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Zedler: Teutschland [3] HIS-Data
5028-43-273-5-03
Titel: Teutschland [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 283
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 155
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Stichworte Text  
Regiments-Forme (Forts.) Unter den Carolingischen Kaysern war Teutschland ein Monarchisches und erbliches Reich, dergestalt, daß sie mehrentheils durch Testamente darüber disponirten. Die absonderliche Provintzen wurden damahls durch Hertzoge und Gra-  
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  fen in der Fränckischen Könige und Kayser Nahmen regieret. jene führten die Regierung in den Provintzen, diese aber waren die oberste Richter. Ob auch gleich manchmahls Reichs-Tage angestellet waren, wozu die Bischöffe, Hertzoge, Grafen und Obrigkeitliche Personen aus den Städten beruffen wurden, so geschahe es doch nicht darum, daß die Kayser ihre Einwilligung einholen wollten, sondern nur um ihres Raths zu pflegen. Diese Monarchische Art blieb so lange, als der Carolingische Stamm seine erbliche Gerechtigkeit in der Nachfolge von Teutschland exercirte.  
  Als aber die Teutschen Stände anfiengen 887 Arnolphen, Carolomanns unächten Sohn, zu ihrem Könige zu erwehlen, maßten sie sich auch nebst dem Wahl-Recht mehrere Gerechtigkeiten an, daß dadurch ihrer Könige Monarchische Regierung ziemlich beschnitten wurde. Wozu noch kam, daß sie nach Ludewigs IV. 912 erfolgtem Tode, damit ihm der Carolingische Stamm in Teutschland gantz abgegangen war, fortfuhren, Könige ihres Mittels zu erwehlen. Sie suchten anfänglich Ottoni, Hertzogen in Sachsen, die Crone aufzusetzen; er entschuldigte sich aber mit seinem angehenden Alter, und schlug vielmehr den Conraden, Hertzogen in Francken, vor, der im Jahr 912 zum Könige gesalbet ward. Jedoch stund die Regiments-Verwaltung allermeist bey dem Ottone, weil solcher vor grösser angesehen war, jedoch dergestalt, daß er und sein Sohn den König vor ihren Obern erkennen musten.  
  Denn weil die Teutschen von der Zeit sich des Rechts, einen König zu wehlen, angenommen hatten; so brauchten sie solches nunmehr, und nach Ausgang des Carolingischen Hauses um so viel mehr, ohngeachtet der eine Carolinische Stamm annoch in Gallien vorhanden war. Kayser aber kan der Conrad nicht genennet werden, weil die Teutschen auf das Römische Reich noch kein Recht hatten.  
  Im andern Jahre seiner Regierung lehnten sich die Teutschen Hertzoge wider ihn auf. Denn nach den damahligen Zeiten ward Teutschland in fünf grosse Haupt-Völcker, oder in so viel grosse Provintzen eingetheilet, deren jede ihren eignen Ducem hatte, der so viel als ein Stadthalter bedeutete. Diese nun waren Arnolphus in Bayern, Burcard in Schwaben, Everhard, ein sehr mächtiger Graf in Francken, Gisilbertus hergegen in Lothringen, und der vornehmste unter allen Heinrich in Sachsen und Thüringen, ein sehr mächtiger Herr.  
  Zwar finden sich einige unter den neuern Schrifftstellern, die behaupten wollen ob wären die Teutschen, nach Abgang des Carolinigischen Stammes, in ihre natürliche Freyheit versetzet worden, denen wir aber nicht Beyfall geben können, weil die Teutschen Fürsten, indem sie sich einen König erwehlten, ihm auch die Rechte zugleich übertrugen, welches um so viel mehr geschehen muste, weil die Teutschen einen König nöthig hatten, der sie wider der Ungarn und Normänner Einfälle vertheidigte. Nächst dem nennen die damahls lebenden Scribenten die Teutschen Fürsten Rebellen, welches nicht hätte geschehen können, wo sie sich noch in ihrer Freyheit befunden hätten.  
  Seinen ersten Krieg must er mit Heinrichen dem Vogler, Hertzogen zu Sachsen führen. Diesen hatte Otto nach seinem  
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  Absterben als einen Herrn von gantz Sachsen hinterlassen, doch der neue König, weil ihn die Tapfferkeit dieses Fürsten sehr wohl bekannt war, stund an, ihm so viel Gewalt zu lassen, als sein Vater gehabt. Es versprach ihm zwar solches der König, jedoch die Sachsen wollten den leeren Verheißungen keinen Glauben beymessen, daher riethen sie dem Heinrichen, wenn Conrad ihm nicht gutwillig eben die Gewalt zu gestehen wollte, die sein Vater gehabt, so könnte er sich ja derselben bedienen, ohne jenen darum zu begrüßen.  
  Der König, als er sahe, wie er den Sachsen nicht würde gewachsen seyn, suchte Heinrichen durch List, des Bischoffs von Mayntz, des Hattonis, zu fangen, welches aber mißlunge. Hierauff griff er zum Waffen, ward aber bey Eresburg geschlagen. Also war dieser Heinrich der erste, der als ein Fürst und nicht mehr als ein Stadthalter über die Sachsen zu befehlen hatte. Endlich, als er dem Heinrichen mit Gewalt nichts nehmen konnte, verordnete er ihn auf seinem Todbette zum Reichs-Nachfolger, ob es wohl das gäntzliche Ansehen hatte, daß sie bey ihren Lebzeiten niemahls gute Freunde gewesen.  
  Er hat mit den übrigen gleiche Verdrießlichkeiten gehabt, doch er überwand dieselben endlich, und brachte theils durch Klugheit, theils durch Tapfferkeit die wiedrigen Fürsten, den eintzigen Heinrichen ausgenommen, auf seine Seite. Denn er hielt vor das beste, daß man aus zwey Übeln das kleinste erwehlen müste, entweder denen Fürsten die Landesfürstliche Gewalt überlassen, und ihnen solche als Lehn reichen, oder aber zuzugeben, daß sie sich gantz und gar loßmachten, welchem letztern zu wiederstehen, er sich nicht von hinlänglichen Kräfften befande. Von daher demnach ist der Ursprung der in dem Reich erblich gewordenen Würde herzuleiten, daß nehmlich die Duces keine bloßen Stadthalter mehr abgaben, sondern würckliche Landesherren wurden, jedoch so, daß sie Vasallen der Teutschen Könige blieben.  
  Dessen Nachfolger Henricus Auceps, nachdem er mit den Dalmiaciern, einem Meißnischen Volcke, den Lothringern, und Ungarn einige Zeit Kriege geführet, und endlich einen Waffen-Stillstand gemacht hatte, wand alle seine Sorge dahin an, daß er das Kriegs-Wesen in einen bessern Stand setzen möchte. Und zwar erstlich befahl er, daß jedesmahl der 9te von dem Landmann in die Stadt ziehen, und daselbst wohnen, vor seine acht andern Gesellen aber Häuser bauen, zugleich den dritten Theil von allen Früchten einsammlen und aufbewahren sollte; die übrigen acht aber sollten das Feld besäen, einerndten, vor dem 9ten die Früchte schaffen, und am gehorigem Orte bewahren.  
  Hiernächst befahl er auch, daß alle Versammlungen, Zusammenkünffte und Gastereyen in den Städten gehalten würden, in deren Anlegung er Tag und Nacht beschäfftiget war. Unter denen von ihm erbaueten Städten werden vornehmlich Meissen, Quedlinburg, Merseburg, welches aber nur mit einer Mauer umgeben worden, und Goslar erwehnet. Hieraus ist das Auffnehmen der Teutschen Städte entstanden, deren es in Teutschland vor dieses Heinrichs Zeiten sehr wenig gabe, die auch zur Abhaltung der Ungari-  
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  schen Einfälle nicht hinlänglich waren. Von diesen Zeiten scheinet auch der Ursprung der Patriciorum herzuhohlen zu seyn, die aus dem Adel genommen worden, und die Stelle der Obrigkeitlichen Personen in den Städten versehen, deren Nachkommen, gleichwie vormahls bey den Römern Patricii genennet worden.  
  Von diesem Heinrichen rühret auch die Bewahrung der Grentzen her, indem er solche den Marggrafen anvertrauete, welches von der Marggraffschafft Schleswig, Meißen und Österreich allerdings gewiß, von Brandenburg aber ist es noch zweiffelhafft.  
  Bey dem allem aber war er nicht Kayser; jedoch hat dieses seine Richtigkeit, daß, nachdem er sich allenthalben Friede geschafft, er nach Rom zu gehen den Vorsatz nahm, ohne Zweiffel die Rechte des Reichs auf solches zu gebrauchen, ward aber durch Unpäßlichkeit davon abgehalten. Denn was die Kayser-Würde anbelanget, so war solche den Carolingern eigen, die sie als ein Erb-Recht besassen. Nachdem aber diese bey den Teutschen aufhöreten, so hatten sie zwar das Recht, sich einen König zu erwehlen; auf das Römische Reich aber fand sich auf Seiten ihrer, weder einiges Recht, noch Verträge, noch ein durch Krieg erlangter Anspruch.  
  So besaß auch Heinrich Rom nicht; wollte sich auch nicht von dem Pabste crönen lassen, um dadurch zu zeigen, daß die Päbstliche Crönung kein wesentliches Stück eines Teutschen Kaysers oder Königes wäre. Doch geschahe solches wieder bey seinem Nachfolger dem Ottone M. wie schon gedacht worden, welcher nebst einigen seiner Nachfolger alle hohe Regalien in die Hertzogthümer und Fürstenthümer Teutschlandes hatte. Diesem Otto räumten auch selbst die Römer die Kayserliche Würde ein, dergestalt, daß von selbiger Zeit an, allezeit ein König von Teutschland die Ehre und Würde eines Kaysers gehabt hat.  
  Als aber nach der Otten Abgang, die Bischöffe in Teutschland mächtig zu werden begunten, und dahero sich der Kayser Gewalt zu entziehen suchten, bediente sich dieser Gelegenheit der Pabst Gregorius VII, daß er sich über Kayser Heinrichen IV. erhub, selbigen in den Bann that, und ihm so viel zu schaffen machte, daß er sich vor ihm demüthigen muste. Ob es nun gleich Heinrichen nachmahls gereuete, und er den Pabst wieder zum Gehorsam zu bringen suchte, konnte er doch selbiges nicht zu wege richten, sondern muste vielmehr erfahren, daß er selbst abgesetzt wurde.  
  Hierdurch fiel die Kayserl. Hoheit wieder um ein grosses, zumahl da dessen Nachfolger Heinrich V. dem Pabst Calixtus II. 1122. die Investitur der Bischöffe überlassen muste. Zwar die Kayser Friedrich I. und Friedrich II. bemüheten sich äusserst, die Kayserl. Hoheit, so wohl über den Pabst als in Teutschland wieder in den vorigen Stand zu setzen, sie konnten aber doch nicht verhindern, daß nicht selbige nachhero in dem grossen Zwischen-Reiche vollends den grösten Stoß bekommen; indem die Reichs-Stände bey solchen Unruhen sich der Landesherrlichen Hoheit und der Regalien, welche die Kayser vormahls in ihren Landen noch exerciret hatten, gäntzlich anmasseten. Solche der Stände grosse Gewalt ist durch den Smalkaldischen und 30jährigen  
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  Krieg noch mehr gestiegen, bis ihnen diese Rechte, welche sie sich nach und nach angemast hatten, durch den Westphälischen Friedensschluß bestätiget worden; woraus denn die gantz ausserordentliche Forme des Teutschen Reichs, dergleichen man sonsten in keinem andern Reiche hat, entstanden ist.  
heutige Regierung Die heutige Regierung von Teutschland kömmt auf den Kayser und die Reichs-Stände an. Der Kayser wird durch die Churfürsten erwehlet, ihm auch bey der Wahl eine Capitulation vorgeleget, welche er unterschreiben und beschweren muß, darinnen enthalten ist, wie er seine Regierung zu führen habe.  
  Er wird zwar des H.R.R. allerheiligstes Oberhaupt genennet, doch hat er vor sich in den Ländern der Reichs-Stände wenig Rechte mehr übrig, welche man reservata nennet. Die vornehmsten von denselbigen sind,  
   
  Alle übrige das gantze Reich betreffende Sachen kan der Kayser vor sich nicht thun, sondern muß entweder der Churfürsten oder aller Stände Einwilligung dazu haben. Diese letztere wird in den wichtigsten Angelegenheiten erfodert, als bey Kriegen, Friedensschlüssen, neuen Gesetzen, Anlagen, und was dergleichen, welche der Kayser auf einen Reichstage vortragen, und der Stände Einwilligung erlangen muß.  
  Er hat zwar das Recht, Reichstäge zu beruffen; doch muß er wegen der Zeit und des Orts vorhero mit den Churfürsten berathschlagen. Zu denselben werden alle und jede Stände, und zwar was Churfürsten, Fürsten und Reichs-Städte sind, ein jeder insbesondere beruffen, die Prälaten aber, so nicht gefürstet sind, bekommen nur nach ihren 2 Bäncken, der Schwäbischen und Rheinischen Prälaten, 2 Ausschreiben. Die Reichs-Grafen welche zusammen 4 Bäncke ausmachen, werden nach ihren 4 directoriis der Schwäbischen, Wetterauischen, Fränckischen und Westphälischen Grafen beruffen.  
  Wenn sich nun die Stände in einer gewissen Reichs-Stadt auf die gesetzte Zeit versammlet, gehen sie in Procession in die Kirche, woselbst Messe gelesen wird, und von dar auf das Rathhaus. Alda setzt sich der Kayser auf einen erhabenen Thron, auf dessen rechter Seite etwas niedriger Chur-Mayntz, Bayern, Brandenburg, auf der Lincken Cölln, Sachsen, Pfaltz, und Chur-Trier, dem Kayser gegen über sitzen. Etwas niedriger sitzen wieder auf der rechten Seite die geistlichen Fürsten, und gantz unten die Prälaten, auf der lincken Seite aber die weltlichen Fürsten, und gantz unten die Reichs-Grafen.  
  Zwischen beyden Bäncken stehet eine Querbanck, worauff der Bischoff von Lübeck sitzt, und der Bischoff von Osnabrüg, wenn dieser letztere ein Protestante ist. In der Mitte steht der Directorial-Tisch, woran der Chur-Mäyntzische Cantzler und die Secretarien sitzen, welche das Protocoll führen. Die Reichsstädtischen Deputirte stehen gantz unten, ausser dem gemachten Gatter.  
  Öffters pflegt der Kay-  
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  ser nicht selbsten zu erscheinen, sondern seinen Principal-Commissarium, gleichwie die Stände ihre Gesandten zuschicken. Wenn ein jeder seinen gewöhnlichen Sitz u. Stand eingenommen, geschiehet der Vortrag, welcher den Ständen schrifftlich gereichet wird. Darauf begleiten sie den Kayser, oder dessen Principal-Commissarium, mit gewöhnlchen Ceremonien, wieder in seinen Pallast. Alsdann treten die Stände über den Vortrag in Berathschlagung zusammen.  
  Und zwar werden selbige in 3 Collegia eingetheilet,  
   
  In einem jedweden Collegio werden die Stimmen besonders gesammlet, u. aus den mehrern Stimmen ein Schluß gemacht. Denselben theilen die Collegia einander mit, u. bemühen sich, wofern sie nicht übereinkommen, solche in eine Glecihförmigkeit zu bringen, woraus denn ein Reichs-Gutachten formiret wird, welches man dem Kayser zur Billigung zuschickt. Erfolget diese, so wird es in die Forme eines Reichs-Abschieds gebracht, u. publiciret, welches hernach als ein Grundgesetze des Teutschen Reichs gelten muß.  
oberste Gerichte Die obersten Gerichte in Teutschland sind der Kayserl. Reichs-Hofrath u. das Cammergerichte zu Wetzlar, vor welchen alle Stände des Reichs stehen müssen.  
geringe Reichsgerichte Nach diesen sind etliche geringe Reichsgerichte, als  
   
  diese haben aber nur ihre Jurisdiction über einen gewissen District, und es kan von selbigen an die beyden höchsten Gerichte appelliret werden.  
Grundgesetze Die vornehmsten Grundgesetze des Teutschen Reichs, worauf die gantze Regierung beruhet, sind die  
   
     

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Stand: 28. Dezember 2012 © Hans-Walter Pries