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Zedler: Wahl [3] HIS-Data
5028-52-696-1-03
Titel: Wahl [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 52 Sp. 710
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 52 S. 368
Vorheriger Artikel: Wahl [2]
Folgender Artikel: Wahl, oder Wahl-Recht
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
II. Im politischen Verstande (Forts.)
  2) Wahl der weltlichen Personen
[Literatur]
[Siehe auch]

Stichworte Text  Quellenangaben 
  Wir kommen nun auch auf  
  2) die Wahl der weltlichen Personen, und insbesondere der Obrigkeiten.  
  Zu Athen wurden die obrigkeitlichen Personen auf dreyerley Art erwehlet:  
 
a) Durch das Looß;
 
 
b) Durch cheirotonian, da nehmlich das Volck, wenn es einen haben wolte, und sein Nahme genennet ward, die Hand in die Höhe reckte;
 
 
c) Durch ordentliche Stimmen.
 
  Vor Zeiten sind verschiedene Königreiche in Europa Wahl-Reiche gewesen, die aber nach und nach sich des Wahl-Rechts begeben haben, ausser das Königreich Pohlen, welches allezeit ein solches verblieben ist, und das Königreich Schweden, welches, nach Absterben König Carls XII, sich solches Rechtes wieder angemasset. Ob die  
  {Sp. 711|S. 369}  
  Wahl-Reiche den Erb-Königreichen vorzuziehen? davon siehe den Artickel: Wahl-Reich.  
  Ob bey Lebzeiten eines Königes der künfftige Nachfolger zu denominiren sey, oder ob man die Sache erst zu einem Zwischen-Reiche (Interregno) gelangen lassen solle, ist unter den Publicisten ebenfals streitig. Einige halten vor sicherer, zu Erhaltung der Rechte der freyen Wahl, die Beschwerlichkeiten des Zwischen-Reiches zu vertragen, als bey Lebzeiten eines Potentaten vor einen Nachfolger zu sorgen. Andere aber meynen, daß manchen innerlichen Kriegen und mancher Unruhe vorgebeuget werden könne, wenn man diesen Vorfall bey Zeiten ausmache.  
  Die Wahl der Stände ist entweder gantz uneingeschrenckt oder, durch vorhergehende Pacte, an eine gewisse Familie gebunden, jedoch so, daß dem Wehlenden, in Ansehung aller Glieder, die zu derselben Familie gehören, ingleichen unter den Kindern des verstorbenen Regenten, die Freyheit gelassen wird, den geschicktesten und vollkommensten daraus zu erwehlen.  
  Ferner ist die Wahl entweder gantz frey, oder einigermassen gezwungen; Wenn z.E. einige grosse Armeen in dem Lande, oder doch in der Nähe stehen, und das Land die vornehmsten Stände mit einer harten Heimsuchung bedrohen, dafern sie nicht denjenigen, dem sie favorisiren, zu ihrem Könige erwehlen würden.  
  Die erwehlenden Personen sind entweder das gantze Volck, oder die Militz, wenn das meiste auf die Armee ankommt, oder die vornehmsten Stände, und diejenigen, denen das Volck solches aufgetragen hat, oder die es sich selbst angemast haben.  
  Der Herr Professor Rinck behauptet, daß man bey der Deutschen Historie, und auch bey dem Deutschen Reiche selber, auf zwey Haupt-Zeitbegriffe sehen, mithin nach selbigen auch die Heylsamkeit der Wahl eines Königes, oder Kaysers, betrachten müsse. Und zwar fange der erstere Zeitbegriff von denen allerältesten Zeiten an, und gehe bis auf Rudolphen den ersten; Der andere aber erstrecke sich von dar, bis auf die dermahligen Zeiten.  
  Nach dem erstern Zeitbegriffe wäre die Wahl von dem gantzen Volcke verrichtet worden; In dem andern aber, hätten die vornehmsten solche nach und nach an sich gebracht, bis endlich in der güldenen Bulle, (die auf dem von Carl dem IV. zu Nürnberg ausgeschriebenen Reichs-Tage verfertiget und publiciret ward, in welcher die Fundamental-Gesetze des Reichs von der Kayser-Wahl aufgesetzet wurden, und die von dem angehengten güldenen Siegel ihren Nahmen bekam) ihnen selbige völlig und privative bekräfftiget worden sey.  
  Diese Meynung ist zwar auf gewisse masse gar vernünfftig, man muß sie aber nur recht ansehen. Also ist es zwar an dem, daß vor diesem das gantze Volck (omnis populus) gewehlet habe; Gleichwohl wär auch sehr gut, wenn die Geschichtschreiber der vormahligen Zeiten fein deutlich erwiesen, wen sie durch das gantze Volck verstanden haben wolten. Zwar nennen sie die Vornehmsten und Ansehnlichsten; (Proceres et Optimates;) Allein es bleibet doch der vorige Zweiffel übrig, daher muß man die Sache also  
  {Sp. 712}  
  nehmen, daß vor dem durch die vornehmen Deutschen Herren, samt denen Bischöffen, Ertz-Bischöffen und Äbten, die Wahl verrichtet worden sey, gleichwie aus dem Tacitus darzuthun stehet, daß in denen Zeiten der so genannten Heydnischen Religion die Geistlichen ebenfals viel zu sagen gehabt; Allein, ob gleich alles dieses seine gute Richtigkeit hat, so ist doch auch gewiß, daß die vornehmen Deutschen, und unter selbigen die vier grossen Haupt-Fürsten, das gantze Wahl-Geschäffte geführet haben; Indem eben dieses das Jus praetaxandi ist, davon der Herr von Coccejus (in Jure Publico) mit gedencket. Auf diese Art demnach sind die Worte zu nehmen: Das gantze Volck erwehlet. (Omnis populus eligit.) Denn man kan sich ja selber die vernünfftige Vorstellung machen, daß nicht jeder Bettler die Wahl mit verrichtet haben werde.  
  Daß immittelst der Herr Professor Rinck dafür halten will, es sey das Deutsche Reich bis auf Heinrich IV. erblich gewesen, muß man nur also nehmen, daß man nehmlich vorher immer bey einem Hause geblieben, unter Heinrich dem vierdten aber der Schluß gefasset worden sey, sich dißfals weiter an kein Hauß zu binden, ob man gleich nachher von dieser Sache einigermassen wieder abgegangen ist. So weniger aber mit Bestande der Wahrheit gesaget werden kan, es sey das Deutsche Reich erblich, dieweil dessen Kayserl. Würde das Hauß Österreich, über 300. Jahr lang hintereinander genossen hat; (zumahl, da, nach den tödtlichen Hintritte Carls VI, der Churfürst von Bayern, Carl VII, und, nach Absterben auch dieses Kaysers, das jetztregierende Ober-Haupt des Deutschen Reiches, Franciscus I, der Gemahl der ältesten Prinzeßin Carls VI, erwehlet worden ist) ebenso wenig lässet sich dieses auf die vorigen Zeiten auch schliessen.  
  Immittelst ist es an dem, daß, solange die Provintzen gantz geblieben sind, so lange haben auch die Haupt-Fürsten das Wahl-Geschäffte vornehmlich dirigiret. Nachdem aber Conrad III. und Friedrich I. Bayern und Sachsen zerrissen, anbey, durch Untergang des Hohenstauffischen Hauses, Francken und Schwaben zerfielen, und eben von daher die heutige Menge und Anzahl der Reichs-Stände ihren Ursprung empfieng, so behielt zwar in so weit das Wahl-Geschäffte seine alte Art, gleichwohl suchten die Nachkommen der ehemahligen Haupt-Fürsten, oder die in deren Rechte getreten waren, auch immer, wie sie die Wahl wieder auf den uralten Fuß setzen möchten, welche sie nach und nach zu Wercke richteten, bis endlich in der gedachten güldenen Bulle das gantze Werck in den gegenwärtigen Stand gerieth, daß nehmlich das uralte Jus Praetaxandi insoweit eine gar andere Gestalt bekam, indem die Anzahl der Wehlenden nur auf einige der vornehmsten Fürsten gesetzet ward, dabey aber die übrigen alle mit einander von diesem Geschäffte ausgeschlossen wurden.  
  Weil aber die Fürsten nachher, und sonderlich bey der Wahl Kayser Carls VI, zu Verfertigung der Wahl-Capitulation mit zugezogen wurden, so hat man das ehemahlige Jus praetaxandi dadurch in etwas wieder gemindert; Wiewohl man die Wahl selber,  
  {Sp. 713|S. 370}  
  von Verfertigung der Wahl-Capitulation, wohl unterscheiden muß. Von der Kayser-Wahl selbst ist unter dem Artickel: Kayser, im XV Bande, p. 285. u.ff. nachzulesen.  
  Daß ferner der gelehrte Herr Professor Rinck dafür halten will, es fiengen die Chur-Fürsten sich vornehmlich von der Wahl Rudolphs des I, an, wird mit dieser Erklärung anzunehmen seyn, daß von selbigen Zeiten an die mächtigsten Fürsten immer besser auf das alte Jus praetaxandi gedrungen, und solches wieder hergestellet wissen wolten, bis sie endlich durch die güldene Bulle ihren Zweck völlig erreichet haben. Wie nun diese der eigentliche und wahre Ursprung der Churfürsten und des Churfürstlichen Amtes ist, also ergiebet sich auch hieraus von selbsten, daß man solchen gantz falsch und irrig aus denen Reichs-Hof-Ämtern herhole, vornehmlich, wenn man 7 dieser Reichs-Hof-Ämter behaupten will, da wir doch jetzo 9 Churfürsten haben. Doch wir gehen in unsrer Abhandlung von der Wahl überhaupt weiter fort.  
  Von der Wahl Kayserlicher und Königl. Personen ist diejenige Wahl gantz unterschieden, wenn in einigen Republicken, um des äusserlichen Splendeurs, oder besserer Ordnung willen, einige zu den Vornehmsten, das ist, zu Hertzogen, Dogen, oder wie sie etwan sonst genennet werden, erwehlet werden. Das Voöck in den Republicken verwahret sich auf das beste, damit ihren Häuptern alle Hoffnung benommen werde, sich das Volck unterwürffig zu machen. Sie dürffen sich nicht der Republick nach ihrem Gefallen bedienen, sie haben nur eine Magnificentz, die in die Augen fällt, sind aber in der That nichts anders, als Bediente der Republick. Die Wahl eines Dogen der Republick Venedig, ist unter dem Artickel: Venedig, in dem XLVI Bande, p. 1203. u.f. ausführlich beschrieben worden.  
  Wie eine jede Wahl in allen Stücken zu besorgen, und was vor, in, und nach derselben, in Obacht zu nehmen sey, wird in den Reichs-Fundamental-Gesetzen und den Elections-Acten determiniret. Die vornehmste Sorge der Reichs-Stände gehet alsdenn dahin, wie sie in allen Stücken ihrer Rechte und Freyheiten nicht nur erhalten, sondern auch, durch mancherley neue Verfassungen, ihre Prärogativen und Privilegien verbessern und vermehren. Bey den neuen Constitutionen schrencken sie bisweilen die Königliche Gewalt etwas mehr ein, als sonst, wenn etwan die Vorfahren zu weit gegangen sind, oder sich in manchen Stücken ihrer Königl. Autorität gemißbrauchet haben.  
  Vor der Wahl werden die sämmtlichen Interessenten zusammen beruffen, und geschiehet die Convocation entweder von dem Antecessor, oder von gewissen Reichs-Officianten, wie es, nach dem Unterscheide der Reiche und Länder, Herkommens ist. Die Wahl wird entweder gleich nach dem tödtlichen Abgange des Regentens vorgenommen, oder so bald sie sich sonst unter einander selbst, und mit den fremden Pouissancen, dieserwegen vereinigen, und dazu gelangen können. In den Fundamental-Gesetzen wird mehrentheils die Zeit exprimirt, von  
  {Sp. 714}  
  welcher an zu rechnen man zu der Wahl schreiten soll. Also machten die Königl. Schwedischen Stände in der Elections-Acte in dem Jahr 1719. aus, daß, wenn Ihro Majestät ohne männliche Erben abgehen solte, und die Königl. Würde in solchem Falle wieder zu der freyen Wahl des Reichs-Raths und der sämtlichen Reichs-Stände verfallen wäre, ohne, daß jemand durch Erb- oder andere unterschiedene Ursachen, zu der Schwedischen Reichs-Crone und Recht etwas prätendiren könnte, so solten die sämmtlichen Reichs-Stände schuldig seyn, ohne einige Zusammenberuffung, sich selbst willig in Stockholm, auf den 30 Tag nach des Königes Tode, zu der Wahl-Verrichtung einzufinden. Solte nun jemand so unbedachtsam seyn, und seine Pflicht vergessen,, daß er, innerhalb der Stände allgemeinen Zusammenkunfft, durch einseitige Verpflichtung oder heimliche Zusammenstifftung, etwas würckete, ausbrütete, oder vornähme, die Königl. Wahl an sich zu bringen, den solten die Stände als einen Stöhrer der Ruhe und der allgemeinen Wohlfarth ansehen.  
  Damit bey der Wahl nicht allzu viel Zeit verstreiche, so wird bisweilen in den Reichs-Grund-Gesetzen die Zeit mit ausgedrückt, binnen welcher sie mit der Wahl zu Ende kommen sollen. In Pohlen müssen sie innerhalb 6 Wochen das Wahl-Negotium endigen. Jedoch gehet dieses nicht allenthalben an.  
  Der Ort, wo die Wahl vorgenommen werden soll, ist ebenfalls determiniret, jedoch veranlassen einige Umstände die Veränderung desselben. Die alten Könige und Fürsten in den Nordischen Reichen sind schon in den ältesten Zeiten ordentlich erwehlet worden, und die Fürnehmsten des Volckes haben bey der Wahl auf grossen Steinen (aber nicht auf den Grab-Monumenten, wie D. Major vermeynet) gestanden, und haben, in Gegenwart der gantzen Versammlung, auf die Person gestimmet, welche über sie herrschen solte, damit anzudeuten, daß ihre Wahl-Stimme fest und beständig seyn solte. Auf solche Weise soll Humble, der andere König in Dännemarck, erwehlet seyn.  
  Wahl-Steine sollen in Seeland, bey der längst zerstöhrten Königlichen Residentz-Stadt Leire, und darunter ein grosser Stein, mit Nahmen Königstuhl, gestanden haben. Solche Wahl-Steine, an der Zahl 12, hat man auch in Schweden, bey der Stadt Upsal, gehabt, und in der Mitte hat ein grosser Stein, Morastein genannt, gestanden; da vorzeiten die Könige erwehlet worden sind.  
  Die Wahl der alten Könige in Dännemarck ist an vier unterschiedlichen Orten geschehen, und bestätiget worden: Als  
 
  • in Seeland, bey der zerstöhrten Stadt Leire;
  • In Schonen, auf Lolbars-Hügel, bey der Stadt Lunden;
  • In Jütland, bey der Stadt Wyburg;
  • Und in dem Hertzogthum Schleßwig, auf Urnhövit, nicht weit von der Stadt Apenrade.
 
  Der Königlichen Wahl auf Urnhövit und bey Wyburg gedencket Saxo, (L. XIV. …) An diesen Orten ist der heydnische König Sivard, dieses Nahmens der III, durch die höchsten Wahl-Stimmen des gantzen Dänischen Volckes, erwehlet worden, wie aus die-  
  {Sp. 715|S. 371}  
  sen Worten des dänischen Geschicht-Schreibers abzunehmen ist:  
  Sivordus, summis totius Daniae concionis suffrgiis, paternum apprehendit imperium. D.i. Sivard hat durch die höchsten Wahl-Stimmen des gantzen Dänischen Volckes, das väterliche Reich überkommen.  
  Die Wahl der hohen Landes-Obrigkeit fiel gemeiniglich auf das Königliche oder Hertzogliche Geschlecht, wie denn Saxo die Dänischen, Snoro Sturleson die Schwedischen und Norwegischen Könige, aus der Königl. Stamm-Linie herführen, und die ordentliche Succeßion der Söhne nach ihren Vätern, von einem Jahrhunderte zu dem andern, beschreiben. Unter den Königl. Printzen hat man den ältesten nach des Vaters Tode zu erwehlen gepfleget.  
  In Pohlen ward der Wahl-Tag in vorigen Zeiten in Petrikow gehalten. Seit dem aber das Groß-Hertzogthum Litthauen mit Pohlen vereiniget worden ist, hat man allezeit eine halbe Meile von Warschau, nicht weit von dem Dorffe Wola, in dem freyen Felde, die Wahl angestellet.  
  Es liegt einigen Reichs-Ständen, oder Reichs-Officianten insonderheit ob, daß sie die zu der Wahl nöthigen Anstalten besorgen müssen. Also muß allezeit der Chur-Fürst von Sachsen, als Vicarius des Heil. Römischen Reichs, nach dem Abgange des Römischen Kaysers, an den Reichs-Erb-Marschall, den Graf von Pappenheim, schreiben, daß er die bey den Wahl-Tägen vormahls gehaltenen Acta ungesäumt aufsuchen, einen Reichs-Quartier-Meister annehmen, denselben nach Franckfurt am Mayn abfertigen, ingleichen an den Magistrat zu Franckfurt am Mayn schreiben soll, bey der bevorstehenden Wahl, die Nothdurfft wegen der Victualien, der Fütterungen und Logimenter, zu verschaffen, auch dem Reichs-Quartier-Meister mögliche Beförderung zu thun.  
  Die auswärtigen Pouissancen, insonderheit aber die benachbarten, unterlassen nicht, ihre Gesandten zu den Reichs-Ständen abzuschicken, damit sie dem bevorstehenden Wahl-Negotio beywohnen mögen, und ihr Interesse auf das best-möglichste wahrnehmen. Die Abgesandten lassen ihre Ankunfft alsofort den Principalen, dem Königl. Senat, den vornehmsten Reichs-Ständen, Reichs-Officianten, und wie sie etwan weiter heissen möchten, zu wissen thun, und werden nachgehends, nach dem an einem jeden Orte eingeführten Ceremonielle, introducirt und tractirt. Je mehr das Interesse eines Potentaten mit dem Lande, welchen ein Regent vorgesetzet werden soll, verknüpfft ist, je mehr erfordert die Vorsichtigkeit, daß er bey dem Wahl-Negotio vor das Heyl seines Landes, durch seinen Gesandten, vigiliren lasse.  
  Gleichwie der Römische Pabst, bey allen Negotien, vor das Wachsthum seiner Kirche und die Ausbreitung seiner Religion besorgt ist, also müssen seine Nuntii bey allen Wahlen der Römisch-Catholischen Häupter mit concurriren. Die zu den Wahl-Handlungen abgeschickten Gesandten müssen eine kluge Conduite beobachten, damit sie alle Stände careßiren, und keinen eintzigen vor den Kopf stossen; Denn wo dieses nicht geschicht, werden sie ihr Vornehmen nim-  
  {Sp. 716}  
  mermehr zu dem gewünschten Ende bringen. Sie müssen unter der Hand ihre Desseins formiren, sich aber niemahls auf eine öffentliche oder odieuse Weise in die Regierungs-Sachen und Reichs-Geschäffte mischen.  
  Bey den Pohlnischen Wahl-Tagen ist eine höchst nöthige Eigenschafft vor ausländische Minister, welche auf einige Weise das Interesse ihrer hohen Herren Principalen mit dabey zu besorgen haben, daß sie nicht allein beredt, sondern auch freygebig und großmüthig seyn, damit sie, durch allerhand Complaisance, stattliche Banquete, insonderheit aber durch ihr Geld, die Stimmen, so wohl der Senatoren, als des Adels, gewinnen mögen. Ja, es wird von den Abgesandten, als ein unentbehrlich Stück, erfordert, eine grosse Figur zu machen, offene Tafel zu halten, viel Geld aufzuwenden, und ansehnliche Geschencke auszutheilen, weil sonst die auf den Wahl-Tag versammleten Stände, wenn sie nur den geringsten Argwohn einiger Sparsamkeit, oder Kargheit, bekommen, alsobald den Schluß daraus machen, daß der Principal eines solchen Ambassadeurs ein armer und unvermögender Herr seyn müsse, daher sie sich auch nachgehends gar schwerlich entschliessen, denselben, oder denjenigen, den er vorgeschlagen hat, auf den Thron zu erheben. Gleichergestalt haben sie Ursach, mit allem ersinnlichen Fleisse sich zu bemühen, daß sie die Clerisey auf die Seite bekommen.  
  In den Reichs-Satzungen und Grund-Gesetzen werden auch gewisse Requisita von demjenigen, der zu dem künfftigen Regenten erwehlet werden soll, erfordert: Insonderheit aber die Religion, zu welcher er sich bekennen soll, ausgedrücket. Also soll ein Römischer Kayser der Geburt nach ein Deutscher, seiner Ankunfft nach von Durchlauchtigem Herkommen, in Ansehung seiner Güter reich und mächtig, der Religion nach kein Ungläubiger und kein Ketzer seyn. Der Schwaben Spiegel sagt bey dem Goldastus, in dem I Theile der Deutschen Reichs-Satzungen (…)  
  Einen lahmen, meuchelsüchtigen Mann, und der in den Bann oder in der Acht ist, oder ein Ketzer, den sollen die Fürsten nicht zum König kiesen. Kiesen sie aber diesen, so verwerffen ihn wohl die andern Fürsten mit Recht.  
  Da sich bisweilen, bey der Erledigung eines Thrones, viel Europäische Printzen auf eine Crone Rechnung machen, so sind sie einer frühzeitigen Wahl eines Nachfolgers, soviel sie können, entgegen, damit sie durch das trainiren, Hoffnung behalten, auch hierbey zu reußiren. Ist einer, oder der andere, dem etwan ein vermeyntliches Recht an der Crone zustehet, oder, der sich eingebildet, daß er nothwendig dabey mit concurriren müssen, ausgeschlossen worden, so schickt derselbe solenne Protestationen wider die Wahl ein, und will die geschehene Wahl hiedurch unkräfftig machen, und für null und nichtig erklären.  
  Ist von einer starcken Faction des Reichs wider die Verfassung der Grund-Gesetze, eine unrechtmäßige Wahl getroffen worden, so protestiren die andern Stände wider die Wahl, so die übelgesinneten zu dem Nachtheil der Gesetze und Constitutionen, unternommen haben, sie  
  {Sp. 717|S. 372}  
  halten das gegenseitige Verfahren vor Attentata, und verhoffen, daß alle Könige, Fürsten, und andere Christliche Staaten, es mit Befremden ansehen, und denjenigen Printzen, der, durch die freyen Stimmen ihrer Nation, auf den Thron erhoben worden ist, vor ihren rechtmäßigen Souverain erkennen werden; Sie publiciren öffters Manifeste, und erklären sich darinnen, daß sie bereit wären, den von ihnen erwehlten Fürsten bis auf den letzten Bluts-Tropffen zu vertheidigen, den andern aber würden sie nimmermehr für ihren Herrn erkennen, sondern alle diejenigen, die bey der gegenseitigen Wahl gewesen, und derselben auf einige Weise Aßistentz geleistet, für Feinde des Vaterlandes achten.  
  Von Rechtes wegen, sollen die Stimmen frey seyn; Sie werden aber bey vielen, ja, man möchte wohl sagen, bey den meisten, durch Geld, oder durch Affecten, gelencket, daß sie bey ihrer Wahl nicht auf die Wohlfarth des Reiches, wie es wohl seyn solte, sondern vielmehr auf ihre eigenen intereßirten Absichten, sehen. Ob schon zuweilen von den Eligenten ein Jurament erfordert wird, daß sie nach ihrem besten Wissen und Gewissen einen Regenten erwehlen wollen, und wenn auch gleich die Sammlung der Stimmen in den Grund-Gesetzen ausgemacht und vorgeschrieben wird, so wird doch öffters die Unordnung nicht dabey vermiethen, das tumultuarische Wesen und die Affecten behalten dabey die Oberhand, und es wird nicht selten derjenige erwehlt, der es am wenigsten vermuthend gewesen, und es auch vielleicht am wenigsten würdig ist.  
  Bey einigen Wahl-Reichen haben die Väter ihre Printzen vorgeschlagen, ihre Tugenden gerühmet, und sie dem Volcke auf das Beste angepriesen; Sie haben aber, in diesem Falle, durch andere Pouissantzen, grosse Hinderniß angetroffen, indem sie, durch ihre Gesandten, der Nation vorstellen lassen, wie eine solche Wahl auf alle Weise zu dissuadiren sey, und wie man hierdurch auf nichts anders abzielete, als ein Wahl-Königreich in ein Erb-Königreich zu verwandeln. Jedoch haben sich auch die Eligenten nicht allezeit an die gegenseitigen Remonstrationen gekehret, sondern bisweilen den Vätern, die sich bey dem Volcke Liebe erworben, hierinnen favorisiret, und ihre Erben, wenn sie Nachfolger der väterlichen Tugenden gewesen sind, des Wahl-Rechts ohnbeschadet, zu den künfftigen Cron-Folgern des Königreiches bestimmet. Bisweilen hat es auch wohl gar einigen geglücket, daß sie sich selbst erwehlen können; Sie haben gesagt, sie kenneten sich selber besser, als einen andern, auf sich votirt, und nachgehends bey andern Beyfall erhalten.  
  So bald ein Regent erwehlet worden ist, legen sie ihm eine Capitulation, oder gewisse Artickul, vor, die er nothwendig eingehen muß bevor die Proclamation ihren Fortgang haben kan. Es sind dieselben vor nichts anders anzusehen, als vor einen Contract, oder Vergleich, der zwischen dem künfftigen Könige und dem Volcke aufgerichtet worden ist. Diese Pacte, Convente, oder wie sie sonst genennet werden können und mögen, müssen die Regenten gemeiniglich eydlich bestärcken, und die Nationen hierdurch in Sicherheit setzen, daß sie denselben in allen und jeden Puncten und Clausuln nachleben wollen. Der  
  {Sp. 718}  
  Haupt-Punct kommet in diesen Capitulationen darauf an, daß sich die Könige keiner Succeßion, oder Erbschafft über das Königreich, anmassen, oder darnach trachten wollen, die Crone auf ihre Erben, oder Nachkommen, oder Jemand anders, ohne Einwilligung des Volckes, zu transferiren. Über diesen Haupt-Punct, dingen sich die Wehlenden unterschiedenes sonst noch aus, so zu ihrem Interesse, oder Honeur, gereicht, und reguliren zugleich einige Puncte in dem Ceremoniel-Wesen. Also haben die Chur-Fürsten, in denen mit den Römischen Kaysern errichteten Wahl-Capitulationen, pacisciret, daß ihre Gesandten in den Kayser- und Königlichen Höfen, und in den Capellen, den Botschafftern der auswärtigen Republiqven, und auch den Fürsten in Person, ohne Unterschied vorgehen sollen.  
  Vor der Wahl wird gemeiniglich ein Gottes-Dienst in der Kirche gehalten, und werden dabey viel Lateinische Gesänge abgesungen, daß ihnen der Heil. Geist zu dieser Wahl nöthige Erleuchtung verleihen wolle; Es geschiehet aber dieses Absingen mehrentheils nur zu dem Scheine.  
  Die geschehene Wahl wird dem Volcke, entweder durch Herolde, oder auf andere Weise, durch Trompeten- und Paucken-Schall, und wie es an einem jeden Orte hergebracht ist, bekannt gemacht, und nachgehends eine solche Abkündigung der geschehenen Wahl durch ein vielfaches Vivat solenisiret und begleitet.  
  Ist ein neuer Pabst erwehlet, so zeiget sich der Ceremonien-Meister auf dem Altare der St. Peters-Kirche, und thut ihm die geschehene Erwehlung mit lauter Stimme kund. Hierauf lässet sich ein allgemeines Freuden-Geschrey hören, es werden alle Glocken geläutet, es erschallen Trompeten und Paucken, und das grobe und kleine Geschütz wird abgefeuert.  
  Dem erwehlten Printzen wird die geschehene Wahl durch eine solenne Ambassade notificiret. Also ward in dem Jahr 1697. dem Durchlauchtigsten Chur-Fürsten zu Sachsen, Herrn Friedrich Augusten, durch eine grosse Gesandtschafft, so die Republick Pohlen nach Tarnowitz zu ihm abschickte, die getroffene Wahl zu wissen gethan, und der Groß-Feld-Herr, Jablonowsky, legte eine wohlgesetzte Rede dabey ab. Dergleichen geschahe auch in dem Nahmen des Groß-Hertzogthums Litthauen, und in dem Nahmen des gesammten Pohlnischen Adels, dem Könige Johann Sobiesky.  
  Ist nun dem designirten Successor die Wahl, entweder durch Gesandten, oder durch Briefe, intimirt worden, so findet er sich gar bald zu der Crönung ein, sintemahl es heutiges Tages gar ein rarer Zufall wäre, wenn ein grosser Herr eine Crone anzunehmen sich weigern wolte; Wiewohl man in den abgewichenen Zeiten einige dergleichen Exempel in den Geschichten antrifft. Dem Chur-Fürsten zu Sachsen, Friedrich dem Weisen, ward, nach Abgang des Kaysers Maximilians des I, das Kaysertum offeriret, er schlug es aber Großmüthig aus.  
  Auf die glücklich vollzogene Wahl, werden mancherley Medaillen und Schaustücke geschlagen. Also sahe man auf die Wahl Kayser Carls des VI, und dessen Wiederkunfft in Deutsch-  
  {Sp. 719|S. 373}  
  land, folgende Schau-Müntze: Der Kayser stund in der alten Tracht eines Sieg-prangenden Überwinders, als gleichsam mit einem Fusse aus der Spitze eines Römischen Schiffes aussteigend, (wie solches auf den alten Müntzen die glückseligen Züge und Thaten zu Wasser vorstellet) mit der einen Hand hielt er das güldene Vließ, welches er, als das Ehren-Zeichen der Spanischen Crone, als ein anderer Jason, zu Wasser und Lande, durch so viel Heroische Thaten, erobert hatte, und zugleich eine Erd-Kugel mit dem Phönix, als das Bild der wieder hergebrachten glückseligen Zeiten; Mit der andern Hand empfieng er, bey siegreicher Wiederkunfft, die, durch allgemeine Wahl, aufgetragene Sieges-Crone, von dem zurück kommenden Glück. Die Überschrifft: Lustratis terra marique finibus, zeigete an, daß dieses geschehen sey, da er, nach altem Gebrauche vieler Völcker, vor Antritt der Regierung, die Grentzen zu Lande und Wasser, und zwar mit Sieg und höchster Ehre, besichtiget habe. Unten, in dem Abschnitte, las man die Worte: Fortuna redux M. D CCXI.  
Literatur
  • Wolffs Gedancken von GOtt, der Welt und Seele, Theil II. …
  • Zimmermanns Natürl. Erkänntniß GOttes, der Welt und Mensch …
  • Wagners Freyheit des Willens …
  • Rambachs Dogmat. Theol. Th. I. …
  • Böldickens Theodicee …
  • Schöttgens Antiqvitäten-Lexic. …
  • Miri Lexic. Ant. Eccl.
  • Löders Histor. Theol. Syst. Th. I. …
  • Jablonski Lexic. …
  • Syrbii Anweis. zur Weißheit …
  • Heinsii Kirchen-Histor. Th. I. …
  • Busch vom Te Deum Laudamus
  • Bergers Synchronist. Univ. Hist. Tabell. X. Num. 4.
  • Hübners Polit. Hist. Th. III. …
  • Dithmars Geschich. des ritterl. Johannis-Ordens …
  • Schmiedens Polit. Frag.
  • Weisens, Th. II. …
  • Zschackwitzens Rechts-Ansprüche, Th. II. …
  • Rohrs Ceremon. Wissensch. grosser Herrn …
  • Arnkiels Mitternächt. Völcker, Th. I. …
  Siehe auch  
   
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries