewissen schwören könne. Allein diese
Absicht wiederspricht sich selbst, indem die
Übertretung der beschwohrnen Pflicht ja der Mein-Eid selber ist, und die Reseruation ein mehrerers
nicht dabey thun kan, als daß es ein närrischer
gekünstelter Mein-Eid wird. |
|
|
|
|
Wollte man aber
fragen:
Ob denn auch allda die Reseruation ebenso
närrisch und vergeblich wäre, wenn keine
wahrhaffte Pflicht vorhanden ist?
z.E. wenn man
denen Räubern zur Rettung seines
Lebens einen
Eid zu schwören gezwungen worden. Doch dieses
ist auch mit Ja zu beantworten, indem ein
gezwungener Eid an und vor sich selbst schon
null und nichtig ist. Es ist also gar kein Fall, da die
Reseruation zu billigen seyn sollte, sondern sie
sind ihrer Natur nach ein Theils thörichtes und
gottloses, Theils vergebliches Blendwerck. |
|
Müller im Rechte der Natur
… |
|
6) |
Die
Macht, den Eid zu
erlassen oder darinnen zu dispensiren, kömmt
erstlich einem jeden zu, dem sich jemand eidlich
verpflichtet hat, weil ein jeder die
Freyheit
hat, sich
seines
Rechts zu begeben, und also denjenigen,
der sich ihm eidlich
verbunden, davon loß
zusprechen. Hernach hat in der bürgerlichen
Gesellschafft niemand, als eine
rechtmäßige
Obrigkeit, die Macht, den Eid zu
relaxiren, oder
darinnen zu dispensiren. Jenes geschicht, wenn
die Obrigkeit erkläret, daß der
Unterthan nicht
Macht gehabt habe sich eidlich zu verpflichten,
und daß daher der Eid null und nichtig sey. Dieses
aber, wenn die Obrigkeit desjenigen, dem sich
jemand eidlich verpflichtet, den Schwörenden
wiederum loß spricht. Dieses kan die Obrigkeit vor
sich selbst thun. Quo magis vero cautum sit pietati
wie Grotius …
saget: so thut dieselbe nicht
unrecht, wenn sie zur Bestätigung der Heiligkeit
derer Eid-Schwüre die
Geistlichen mit dazu
nimmt. |
|
Müller l.c. im Rechte der
Natur … |
|
Der Eid wird in Ansehung des
Endzwecks in
Juramentum adsertorium, wenn wir unser Zeugniß
ablegen, und juramentum promissorium, wenn wir
etwas versprechen,
eingetheilet. |
-
Pufendorf de Jure
Nat. …
- Durrius in Compend. Theol. …
- Tesmar ad
Grot. …
|
|
Zu diesen beiden
Arten können alle andre
Gattungen des Eids gebracht werden. |
Thomasius Jurisp. Diu. … |
|
Gundling in Jurisp. Natur. …
meynet mit
Hobbesio, es sey ein jeglicher Eid promissorium.
|
|
Praxis |
Wenn wir die Praxin von denen Eiden ansehen, so finden wir
nachfolgendes zu mercken. |
|
Erlaubnis |
Erstlich so
fragt es sich: Ob es erlaubt sey zu schwören? Die ersten
Christen haben dafür gehalten, sie dürfften und könnten nicht schwören, weil
Christus Matth. 5, 34. gesaget: Ihr sollt gar nicht schwören.
Sie hielten dieses vor einen Grund-Satz des Christenthums, und folglich vor ein
besonders Kennzeichen eines rechtschaffenen Christen niemahls zu lügen, oder
etwas
falsches zu sagen. Doch hat dieses nicht lange gewähret; denn es gestehet
der Tertullianus in Apologetico 32. daß die Christen kein Bedencken
tragen würden in wichtigen Sachen, bey dem
Leben des
Kaysers zu
schwören, da sie nicht per Genium Caesaris schwören
wollen. |
|
|
Verschiedene Kirchen-Lehrer haben die
Eidschwüre verworffen; wenigstens in ihren
Schrifften so davon
geurtheilet, daß man den
Worten nach nichts anders
schlüssen kan, es sey
denn, daß sie ihre Absicht nur auf den Mißbrauch
gerichtet |
|
|
{Sp. 488} |
|
|
gehabt. Basilius M. meynet ausdrücklich, daß
man nicht schwören
sollte, und hat ihn Barbeyrac
in der
Vorrede
zu dem Pufendorff de Jure Nat. et
Gent. … mit
Rechte getadelt. |
Gundlingiana St. IV
… |
|
Weil man aber derer Eidschwüre nicht wohl
entbehren konnte, so hat man die casus
necessitatis ausgenommen. |
- Dartis Comment. ad
Decret. …
- Gundling. l.c. …
|
|
Gleichwohl haben die Mönche den
Satz
beybehalten, daß die
Geistlichen nicht schwören
sollen. Nun ist
gewiß, daß in der ersten Kirche, da
man gezweiffelt, ob man schwören dürffte, denen
Geistlichen desto weniger wird ein Eid
aufgebürdet worden seyn. Doch liest man in dem
Ephesinischen Concilio daß Nestorius einen Eid
schwören
müssen.
Wenigstens hat
Kayser
Theodosius der jüngere in dem Concilio
Chalcedonensi ein Jurament abgefodert, dawieder
sie sich hefftig gesetzt, doch hat endlich
Cassianus Presbyter Act. XI. einen cörperlichen
Eid ablegen müssen. |
Gundling. l.c. … |
|
Kayser Marcianus erließ denen Geistlichen
allen Eid, |
l. 5.
C. de Episc. et
Cler. |
|
welches auch Justinianus in
Nouella CXXIII.
7. bestätiget. |
|
|
Als Hunnerich die Africanischen
Bischöffe
wieder in ihre Bißthümer einsetzen wolte, wenn
sie den Eid der Treue schwöhren würden,
entschuldigten sich
unterschiedene mit dem
Verbot CHristi |
- Victor Vitensis …
- Gundling l.c. …
|
|
Allein nach der
Zeit haben die Bischöffe so
wohl denen Kaysern als
Königen in Franckreich,
Spanien und andern
Provintzien huldigen
müssen. |
Gundling. l.c. … |
|
Dem ungeachtet haben die Geistlichen auch
hierinnen einen
Vorzug, indem sie nicht
corporaliter schwören dürffen, nemlich ein Laye
darff dergleichen nicht von ihnen fordern,
hingegen der Pabst,
Ertz- und
Bischöffe können
solches praetendiren. |
Gundling l.c. … |
|
Die Anabaptisten halten die Eid-Schwüre vor
verboten, wiewohl einige neuere den
Gebrauch
nicht gäntzlich verwerffen. |
Buddeus de Concordia Relig.
… |
|
Ihre
Meynung ist von Müllern im Anabaptismo
Error. … Koppenburgen in Gangraena
Anabaptistorum … wiederleget worden. Grotius de
Jure … will zwar wohl die Bejahungs-Eide nicht
aber die Verneinungs-Eide zulassen. Diese
Gedancken sind von
Osiandro ad Grot. … und
Jägern de Juramento …
untersuchet worden. |
|
|
Wäre der
Mensch in dem
Stande der
Unschuld geblieben, so hätte der Eid keine
Nutzen gehabt, um derer Menschen Thorheit aber
ist es
nöthig gewesen, die Eid-Schwüre
einzuführen. Denn in dem verderbten Stande
hätten wir sonst kein
Mittel gehabt, durch welches
wir bey dem, der etwas bekräfftiget oder
verspricht, Betrug und Untreue; bey denen andern
aber, mit welchen wir zu thun haben,
Zweiffel und
Unglaube verwehren könnten. |
Thomasius in Jurispr. Diuin.
… |
|
Die menschliche Wohlfarth wird also durch die Eid-Schwüre befördert, und der
göttlichen
Ehre geschiehet dadurch kein Eintrag, wenn
dieselbe zu dem Wohl derer Menschen
angewendet wird. Die
Vernunfft hat also wieder
die Eide nichts einzuwenden. |
|
|
In der
Heiligen Schrifft haben sie gleichfalls
ihren
Grund.
Deut. 6, 13. 10, 20. ist ein
rechtmäßiger Eid gebilliget worden. Gleichfalls
finden wir viele
Exempel derer Heiligen, welche
geschwohren: als des |
|
|
|
Gen. 14, 22. 24, 3; |
|
|
Josua 14, 9; |
|
|
2. Sam. 21, 7; |
|
|
2. Cor. 1, 23. |
|
Daß aber der Heyland bey dem Matthäo 5,
34. den Eid nicht schlechterdings verboten,
sondern nur auf den Mißbrauch desselbigen
gezielet, erhellet aus dem Zusammen- |
|
|
{Sp. 489|S. 260} |
|
|
hang. |
|
Pflichten |
Die
Pflichten auf Seiten desjenigen, der da
schwöret, sind nachfolgende: |
|
|
1) |
daß man nicht
falsch
schwöre, oder welches mit diesem einerley ist,
daß man keine Reseruationem mentalem dabey
habe, wovon wir oben weitläufftiger gehandelt
haben. |
|
|
|
2) |
Daß man nicht liederlich
schwöre, wo nemlich kein
Beweiß von
Nöthen ist,
und man nur den Eid zu der Zierrath seiner
Rede
mache. |
|
|
|
3) |
Daß man bey niemanden, als bey dem
wahren
GOTT schwöre, indem
dieses der eintzige wahre Hertzens-Kündiger und
gerechter
Richter derer
Boßheiten ist. |
|
|
|
Auf Seiten desjenigen, der einen Eid dem
andern auferleget, ist dieses zu mercken. Es muß
derselbe eben so wenig eine reseruationem
mentalem haben, als derjenige, der den Eid
leistet, indem solches Blendwerck auf keinem
Theile eine
Würckung haben kan.
Weiß man
gewiß, daß einer werde falsch schwören, so muß
man ihm nicht
Gelegenheit zur Gottlosigkeit
geben, zumahl da wir mit unserer Rührung des
Gewissens ohne dem nichts ausrichten werden.
Ehe wir aber eine solche
Gewißheit nicht haben,
können wir dem andern den Eid allemahl
auflegen. |
|
|
Wie wir uns bey einem ungläubigen zu
verhalten haben, hiervon haben wir allbereit oben
gehandelt. |
|
Literatur |
Ferner weit können von dieser
Materie ausser
obigen nachgelesen werden |
- Goodvvin Moses et Aaron …
- Maior
Diss. de
Juram. Orient.
Jena 1641.
- Christoph. Raab Diss.
de Jurisiurandi vero ac legitimo Vsu eiusque
Ecclesias Protestantium deuastante abusu.
- Thomasii
Disput. de emendatione litt. protract. in
materia juramentorum;
- Lydii Diss. Philosophico-Theol. de juramento bey seinem Syntagmate de
re militari;
- Velthems disp. de Juramento diu. et
hum. Jen. 1684.
- Ritter de Juram. quae falso
habentur non obligantibus
Leipzig 1701.
- Moeringii
Disp. de Jurejurando Wittenb. 1707.
|
|
|
|