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Zedler: Pommern HIS-Data
5028-28-1377-2
Titel: Pommern
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 28 Sp. 1377-1387
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 28 S. 702-707
Vorheriger Artikel: Pommerische Waaren
Folgender Artikel: Pommern, Hertzoge
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

  Text Quellenangaben
  Pommern, Pomern, Pomerania, Ducatus Pomeraniae, eine Deutsche Provintz und Hertzogthum im Ober-Sächsischen Kreyße, welches gegen Westen an Mecklenburg, gegen Süden an die Marck Brandenburg, gegen Osten an Pohlen, und gegen Norden an die Ost-See grentzet.  
  Diese Provintz ist 50 Meilen lang, die Breite hingegen erstrecket sich zwar in der Mitte auf 15, sonst aber nur auf 10 Meilen.  
  Vorzeiten hatte Pommern viel weitere Gräntzen als jetzo. Denn gegen Morgen hat gantz Pomerellen dazu gehöret, welches nach des Hinter-Pommerischen Hertzogs Mestovini II Tode an die Creutz-Herrn, und weiter an Pohlen gekommen. Südwärts haben viel Plätze in der Neuen-Marck darzu gehöret, welche durch Kriege und Pacten an das Haus Brandenburg gekommen, und gegen Westen haben sich die alten Gräntzen in das Mecklenburgische hinein bis gegen Rostock und an den Fluß Warnor erstreckt. Auch hat die Ost-See viel Land abgerissen, und sonderlich die Insel Rügen über die Hälffte kleiner gemacht.  
  Nach den grossen Migrationen der Wandaler, Heruler, Rugier, welche in dem V und folgenden Jahrhunderte auch von dieser Küste hergekommen, haben sich die Venedi oder Wenden allhier fest gesetzet, und ein Königreich aufgerichtet, vor welcher Könige Stamm-Vater, anderer Meynungen zu geschweigen, Mistevojus ausgegeben wird, von dem auch die Hertzoge von Mecklenburg abstammen, dessen Sohn Bogislaus mit seinen Nachbarn grosse Kriege geführet haben soll.  
  Dieses Sohn soll Svantibor gewesen seyn, von dem man weiß, daß er von seinen vielen Feinden gezwungen worden, den Christlichen Glauben anzunehmen, so bald er aber ein wenig Lufft bekommen, wieder davon abgefallen, und 1107 die Regierung seinen Söhnen hinterlassen, deren 3 besondere Linien gestifftet:  
 
  • Wartislaus, die Vor-Pommerische,
  • Ratibor, die Stetinische,
  • und Bogilaus, die Hinter-Pommerische,
 
  doch sind die 2 ersten 1278 wieder zusammen auf Barnim I gefallen.  
  Unterdessen blieben die Hertzoge in Hinter-Pommern nebst ihren Unterthanen, ob sie schon gleich im Anfange des XII Jahrhunderts durch Bischoff Otten von Bamberg zum Christenthum bekehret worden, guten theils bey ihrer Wendischen Art, und waren den Deutschen sehr gehäßig, daher sie auch gegen das Ende des XIII Jahrhunderts den Creutz-Rittern in Preussen viel zu schaffen machten, in deren Orden doch nachgehends unterschiedene traten, und denselben ihre Güter vermachten.  
  Ja, da Mestovinus 1295 ohne Erben starb, vermachte er das Land, mit Ubergehung seiner Vor-Pommerischen Vettern, an die Polen, denen es doch jene disputirlich machten, und die Creutz- Herren suchten auch die Vermächtnisse ihrer gewesenen Ordens-Brüder zu behaupten, worüber es zu grossen und langwierigen Kriegen gekommen, in denen Pomerellen erstlich an die  
  {Sp. 1378}  
  Deutschen Ritter, nachgehends aber an die Kron Polen gerathen, die Brandenburgischen Marggrafen auch unterschiedenes an sich gebracht, wie in der Preußischen Historie nachzusehen.  
  Die Vor-Pommerische Linie und Lande betreffend, haben dieselben von Heinrichen dem Löwen und den Dänen viel leiden müssen, wodurch sie bewogen worden, sich 1181 oder 82 in den Schutz des Reichs und Zahl der freyen Reichs-Stände zu begeben; wie denn Kayser Friedrich I, Casimirn I und Bogislaum I mit dem Titel der Hertzoge beschencket. Worauf diese Hertzoge und ihre Nachkommen, ihre verwüstete Länder eben so wohl als die Fürsten von Rügen, mit Deutschen Einwohnern besetzt, und die Deutsche Manier und Sprache eingeführet, wie denn 1404 eine Frau auf der Insel Rügen gestorben, so die Wendische Sprache noch allein verstanden.  
  Wie die Ucker-Marck, ingleichen die Brandenburgischer Seits gesuchte Erbschafft Ottens III, der 1464 verstorben, Anlaß zu vielen Streitigkeiten und Landverderblichen Kriegen zwischen diesen Hertzogen und dem Marggrafen von Brandenburg gegeben, ist in der besondern Historie der Marggrafen und Hertzoge angeführet und erinnert worden, daß nach vielen vergebens gemachten Vergleichen und Erb-Vereinigungen, endlich 1529 in der Marck ein beständiger Vertrag mit Churfürst Joachim I gemacht worden, vermöge dessen das Haus Brandenburg nach Abgang des letzten Pommerischen Hertzogs Bogislai XIV 1637, gantz Pommern, und was darzu gehöret, erben sollen.  
  Aber die Schweden waren bey der damahligen Deutschen Unruhe im Besitz, und in dem Westphälischen Frieden 1648 wurde denselben gantz Vor-Pommern, sammt Stetin, Gartz, Dam, Golnau, auch der Insel Wollin, dem Oder-Strom und frischen Haff gegen anderweitige Befriedigung überlassen.  
  Was in den folgenden Jahren vor Veränderung vorgegangen, ist so wohl als das jetzt angeführte in Churfürst Friedrich Wilhelms Leben ausführlich nachzusehen.  
  Von dieser Zeit nun ist das Land in das Schwedische, oder Vor- und in das Brandenburgische oder Hinter-Pommern abgetheilet worden. Nachdem der König Carl XII von Schweden, 1709 die Niederlage bey Poltawa erlitten, fiel der König von Polen und der Czaar von Moscau in Pommern ein, belagerten Stetin, verbrannten Gartz und Wolgast, und würden vielleicht das Land noch mehr verderbet haben, wenn nicht der König von Preussen durch eine Summe von 400000 Thalern, die er an die Moscowiter ausgezahlet, erlangt hätte, daß ihm fast das gantze Land in sequester abgetreten worden.  
  Doch auch damit war der König von Schweden nicht zufrieden, sondern trieb 1715 die Preussen aus unterschiedenen Orten, daher dieser König zu den andern Feinden des Königs von Schweden trate, und durch deren Hülffe sich noch am Ende desselben Jahres Meister von Rügen, Stralsund und dem gantzen Lande machte.  
  Endlich ward dem König von Preussen durch den 1720 zu Stockholm errichteten Tractat die Stadt Stettin, mit dem dazu gelegenen gantzen District Landes zwischen der Oder und dem Pehne-Strom,  
  {Sp. 1379|S. 703}  
  nebst denen Inseln Wollin und Usedom, samt denen Ausflüssen der Suine und Dievenau, dem frischen Haff und Oder, bis sie in die Pehne flüsset, und ihren Namen verliert, also abgetreten, daß der Pehne-Strom die Gräntze seyn solte.  
  Das Land hat wegen seiner Lage und vielen Flüsse, die dadurch in das Meer eilen, einen grossen Uberfluß an fast unzähligen Arten der Fische, auch Lachse, Störe und Murenen, und etwas von Heringen. Es giebt viel Holtz und Weidwerck. Vorzeiten fand man auch Aur-Ochsen, viele wilde Pferde und Elende, die sich aber nach und nach sehr rar gemacht haben.  
  Die Schweinmast und Honigbau sind auch ein Vortheil, den die Einwohner von den Wäldern haben. Holtz zum Schiffbau können sie auch an die Niederländer verhandeln.  
  Von Getraide wächst so viel, daß auch eine grosse Menge verführt werden kan. Die Viehzucht ist sehr gut, und kommt der Holländischen Art ziemlich nahe; auch haben die Pommerischen Pferde ausser Landes ihren Ruhm.  
  Saltz giebt es nicht allzu viel, weil die Quelle zu Colberg wegen Mangel des Holtzes nicht recht gebraucht werden kan.  
  Das übrige Wasser ist auch nicht so süsse, als mitten in Deutschland, daher die Bauern ehedem Gelegenheit hatten, ihr Sprichwort zu entschuldigen: Sie könnten das Wasser nicht in den Schuhen leiden, geschweige denn im Maul. Sie trincken demnach lieber die guten und fetten Biere, darüber sie auch des Weinwachses nicht achten, der sonsten an der Oder nicht übel gerathen.  
  Von Bergwercken ist nichts im Lande, wo nicht in Hinter-Pommern etwas Eisen; ob schon der Revekohl, Chollenberg und Ochsenberg groß genug sind. Von Bernstein wird etwas weniges an der Küste und zu Zeiten in Brunnen gefunden.  
  Die vornehmsten Flüsse sind die  
 
  • Reckenitz,
  • Bart,
  • Trebe,
  • Tollensee,
  • Peene,
  • Ucker,
  • Randau,
  • sonderlich die Oder.
 
  Diese theilt sich, so bald sie in Pommern hinter Gartz und Greiffenhagen angekommen, in viele Arme, und begreifft auf eine halbe Meile breit die schönsten Wiesen, machet bey Stetin erstlich den Dammischen See, hernach den Damanzke und das Pfaffen-Wasser, darauf fällt sie ins frische, grosse und kleine Haff, und gehet in 3 Ausgängen in das Meer. Unter diesen machen die Peene und Schwiene die Insel Usedom, die Schiene und Dievenau aber das Wollinische Werder, so durch eine Brücke an das feste Land angehänget ist.  
  Ferner sind bekannt  
 
  • die Plöne, die bey Colbitz und Werben einen grossen See macht, die Madnir genannt, welche von den grossen Murenen sehr bekannt ist;
  • die Crambe,
  • Larpe,
  •  Isna.
  • In Hinter-Pommern, die zu
    • Riga,
    • Persante,
    • Radduir,
    • Hammer-Becke,
    • Nesebach,
    • Wipper,
    • Grabau,
    • Stolpe,
    • Lupau,
    • Leba
    • etc.
 
  Nachdem die alten Wenden ausgetrieben worden, haben die Deutschen Einwohner auch in dieser Provintz sich geschickt zu machen angefangen, und hat es jederzeit viele herrliche Ingenia unter ihnen gegeben, die auch andern Ländern gute Dienste gethan. Insgemein sind die Leute offenhertzig, redlich, und Feinde der Schmeicheley,  
  {Sp. 1380}  
  welches ihnen wohl zur Ungebühr vor eine Grobheit ausgeleget wird, dabey sind sie arbeitsam, und wenn sie angeführet werden, gute Soldaten, aber auch ziemlich zum Uberfluß in Speise und Kleidern geneigt, wiewohl dieses seit dem Schwedischen Kriege ihnen ziemlich vergangen seyn mag.  
  Vorzeiten saß das Land in der tieffsten Heydnischen Blindheit. Die Stetiner beten einen dreiköpffigten Götzen, Triglaf, an, seine Herrschafft über die Stettiner, Pommern und Slaven anzuzeigen. Der Rügianische Götze Schwantevit, hatte ein Horn in der rechten Hand, daraus die Priester von der Fruchtbarkeit des folgenden Jahrs urtheilten.  
  Vieler andern Götzen zu geschweigen, war sonderlich Radegast berühmt, den andere auch Gadegast nennen, welches eben so viel heissen soll, als Gadebusch, ein Wald, da Gott wohnet, welchen Namen noch eine Mecklenburgische Stadt führet. Der Götze war ein Bild eines gewapneten Mannes, der auf der Brust einen Schild mit einem Büffels-Kopff hatte, davon das Mecklenburgische Wapen vielleicht herkommen möchte.  
  Welcher massen im XII Jahrhunderte Wratislaus I die Christliche Religion in Pommern eingeführt, ist in dem folgenden Artickel berührt, und was bey der Revolution im XVI Jahrhunderte vorgegangen, ist im Artickel Barnim XI, im III Bande p. 488. u.ff. kürtzlich angezeiget worden. Daniel Cramer hat in seiner Pommerischen Kirchen-Historie ex professo und sehr weitläufftig von allem, was hieher gehöret, gehandelt.  
  Es werden von alten Zeiten her 9 Provintzen des Landes gezählet.  
 
1) Stettin,
2) Pommern, welcher Name anfangs nur das, so nächst an dem Meer gelegen, begriff, nach und nach aber über das gantze Land sich erstreckt;
3) Rügen,
4) Barth,
5) Gutzkau,
6) Usedom,
7) Wolgast,
8) Cassuben,
9) Wenden.
 
  Die Eintheilung in Vor-Pommern (POMERANIA CITERIOR) und Hinter-Pommern (POMERANIA ULTERIOR), ist nach dem Unterscheid der Zeit unterschiedlich zu verstehen.  
  In der ersten Theilung zwischen Svantibors I Erben ward Vor-Pommern genennet, was zwischen Mecklenburg und der Persante, oder nach anderer Meynung, der Grabau lieget. Das übrige bis an Dantzig hieß Hinter-Pommern.  
  In der andern Theilung 1295, da die Pomerellen schon abgerissen war, ward das Land zu Pommern genennet, was zwischen Rügen und der Pehne liegt, darzu das Land Usedom und das über der Schwine. Das Land Stetin aber, was zwischen der Peene, frischen Haff, Oder und Ihna gelegen, von Demmin ab zu rechnen.  
  In der dritten Theilung 1532 hat man das Land zwischen der Oder, Mecklenburg und Schwine Vor-Pommern, oder die Wolgastische, das übrige Hinter-Pommern, oder die Stetinische Regierung genennet. Womit beynahe überein kömmt die im Westphälischen Frieden gemachte Eintheilung in das Schwedische und Brandenburgische Pommern.  
  Nach dem Stockholmischen Frieden vom Jahr 1720, begreifft  
 
  • das Schwedische Vor-Pommern den Barthischen und Gutzkauischen District, nebst der
 
  {Sp. 1381|S. 704}  
 
  Insel Rügen;
 
 
  • das Preußische Vor-Pommern aber, den Randowischen, Anclamischen, Deminischen und Treptauischen, ingleichen den Usedom- und Wollinischen Kreyß.
 
  Das Preußische Hinter-Pommern besteht  
 
  • aus dem eigentlich so genannten Hertzogthum Pommern, mit dem darinn gelegenen Stifft oder Fürstenthum Camin,
  • aus dem Hertzogthum Cassuben,
  • dem Hertzogthum Wenden,
  • und den Herrschafften Lauenburg und Bütow.
 
  Pommern heisset auch insonderheit der schmale Strich Landes zwischen der Oder und dem Hertzogthum Cassuben, darinnen Camin, Neugarten, Golnau etc. Dieses Land hat auch einen ansehnlichen Adel und übrigens starcke und arbeitsame Einwohner.
  • Micrälii Pommerl.
  • Cramers Pommer. Kirchen-Chron.
  • Hildebrands genealogia Ducum Pomeraniae.
  • Friedeborns Beschreib. der Stadt Stetin.
  • Sassii disp. de Pomerania.
  • Rangonis Pomerania diplomatica s. antiquitates Pomeranicae.
     

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Stand: 16. Februar 2014 © Hans-Walter Pries