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Text |
Quellenangaben |
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B) Theologische Abhandlung des Zweifels.¶ |
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Die Theologische Abhandlung der Materie
von dem Zweifel und der Zweifler, werden wir in
folgende Fragen und deren Beantwortungen
einkleiden:¶ |
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I. Ob das Zweifeln in der Religion, der
Vernunft gemäß sey?¶ |
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Hiervon hat
Herr D. Ernst Salomon Cyprian,
in seiner vernünftigen Warnung für dem Irrthume
und der Gültigkeit der Gottesdienste oder
Religionen, zur Stärckung der Gläubigen und
Erhaltung gemeiner Ruhe (Gotha 1744 in 8) im
siebenden Capitel folgende
Gedancken:¶ |
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Er räumet es ein, daß man denjenigen
nimmermehr für weise halten könne, der alles
blindlings glaube, und verwirfft einen
vernünftigen
Zweifel keinesweges; er erinnert aber, daß man
demselben ein Ziel setzen, und weder zu
leichtgläubig noch zu ungläubig seyn, sondern
dieses Krafft einer sechs tausend jährigen
Erfahrung voraus setzen müsse, daß unsere
endliche, schwache
Vernunfft das unendliche
Wesen GOttes, und die Tiefe seiner Allmacht und
Weisheit nicht
ergründen könne. Viel
gelehrten
Männern sind die Religionen deswegen
gleichgültig, weil sie es vor eine
Ehre und ein
Zeichen der Scharffsinnigkeit halten, bis an ihr
Lebens-Ende alles zu bezweifeln, und, wie sie der
Herr Cyprian
redend einführet,
sprechen: |
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„Das menschliche Leben sey kurtz und gewiß,
die ewige Belohnung aber ungewiß: Dannenhero
müsse man sich dieses gegenwärtige Leben in
allen Vergnüglichkeiten recht zu nutze machen;
mithin würde ein Kluger mit Mäcenate, von
welchem Seneca dieses bezeuget, lieber tausend
mahl kranck und unglücklich seyn, als einmahl
sterben: Die Lehre von der Unsterblichkeit sey
sehr unbegreiflich; sie untersuchten alles durch
Zweifel; was sie nicht begriffen, das glaubten sie
nicht.„ |
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Dieser
Art von
Menschen widerspricht nun
Herr Cyprian und zeiget, es sey der Vernunfft gar
nicht gemäß, daß dieselben alle unbegreiffliche
Dingen vor
unmöglich halten, und nicht an
Erfindung der
Wahrheit, sondern an beständigen
Zweifel ihre Freude haben. Er thut auf eine
schöne Art dar, daß auch die unabläßigsten
Zweifler nothwendig viel unbegreifliche Dinge
glauben, und glauben müssen. Er leget ihnen eine
grosse Anzahl Erfahrungen aus dem Reiche der
Natur, den Geschichten und Geschlechts-Registern vor, welche insgesamt
unwidersprechlich wahr sind, aber doch nicht
demonstriret werden können, und redet sie
endlich mit folgenden
Worten an: |
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„Wir wollen den Zweiflern zwey Dinge zu
Gemüthe führen, deren sie keines begreiffen, und
doch eines nothwendig glauben müssen. Sie
halten gemeiniglich davor, die Erde lauffe alle vier
und zwantzig Stunden in beständiger Bewegung
herum, ohne daß es ihre Inwohner gewahr
würden. Ist das nicht ein schwerer Glaubens-
Artickel, dem |
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{Sp. 1049|S. 538} |
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Augen, Ohren, das Gefühl und alle unsere
Sinnen widersprechen? Läufft aber die Sonne
herum, so ist nicht minder unbegreiflich, wie ein
lebloser, ungeheur grosser Feuerklumpen, ohne
Allmacht, Weisheit und göttliche Regierung, in
wenig Stunden viel hundert tausend Meilen
lauffen, und seinen Lauf so ordentlich vollbringen
könne, daß das gantze menschliche Geschlecht
seine Minuten darnach abmessen mag: Da doch,
wenn ein Herr, welcher seinem Diener in der
Mitternacht ein Licht vor das Bett zu bringen
befiehlt, die Erfüllung solches Befehls von einem
vernünftigen Wesen erwarten muß; die Sonne
hingegen allerdings leb- sinn- und vernunfftloß
ist.„ |
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Die Zweifler wenden gemeiniglich dieses
gegen die Lehre Christi ein: Der Gottesdienst
müsse ein vernünftiger Gottesdienst seyn; da
doch unsere Geheimnisse unvernünftig und
widersprüchig wären. Das erste räumet Herr
Cyprian willig ein, leugnet aber das letztere, und
bejahet mit Grunde, daß dasjenige, was man nicht
begreiffet, nicht nothwendig unvernünftig seyn
müsse; ja daß sich in den Lehren der Christen
kein wahrhaffter Widerspruch finde. |
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Er erweist solches an diesem Exempel: Die
Schrifft lehret uns, daß der Beherrscher Himmels
und der Erde, von Ewigkeit einen
Sohn aus
seinem Wesen gezeuget habe. Da kan die
Vernunfft zum höchsten nicht mehr sagen, als
dieses: Das müste keine natürliche Zeugung seyn,
wie die
menschliche ist. Wenn sie aber den
Begriff
von der menschlichen Zeugung nimmt, und
solchen auf die ihr unbekannte göttliche appliciret,
auch diese deswegen leugnet, weil sie ferner nicht
gleichförmig ist, so handelt sie durchaus
unvernünfftig; gerade als wenn sie
sagte, weil das
Viereck kein Zirckel sey, so sey es auch kein
Viereck. Wer einen Widerspruch in einer
Rede
zeigen will, der muß das
Wesen und
Würckung
der
Dinge, davon geredet wird, richtig
erkannet
haben. Wer kennet aber das Wesen der göttlichen
Zeugung? |
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Einige von diesen
Männern zweifeln mit den
alten Stoischen
Weltweisen deswegen an der
Gerechtigkeit Gottes, weil ein gerechter Mensch in
Belohnung der
Tugend und
Bestraffung der
Laster, allezeit eine innerliche Alteration, als Eyfer,
Haß und Liebe empfindet; dergleichen
Unvollkommenheiten in
Gott nicht statt haben
könnte. Allein Herr Cyprian erinnert sie abermahl,
daß sie eine unendliche Sache mit endlichen
Begriffen ausmessen wollen. GOtt rede von
seinen
Handlungen mit denen Menschen auf eine
Weise, welche sie verstehen könnten, und man
müsse, wenn menschliche Handlungen GOtt
zugeschrieben würden, alles von demselben
absondern, was dabey in dem endlichen,
eingeschränckten und unvollkommenen
Thun der
Menschen seinen
Grund habe. |
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|
Herr Cyprian macht dabey die schöne
Anmerckung, daß diejenigen, welche Absichten,
Gerechtigkeit und
Weisheit bey der
Regierung der
Welt in Zweifel ziehen, sich zu eben der
Zeit, da
sie ihren Widerwillen gegen alle Glaubens-Artickel bezeigten, selbst neue Glaubens-Artickel
machten, welche schwer und unbegreiflich
blieben. Er schliesset also: |
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„Wir wollen den unvernünfftigen Fall setzen,
die gantze Welt werde ohne Weisheit |
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{Sp. 1050} |
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durch einen blinden Trieb regieret; so wird
doch die innerliche Beschaffenheit dieses blinden
Triebes unerforschlich, und, da dessen Existentz
unleugbar vor Augen läge, unbegreifflich seyn,
oder ein Glaubens-Artickel bleiben:„ |
Man sehe hiervon ein
mehrers in des vielbenannten Herrn D. Cyprians
Warnung von der Gleichgültigkeit der
Gottesdienste; ingleichen die Zuverläßigen
Nachrichten V
Band,
p. 222. u.ff.¶ |
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II. Ob ein Christ an allen zweifeln, oder seiner
Meynung gewiß seyn müsse?¶ |
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Von dieser Frage, ob nehmlich ein Christ, an
allen zweifeln, oder seiner
Meynung gewiß seyn,
und sie als fest und unumstößlich behaupten
müsse? ist es werth, daß man dasjenige
nachlese, was Erasmus und Luther wider
einander
geschrieben haben. Jener schreibet in
seiner Diatribe de Libero Arbitrio … [10 Zeilen lateinischer Text].
Hierauf antwortet Luther in
seinem Tractat de servo arbitrio … [16 Zeilen
lateinischer Text]. |
Man lese auch was Erasmus
in seinem Hyperaspistes Diatribae adversus
Servum arb. Mart. Luther. und zwar nach der
Straßburger Ausgabe von 1522 in 8, auf dem Blatt
B, s verso, (denn die Seiten haben keine Zahlen)
darauf geantwortet hat.
Baylens Critisch. Lex. II
Th. …¶ |
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III. Ob bey dem Zweifel über die Göttlichen
Wahrheiten, der Glaube aufhöre?¶ |
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Es tritt zuweilen bey denen Gläubigen in ihren
Anfechtungs-Stunden auch einiger Zweifel über
die göttlichen Wahrheiten hervor. Unser
geistliches und zeitliches Elend giebt uns die
Heilige Schrifft in die Hand. Wir schlagen darinne
die
Stellen auf, die wir zu unsern
Zustande
brauchen. Wir suchen nichts, als dieses: Du
möchtest wissen, ob sich auch dieses so verhalte,
als du es liesest. |
|
|
Eine genaue Untersuchung der
Sache führt
uns die |
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{Sp. 1051|S. 539} |
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|
Wahrheit zu
Gemüthe; Es stellen sich unsern
Gedancken die
allergründlichsten Beweißthümer
vor, wider welche wir nichts bündiges
einzuwenden wissen. Wir haben Anfangs gedacht:
Die Entdeckung dieser oder jener Wahrheit, die
deinen Zustand angeht, wird das beklemmete
Hertz vollkommen zufrieden stellen; Und
gleichwohl bleibt das Hertz nach erkannter
Wahrheit noch immer unmuthig und traurig. Was
ist davon die
Ursache? Der Gedancke: Vielleicht
kan die Sache anders seyn; vielleicht finden sich
bey dir gewisse Hindernisse und Umstände, die
die Krafft dieser
Worte schwächen, und in keine
Würckung gehen lassen. Und so sehen wir, daß
uns offt eine blosse
Einbildung schmertzlicher
betrüben, als uns die allerdeutlichste Wahrheit
aufrichten kan. Elender Zustand, wenn der
Heilige
Geist nicht selbst das Wort mit Krafft und
Nachdruck in unserer
Seele befestiget und
versiegelt! Man möchte hierbey dencken:
Vielleicht ist gar kein
Glaube bey Seelen, die sich
in einem solchen Zustande befinden? Man irret,
wenn man so dencket. Wir wollen es
beweisen. |
|
|
Wo sich die Früchte des Glaubens zeigen, da
muß auch der Glaube seyn. Und man lerne nur
solche Seelen recht kennen. Wenn sie sich in
einem solchen
Zustande befinden, so
unternehmen sie nichts wider die
Ehre
Gottes.
Ihnen ist vielmehr bange, damit es nicht
geschehen möge, welches zu vermeiden, sie sich
ihren Seelen-Zustand zum Gegenstand ihrer
Gedancken machen. Sie dencken an die vorigen
Zeiten, wie gütig sie GOtt geführet,
wie vergnügt
sie gewesen, wenn sie zuweilen diese
Wahrheiten, von denen wir
reden, so
nachdrücklich an ihre Hertzen gelegt, daß es
geschienen, als wenn die zukünfftige
Glückseligkeit schon
gegenwärtig, und hingegen
das gegenwärtige Leid gantz verschwunden wäre,
dergestalt, daß sie die häuffigsten Freuden-Thränen darüber vergossen. |
|
|
Diese Zurückruffung in das Gedächtniß vorig
genossener Empfindlichkeit dienet ihnen
gleichsam zu einer Vormauer, daß nicht der Ehre
Gottes nachtheilige Gedancken in die Seele
einbrechen, und sie verunreinigen können. Sie
bemühen sich sehr, sich vor aller Unart zu hüten,
wodurch sie den Heiligen Geist mit seinen
Gnaden-Würckungen von sich treiben; sie beten,
sie flehen, sie seuffzen, wodurch sie es doch
endlich zu einer Empfindlichkeit zu bringen
hoffen.
Sind denn dieses nun nicht lauter Früchte des
Glaubens? Jedoch wer kan wohl von dem
Geschmack, von den
Empfindungen der Seele so
reden, daß uns alles recht helle in die Augen
fiele? Wem die eigene
Erfahrung hierinn nicht zu
statten kömmt, dem werden diese unsere
Vorstellungen wie todte Bilder vorkommen,
welchen ein lebendiges Hertze fehlt. |
|
|
Wir wollen hier einmahl ein Exempel von der
Vorsorge GOttes anführen. Wir zweifeln nicht, daß
die Wege des Herrn nicht eitel Güte und Wahrheit
seyn solten, |
Ps. XXV, 10. |
|
Wir glaubens, daß es GOtt mit seinen
Heiligen nicht
böse meynen könne, wenn er sie
auch die traurigsten
Straffen führet; wir wissen,
daß denen, die
GOtt
lieben, alle
Dinge zum
besten dienen müssen, |
Röm. VIII, 28. |
|
Wir sind vollkommen überzeuget, daß uns der
geistliche
Vater zu unsern
Nutzen
züchtige, |
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{Sp. 1052} |
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|
auf das wir seine Heiligung erlangen, |
Hebr. XII, 10. |
|
Allein, rühren uns denn alle diese Wahrheiten
allezeit so lebhafftig, daß wir uns mit aller
Freudigkeit und Zuversicht in Gottes weise
Versorgungs-Hände legten? Oder, treten zuweilen
Stunden ein, da
Vernunfft, Umstände und alles,
das sich als Feind vor die Vorsorge Gottes
erkläret, auf unsere Seelen loßstürmen, um uns
eine gewisse Wahrheit zu entwenden, die doch
das rechte
Leben in unserer zeitlichen
Glückseligkeit ausmacht? Es ist wahr, wir
bringens zwar in solchen Stunden so weit, daß der
Glaube solche Einwendungen wider die Vorsorge
Gottes schweigen heist; aber es bleibet doch ein
heimlicher Kummer zurück, der uns betrübet, und
sich recht wehmüthig nach einer solchen
Würckung des Heiligen Geistes sehnet, die auch
noch den zurückgebliebenen Rest von Kummer
und unangenehmer Empfindung vollends
dämpfen, auslöschen, und unser Hertz in eine
völlige Freudigkeit setzen könnte.¶ |
|
|
Hier offenbahret sich nun GOtt mit seinem
Troste und Hulffe auf folgende Weise:¶ |
|
|
Die erste Stuffe der Offenbahrung geschiehet
durch das geschriebene Wort Gottes, durch
welches GOtt mit seinen Kindern eben so deutlich
spricht, als wie ein Freund den
Willen und
Meynung seines Hertzens durch den äusserlichen
Schall der
Worte abdruckt. Ob nun gleich dem
theuren Worte Gottes die besten und
nachdrücklichsten
Gründe zu unserm Troste
anvertrauet worden, so wollen sie uns doch Theils
nicht allezeit beyfallen, Theils auch ist deren
Kräfft
durch unsere gar zu starcke
Affecten
niedergedruckt, daß sie die gar zu starck
aufgebrachte Seele nicht recht würcken kan. |
|
|
Wenn wir einen Trostspruch finden, so macht
die starcke Traurigkeit alsobald diesen Einwurff:
Wer weiß, ob du auch diesen Spruch recht
verstehest? Wer weiß, ob du dich nicht etwann mit
diesem Troste betriegest? Wer weiß, ob er dich
auch angehe? Können denn nicht gewisse
Umstände und Angelegenheiten deiner
Seele
auch gewisse Vorstellungen erfodern? Und wird
es denn bey so bewandten
Sachen wohl
müglich
gewesen seyn, eine solche Offenbahrung
auszustellen, die sich auf aller, auf so vieler
tausend Seelen innerliche und äusserliche
Angelegenheiten und Umstände genau brauchen
ließ, da ja diese von so vielen Gattungen sind, als
man wohl Seelen antrifft? Und wer kan alle solche
Kummer- und Versuchungs-volle
Gedancken
herzehlen, die mancher Seele bey dem Worte
Gottes recht hefftig zusetzen. Legt man sie aber
genau aus einander so siehet man, daß sie die
Geburt einer allzustarcken Traurigkeit sind, ihre
Nahrung und Unterhalt aber aus einer verdeckten
und subtilen Eigen-Liebe ziehen, die zu ihrer
ausschweiffenden Traurigkeit immer noch Rechts
übrig haben will. |
|
|
Wenn denn sich durch Vorstellungen der
Heiligen Schrifft das Hertz noch nicht zur Ruhe
legen kan, so legt
GOtt noch mehrere
Würckungen an dasselbige. Der
Verstand wird
mehr und mehr aufgekläret und erleuchtet; Die
Trost-Gründe stellen sich lebhafftiger vor die
Augen; Wir sind überzeuget der
Gnade Gottes.
Wir glauben es, daß wir die Grentzen in unserer
Traurigkeit |
|
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{Sp. 1053|S. 540} |
|
|
überschreiten; Wir entschlügen uns gerne
derselben vollkommen, aber wir könnens nicht; Es
ist uns, als wenn uns eine geheime Krafft immer je
tieffer hinein ziehen wolte. Immittelst aber gehen
viele Würckungen in unserer Seele vor, die von
der nahen Gegenwart JEsu zeugen, ob wir sie
gleich nicht gewahr werden, ob wir gleich nicht
wissen, daß es JEsus ist.¶ |
|
|
Wenn denn nun auch hierdurch das Hertz
noch nicht zur Entschlagung der Traurigkeit kan
gebracht werden, so wird die Seele noch höher
auf die dritte Stuffe geführet, wo sich ihr JEsus
noch deutlicher offenbahret. Die Seele empfindet
eine gewisse innerliche Versicherung, die allen
Zweifel vollends besieget; einen gewissen
Zuspruch, ein starckes Zeugniß des Heil. Geistes,
der in uns schreyet: Abba! lieber Vater; der da
Zeugnis giebt unserm
Geist, daß wir GOttes
Kinder sind. |
Röm. VIII, 15. 16. |
|
Wir fühlen einen Zug, eine
Empfindung, einen
süssen Trost des Heylandes, wodurch alle
Traurigkeit besieget und gedämpffet wird.
Liebe
zaudert nicht. Wenn dannenhero solche Seelen
dieses mercken, wenn ihnen JEsus zuruffet, und
sie mit einem Gnaden-Blick und süßer
Empfindung ansiehet; so reissen sie sich von allen
los, sie stehen eilends auf, |
Joh. XI, 29. |
|
sie wenden sich mit der Maria Magdalena
hurtig um, den Heyland entgegen; Sie greiffen
hurtig zu, sie halten den Heyland mit ihren
Glaubens- und
Liebes-Armen recht feste, damit
sie nicht wiederum in eine solche Seelen-Angst
gerathen mögen.¶ |
|
|
Wenn man sich nun die Beschaffenheit und
Aufführung solcher mit Zweifel angefochtener
Seelen genau vorhält, wie dessen ungeachtet sich
dennoch die besten Glaubens-Früchte bey ihnen
zeigen; so wird man sich betrügen, wenn man aus
dem Mangel der Empfindung auch den Mangel
des Glaubens selbst allemahl schliessen
wolte. |
Buttstetts Unempfindlichkeit
des Glaubens ...¶ |
|
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IV. Ob, und warum sich in der Religion
Zweifels-Knoten befinden?¶ |
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In allen
Wissenschafften trifft man sowohl
einige deutliche
Wahrheiten, als auch Zweifels-Knoten an. Beydes erinnert uns, daß wir
vernünfftige Creaturen sind. Denn die
Vernunfft
erhellet aus den deutlichen
Begriffen: Das
Wesen
der Creatur, oder die Einschränckung, aus den
übrig bleibenden Schwierigkeiten. Weil man nun
die Rechtsgelahrheit, die Artzeneywissenschafft
und andere Künste wegen der Schwierigkeiten, so
sich darinnen hervorthun, nicht verwirfft: so wird
man auch der Gottesgelahrheit dieses
Recht
wiederfahren lassen; Wenn man auch gleich
zeigen könnte, daß die Zweifels-Knoten in diesem
Theile der
Gelehrsamkeit stärcker und häuffiger
seyn, als in andern. |
|
|
Die
Ursache davon ist folgende: Andere
Wissenschafften haben es mit sinnlichen Dingen
zu thun, darinnen wir uns vermittelst der
Einbildungs-Krafft helffen können. Selbst in der
Geometrie kommen uns die Figuren zu statten,
wenn wir den
Beweis fassen wollen. Die
Gottesgelahrheit hat das unsichtbare Wesen
GOttes und der |
|
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{Sp. 1054} |
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|
Seelen zum Vorwurff. Die
Dinge, womit
andere Wissenschafften beschäfftiget sind, haben
nicht einen so grossen Umfang, als die, womit die
Gottesgelahrheit zu thun hat. Ein
Artzt kan seinen
Cörper, und seine Heilungs-Mittel noch
einigermaßen übersehen; ein Rechtsgelehrter
eine Stadt, eine
Landschafft, ein
Reich, und die zu
deren Einrichtung nöthige
Verordnungen und
Gesetze auch. Ein Gottesgelehrter hat es so wohl
mit der unendlichen Gottheit, als der unbegreifflich
grossen Stadt
GOttes, das ist, allen Creaturen, die
in dem gantzen Welt-Gebäude befindlich sind, zu
thun. Wenn er demnach auch den tausendsten
Theil hiervon deutlich
erkennet, welches aber
niemand
wahrscheinlich behaupten wird, so kan
er doch nicht verlangen, daß er die göttliche
Einrichtung der
Welt nach der größten Klarheit
einsehen müßte. Denn die
Ursache dieser
Einrichtung kan in den 999 Theilen, so ihm
verborgen bleiben, enthalten seyn.¶ |
|
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Es haben sich indessen in den neuern
Zeiten
viele bemühet, die Schwierigkeiten der
Gottesgelahrheit aus höchste zu treiben.
Insonderheit wendet Bayle alle seine
Beredsamkeit an, zu erweisen, daß die
Vernunfft
und Gottesgelahrheit einander
wiedersprechen.¶ |
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|
Ein Naturalist gründet sich auf diesen
Widerspruch, wenn er also schliesset: Wenn GOtt
will, daß die
Menschen seinen
Willen erkennen
sollen, so muß er zu solchem
Zweck die
allerbequemsten Mittel, folglich solche
Vorstellungen erwählen, welche den höchst
möglichen Grad der Deutlichkeit haben, und
wobey keine andere Zweifel übrig bleiben, als nur
solche, die wegen der Unbegreiflichkeit
unendlicher Dinge unmöglich zu heben gewesen.
Wenn nun eine Offenbahrung vorhanden, darinn
nicht der größte mögliche Grad der Deutlichkeit
angebracht ist, und welche Zweifel enthält, die
durch eine weise
Wahl der
Wörter wohl hätten
können vermieden werden, so ist sie nicht
göttlich. |
|
|
Ferner:
GOtt ziehet eine grössere
Vollkommenheit, der geringern vor. Eine
Offenbahrung, so grosse Deutlichkeit besitzet, und
von den Zweifeln frey ist, welche haben können
vermieden werden, ist vollkommener, als eine
undeutliche und mit Zweifeln angefüllete. Folglich
ist diejenige Offenbahrung, so undeutlich ist, und
überflüßige Zweifel enthält, nicht göttlich. |
|
|
Diesen wichtigen Zweifels-Knoten können wir
heben, wenn wir in dem Zwecke GOttes bey der
Offenbahrung alles gehörig unterscheiden. Der
Zweck der Offenbahrung fliesset aus der letzten
Absicht GOttes, nehmlich der
Glückseligkeit der
Creaturen. Diese allgemeine Absicht setzet also
den besondern Zweck der Offenbahrung in die
gehörige
Schrancken, dergestalt, daß dieser
besondere Zweck mit dem allgemeinen bestehen
könne. Es können aber die vernünfftigen
Creaturen in gute und
böse getheilet werden. Die
Guten gebrauchen sich ihrer
Freyheit
recht, die
bösen misbrauchen dieselbe. |
|
|
Wir können uns aber die bösen unter
verschiedenen Umständen vorstellen: Da nach
einigen Umständen grössere Sünden, und folglich
schwerere
Straffen, nach andern Umständen
geringere Sünden, und folglich leidlichere Straffen
statt haben. Wenn wir GOtt gerecht nennen, so
bezeugen wir zwar, daß er das Böse be- |
|
|
{Sp. 1055|S. 541} |
|
|
strafen müsse, wir behaupten aber nicht, daß
er die Umstände, worunter grössere Sünden und
Strafen statt haben, den Umständen, wobey
geringere Sünden und Strafen erfolgen, vorziehe.
Vielmehr schliessen wir aus dem
Begriff seiner
Heiligkeit, daß er die Umstände, worunter
wenigere und geringere Sünden erfolgen,
vorziehen müsse, und aus seiner Güte, daß er die
Umstände, wobey geringere Strafen statt haben,
am liebsten erwählen werde. |
|
|
Nun wollen wir sehen, bey welchen
Umständen die Sünden und Strafen grösser, und
bey welchen sie geringer seyn werden. Die
göttliche Offenbahrung ist GOttes
Gesetz. Je
deutlicher das Gesetz, je grösser ist die Schuld
und Strafe bey der Übertretung desselbigen. Je
dunckeler das Gesetz ist, je geringer ist die
Schuld und Strafe.
GOtt erwählete also eine
solche Offenbahrung, darinn so viel Deutlichkeit
ist, als nöthig war, diejenigen zu überzeugen, so
Folge leisten würden, und darinn so viel
Dunckelheit war, daß die Widerstrebenden sich
gleichwohl dabey nicht den höchsten Grad der
Schuld und Strafe zuzögen. |
|
|
Damit aber beydes möglich gemacht würde:
so hat GOtt den
Wahrheiten der Offenbahrung
nicht nur eine natürliche Krafft zu bewegen
beygeleget, dergleichen alle Wahrheiten der
Weltweisheit haben, und die wegen der
untermischten Dunckelheit und einiger
überbleibenden Zweifel etwas gemäßiget ist;
sondern er verbindet auch seine besondere
übernatürliche Würckungen mit den Wahrheiten
dergestalt, daß solche
Krafft unter der Bedingung
der Folgsamkeit des
Willens stärcker
empfunden
wird. |
|
|
Hierdurch erhält GOtt zweyerley, erstlich, daß
diejenigen, so ihre
Freyheit misbrauchen, nicht so
starck überzeuget werden, daß sie der höchste
Grad der Strafe treffen müßte; zum andern, daß
diejenigen, so ihre Freyheit recht gebrauchen,
hinlängliche Klarheit von den
Sachen erlangen.
|
Es hat vor etlichen Jahren
diese
Materie
Herr Joachim Böldicke in einer zu
Königsberg in der Marck auf den Schul-Catheder
vertheidigten
lateinischen Dissertation, unter dem
Titel: Erweis, daß die scheinbaren Zweifel der
Heil. Schrifft nicht mit den Eigenschafften GOttes
streiten, sondern wohl übereinstimmen, weiter
ausgeführet.¶ |
|
|
Wollte man dawider einwenden, eine
grössere Deutlichkeit der
Heil. Schrifft würde
verursachet haben, daß sich die
bösen ihrer
Freyheit nicht gemisbrauchet hätten: so ist die
Antwort, daß diese Folgerung nicht gewiß sey, da
man die Freyheit des
Menschen zugestehet, und
auf die
Erfahrung in den
Handlungen der
Menschen Acht hat. Diejenigen, so das
Thun der
Menschen nothwendig machen, werden die
Folgerung zwar eher zugeben müssen. Wolte man
aber behaupten, daß man von den nach dem
Satz
des zu Reimenden formirten Begriffen das
Gegentheil immer
sagen könnte, ohne einen
solchen Unterscheid oder
Ursache angeben zu
dürfen: so würde man alles aus allem erklären
können, und die meisten Vernunftschlüsse, so
auf die Vergleichung der
Begriffe gegründet sind,
verdächtig machen.¶ |
|
|
Doch wieder auf den
Bayle zu kommen, so
hat er das Wichtigste von seinen Einwürffen in
dem 144 Capitel seiner Antwort auf die Frage
eines Provincials … zusammen gezogen. |
|
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{Sp. 1056} |
|
|
Er führet sieben Theologische und
neunzehen
Philosophische
Sätze an, und fodert
gleichsam jedermann auf, die Theologischen
Sätze mit den Philosophischen zu vereinbahren.
In der Leibnitzischen Theodicee werden die
Theologischen Sätze mit einem Walle, die
Philosophischen aber mit Carthaunen verglichen,
so diesen Wall durchlöchern sollen.¶ |
|
|
Nachdem Herr Clarck, Jaquelot, Bernhard,
nebst einigen ungenannten mit dem Bayle hefftig
gestritten haben: so hat endlich der Herr
Baron
von Leibnitz in seiner Theodicee die
Schwierigkeiten zu heben gesucht. Er führet zu
dem Ende erstlich die sieben Theologischen und
neunzehen Philosophischen Sätze des Bayle von
Wort zu Wort an, und sucht sie durch beygefügte
Anmerckungen zu vereinbahren. So dann
sammlet er aus allen seinen
Schrifften die
Örter,
worinnen er die schärffsten Zweifel besonders
vorträgt, und sucht sie gleichfalls zu widerlegen.
Wenn er die Zweifels-Knoten auflösen will; so
findet er insonderheit nöthig, zu erinnern, daß die
Unvollkommenheit der Theile die Vollkommenheit
des Gantzen befördere, oder daß GOtt die Laster
oder Unordnungen in der
Welt um deswillen
zugelassen habe, weil sie in dem Plan der besten
Welt mitbegriffen gewesen. |
|
|
Nachgehends hat auch Herr Böldicke in
seinem abermahligen Versuch einer Theodicee, in
der II Beylage, … diese Zweifels-Knoten des
Herrn Baylens von Wort zu Wort nebst des Herrn
Leibnitzens Anmerckungen angeführet und
gezeiget, wie diese Baylischen Zweifel gehoben
werden könnten. Wir wollen allhier nur dasjenige
anführen, welches er wider den letzten
Theologischen Satz des Herrn Baylens von der
göttlichen Gnade angemercket, und darinnen er
insonderheit den Zweifel wider die
Heil. Schrifft,
und warum sich in der Religion viele Zweifels-
Knoten finden, folgendergestalt beantwortet; wenn
er … also
schreibet:¶ |
|
|
„Solchergestalt bin ich auf eine Erklärung
gerathen, welche mich überzeugt, und mit der
göttlichen Einrichtung der Welt, der Offenbahrung
und Vorsehung, zu meinem unbeschreiblichen
Vergnügen völlig übereinstimmt. Ich weiß
indessen gar wohl, daß meine Überzeugung
andern keine Maßregel geben kan. Solte sich
meine Erklärung bey mehrern Seelen legitimiren;
so würde mir solches ein neues Kennzeichen der
Wahrheit seyn. Ich will aber in dieser schweren
Materie den Leser nicht durch Verwirrung der
Sachen berücken, sondern alles, so viel möglich,
deutlich aus einander setzen. |
|
|
Ich will zu dem Ende erstlich erweisen, daß
es wenig Menschen gebe, welchen die Gnade
GOttes so nachdrücklich angeboten wird, daß sie
durch die Verwerffung derselben in viel höherm
Grade strafbahrer werden. Weil es aber doch
einige wenige giebt, welche durch Verwerffung der
nachdrücklich angebotenen Gnade sehr strafbar
werden; so will ich aus den Gesetzen der
Glückseligkeit zeigen, daß GOtt durch eine
nachdrückliche Anbietung der Gnade diese
Menschen noch strafbarer um deswillen mache,
weil er solchergestalt die größte mögliche
Glückseligkeit der meisten Creaturen hat erhalten
können. |
|
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Wenn der Baylische |
|
|
{Sp. 1057|S. 542} |
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|
Einwurf in seiner Stärcke soll genommen
werden, so heist das nicht anbieten, wenn die
Menschen hören, sie sollen selig werden. Denn
wenn sie davon keine rechte Empfindung haben,
oder leicht haben können, werden sie dadurch nicht
auf eine besondere Weise strafbarer. Man setze
einen König, der bey Kundmachung seines
Gesetzes wünschet, daß es alle Folgsame
verstehen, und die meisten Widerspenstigen nicht
verstehen sollen, damit er nicht genöthiget seyn
möge, die letztern sehr scharf zu bestrafen.
Würde er nicht seinen Zweck erhalten, wenn er
machen könnte, daß die Widerspenstigen aus
wahrscheinlichen Ursachen nicht glaubten, daß es
sein Gebot sey, oder daß es den Verstand habe,
den es hat? |
|
|
Du sprichst, wie ist solches möglich? Ich
antworte, hierzu gehört eine göttliche und fast
unermeßliche Weisheit. Wir finden davon Spuhren
in der göttlichen Offenbahrung und Vorsehung.
Weil man aber auf diese Absicht nicht gekommen
ist: so hat man in der göttlichen Vorsehung und
Offenbahrung lauter Schwierigkeiten angetroffen.
Es giebt Figuren, die nach der Optick also
gemahlet sind, daß sie an und vor sich unförmlich
scheinen. Wenn man zu selbigen einen Optischen
Spiegel, z.E. einen Cylindrischen fügt: so erblickt
man die Figur im Spiegel, aber nicht unförmlich,
sondern nach der schönsten Verhältniß. So
erblicken wir in der Regierung und Offenbahrung
GOttes, unserer Meynung nach, nichts als
Verwirrung und Unordnung. Wenn man aber
dasjenige, so verworren scheint, nach der jetzt
gedachten Absichten beurtheilet: nimmt man mit
Erstaunen eine unerwartete Weisheit war. |
|
|
Ich will mit meinem Leser den Erdkreis in
Gedancken durchwandern, und sehen, wie ihn
GOtt in Absicht auf die Religion eingerichtet hat.
Unter der grossen Menge der Menschen findet
sich ein kleines Häuflein, so sich zum
Christenthum bekennet. Die weitläufftigsten
Länder sind mit Türcken und Heyden angefüllet. In
vorigen Zeiten, so man das Alte Testament
nennet, ist das Häuflein der Rechtgläubigen noch
weit kleiner gewesen. Unter den Christen, so jetzo
leben, macht die Parthey den grösten Theil aus,
deren Kirchen-Verfassung und Lehrsätze es mit
sich bringen, daß die Menschen in der
Unwissenheit müssen erhalten werden. Die
Evangelischen Christen hegen zwar andere
Meynungen: aber wieviel Unwissenheit ist nicht in
Städten und auf dem Lande, davon man die
Schuld nicht allemahl den jetzigen Lehrern
beymessen kan. |
|
|
Wenn nun gleich an einigen Orten die
mehresten zu einer buchstäblichen Erkenntniß der
Wahrheit gelangen, so sind doch unter denselben
wiederum sehr wenige, die die Krafft des Worts so
empfinden, daß sie durch deren Verwerffung im
hohen Grade strafbahrer werden. Paulus
bezeuget zwar Röm. I, 19-32, daß das Erkenntniß
von GOtt den Heyden offenbahret gewesen, und
Apost. Gesch. XIV, 17, daß er sich gegen
dieselben nicht unbezeugt gelassen. Allein es
erhellet aus dem gantzen Zusammenhange, daß
diese Aussprüche nicht von einer Gnade handeln,
so die Hertzen dergestalt rühret, daß die |
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{Sp. 1058} |
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|
Menschen dadurch in hohem Grade
strafbahrer werden. |
|
|
Nun will ich auch meinen Leser in die
göttliche Offenbahrung führen. Er nimmt wahr,
daß die ersten und meisten Schrifften, woraus sie
besteht, in der Ebräischen Sprache verfast sind.
Diese ist wegen ihrer grossen Kürtze, der
Vieldeutigkeit der Worte, insonderheit der
Bündungs-Wörter etc. nicht die bequemste, daß
ein Satz darinn allemahl deutlich ausgedruckt oder
genau determiniret werden könne. Es finden sich
in der Offenbahrung nicht allein solche
Schwierigkeiten, die von der Unbegreifflichkeit der
Sache herrühren, und unmöglich zu heben
gewesen, sondern auch solche, welche durch eine
weise Wahl der Wörter hätten können vermieden
werden. Die Ausleger setzen deswegen an statt
der unbequem scheinenden Wörter andere, so
leichter zu verstehen sind. Hieraus nehmen nun
die vielen Secten Gelegenheit, die Worte der
göttlichen Offenbahrung auf ihre Meynung zu
deuten. Wenn man den Vortrag der Offenbahrung
mit dem Vortrage anderer menschlichen
lebhafften u. zur Erbauung abgefasten Schrifften
vergleicht: so nehmen die noch nicht erleuchteten
Seelen in den menschlichen Schrifften mehr
Deutlichkeit und Rührendes wahr. Sind dieß nicht
lauter paradoxe Dinge, welche der Religion
nachtheilig sind? |
|
|
Keinesweges! Aus diesen paradox-scheinenden Dingen leuchtet eine göttliche
Weisheit hervor. Man wird mir zu geben, daß GOtt
gütig sey, und die Glückseligkeit seiner Creaturen
zum Zwecke habe. Ich habe § 95. 107. des abermahligen
Versuchs der Theodicee erwiesen, daß GOtt die
Verdammten, so aus ihrer Schuld sündigen, nicht
in der Schöpffung weggelassen habe, weil ihre
Strafe die Glückseligkeit der Seeligen erhöhet,
und die Summe der erhöheten Glückseligkeiten
die Summe der Strafen übertreffen. |
|
|
Dieser Zweck erfordert nicht den
allerhöchsten Grad der Pein. Die Güte GOttes
lässet uns schliessen, daß er lieber eine
geringere als grössere Pein der Verdammten wolle. Die Strafe der Verdammten ist
der Sünde proportionirt. Je deutlicher die Offenbahrung,
und je grösser die Gnade, so die Sünder
verwerfen, je grösser ist die Schuld und Strafe.
Wolte GOtt nun keine grosse Strafe veranlassen;
so muste er ihnen ein geringeres Licht und
weniger Gnade geben. Deswegen werden die
meisten Menschen in heydnischer Finsterniß
gebohren, und haben auch unter den Christen
solche Umstände, darinnen sie nicht so leicht zum
Erkenntniß der Wahrheit kommen. Deswegen
finden sich in der göttlichen Offenbahrung
Schwierigkeiten und Dunckelheit. |
|
|
Du sprichst, so kan ja der Zweck der
Offenbahrung bey denen nicht erhalten werden
von denen GOtt voraussahe, daß sie bey der
gehörigen Deutlichkeit folgen würden. Ich
antworte: GOtt hat mit dem Worte eine Krafft des
Heiligen Geistes verknüpfft, welche unter der
Bedingung der Folgsamkeit empfunden wird. Ist
also die natürliche Krafft des Wortes gleich
geringe; so ist doch die damit vereinigte Krafft des
Heiligen Geistes starck. Dieser letztern schreibt
man billig die Erleuchtung zu. |
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|
Nun beliebe der Leser |
|
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{Sp. 1059|S. 543} |
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|
stille zu stehen, und zu erwägen, ob er
überführet sey, daß die Gnade GOttes wenigen
Menschen so nachdrücklich angeboten werde,
daß sie durch derselben Verwerfung im hohen
Grade strafbar werden? Er prüfe ferner, ob GOtt
nicht nach der beygebrachten Erklärung wichtige
Ursachen gehabt habe, nur wenigen von den
Widerspenstigen seine Gnade auf das
nachdrücklichste zu empfinden zu geben? Er
untersuche, ob man nicht von der Einrichtung der
Welt und der Offenbahrung solchergestalt die
wichtigsten Ursachen angeben könne? |
|
|
Wenn er von diesem allen hinlänglich
überzeugt ist, wird er dennoch fragen, sind denn
nicht einige wenige, denen GOtt seine Gnade
durch übernatürl. Krafft des Worts nachdrücklich
ans Hertz leget, ohnerachtet er siehet, daß sie
dieselbe verwerfen, und sich strafbarer machen
werden? Ich kan es nicht leugnen. Die
Offenbahrung und Erfahrung lehret es. Man wird
deswegen mit der Frage in mich dringen, wie es
sich mit der Güte Gottes reime, daß er die
Umstände und den Weg zu einer schweren
Verdammniß, den Umständen zu einer geringern
Verdammniß vorziehe? Diese Frage will so viel
sagen, ich sey schuldig, eine Ursache von diesem
Verfahren GOttes anzugeben. Wenn ich den
Baylischen Einwürfen ein Genüge thun will; so
darf ich mich nicht darauf beruffen, daß es GOtt
gethan, seine Ehre zu retten. Denn er läst diesen
Zweck bey der Welt nicht zu. Ich muß das
Verfahren GOttes aus seiner Absicht, die
Creaturen glückselig zu machen, rechtfertigen.
Nun dieß soll geschehen. |
|
|
Wir haben bereits deutlich erkannt, daß GOtt
die Verdammten in der Schöpffung um deswillen
nicht weggelassen, weil ihre Pein eine viel
grössere Anzahl der erhöheten Glückseligkeiten
bey den Seeligen veranlassen kan. Nun kan man
sich vorstellen, daß die Pein den Verdammten
unter einigen Umständen mehr, unter andern aber
weniger empfindlich sey. Wenn wir in uns ein Übel
wahrnehmen, und gar kein grösseres Übel
wissen, so sehen wir unser Übel für das höchste
an. Wissen wir ein grösseres Übel, so schätzen
wir uns in Ansehung derer, die noch mehr
ausstehen müssen, glücklich. Unser geringeres
Übel düncket uns in Vergleichung des höhern
Übels ein Gut zu seyn. Es scheint, daß dieß leicht
einen Neid veranlasse, wenn man nicht auf seiner
Hut ist. |
|
|
Die Wahrheit dieser Sätze erhellet aus der
Erfahrung. Wenn die grosse Menge der
Verdammten nicht einige wenige vor sich hätten,
an denen sie ein grösseres Übel wahrnähmen; so
würden sie ihr Übel für das gröste ansehen, und
es viel schmertzlicher empfinden. Der Güte
GOttes ist es sehr gemäß, daß er den
Verdammten die Empfindung der Pein mindern
wolle. Dieß konnte geschehen, wenn sie an
einigen eine grössere Pein wahrnahmen. Wenn
die Anzahl derer, welcher Pein gemindert wird,
sehr groß, die Anzahl derer, welche eine grössere
Verdammniß ausstehen, sehr klein angesetzet
wird: so kan die Summe der verminderten Pein, so
eine Art der Glückseligkeit ist, die Summe der
grössern Verdammniß überwiegen.¶ |
|
|
Es ist also eine Ursache vorhanden, warum
der |
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{Sp. 1060} |
|
|
gütige und gnädige GOtt die Umstände
erwählet hat, worunter einige wenige Menschen
strafbarer werden. Du sprichst: Dieß Mittel, die
Pein der Verdammten zu vermindern, war nicht
nöthig. GOtt hätte ja den Verdammten nur
weniger Pein zuerkennen dürfen. Ich antworte:
Wir setzen voraus, daß zur Erhöhung der
Glückseligkeit der Seligen ein determinirter Grad
des Übels deutlich gewesen, und wollen, daß
ohne Verminderung dieses determinirten Grades
nur die Empfindung des Übels gemindert werden
soll. Dazu ist der angegebene Fall allein dienlich.
Man kan aber auch sagen, daß die Erhöhung der
Glückseligkeit bey den Seeligen stärcker sey:
wenn sie das Gegentheil unter vielen Graden
erblicken. Selbst die Verstellung des Gegentheils
würde in Ermangelung verschiedener Grade nicht
deutlich seyn. |
Böldickens Abermahliger
Versuch einer Theodicee …¶ |
|
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|
|
V. Ob der Zweifel die erste Sünde des
Menschen gewesen?¶ |
|
|
Es wird diese
Meynung von Luthern und allen
Theologen unserer Kirche angenommen, da sie
davor halten, der Unglaube und Zweifel an GOttes
Wort sey die allererste Sünde Adams und Evens
gewesen, und es ist auch diese wohl die sicherste
und gewisseste, immassen sie aus dem
Mosaischen Text so wohl, als aus andern
Schrifftstellen gnungsam zu erweisen stehet. |
|
|
Und zwar erstlich ist sie deutlich zu
erkennen
aus der Historischen Beschreibung Mosis, 1 Buch
Moses III: Denn daraus sehen wir, wie der Teuffel
die Evam anfänglich zum Zweifel zu bereden
suchte, daß sie nur glauben solte, es sey nicht
wahr, was
GOtt
gesagt habe; und da ihm solches
angieng, und er aus ihrer Antwort merckte, daß
sie schon
würcklich an den Worten GOttes
zweifelte, so ward er desto kühner, u. leugnete es
gar: endlich aber erweckte er auch die Hoffart in
ihr, und bildete ihr ein, sie werde GOtt gleich
werden, und wissen, was
gut und
böse ist. |
|
|
Was nun also der Teuffel in seiner
Versuchung vor
Ordnung gehalten, dieselbe
müssen wir billig auch der Even zuschreiben, als
welche nach seiner Versuchung sündigte, und,
worzu er sie verleitete, folgte. Es hielte aber der
Teufel, wie aus Mosis Beschreibung zu sehen,
solche Ordnung, daß er |
|
|
- erstlich die Evam zum Zweifel brachte, V. 1;
- hernach zur völligen Verleugnung und Unglauben,
V. 4;
- und endlich zur Hoffart, V. 5.
|
|
|
Also war sie ja freylich eher in Zweifel und
Unglauben, als in Hoffart gestürtzet, und ließ sie
ihren Zweifel und schlechten Glauben, den sie an
GOttes Wort hatte, gnungsam spühren, indem sie
das Wörtgen vielleicht einschobe, ehe noch der
Teuffel ihr Hoffarts-Gedancken einbrachte. |
|
|
Hiernächst ist ein gleiches zu erweisen aus
Syrachs Bekräfftigung Cap. X, 14. 15, allwo er
spricht: |
|
|
„Da kömmt alle Hoffart her, wenn ein Mensch
von GOtt abfällt, und sein Hertz von seinem
Schöpffer weichet; Und Hoffart treibet zu allen
Sünden.„ |
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|
Denn ob er schon allhier der Hoffart
gedencket, als eines Anfangs aller Sün- |
|
|
{Sp. 1061|S. 544} |
|
|
den, so nennet er doch den Anfang der
Hoffarth die Apostasie oder den Abfall, welcher
denn nichts anders ist, als Unglaube. |
|
|
Drittens ist solches abzunehmen aus
Eigenschafft des Glaubens: Denn so lange der
Mensch das
Wort im Hertzen hat, und das
Vertrauen zu
Gott behält, so lange kan er sich
wider ihn nicht erheben, oder Hochmuth üben.
Und gleichwie die Wurtzel oder der Anfang zur
Bekehrung der Glaube ist, denn wer zu Gott
kommen will, der muß gläuben, |
Hebr. XI, 6: |
|
Also ist auch die Wurtzel und anfangs aller
Sünde der Unglaube, denn das ist die Sünde, daß
sie nicht gläuben, |
Joh. XVI, 9. Cap. III, 18.
36. |
|
Weiter kan man solches zu behaupten diesen
Schluß machen: Da der Teufel die ersten Eltern
zur Hoffart verleitete, und ihnen versprach, daß
sie Gott gleich seyn würden, so haben sie
entweder geglaubet, daß sie Gott gleich werden
könnten, oder habe es nicht geglaubet. Ist es nicht
von ihnen geglaubt worden, so kan man ihnen
auch nicht die Hoffarth beylegen, oder
sagen, daß
sie Gott gleich zu werden getrachtet; haben sie es
aber aufs Teufels
Wort geglaubet, so sind sie ja
eher von Gott abgewichen, und in Unglauben
gefallen, als sie in Hoffart und Hochmuth gerathen
seyn. |
|
|
Endlich so nehmen diese
Meynung nicht nur
unsere Theologen durchgehends an, sondern
auch einige Kirchen-Väter, ja viele der Römisch-
Catholischen selbst halten den Zweifel und
Unglauben vor die erste Sünde. |
|
|
Übrigens lese man von dieser Meynung |
- Luthers Comment. in
III Cap. Genes.
- Calvins Lib. II. Institut. …
- Gerhards Dispp. Isag. …
- D. Meißners Anthropol.
…
|
|
Von denen Kirchen-Vätern schlage auf |
- Justinum in
parain ad
gentes …
- Augustinum Lib. XIV. de Civ. Dei
…
- Ambrosium de Parad. …
- Prospern in resp. ad
Capitula Genuensium dub. 3.
|
|
Von denen Scholasticis und Päbstlern
aber, |
- Lombardum II, sent.
…
- Rupertum,
- Hugo in Cap. III, Gen.
- Petr. Alphonsus in Dial. …
- Bonaventura Part. III, Breviloqu. …
- Lyra
in Cap. III, Gen.
- Cornel a Lapide,
- u.a.m.
- Schrödters continuatam Acerram Biblicam
Mullerianam, IV Hundert …¶
|
|
|
|
|
C) Juristische Abhandlung des Zweifels.¶ |
|
|
Was in Ansehung der
Rechte unter den
Worten:
Zweifel, und Dubium, zu verstehen, siehe
in dem
Artickel:
Dubium, im VII
Bande,
p. 1530.
und Ambiguitas, im I Bande, p. 1678. |
|
|
Sonst aber ist noch bey dem Zweifel zu
beobachten, ob er auf eine
Person, oder auf eine
Sache gehe. |
|
|
Bey den Personen gilt die Haupt-Regel, daß
man von einem jeden wohl halte und urtheile, und
ihm nichts
böses zudencke oder Schuld gebe;
eine Regel, welche so wohl die göttliche Lehre, als
die
weltlichen Rechte erfordern. |
|
|
Bey den Sachen und
Handlungen aber gelten
folgende Regeln: |
|
|
1) |
Tue nichts, wo du noch im
Zweiffel bist, ob es recht, oder unrecht, wohl oder
übel gethan sey. Denn weil man bey noch vorwaltendem Zweifel eben so leicht
unrecht und
böses, als recht und
gutes |
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|
{Sp. 1062} |
|
|
|
thun könnte; so erfordert
die gemeine
Klugheit, daß man sich nicht in
solche Gefahr begebe. |
|
|
|
2) |
Was du einmahl für recht
und gut erkannt hast, dem setze nach, als ob
niemahls ein Zweifel darüber bey dir gewesen
wäre. Denn wenn man allezeit neue Zweiffel
aufstellen, und deswegen die Sache anstehen
lassen wolte; so würde schwerlich ein Geschäffte
geendiget werden können, und alles in Unordnung
gerathen. |
|
|
|
3) |
Untergebene dürffen nicht
zweifeln, ob sie recht thun, wenn sie dem
Befehle
ihres
Obern Folge leisten;
es wäre denn, daß sie
beyde einen Höhern über sich hätten, der ihnen
verbothen, was der letztere sie geheissen. Denn
der Obere hat die Vermuthung des
Rechten vor
sich, und der Untergebene stehet in Gefahr, mit
seiner ungegründeten Widersetzlichkeit den
schuldigen
Gehorsam zu verletzen. |
|
Becmann. |
|
Sonst sind auch in den Rechten der Zweifel
und die Dunckelheit eine mächtige Hinderniß der
Wahrheit und Gerechtigkeit. Derohalben ist in allen
Verschreibungen, Testamenten und andern Handlungen besonderer Fleiß anzuwenden,
damit alles auf das deutlichste ausgedrückt und angezeiget werden. Wo aber
gleichwohl noch ein Zweifel vorkommt; so wird demselben
entweder durch eine nöthige Erläuterung, oder
durch eine geschickte Deutung und Erklärung
abgeholffen. Also wird ein Zeuge über eine
zweifelhaffte und dunckele Aussage nochmahls
befraget. |
|
|
Überhaupt aber wird die Dunckelheit und eine
zweifelhaffte Anzeige zum
Nachtheile desjenigen,
der sie
geredet oder
geschrieben, ausgelegt; oder
ihr ein
Verstand gegeben, der den
gemeinen Rechten am nächsten kommt, oder der mit der
Eigenschafft der
Sache und mit der
Meynung
derer, so darüber gehandelt, am meisten
übereinstimmet; oder es wird für den, der im
Besitz ist, gesprochen; oder lieber vor, als wider
einen angeschuldigten; und eine zweifelhaffte
Aussage wird vor kein Geständniß geachtet. |
- Jablonsky Lex. h.v.
und
- Besold
Contin.
|
|
De Rebus dubiis haben |
|
|
- Albertus Brunus, Bartholomäus Calepius,
Emanuel von Costa, und Nicolaus Valla eigene
und besondere Tractate,
- desgleichen Samuel
Stryck eine
Disp. de Incerta Ambiguorum
Decisione,
- wie auch Ahasver
Fritsch
de Dubio, et
quid in eo justum sit,
|
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geschrieben. |
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D) Abbildung des Zweifels.¶ |
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In der Bilderkunst wird der Zweifel abgebildet,
wie ein Jüngling, der bey
Nacht wandelt, mit
einem Stab in der rechten, und einer Leuchte in
der lincken Hand. Seine Jugend deutet auf die
Unwissenheit, woraus Zweifel und Ungewißheit
entspringen. Der Stab ist ein Sinnbild der
Erfahrung, und die Leuchte des
Verstandes,
welche die Mittel sind, unserm Zweifel
abzuhelffen. Die Gefahr und Schädlichkeit des
Zweifels wird abgebildet durch einen, der einen
Wolff bey den Ohren hält. |
- Ripa in Iconolog.
- Jablonsky im Allgemeinen Lexico der Künste und
Wissenschafften.
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