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Zedler: Teutsche Ehe-Rechte HIS-Data
5028-42-1790-5
Titel: Teutsche Ehe-Rechte
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 42 Sp. 1790
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 42 S. 908
Vorheriger Artikel: Teutscher Dreyßigjährige Krieg
Folgender Artikel: Teutscher Einsatz in eines Schuldners Vermögen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Teutsche Ehe-Rechte, Lat. Jura Matrimonialia Germaniae; wegen dieser ist zuförderst zu mercken, daß, obzwar eine ledige Manns- oder Weibs-Person nicht leicht ohne ihrer noch lebenden leiblichen Eltern Einwilligung sich verheyrathen soll, selbige dennoch hierinnen eine ungleich grössere Freyheit haben, als man ehemahls denen jungen Leuten zu Rom zugestanden.  
  Und beydes zwar aus folgenden Gründen. Zu Rom blieb ein Sohn, ob er schon verheyrathet war, ordentlicher Weise nach wie vor in des Vaters Hause und Tische. Der Vater muste ihn mit seiner Frauen und Kindern unterhalten, und ihnen Nahrung und Kleider geben, wie nicht weniger dieselben zu Erben haben. Dahero es sich auch nicht wohl thun lassen, dem Vater, wider seinen Willen, eine Schwieger-Tochter aufzudringen.  
  Mithin war alles umsonst, was der Sohn in der ohne väterliche Einwilligung geschlossenen Ehestifftung zusagte. Und kam es allenfals auch schon zum Beyschlaffe; so geschahe der Beschlaffenen gar nicht unrecht, wenn sie sich unter dem Versprechen der Ehe zum Beyschlaffe beschwatzen ließ, weil derselben die Nichtigkeit dieses Versprechens aus denen Rechten bekannt seyn muste. Dannenhero erlangte sie dadurch nichts als ein Kind, dessen der Beschläffer sich weder annehmen, noch sich darzu verstehen konnte. Inzwischen ward doch der Sohn wegen des Beyschlaffs um die Helffte seines Vermögens gestraffet, oder, wenn er nichts hatte, zur Staupe gehauen, und des Landes verwiesen. Die Tochter aber hatte Straffe genung, daß sie sich mit dem Kinde schleppen, und selbiges am Halse behalten muste, ohne von dem Beyschläffer eines Hellers werth Zubusse zu haben; da hingegen doch das  
  {Sp. 1791|S. 909}  
  Kind gleichwohl zunfftmäßig und bey Ehren blieb, ohne daß es erst einer besondern Legitimation, oder Ehrlich- und Ehrlichmachung bedurfft, ausser in sofern das Kind in den Stand gesetzet werden solte, von seinem natürlichen Vater erben zu können, wie solches in der Novell. 89. c. 1. u. f. durchgehends enthalten. Folglich hatte man auch nicht vonnöthen, diesem zu gefallen den Beyschläffer zur Vollziehung der Ehe zu zwingen.  
  Gantz anders aber verhalten sich in diesem Stücke die Teutschen Rechte. Denn so bald ein Sohn heyrathet; so muß er sich selbsten Brodt schaffen, und dem Vater aus dem Hause gehen. Der Sohn muß Weib und Kinder erhalten, und nicht der Groß-Vater. Folglich leidet auch ein teutscher Vater gar nichts, oder doch nicht so viel, wenn sein Sohn ohne seinen Willen heyrathet. Die Verachtung thut dem Vater zwar wehe; aber er kan den Sohn mit dem teutschen Sprüch-Worte abweisen: Wie gebettet, so geschlaffen. Der Sohn hingegen ist mit der Antwort gleichfals fertig: Die Frau ist mein, und ich muß sehen, wie ich auskomme.  
  Bey diesen Umständen nun bleibet, denen teutschen Rechten nach, der Ausspruch des Heylandes durch die That bewähret: Es wird ein Mann seinen Vater verlassen, und an seinem Weibe hangen. Welches schlechterdings in denen Römischen Rechten verboten war und nicht geschehen dürffen.  
  Wenn es nur nach GOttes Ordnung und denen teutschen Satzungen gehen soll; so ist ein Beyschläffer seine Beschlaffene auch ohne der Eltern Einwilligung, schlechterdings zu ehelichen schuldig. Moses spricht dieses Urtheil im 2 Buche II 15. 16. Und die ältesten Jüdischen Ausleger pflichten demselben bey; absonderlich die beyden Rabbinen Abarbanel und Raschi. Es leidet auch die Mosaische Redens-Art Gewalt, wenn man sie anders auslegen will, er solle nehmlich die Beschaffene sich zum Weibe ausstatten. Die geschicktesten Sprach- Forscher sind hier stumm oder verkehrt. Welches denn den Cantzler von Ludwig in Halle bewogen, sich von einigen Hällischen Juden die hieher gehörigen Stellen ihrer Rabbinen und des Talmuds nachschlagen zu lassen, obgleich, so viel den letzten betrifft, derselbe auf Absichten verfält.  
  Unser Luther und Beza haben mit den vornehmsten Gottesgelehrten gleiche Lehre, daß die Obrigkeit in dieser Sache sicherer gehe, wenn sie es bey dem klaren Buchstaben des Mosis bewenden lassen, und den Beschläffer einer unbescholtenen Dirne, dieselbe wiederum zu Ehren zubringen, anhalten. Absonderlich da das arme Kind denen Teutschen Sitten nach unzünfftig und unehrlich wird, wenn der natürliche Vater seines Fleisches vergießt, und mit der Beschlaffenen die Ehe nicht vollziehet. Die Königlich- Preußischen, Chur-Sächsischen, Chur- Brandenburgischen, und andere Landes-Gesetze erfordern solches, wenn der Beschlaffenen die Ehe zugesaget worden, gleichfals. Und die Eltern müssen sich mit eben der Gedult zu frieden stellen, als sie thun müssen, wenn ihr Sohn als ein Mörder oder Dieb am Leben gestraffet wird. Nicht zu gedencken, daß dergleichen ehrvergessene Personen meistens in ihrer nachherigen Ehe zur Straffe un-
  {Sp. 1792}  
  glücklich zu seyn pflegen. Aber dem sey, wie ihm wolle; so verblendet doch den meisten Rechtsgelehrten das Römische Recht ihr Gesicht, daß sie wider diese GOtt und Menschen gefällige Lehre mit Unverstand eyfern, und eigennützigen Eltern wohl gar das Wort, gleichsam von Amtswegen zu reden, sich unterfangen, mithin allein diesen zu gefallen, mehr andere Menschen betrüben und unglücklich machen, als der Geschwächten ihre in Schmach gesetzte Eltern, die unehrlich gemachte Beschlaffene, und endlich das in Unschuld unehrliche arme Kind, welches der natürliche Vater weder der Natur, noch dem Worte GOttes nach, als sein Fleisch und Blut verläugnen solte, und den, um nur einiger massen den Flecken der Geburt los zu werden, höchstens anders nicht, als durch eine nachfolgende Legitimation, geholffen werden kan. Ludwigs Gel. Häll. Anz. vom Jahre 1730 Num. XXIV.
  Indessen macht doch das Heyrathen allein keine Ursache, sein eigener Herr zu werden. Denn die Eheleute beharren, wenn sie nicht ihr gehöriges Alter erreichet, eben wie die unverehlichten, unter der Gewalt ihrer Vormünder, welches Wort man bey denen Teutschen nur allein nöthig hat, und das Wort Curator ist ihnen fremde, und schicket sich auch bey ihnen nicht. Denn bis auf das 20 Jahr stunden vor diesem nach denen teutschen Satzungen die Kinder unter der Vormundschafft; im 21 aber wurden sie ihre eigene Herren, womit auch fast alle Europäische Völcker einig sind. Ein Jahr aber hatten sie Zeit, wenn ihnen bey ihrer Minderjährigkeit Schaden geschehen war, auf dessen Widerersetzung zu dringen. Woraus denn die Sächsische und Schwäbische Minderjährigkeit bis 21 Jahre gekommen. Ludwig l.c. vom Jahre 1732. N. CXLIV. §. 12.1
  Nicht weniger findet sich auch zwischen denen Römischen und Teutschen Rechten, die Gemeinschafft der Eheleute Güter betreffend, und wenn man fraget, ob eine Mutter ihren abgesonderten Kindern einen Pflicht-Theil zu hinterlassen schuldig, oder ob derselben frey stehe, das ihrige nach Gefallen Freunden zu vermachen, und die abgesonderten Kinder gäntzlich zu übergehen? Diejenigen, welche den Kindern das Wort reden, sprechen, diese müsten ihre Mutter den natürlichen und Göttlichen Rechten nach erben; die gemeinen Kayser-Rechte hielten den Pflicht- Theil der Kinder für einen Ausspruch der Natur; wenn die Mutter nach des Vaters Tode die Kinder mit der Helffte der Verlassenschafft abfände, wäre solche für das Väterliche allein anzusehen, und darinnen kein Mutter- Gut begriffen; die in einer Compagnie oder Gesellschafft stehende Güter gehörten einem jeden Compagnon oder G-sellschaffler zur Helffte; mithin wäre es billig, daß des verstorbenen Vaters Kindern die Helffte heraus gegeben würde, u.s.w.  
  Andere hingegen lassen der Mutter hierunter freye Hände. Sie sagen, die einmahl abgesonderten Kinder hätten auch denen alten Römischen Gesetzen nach keinen Pflicht-Theil mehr; unter der Halbscheid der Verlassenschafft stäcke Vater- und Mutter-Gut; wenn also die Kinder von der Mutter in ihren Pflicht-Theile einmahl abgefunden, und, so zu reden, abgekauffet wären; so wäre dieses an statt der Erbschafft, und könnten  
  {Sp. 1793|S. 910}  
  die Kinder ihre Mutter also nicht zweymahl erben.  
  Was ist nun in solchem Widerspruche zu thun? Keiner von beyden Rechtsgelehrten kommt auf den rechten Grund, der nicht im Römischen, sondern im Teutschen Rechte zu suchen, und auszufinden. Denn dieses will, daß Mann und Weib die Güter alle gemeinschafftlich seyn, und daß ieder Ehegatte das volle Eigenthum daran haben solle; weswegen auch einer des andern seine Schulden ohne Unterscheid zu bezahlen gehalten. Wenn nun der eine Ehegatte stirbt; so fällt das volle Eigenthum aller Güter auf den überlebenden einzig und allein. Die Kinder aber haben also, solange das eine von den Eltern lebet, an den Gütern so wenig Recht, als sie ihre Eltern bey ihrem Leben erben mögen.  
  Sie dürffen auch nicht sauer sehen, wenn die überlebende Mutter zu ihrer Nothdurfft alles verzehret, noch auch auf eine Theilung dringen, vielweniger, wenn sie heyrathet, von ihrem Vater-Gute ein Wort sprechen. Die Mutter, welcher alles zugehöret, stattet sie nach Gefallen aus. Sie ist so wenig zu einer Verzeichniß oder Rechnung verbunden, als jemand solche von seinem Eigenthume zu thun schuldig ist. Es heisset: Längst Leib, längst Gut; der letzte thut die Thüre zu, u.s.w. Wenn nun die überlebende Mutter mit ihren Kindern sich abschichtet, es geschehe der andern Ehe, oder sonsten einer andern Ursache halber; so ist die Helffte des den Kindern abgegebenen Gutes gar kein Vater- sondern lauter Mutter-Gut: denn sonsten die Mutter von ihrem Manne gar nichts geerbet haben würde, weil die Halbscheid ihr nach Gesellschaffts-Recht an sich zukäme.  
  Hat nun dieses seine Richtigkeit; so lösen sich alle Zweifels-Knoten von selber auf. Denn  
 
1) bekommen die Kinder von ihrer Mutter damit Pflichttheil genug, weil sie ihnen bey Leb-Zeiten schon ihr halbes Gut weggiebt;
2) ist die Halb-scheid lauter Mutter-Gut;
3) da die Eheleute denen Teutschen Rechten nach einander völlig erben, so muß den Kindern genug seyn, wenn sie nach des überlebenden Tode erst das ihrige bekommen, oder auch bey dessen Leben die Halbscheid erhalten.
 
  Solchemnach bleibet auch kein Zweifel übrig, daß die Mutter ihren abgesonderten Kindern etwas weiters zu hinerlassen nicht schuldig. Weil aber auf diesen Grund noch niemand gekommen; so ist auch kein Wunder, daß zur Zeit noch weder Advocaten, noch Richter, über dieser Sache einig werden können, und dannenhero Cothmann, Mevius, Göddäus, Lauterbach, Hahn, Pistor, Stryck, und alle andere, durch einander lauffen. Ludwigs Gel. Hall. Anzeig. vom Jahre 1731. Num. LXIl.
  Wenn aber ein Eheweib ihrem Ehemanne nicht ehelich beygewohnet; so wird sie zu dessen Erbschafft nicht zugelassen, und, wenn sie auch nachhero die würckliche Beywohnung verhindert, der ehemahligen ungeachtet, der Erbschafft ihres verstorbenen Ehemannes verlustig. Ludwig l.c. vom Jahre 1734. Num. CCXVlI.
  Womit auch zugleich alle andere ihr sonst zustehende Rechte über den Hauffen fallen, wovon unter denen Artickeln  
 
  • Ehestand, im VIII. Bande p. 360. u.f.
  • und Nach- oder Erbfolge derer Eheleute, im XXIII. Bande p. 139. u.f.
  • wie auch Nach- oder Erbfolge des Bräutigams und der Braut,
 
  {Sp. 1794}  
 
  ebend. p. 130. u.f.
 
  mit mehrerm gehandelt worden.  

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Stand: 12. September 2016 © Hans-Walter Pries