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Text |
Quellenangaben |
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Bey den Wissenschafften hat man auf deren
Nützlichkeit zu sehen.
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Alle
Wissenschafft, auf die ein Gelehrter seinen
Fleiß zu wenden
Ursache
haben
soll, muß einen wahrhafften
Nutzen haben; dieweil der
Zweck aller
Erkenntniß
des
Verstandes
die Beförderung
wahrer
Weisheit unter den
Menschen ist; diese aber auf die
Erlangung wahrer
Glückseligkeit
eintzig abzielet. Ob nun eine erkannte
Theoretische
Wahrheit einen Nutzen habe, und was vor einen; kan, wenn dieser
nicht
unmittelbar in die
Sinne
fällt, nicht anders als aus den Theoretis. Wahrheiten durch
practische
Schlüsse erkennet werden. Dahero
verdient sonder
Zweifel die Lehre von den practischen
Schlüssen eine besondere Aufmercksamkeit,
um in allen
gelehrten Abhandlungen den Nutzen derer
vorgetragenen Wahrheiten in
den
Geschäfften dieses
Lebens
erfinden und
darthun zu können. |
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Es ist dahero nicht zu
billigen, wenn Aristoteles diejenige
Wissenschafft, die seiner
Meynung nach nicht etwan wegen einiges
Nutzens, sondern bloß
wegen ihrer selbst, und damit man sie nur wissen möge, gelernet werde, (worunter
er die Metaphysick verstehet) allen andern vorzieht. Er
spricht: [drei Zeilen
griechischer Text]. |
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„Unter den Wissenschafften sey
diejenige, die ihrer selbst wegen, und sie nur bloß zu wissen schätzbar sey,
eine größere Weisheit als welche wegen gewisser Zufälligkeiten erlernet wird.„ |
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Ingleichen [drei Zeilen griechischer Text]. |
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„Wenn man die Unwissenheit zu
vermeiden am ersten der Weltweißheit obzuliegen angefangen hat; so ist klar, daß
man des Wissens selbst wegen nach der Wissenschafft gestrebet hat, nicht aber
einiges Nutzens wegen.„ |
Metaphys. L. I. C. II. |
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Wenn ja eine Wissenschafft seyn soll eines Guten, daß nicht wegen eines
andern, sondern wegen seiner selbst zu suchen ist, so ist solche Wissenschafft
keinesweges die Metaphysic, sondern die
Ethick, als welche von dem höchsten
Gute, das ist, von dem letzten
Zwecke aller
Menschen handelt. Jedoch ist auch
solchenfalls nicht die Wissenschafft dieses Guten, sondern die Erlangung und der
Genuß desselben dasjenige, was nur seiner selbst wegen zu suchen ist, weil alle
Wissenschafft nur ein Mittel ist. Also ist keine Wissenschafft, die nur ihrer
selbst und kei- |
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{Sp. 1444} |
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nes andern
Nutzens wegen solte zu suchen seyn. |
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Jedoch man hat sich
billig zu hüten, daß man sich in Beurtheilung der
Nützlichkeit oder Unnützlichkeit der
Wahrheit nicht übereile. Einige Wahrheiten
haben einen
unmittelbaren
Nutzen, nehmlich die Practischen, den also ein jeder
allsofort zu
erkennen fähig ist. Andere hergegen haben einen mittelbaren Nutzen,
der allererst durch einige Folgerungen sich äußert, in welche Classe die meisten
theoretischen Wahrheiten und insonderheit ihre erste
Gründe gehören; deren
Wissenschafft die Unwissenheit immer vor unnützlich anzusehen pfleget. |
Gracian Max. 67. die 1. Anmerckung. |
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Zudem wird der gute
Nutzen vieler
Wahrheiten allererst mit der Zeit
entdecket, welches nicht geschehen kan, wenn man sie nicht vorher, ehe noch ihr
eigentlicher Nutzen bekannt ist, weiß, oder wenn man sie alsofort, wenn sich
nicht sogleich bey der ersten Betrachtung ein Nutzen zeiget, als unnütze Grillen
verwirfft. Dahero dann nicht derjenige vor einen Grillenfänger zu achten, der,
wenn er Muße dazu hat, hier und da eine
Wahrheit untersucht, von welcher zur
Zeit auch noch kein würcklicher Nutzen bekannt ist: sondern vielmehr derjenige,
der wie Aristoteles mit der Metaphysic that, auch in
offenbarlich nützlichen Wissenschafften außer dem Wissen keinen weitern Nutzen
suchet, sondern diesen, wenn er sich ja wider Vermuthen findet, vor ein
Nebenwerck hält, auf welches er gar nicht als auf einen
Zweck des Wissens zu
sehen
Ursache
habe. |
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Man soll also nicht leicht eine
Wahrheit an sich selbst und schlechterdings
vor unnütz schelten, da man nicht leicht bey einer ein mehrers wird erweisen
können, als daß man zur Zeit noch keinen
Nutzen derselben wisse, oder daß sie
diesem und jenem
Menschen,
ingleichen zu denjenigen
Zwecken der Menschen, von denen man etwan
Wissenschafft hat, nicht dienlich sey. Niemand aber kan von
allen Zwecken aller Menschen Wissenschafft zu haben sich rühmen: Also kan auch
niemand
sagen, daß ie eine Wahrheit an sich selbst und gäntzlich unnütze sey. |
Müllers Philosophische Wissenschafften Th. I. C. XVII.
p. 528.¶ |
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Nutzen der Wissenschafften zum Aufnehmen eines
Staats.
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Daß sich die Begierde etwas zu wissen, bey denen meisten
Menschen
finde, ist wohl eine unläugbare
Wahrheit. Ob es aber eine
Liebe zu wahren
Wissenschafften sey, hieran lassen uns die Exempel gantzer Nationen, die in der
tieffsten Barbarey gestecket, und davon zum Theil zur Zeit noch nicht befreyet,
zweifeln. Wenig würden sich denen
Studien ergeben, wenn gute
Auferziehung nicht
das Beste beytrüge, und sie darzu anhielte. Ja, wer auch eine Wissenschafft
treibet, solches insgemein seinen verdorbenen Neigungen zu gefallen, um dadurch
Reichthum,
Ehre,
Zeitvertreib zu erlangen. Nichts destoweniger ist deren
Nutzen so groß, daß man
ihrer nicht entbehren kan, und die tägliche
Erfahrung
mag nur die Frage, ob einem
Staate
nützlich, daß die Wissenschafften darinnen |
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{Sp. 1445|S. 736} |
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wohl angesehen sind? selbst mit Ja beantworten. |
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Jedem Menschen ist nöthig, seinen
Verstand
aufgeräumt zu haben, und einen bündigen
Schluß machen zu können fähig zu seyn.
Wo solches fehlet, entstehen daraus soviel falsche
Einbildungen, Vorurtheile,
Aberglauben und dergleichen, die durch eine rechte Vernunfft-Lehre weggeräumet
werden. Die Morale weiset denen
Unterthanen ihre
Pflichten gegen ihren Schöpffer, ihren
Regenten,
ihre Mit-Bürger und gegen sich selbst zu lernen an, und wenn dieser gefolget
würde, brauchte eine
Republick
wenig
Gesetze,
ohnerachtet der Menschen Unart Leute erfordert, so die bürgerlichen Gesetze in
iedem
Staat
verstehen, und auf fürkommende Fälle deuten können. |
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Es ist nöthig, daß ein
Volck
seine Nachbarn kenne, deren
Meynungen,
Gewohnheiten,
Kräffte
und Schwäche untersuche, daraus einer andern
Republick
Fehler zu meiden, und von
ihrem wohleingerichteten
Staat
Vortheil zu ziehen, und weder alles anzunehmen,
noch zu verwerffen lerne, was Fremde erfunden. Die
Erkenntniß
der Alterthümer, dienet
Philosophen, Juristen, Historien-Schreibern, Rednern und
Poeten, pfleget auch zur Ergötzung des
Gemüths nicht wenig beyzutragen. Die Kenntniß der alten
Sprachen, so dabey erfordert werden, machet solches zwar etwas schwer, doch ist
dieses wiederum nicht ohne
Nutzen, weil ohne die
Griechische und
Hebräische die
Erklärung der
heiligen Schrifft nicht bestehen kan, und aus andern alten
Scribenten nicht wenig zu lernen, auch die
Lateinische für die Mutter-Sprache
der Gelehrten angesehen wird. |
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So helffen auch solche zur Erlernung der Medicin und Mathesis, aus deren
Kunst-Wörtern selbst zu ersehen, daß wir solche denen Römern und Griechen
meistens zu dancken haben. Wie viel aber diese letztere Wissenschafften so wohl
als die heilsame Physick zu dem Besten des
gemeinen Wesens
beytrage, und in dem
Acker-Bau, Schiffahrten, bey Müntz-Wesen etc. gebrauchet werde, ist nicht
nöthig, weitläufftig auszuführen. Solte gleich die genauere Kenntniß der
natürlichen Cörper zu nichts weiter dienen, so wäre doch dieses genung, daß man
dasjenige nicht als übernatürliche
Zeichen und Wunder ansehe, so nach dem
natürlichen Lauf geschiehet. |
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Von denen Heyden wurde alles Unglück, das dem Römischen
Reiche
zustieß, denen unschuldigen Christen beygemessen. Gewiss, auch unter Christen
hat es allezeit Leute gegeben, die sich nicht viel anders aufgeführet, da ihre
Religion aus der Verfolgung entrissen worden, deren Nachkommen ietzund in den
meisten
Städten
und Ländern
anzutreffen sind. Wer weiß nicht, daß die von denen Heyden so gerühmte Oracel
der Teuffel Hülffe verlohren haben, nachdem van Dale und andere so deutlich
gewiesen, daß es nur der Priester Betrügerey gewesen. Was für Gespenster und
Hexen-Geschmeiß sind nicht bey unserer Vorfahrer Zeiten erdichtet worden, so nun
meistentheils anietzo verschwunden. Selbst die Cometen zeigen nichts
böses mehr
an, nachdem auch die Natur-Wissenschafft in besserm
Stande sich befindet. So |
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{Sp. 1446} |
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schädlich und närrisch die Astrologia judiciaria, so nützlich ist
die Astronomie, die zur Erläuterung der
Geographie
und Chronologie nicht wenig beyträgt, und die neuentdeckten Satellites Jovis
sollen nach Fontanelle
Meynung zur Verfertigung accurater See-Charten mehr helffen,
als der Mond selbst, und dadurch vielen das
Leben erhalten. Was die Mechanick
dem gemeinen Wesen für
Nutzen bringe, erweisen die vortrefflichen Instrumente,
die mit großer
Beqvemlichkeit und Erspahrung unzehliger Unkosten gebrauchet
werden. Und also wird nicht leicht eine Disciplin gefunden werden, deren Nutzen
nicht ohne Mühe für Augen zu stellen, und mit lebhafften Farben abzumahlen wäre. |
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Je mehr Leute in einem
Staat
gefunden werden, die die Wissenschafften sich lassen angelegen seyn, ie mehrern
Nutzen pfleget derselbige daraus zu erhalten. Alle, die öffentliche Geistliche,
Civil- und Militair-Ämter besitzen, sollen nothwendig ein Stück der
Gelehrsamkeit erlernet haben, welches selten ohne das andere kan verstanden
werden.
Studien dienen die
Freyheit
eines Staats und
Volckes
beyzubehalten, weil zwischen diesen beyden so eine grosse Verbindung, daß eine
ohne die anderen nicht bestehen kan. Unwissenheit macht dumme
Gemüther, verstopffet alle Ehr-Begierde und Großmüthigkeit,
die sonst bey wohlerzogenen
Menschen anzutreffen, und verursachet, daß ein Volck
sein Joch willig über sich nimmt. Tyrannen können nicht besser thun, als ihre
Unterthanen von Verbesserung ihres
Verstandes abhalten. |
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Nicht weniger wird der Aberglaube aufgehoben, welcher öffters verursachet,
daß sich
Geistliche,
die doch nicht herrschen solten, über andere viel herausnehmen. Was die
Einwürffe betrifft, so hauptsächlich in Fürwerffung der Gebrechen, so bey den
Gelehrten öffters anzutreffen, und in denen Fehlern, unnöthigen Gezäncken,
Streitigkeiten etc. die bey ihnen nicht gar selten zu seyn pflegen, bestehen, so
kan man hierauf gar leichte antworten, und denen, die es mit denen
Wissenschafften nicht halten, hier gar leichte ihre Schwürigkeiten benehmen. |
Es hat von dieser
Materie der
Herr Joh. Barbeyrac den 2 Mai
1714 eine
Rede gehalten, welche zu Amsterdam 1715 unter dem
Titel: Discours
sur l'utilité des lettres, im Druck herausgekommen, und in den
Deutschen
Actis Erud. Th. 37 p.
43 u.ff. recensiret, auch allhier das meiste daraus genommen worden ist.¶ |
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Welche Wissenschafften, einem Regenten fürnehmlich
nöthig und diensam seyn?
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Ob es gleich dem
Grunde und der
Wahrheit nach gantz sicher ist, daß viele
und gute Wissenschafft keinen
Menschen
anständiger sey, als denen
Regenten,
immaßen die Früchte davon allen ihren
Unterthanen zu statten kommen; so kan man doch keinesweges
sagen, daß solches von einer unbedingten
Nothwendigkeit
sey, sintemahl man in denen Historien sowohl Exempel von gelehrten
Fürsten,
so nicht zum Besten |
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{Sp. 1447|S. 737} |
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regieret haben, als auch von solchen, welche bey wenig, oder keiner
Gelehrsamkeit,
dennoch gar löbliche Regenten gewesen, entdecken kan. Indessen treffen es
diejenigen am wenigsten, welche alle gelehrte Wissenschafften bey hohen Häuptern
für lauter Schaden halten. Zwar ist eine gesunde und richtige
Vernunffts-Einsicht, wie bey iedermann, also zumahl bey
großen
Herren eine solche Gabe, welche an sich für aller Gelehrsamkeit einen
mercklichen
Vorzug, mithin jener Staats-Mann in so ferne gantz recht hat, wenn
er
schreibet: „Es könne GOtt einem Lande keine größere Plage zuschicken, als
einen unvernünfftigen Fürsten.„ |
Comines Mem. Liv. 2. Ch. 6. |
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Man darf aber solches nicht also deuten, als wenn ein guter
Verstand
durch nützliche Wissenschafften nicht unendlich gezieret, und zu mehrerer
Gewißheit und Ausbreitung befördert werden könne. Denn, wie eines theils niemand
abredig seyn kan, daß Verstand, ohne
Erfahrung,
nur ein halbes
Werck sey: also ist nicht weniger ausgemacht, daß man öffters, in
einem Tage, aus anderer geprüfften Lehren und
Schrifften,
größere
Weisheit und
Nutzen schöpffen kan, als wenn man über dergleichen
Materien, zehen Jahr lang, seinen eigenen
Begriffen und Einfällen nachgehänget
hätte. |
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Hierbey bringet aber die
Sache selbst mit sich, daß nicht alle
Wissenschafften die Aufmercksamkeit eines zum
Landes-Regimente gewidmeten, oder
an dessen Ruder bereits sitzenden Printzen erheischen. Viele, ja die meisten
können demselben, außer einem Historischen, oder sonst kurtzen
Begriffe zur
Nachricht und äußerlichen Wohlstande, ohne
Schaden unbekannt bleiben. Andere
Wissenschafften hingegen sind in Absicht auf eine gedeyhliche
Regierung,
entweder schwerlich oder gar nicht entbehrlich; und von solcher beyderley
Gattung wollen wir allhier das nöthigste berühren.¶ |
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Wir zehlen zuerst dahin eine zulängliche
Wissenschafft von derer
Europäischen
Staaten
Beschaffenheit und
Kräfften,
und zumahl deren politischen
Regimente.
Denn, obgleich mancher dafür halten möchte, daß zum Exempel ein
Deutscher
Reichs-Fürst,
wenn derselbe denen
Pflichten, wozu ihn die
Grund-Gesetze, und
übrige Verfassung bey solchem
Reiche
anweisen, sich gemäß bezeuge, an den Schutz und an das Schicksal dieses großen
Staats-Cörpers sich geruhiglich halten, mithin wegen derer auswärtigen Staaten,
in so ferne gantz unbekümmert seyn dürffe; so wird man doch bald andere
Gedancken
fassen, wenn man erwegen will, daß die wichtigsten Religions- Erbschafts-
Kriegs- und andere Angelegenheiten derer Deutschen Häuser fast iederzeit in die
grossen Welt-Händel derer andern Europäischen Staaten mit eingeflochten, daher
von diesem, wonach man die Sachen entweder klüglich oder unbedachtsam betreiben
lassen, bald unterstützet, bald behindert worden. Wenn nun der Einfluß derer
auswärtigen Staaten in die Deutschen Geschäfte so unumgänglich ist, wie solte es
geschehen, daß ein Deutscher Fürst sich dessen klüglich |
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{Sp. 1448} |
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zu
Nutze machen könnte, woferne derselbe nicht einen hinlänglichen
Begriff
von jener ihrer
Macht
und Neigung unter sich gefasset hätte? |
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Ferner zehlen wir unter die nöthigen
Regenten-Wissenschafften, eine diensame
Nachricht von denen guten und
bösen
Regenten
alter und neuer Zeiten. Denn weiln große
Herren nicht gerne lebendige
Lehrer,
noch weniger aber lebendige Tadler leiden mögen, so dienen jene Exempel umso
kräfftiger, als sie ohne Besorgnis einiger
Beschämung sich daher
unterrichten,
und was sie bey ihrer
Regierung
sowohl nachahmen als fliehen müssen, gleichsam in einem Spiegel erblicken
können. Es hat solchemnach jener kluge Geschicht-Schreiber völligen
Grund, wenn
er also urtheilet: |
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„Es sey ein wichtiger Vortheil,
wenn ein Fürst, in seiner Jugend, in denen Zeit-Geschichten sich fleißig
umgesehen habe, indem dieses, (wie er kurtz hernach hinzufüget) eines derer
trefflichsten Mittel, und einen Menschen klug zu machen, abgebe, als welcher
daraus, und zumahlen aus denen löblichen Exempeln seiner Vorfahren, die
Vorschrifften zu einem klüglichen und tapffern Betragen ablernen könne.„ |
Comines Mem. L. II. Ch. 6. |
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Noch mehr ist einem
Fürsten nöthig, eine umständliche Nachricht von
dem
Ursprunge, Anwachse und begründeten Ansprüchen seines Hauses. Es
ist wahr, man fänget aller jungen Printzen
Erziehungen, bey verständigen Jahren,
mit dergleichen Geschichten an; aber, wenn man es recht beleuchtet, gemeiniglich
in unrechter Absicht, mithin entweder mit
Schaden, oder ohne Frucht. Anstatt,
daß man einem jungen Fürsten in denen Vorbildern seiner Ahnen die fast
durchgehends kleine Anfänge zu seiner Demüthigung; die Frömmigkeit,
Tugend-Liebe, Helden-Muth und
Arbeitsamkeit zur Nachahmung; die Üppigkeit, und
die beyläuffige Verschwendung in allerley Fällen, die Ungerechtigkeit nebst
ihrer Folge, die Trägheit in
Regiments-Geschäfften, und viel andere, in denen
Geschichten häuffig am Tage liegende Fehler, zur Vermeidung und Abscheu
vorbilden und einprägen solte; So pflegt man dieselben mit den gemahlten Hülsen
einer hohen Ankunfft, mit der Dunst eines alten
Stammes, mit blutigen Gefechte
und
bösen Kriegen, mit herrlichen Aufzügen und prächtigen Ritter-Spielen, und
was mehr dergleichen, weder zur wahren Größe eines
Regenten, noch zur
Glückseligkeit seiner
Unterthanen behuffiger Erzehlungen sind, gleichsam
einzuschläffern und truncken zu machen.¶ |
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Hiernächst vergisset man zwar eben so wenig, großen
Herren von ihrer Häuser
alten Gerechtsamen, Ansprüchen und Forderungen ein langes und breites
vorzusingen; daß aber, und warum von solchen das meiste abfällig und vergebens
sey, solches wird denenselben eben so selten vorgestellet, und aus dem Sinne
geredet, als man, wie zu denen übrigen, entweder auf bessern
Grunde bestehen,
oder wenigstens besser auszuführenden
Rechten
zu gelangen sey, ohnverdächtige und nachhaltige Mittel an Hand giebet. Darum |
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{Sp. 1449|S. 738} |
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muß ein
Fürst
sich zeitlich in
Stand zu setzen bemühet seyn, um seine Räthe in dergleichen
Fällen, wo nicht zu übersehen, doch wenigstens ihre
Gedancken
und Rathschläge nach der
Sachen inneren Beschaffenheit prüfen zu können, damit
man ihn nicht durch diese oder jene scheinbare Vorstellung, von seines
Staates
wahren Vortheilen ableiten möge. Wer die Geschichte der ältern und jüngst
verwichenen Zeiten mit unverblendeten Augen betrachtet, wird gestehen müssen,
daß die jetzige Größe, oder Abnahme, dieses und jenen hohen Hauses sich
gemeiniglich von einem oder zweyen
Regenten
herschreiben, welche ihre Gerechtsame und Vortheile wohl oder übel eingesehen,
und nach solchen Einsichten ihre Verfassungen gerichtet haben. |
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Unter den nöthigen oder vielmehr unter die ohnentbehrlichen Wissenschafften
eines Regenten zehlen wir ferner; daß derselbe ihme eine so viel
möglich, vollständige Känntniß seiner eigenen
Lande, sowohl in Ansehung deren
natürlichen Beschaffenheit, über und unter der
Erde, als auch in Betrachtung
derer sämtlichen
Einwohner, nach dererselben ohngefehren Anzahl, Neigung,
Gewerbe,
Vermögen, und was dem anhängig, zu Wege zu bringen sich
bemühe. Dieser Punct, obgleich einer derer wichtigsten, darauf ein weises
Regiment
sich gründen solte, ist nichts destoweniger an vielen
Orten
schlecht betrieben. Man führet junge Printzen offt, mehr als nöthig ist, mit
grossen Zeit- und Kosten-Aufwande, in denen benachbahrten
Reichen mit solcher Sorgfalt umher, daß denenselben nicht leicht ein schönes
Gemählde, oder künstlich ausgeführte Turm-Spitze unbekannt bleiben darff;
Hingegen lässet man dieselben in ihren eigenen
Landen nicht
selten wahrhaffte Fremdlinge verbleiben. Der
Schade, so hieraus erfolget, ist
kaum ermeßlich. |
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Denn, da ein kluger
Regent seinen Aufwand nicht nur, sondern alle seine
Kriegs- und Friedens-Anschläge, fürnehmlich nach den inneren
Kräfften
seines Staats abzumessen hat, so setzet dieses ohnstreitig eine genaue
Kundschafft, worinnen solche
Kräffte allenthalben bestehen, auch welchergestalt
solche theils zu erhalten, theils zu vermehren sind, zum
Grunde. Es ist kein
Land so schlecht, und kein
Volck
an Kunst, Muthe und Witze so
arm, welches, wenn der
Fürst will, und guten Raths
fähig ist, sich nicht auf unzehlige Weise verbessern liesse. |
J.B.S. v. E. Grund-Riß der Fürsten-Kunst p. 56.
u.ff. Man lese auch Haßens wahre Staats-Klugheit in gewissen
Staats-Grund-Sätzen, p. 29. u.ff.¶ |
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