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Quellenangaben |
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Teutsche Ehe-Rechte, Lat. Jura Matrimonialia Germaniae; wegen dieser ist zuförderst zu mercken,
daß, obzwar eine
ledige
Manns- oder
Weibs-Person nicht leicht
ohne ihrer noch
lebenden
leiblichen
Eltern Einwilligung sich
verheyrathen
soll, selbige dennoch hierinnen eine
ungleich grössere
Freyheit haben, als man
ehemahls denen jungen Leuten zu Rom zugestanden. |
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Und beydes zwar aus folgenden
Gründen. Zu Rom blieb ein
Sohn, ob er schon verheyrathet war,
ordentlicher Weise nach wie vor
in des
Vaters
Hause und Tische. Der Vater
muste ihn mit seiner
Frauen und
Kindern unterhalten, und ihnen
Nahrung und Kleider geben, wie nicht
weniger dieselben zu Erben haben. Dahero es sich auch nicht wohl
thun lassen, dem Vater, wider
seinen
Willen, eine Schwieger-Tochter
aufzudringen. |
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Mithin war alles umsonst, was der Sohn in der ohne väterliche Einwilligung geschlossenen
Ehestifftung zusagte. Und kam es allenfals auch schon zum
Beyschlaffe; so geschahe der
Beschlaffenen gar nicht
unrecht, wenn sie sich unter dem
Versprechen der
Ehe zum Beyschlaffe
beschwatzen ließ, weil derselben die Nichtigkeit dieses Versprechens aus denen
Rechten bekannt seyn muste.
Dannenhero erlangte sie dadurch nichts als ein Kind, dessen der Beschläffer sich weder annehmen,
noch sich darzu verstehen konnte. Inzwischen ward doch der Sohn wegen des Beyschlaffs um die
Helffte seines
Vermögens
gestraffet, oder, wenn er nichts hatte,
zur Staupe gehauen,
und des Landes verwiesen. Die
Tochter aber hatte
Straffe genung, daß sie
sich mit dem Kinde schleppen, und selbiges am Halse behalten muste, ohne von dem Beyschläffer
eines Hellers werth Zubusse zu haben; da hingegen doch das |
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{Sp. 1791|S. 909} |
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Kind gleichwohl zunfftmäßig und bey
Ehren blieb, ohne daß es erst einer
besondern Legitimation, oder Ehrlich- und Ehrlichmachung bedurfft, ausser in sofern das Kind in den
Stand gesetzet werden solte,
von seinem natürlichen Vater erben zu können, wie solches in der Novell. 89. c. 1. u. f. durchgehends
enthalten. Folglich hatte man auch nicht vonnöthen, diesem zu gefallen den Beyschläffer zur Vollziehung
der Ehe zu zwingen. |
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Gantz anders aber verhalten sich in diesem Stücke die
Teutschen
Rechte. Denn so bald ein Sohn heyrathet; so muß er sich selbsten Brodt schaffen, und dem Vater
aus dem Hause gehen. Der Sohn muß
Weib und Kinder erhalten, und nicht
der Groß-Vater. Folglich leidet auch ein teutscher Vater gar nichts, oder doch nicht so viel, wenn sein
Sohn ohne seinen Willen heyrathet. Die Verachtung thut dem Vater zwar wehe; aber er kan den Sohn
mit dem teutschen Sprüch-Worte abweisen: Wie gebettet, so geschlaffen. Der Sohn hingegen ist mit der
Antwort gleichfals fertig: Die Frau ist mein, und ich muß sehen, wie ich auskomme. |
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Bey diesen
Umständen nun bleibet, denen
teutschen Rechten nach, der Ausspruch des Heylandes durch die
That bewähret: Es wird
ein Mann seinen Vater verlassen, und an seinem Weibe hangen. Welches schlechterdings in denen
Römischen Rechten
verboten war und nicht geschehen dürffen. |
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Wenn es nur nach
GOttes
Ordnung und denen teutschen
Satzungen gehen soll; so ist ein Beyschläffer seine Beschlaffene auch ohne der Eltern Einwilligung,
schlechterdings zu ehelichen
schuldig. Moses spricht dieses
Urtheil im 2 Buche II 15. 16.
Und die ältesten Jüdischen Ausleger pflichten demselben bey; absonderlich die beyden Rabbinen
Abarbanel und Raschi. Es leidet auch die Mosaische
Redens-Art
Gewalt, wenn man sie
anders auslegen
will, er
solle nehmlich die Beschaffene sich zum
Weibe ausstatten. Die
geschicktesten Sprach-
Forscher sind hier stumm oder verkehrt. Welches denn den
Cantzler von
Ludwig in
Halle bewogen, sich von einigen
Hällischen
Juden die hieher gehörigen Stellen ihrer
Rabbinen und des Talmuds nachschlagen zu lassen, obgleich, so viel den letzten betrifft, derselbe auf
Absichten verfält. |
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Unser Luther und Beza haben mit den
vornehmsten
Gottesgelehrten gleiche Lehre, daß die
Obrigkeit in dieser
Sache sicherer gehe, wenn
sie es bey dem klaren
Buchstaben des Mosis bewenden
lassen, und den Beschläffer einer unbescholtenen Dirne, dieselbe wiederum zu
Ehren zubringen, anhalten.
Absonderlich da das
arme Kind denen Teutschen Sitten
nach unzünfftig und unehrlich wird, wenn der natürliche Vater seines Fleisches vergießt, und mit der
Beschlaffenen die Ehe nicht vollziehet. Die Königlich-
Preußischen,
Chur-Sächsischen,
Chur-
Brandenburgischen, und andere Landes-Gesetze erfordern solches, wenn der Beschlaffenen die
Ehe zugesaget worden, gleichfals. Und die Eltern müssen sich mit eben der
Gedult zu frieden stellen, als sie thun
müssen, wenn ihr Sohn als ein Mörder oder Dieb
am Leben
gestraffet wird. Nicht zu gedencken, daß dergleichen ehrvergessene
Personen meistens in ihrer
nachherigen Ehe zur Straffe un- |
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{Sp. 1792} |
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glücklich zu seyn pflegen. Aber dem sey, wie ihm wolle; so verblendet doch den meisten
Rechtsgelehrten das
Römische Recht ihr
Gesicht, daß sie wider diese GOtt und
Menschen gefällige Lehre mit
Unverstand eyfern, und
eigennützigen Eltern wohl gar das
Wort, gleichsam von Amtswegen
zu
reden, sich unterfangen, mithin
allein diesen zu gefallen, mehr andere Menschen betrüben und
unglücklich machen, als der
Geschwächten ihre in Schmach gesetzte Eltern, die unehrlich gemachte Beschlaffene, und endlich das
in
Unschuld unehrliche arme Kind,
welches der natürliche Vater weder der
Natur, noch dem Worte
GOttes nach, als sein Fleisch und Blut verläugnen solte, und den, um nur einiger massen den Flecken
der
Geburt los zu werden, höchstens anders
nicht, als durch eine nachfolgende Legitimation, geholffen werden kan. |
Ludwigs Gel. Häll. Anz. vom Jahre 1730 Num. XXIV. |
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Indessen macht doch das Heyrathen allein keine
Ursache, sein
eigener
Herr zu werden. Denn
die
Eheleute beharren,
wenn sie nicht ihr gehöriges
Alter erreichet, eben wie die
unverehlichten, unter der
Gewalt ihrer Vormünder, welches Wort man bey denen
Teutschen nur allein
nöthig hat, und das Wort Curator ist
ihnen fremde, und schicket sich auch bey ihnen nicht. Denn bis auf das 20
Jahr stunden vor diesem nach denen
teutschen Satzungen die Kinder unter der Vormundschafft; im 21 aber wurden sie ihre eigene Herren,
womit auch fast alle
Europäische
Völcker einig sind. Ein Jahr aber
hatten sie
Zeit, wenn ihnen bey ihrer
Minderjährigkeit
Schaden geschehen war, auf dessen
Widerersetzung zu dringen. Woraus denn die Sächsische und
Schwäbische
Minderjährigkeit bis 21 Jahre gekommen. |
Ludwig l.c. vom Jahre 1732. N. CXLIV. §. 12.1 |
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Nicht weniger findet sich auch zwischen denen Römischen und Teutschen Rechten, die
Gemeinschafft der Eheleute
Güter betreffend, und wenn
man
fraget, ob eine
Mutter ihren abgesonderten
Kindern einen Pflicht-Theil zu hinterlassen schuldig, oder ob derselben frey stehe, das ihrige nach
Gefallen Freunden zu vermachen, und die abgesonderten Kinder gäntzlich zu übergehen? Diejenigen,
welche den Kindern das Wort reden,
sprechen, diese müsten
ihre Mutter den
natürlichen und
Göttlichen Rechten nach erben;
die gemeinen
Kayser-Rechte hielten den Pflicht-
Theil der Kinder für einen Ausspruch der
Natur; wenn die Mutter nach
des Vaters
Tode die Kinder mit der Helffte der
Verlassenschafft abfände, wäre solche für das Väterliche allein anzusehen, und darinnen kein Mutter-
Gut begriffen; die in einer Compagnie oder
Gesellschafft stehende
Güter gehörten einem jeden Compagnon oder G-sellschaffler zur Helffte; mithin wäre es
billig, daß des
verstorbenen Vaters Kindern die
Helffte heraus gegeben würde, u.s.w. |
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Andere hingegen lassen der Mutter hierunter freye Hände. Sie sagen, die einmahl abgesonderten
Kinder hätten auch denen alten Römischen Gesetzen nach keinen Pflicht-Theil mehr; unter der
Halbscheid der Verlassenschafft stäcke Vater- und Mutter-Gut; wenn also die Kinder von der Mutter in
ihren Pflicht-Theile einmahl abgefunden, und, so zu reden, abgekauffet wären; so wäre dieses an statt
der Erbschafft, und könnten |
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{Sp. 1793|S. 910} |
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die Kinder ihre Mutter also nicht zweymahl erben. |
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Was ist nun in solchem
Widerspruche zu thun? Keiner von
beyden Rechtsgelehrten kommt auf den rechten
Grund, der nicht im Römischen,
sondern im Teutschen Rechte zu suchen, und auszufinden. Denn dieses will, daß Mann und Weib die
Güter alle gemeinschafftlich seyn, und daß ieder Ehegatte das volle
Eigenthum daran haben
solle; weswegen auch einer des andern seine
Schulden ohne
Unterscheid zu bezahlen gehalten.
Wenn nun der eine Ehegatte stirbt; so fällt das volle Eigenthum aller Güter auf den überlebenden einzig
und allein. Die Kinder aber haben also, solange das eine von den Eltern lebet, an den Gütern so wenig
Recht, als sie ihre Eltern bey ihrem
Leben erben
mögen. |
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Sie dürffen auch nicht sauer sehen, wenn die überlebende Mutter zu ihrer
Nothdurfft alles verzehret, noch auch
auf eine
Theilung dringen, vielweniger, wenn sie
heyrathet, von ihrem Vater-Gute ein Wort sprechen. Die Mutter, welcher alles zugehöret, stattet sie nach
Gefallen aus. Sie ist so wenig zu einer Verzeichniß oder Rechnung
verbunden, als jemand
solche von seinem Eigenthume zu thun schuldig ist. Es heisset: Längst Leib, längst Gut; der letzte
thut die Thüre zu, u.s.w. Wenn nun die überlebende Mutter mit ihren Kindern sich abschichtet, es
geschehe der andern Ehe, oder sonsten einer andern
Ursache halber; so ist die
Helffte des den Kindern abgegebenen Gutes gar kein Vater- sondern lauter Mutter-Gut: denn sonsten
die Mutter von ihrem Manne gar nichts geerbet haben würde, weil die Halbscheid ihr nach
Gesellschaffts-Recht an sich zukäme. |
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Hat nun dieses seine Richtigkeit; so lösen sich alle
Zweifels-Knoten von selber auf.
Denn |
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1) |
bekommen die Kinder von ihrer Mutter damit Pflichttheil genug, weil sie ihnen bey Leb-Zeiten schon ihr halbes Gut weggiebt; |
2) |
ist die Halb-scheid lauter Mutter-Gut; |
3) |
da die Eheleute denen Teutschen Rechten nach einander
völlig erben, so muß den Kindern genug seyn, wenn sie nach des überlebenden Tode erst das ihrige bekommen, oder auch bey dessen Leben die Halbscheid erhalten. |
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Solchemnach bleibet auch kein
Zweifel übrig, daß die Mutter ihren
abgesonderten Kindern etwas weiters zu hinerlassen nicht schuldig. Weil aber auf diesen Grund noch
niemand gekommen; so ist auch kein Wunder, daß zur Zeit noch weder Advocaten, noch
Richter, über dieser Sache
einig werden können, und dannenhero Cothmann, Mevius, Göddäus, Lauterbach, Hahn, Pistor,
Stryck, und alle andere, durch
einander lauffen. |
Ludwigs Gel. Hall. Anzeig. vom Jahre 1731. Num. LXIl. |
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Wenn aber ein Eheweib ihrem Ehemanne nicht ehelich beygewohnet; so wird sie zu dessen
Erbschafft nicht zugelassen, und, wenn sie auch nachhero die
würckliche Beywohnung
verhindert, der ehemahligen ungeachtet, der Erbschafft ihres verstorbenen Ehemannes verlustig. |
Ludwig l.c. vom Jahre 1734. Num. CCXVlI. |
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Womit auch zugleich alle andere ihr sonst zustehende Rechte über den Hauffen fallen, wovon unter
denen Artickeln |
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- Ehestand, im VIII. Bande p. 360. u.f.
- und Nach- oder Erbfolge derer Eheleute, im XXIII. Bande p. 139. u.f.
- wie auch Nach- oder Erbfolge des Bräutigams und der Braut,
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{Sp. 1794} |
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mit mehrerm gehandelt worden. |
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