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Quellenangaben |
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Titul,
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Lat.
Titulus oder Character,
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Frantz.
Titre, oder
Qualité und
Charactèré
- Ital. Titolo,
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bedeutet ferner diejenigen
Ehren-Bezeugungen, die wir nach Erforderung der
Zeit, des
Standes,
des Amtes und der
Würde,
des
Geschlechts und
Alters, aus unterthäniger
Schuldigkeit, geziemenden Respect,
Höflichkeit, und mit einem
Worte,
aus wohl eingerichteter Sittsamkeit, in
Bürgerlicher
Gesellschafft, in Umgang mit Höhern, Gleichen und Geringern, in
unvermeidlichen Biref-Wechsel, in mancherley Angelegenheiten, beyzulegen
pflegen, damit alle Unordnung in einer wohl angestellten
Republick
vermieden, und die
Personen
unterschiedentlich nach ihrem Werth geschützet werden. |
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Es kürtzer zu
sagen,
so sind die Titel gewisse
Wörter
oder
Nahmen,
welche in einer Bürgerlicher
Gesellschafft eingeführet sind, damit sie zum Unterscheid der
Personen
und zur
Ordnung
in der
Republick
dienen, indem man daraus erkenn soll, wie ein jeglicher zu schätzen sey. |
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{Sp. 474} |
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Arten |
Man hat dreyerley
Arten von Titeln, als: Stands- Ehren- und
Amts-Titel. |
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Einige sind
Stands-Titel, wie die von
Adel ihre
besondere Titel haben, dadurch sie sich von den Bürgerlichen unterscheiden;
unter sich aber nach der Beschaffenheit ihres
Stands
darinnen unterschieden sind.
Könige,
Fürsten und
Herren führen in ihren Titeln
neben der Benennung ihres Standes, auch die
Nahmen der
Lande und
Herrschafften,
nicht nur die sie würcklich besitzen; sondern auch, dazu sie ein Anrecht haben,
solches besser zu behaupten. |
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Andere sind
Ehren-Titel,
welche nur zur Hochachtung dienen sollen, als wenn der
Kayser
Advocatus Ecclesiae, Franckreich Christianissimus et Primogenitus
Ecclesiae, Spanien, Catholicus, und Engelland Defensor fidei
genennet wird; ingleichen wenn man einen Hochgelahrt,
Hoch-Ehrwürdig
nennet, und einem in Abstracto den Titel Excellentz, Durchlauchtigkeit, u.s.f.
beyleget. |
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Noch andere sind Amts-Titel; wenn einer ein Superintendent,
Professor, ein Rath u.s.w. heisset, welche nach den unterschiedenen
Ämtern in einer
Republick
vielerley sind, nachdem man entweder eine
Weltliche;
oder
Geistliche; oder Kriegs-Bedienung hat. Doch ist hierbey noch dieser
Unterscheid. Einige führen den Titel nebst würcklicher Bedienung; etliche
hingegen haben nur den blossen Titel, daher man unter andern die würcklichen
Räthe von den Titulatur-Räthen zu unterscheiden pfleget. |
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Entwicklung |
Was den
Ursprung der Titel anlanget, so behaupten einige, daß die Titulatur
mit der
Herrschafft
(Dominio)
zugleich eingeführet worden. Denn nachdem sich die
Menschen
nach dem
Fall vermehrten und die meisten von der Art waren, daß sie durch
Verlassung der natürlichen Gesetze, die ihnen die gesunde
Vernunfft eingab, anfiengen, Tugendsamen und wohlgesinneten
Gemüther mit ihrer unbändigen Aufführung zu
beleidigen, so
brachten sie es dahin, daß diese auf Mittel bedacht waren, sich wider solche
unbescheidene und ungerechte Anfälle in einem sichern
Stand zu setzen; und weil
sonderlich die bisherige allgemeine
Freyheit
an einer solchen Sicherheit
hinderlich gewesen, so muste durch Abschaffung derselben nach und nach die
Herrschaft eingeführet, und dadurch allem Unfug durch Zwang und
Straffe gewehret
werden. |
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Weil nun hierdurch die allgemeine Gleichheit der
Menschen
aufgehoben wurde, musten einige
Herren,
andere
Bürger, und wieder andere
Knechte seyn. Damit nun ein jeder in seinem
Stande unterschieden bliebe, und die
Republick
durch keine Unordnung wieder in
Gefahr ihrer Sicherheit käme, musten die Niedern die Obern
ehren, und ihnen
allen
Gehorsam und Respect erweisen, wodurch es denn geschehen, daß gewisse
Titel und Ehren-Nahmen vor die Höhern nach und nach eingeführet worden. Und
solchem nach kan man mit andern auch sagen, daß die Titel und
Ehren-Stellen in
den ältesten
Zeiten ihren ersten und rechten
Ursprung aus der Tugend
hergehohlet haben. |
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Die sich in dem Kriegs-Actionen wieder die Feinde signalisiret, wurden
Mannhaffte genennet, die sich in dem
Geistlichen Stande vor andern einer besondern Devotion befliessen, ach- |
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{Sp. 475|S. 251} |
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tete man vor Würdige und Andächtige, und legte ihnen dahero diese Titulatur
bey, die sich sonsten durch ihr löbliches Beginnen
Verdienste zuwege gebracht,
hieß man die Edlen u.s.w. und also zeigten die Titel damahls allezeit die
Verdienste an, und die Leute waren dasjenige in der That, was man sie nennte. |
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Diese Benennungen gefielen den andern, weil sie sahen, daß sie mit
mancherley
Prärogativen vergesellschafftet waren, da sie aber sich nicht durch eigne
Tugenden den Weg hiezu bahnen konnten, so sahen sie, wie sie sonst dieser Titel
theilhafftig wurden. Sie bemüheten sich, es bey grossen
Herren
dahin zu bringen, daß man sie doch auch für solche verdiente Leute ansehen
möchte, die
Söhne bathen sich auch aus, daß man sie eben so, wie ihre
Väter
beehrte. Hierbey fanden sich Schmeichler, die sich um ihres Eigennutzes
Willen
nach den Ehrgeitz solcher Leute richteten, und ihnen dergleichen
Ehren-Benennungen gaben, und so wurden nach und nach die
Wörter, mit denen man
sonst die Verdienste tugendhaffter Leute beehret hatte, zu blossen
Nahmen und
Titeln. |
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Die
Zeiten haben bey dem Titel-Wesen einen sehr grossen Unterscheid
eingeführet. Wer in der alten Teutschen Historie nur ein wenig bekannt, der
weiß, daß vor diesen die Benennung, Schalck: Kerl, Hachen, Rendt, und
dergleichen, den starcken tapffern Helden und jungen
Edelleuten
zugeschrieben worden. |
Siehe Joh. Matthesii 43 Sündfluths-Predigt. |
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Man komme aber jetzund aufgezogen, und nenne einen jetzigen von
Adel einen Rendt,
und einen starcken rüstigen Kriegs-Mann, einen Hachen oder Hengst, wie jener
König
der
Sachsen und Britonen hieß, so wird er ihn gewiß auf das Duell-Mandat
verklagen. |
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Manche Titel wurden ehedessen Hof- und Staats-Leuten beygelegt, mit denen
jetzund kaum die Gelehrten wollen zufrieden seyn, |
wovon Baudisii
Dissertatio de Titulis quibusdam olim aulicis, nunc vero academicis,
nachzulesen. |
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Die Titel sind nicht allein von ein paar Jahrhunderten, sondern auch nur von
ein 50 Jahren her gewaltig gestiegen, vor zwey bis dreyhundert Jahren waren die
Chur-Fürstlichen
und
Fürstlichen Prinzeßinnen mit dem Titel der Fräulein zufrieden, und bey
unsrer
Zeit fangen manche von den Adelichen ledigen
Frauenzimmer an das Maul zu
rümpffen, wenn man sie Fräulein schlechtweg nennt, und nicht das
Ehren-Bey-Wort
gnädig hinzu fügt, oder sie gar gerne ihren Ehrgeitz zu sättigen, und den Kützel
ihrer Ohren zu vergnügen, mit Ihro
Gnaden, Gnädig Fräulein, betituliret. |
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Unsere Groß-Väter von
Adelichem Stande
begnügten sich, wenn sie von den Geringern Ihro Gestrengten genennt wurden, und
viele von unsern jetzigen Cavaliern würden denjenigen vor einen
Phantasten
halten, der sie unter dieser Benennung beehren wolte. |
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Unsere Adeliche
Mütter und Groß-Mütter hiessen vor ein 50 bis 60 Jahren noch
Jungfern, und jetzund will sich fast eines gemeinen Kramers-Tochter dieses
Titels schämen, und das
Wort
Mademoiselle lieber hören. |
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Es sind auch wohl einige Titulaturen an einigen
Orten,
von einigen Jahren her, so viel man erachten |
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{Sp. 476} |
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kan, auf einen höhern Grad getrieben worden. Also war es zu Eingang dieses
Jahrhunderts noch ziemlich fremde und unbekannt, daß man die hohen
Staats-Minister mit dem Bey-Wort Ihro Hohe Excellentz beehrte, oder ihre
Gemahlinnen, Excellentz titulirte, welches zu unsern
Zeiten Mode worden. |
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Von den Zeiten an, da man angefangen, bey den Titeln mehr auf die Geburth,
als auf die Tugend, mehr auf blosse
Dienste, als
Verdienste, mehr auf den
Stand als
Verstand, mehr auf
Geld und äusserliches
Ansehen, als auf Löbl. Handlungen zu sehen, ist die Titel-Sucht in allen Ständen
gewaltig gestiegen, und durch ihre Veranlassung sind zugleich mancherley Laster
eingeführet worden, insonderheit die Pracht, die Unmäßigkeit im Essen und
Trincken, und die Verschwendung. Die höhern Titul erfordern grössere Ausgabe,
bey der Kleidung, bey der Equipage, in Ansehung der Wohnung, der Bedienten,
u.s.w. Die Titel haben zu und hingegen das Geld hat abgenommen; daher auch ein
gewisser Autor nicht ohne
Grund auf folgende Art gereimet: |
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Da man schrieb dem Erbaren und Frommen,
Da war noch etwas in der Welt zu bekommen,
Da man schrieb dem Gestrengen und Vesten,
Da war auch noch etwas zum Besten,
Nun man aber schreibt dem Hoch- Wohl- und Edelgebohrnen,
Ist Gut und Geld auf einmahl verlohren. |
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Und ein alter
Bauer sagte
einstens: Daß damahls gute
Zeiten in der
Welt
gewesen, da die
Gnädigen Herren, Ihro Gestrengten, die Careten, Wägen, und die
Maitressen, Huren genennet worden. |
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Der
Grund
der Titel-Sucht beruhet auf einer falschen
Einbildung, als ob die vom höhern
Stande,
grössern
Rang,
oder
ansehnlichen Prädicat sich in einem höhern Grade der Glückseligkeit
befänden, denn die andern. Um deswillen wollen die
Bauern dem
Bürgerlichen, die Bürgerlichen
Personen
dem Adel, der Adel
den Höchsten
Standes-Personen
gleich geachtet seyn. Sie formiren aber hierbey auf zweyerley Weise unrichtige
Schlüsse, einmahl, da sie dasjenige denen Titeln zuschreiben, welches doch im
geringsten nicht von ihnen gewürcket wird, sondern ohne sie bestehet, und
kräfftig ist; und zum andern, da sie den äusserlichen Schein der Glückseligkeit,
der um einige Titel und hohe
Ehren-Stellen gläntzet, vor ein wahres Gut
erkennen. Wenn sie mit ihren
Gedancken
in das innerliche
Wesen
solten eindringen, so würden sie erkennen, daß die Ehren-Würden nicht allein vor
langer
Zeit bereits Bürden genennet worden, sondern daß auch mancher Titel
demjenigen, der ihn führet, und führen muß, mehr zur Last, als zur
Zufriedenheit
gereiche. |
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Wie gut wäre es doch, wenn man bedächte, das gröste Glück, welches man
wünschen möchte, wäre dieses, daß man so viel hätte, womit man den von
GOTT einen gegebenen
Stand ehrlich bekleiden könnte, ohne
die Augen auf |
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{Sp. 477|S. 252} |
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einen höhern zu richten, als welcher vor einen andern bestimmet ist. Man
solte sich genügen lassen, in demjenigen Stand zu seyn, welcher einem von GOtt
gegeben, und glauben, daß sich alle die andern vor uns nicht schicken würden.
Man solte allemahl zwischen seinem Ehrgeitz, und einem höhern Stande einen
Vorhang vorziehen, damit uns derselbe nicht verblendete. |
Siehe de la Serre
vergnügter Mensch p. 118. |
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Ob sich schon die unmäßige
Begierde
nach grössern Titeln bey allerhand Fällen äussert so erweiset sie sich doch
nirgends mehr, als wenn die Benennung des
Standes,
oder der Bedienung, vor vielen Leuten abgelesen, oder sonst vermeldet und kund
werden soll. Es
erfahren dieses insonderheit die Herren
Geistlichen bey Haltung
der Leichen-Predigten, bey denen Aufgeboten, und bey andern öffentlichen
Abkündigungen, da sie bisweilen die Titulaturen nicht so prächtig einrichten
können, als die andern verlangen, oder sie ihnen die Vorschrifften hier zu
ertheilen. Es wäre besser, wenn manche Priester, aus Eigennutz der thörichten
Begierde der
Menschen, auf der Cantzel nicht so schmeichelten, als wohl zu
geschehen pfleget. Es entstehet hieraus manche Unordnung. |
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Wunderseltsam läßt es, wenn sie die Titel auch bis auf die Seeligkeit
erstrecken, und die Seeligkeit, nach Proportion des
Standes,
der
Ehren-Stelle, auch wohl bisweilen der Einkünffte, die der Verstorbene
hinterlassen, der Discretion, die sie von den Erben vor die Leichen-Predigt, der
Vermuthung nach, zu hoffen haben, u. der Hochachtung, die sie vor den
Verstorbenen gehabt, austheilen wollen. Einige von dem höchsten Stande nennen
sie Höchstseelig, andere Hochseelig, noch andere Wohlseelig; der gemeine
Mann
aber muß bloß mit Seelig vorlieb nehmen; Manche wollen sie in Christmildesten
Andencken erhalten, andere in Gottseeligen, noch andere im seeligen Andencken,
u.s.w. |
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Man muß sich in der That wundern, daß die grossen
Herren
in Deutschland, dem seltsamen Beginnen, und der thörigten Ehr-Begierde der
Menschen, in Ansehung der Titulaturen in den Policey-Ordnungen nicht bald
Anfangs fleißiger Ziel und Maaß gesetzt, als wohl hätte geschehen können und
sollen. Es hätte durch ein gehörig Einsehen, mancher Jalousie, mancher Mißgunst
und Unordnung, die hieraus erwachsen, können vorgebogen werden. Es ist aber zu
vermuthen, daß in den
künfftigen Zeiten vieles thörichte
Wesen bey den Titeln,
durch
Landesherrliche
Mandate wird abgeschafft, und
bestrafft werden wie denn
hierbey von einiger
Zeit her hin und wieder einige Excesse bereits abgestellet
worden. |
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Also liessen Ihro
Königl.
Majestät in
Pohlen und Churfürstl.
Durchl. zu
Sachsen im Jahr 1710 im Monat May, zu Dreßden, die höchstlöbliche
Verordnung ergehen, des Inhalts: Daß in Dero Landen, bishero sich nicht allein
die Kirchen-Patronen, sondern auch die eingepfarrten Gerichts-Herren, nebst
denen Ihrigen, unterstanden, sich so wohl in den allgemeinen Kirchen-Gebet, als
auch in andern Vorbitten und Dancksagungen grosse und unzuläßige Titel beylegen
zu lassen, und solche nach ihren Gefallen anzuordnen. Alldieweil sich aber nicht
geziemen wolte, in dem Gebet, als welches in wahrer Demuth des Hertzens
geschehen solte, mit grossen |
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{Sp. 478} |
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Titeln zu prangen; Sr. Königl. Majestät auch selbst, nebst Dero Königl.
Hause, weder in dem allgemeinen, noch andern Gebeten, Dero völligen Titel
hersagen liessen; Als hätten sie vor nöthig angesehen, alle unnöthige und
umschweiffende Titel, als Hochgebohren, Hoch-Wohl gebohren,
Gnädiger Herr,
Gnädige Frau in denen Kirchen-Gebeten gäntzlich abzuschaffen. |
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Wenn man die Liebe zur
Veränderung und Abwechselung, und die grosse
Begierde
der Menschen,
nach höhern
Dingen,
nach grössern Titeln und neuen Benennungen, in etwas genauere Betrachtung
ziehet, und einen Blick zugleich in die
künfftigen Zeiten thut, so weiß man fast
nicht, was man vor ein
Urtheil fällen soll, wohin es mit den Titulaturen endlich noch
kommen werde. Solten die Menschen, nach der bisherigen Weise, auf den Wegen, da
sich die Geringern in allen
Ständen
die Titulaturen der Höhern von
Zeit zu Zeit angemaßt, beständig fortgehen, und
es solte ihnen kein Grentz-Stein gesetzt werden, so dürffte es in einem oder ein
paar Jahrhunderten noch Mode werden, daß sich die von
Adel werden Ihro
Durchlauchtigkeit nennen lassen, und die
Fürstlichen
Personen hingegen werden
wiederum mit gantz neuen Titeln prangen. Haben die Geringern, von ein paar
hundert Jahren her, den Höhern ihre Titel weggenommen, was ist im Wege, daß sie
nicht in denen künfftigen Zeiten, nach ihren Begierden eben so procediren
solten? Es ist nicht zu vermuthen, daß die
Welt künfftighin so Tugendhafft wird
werden, daß sie ihren Ehrgeitzigen Begierden den Zügel völlig anlegen solte. |
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Einige meynen, die Menschen
würden aus Noth getrieben werden, bey ihren jetzigen Titeln stille zu stehen,
inmassen das Titel-Wesen jetzund auf seiner höchsten Spitze, und die deutsche
Sprache so erschöpfft wäre, daß fast nichts neues mehr könnte ausgedacht noch
hinzu gesetzt werden, man müste denn auf eine lächerliche und thörichte Weise,
auf gantz neue und wunderliche
Wörter
fallen; Da aber hierbey alles auf die Opinion der Leute, und die Approbation der
Höhern ankommt, die nach ihrem
Urtheil und durch ihren
Willen etwas vor wohlanständiger erklären können, und wenn
es auch noch so wunderlich seyn solte, so ist noch Gelegenheit genung vorhanden,
in den
künfftigen Zeiten bey dem Titel-Wesen beständige
Veränderungen
vorzunehmen. |
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Die Ehrgeitzigen können ja immer noch aus andern
Sprachen aus der Englischen, Italienischen, und
Gott weiß, wo sonst her, wie es mit dem
Worte
Excellentz geschehen, neue Wörter herholen, und denselben gewisse Bedeutungen
zuschreiben; sie könnten auch auf gantz neue, und jetzt ungewöhnliche Wörter der
deutschen Sprache fallen, und ihnen eine gewisse
Krafft
beylegen. Wer weiß, ob die Nachkommen nicht einmahl darauf gerathen, und hohlen
die ältesten Titulaturen aus den ersten
Zeiten wieder her? Vielleicht gefällt es
dem künfftigen Adel
in hundert Jahren besser, wenn sie Hochachtbare und Ehrenveste gescholten
werden, als Hoch- und Wohlgebohrne. |
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Die
Welt
wird ja ohne dem alles überdrüßig und belustiget sich an dem Fremden, es mag nun
entweder gantz neu oder von andern
Orten
und
Zeiten hergekommen seyn. Am allerwahrscheinlichsten ist, daß endlich der
Kayser und
die hohen
Stände
in Deutschland, der
tho- |
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{Sp. 479|S. 253} |
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richten Titel-Sucht ihrer
Unterthanen, völlig werden überdrüßig werden, alles
ungereimte Wesen, so bis anhero dabey vorgegangen, bey den schärfsten
Straffen
verbieten, und ihnen mit vereinigten
Kräfften
einen Riegel vorschieben. |
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Die Opinion der
Welt
und die Mode der gegenwärtigen
Zeit giebt in Erklärung der Titulaturen und
Benennungen die beste Entscheidung. Die Geschicht-Schreiber und
Publicisten
mögen aus der ältesten Historie herleiten, wie sie wollen, daß einige
Ehren-Wörter in der deutschen und
lateinischen
Sprache vor
Zeiten eine vortreffliche Bedeutung gehabt, und den grösten
Herren
beygeleget worden. Werden sie nicht durch den jetzigen Gebrauch der Welt
autorisiret, so kommen sie doch in kein
Ansehen. |
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So sind auch manche
Regeln
der Rechts-Lehrer, dadurch sie nach ihren
Sinn
eines und das andere bey den Titulaturen ausmachen wollen, meistentheils von gar
schlechter Krafft.
Ob schon einige in ihren
Schrifften
behaupten, daß das Ehren-Wort
Jungfer bloß den Doctor
Töchtern, und denen, die
mit ihnen in gleichen
Rang
und
Würden
stünden, zukäme, und daß hingegen theils die
Töchter der
Kauffleute, und der
andern blosse Kauffmanns-Mägdgen solten genennet werden, so werden sie dem
ungeacht doch wohl in dem Posseß des Jungfräulichen Tituls bleiben; Es ist auch
davor zu halten, daß das
Frauenzimmer von geringem
Stande
um desto eher diese Benennung behalten kan, weil manchen, die zwar bürgerlichen
Standes, aber höherer Condition, dieser Titel gar spöttisch und verächtlich
vorkommt, immassen sie davor lieber Demoiselle wollen genennet seyn. |
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Hierbey ist zu erinnern, was der Autor der Europäischen
Fama, in dem XX Theile p. 795.
anführet: Er meldet, daß man im Jahr 1703 in Franckreich, von alle dem
Frauenzimmer, welche sich mit Unrecht Madame nennen liessen, eine
gewisse Accise abgefordert; Es wäre aber nachgehends bald wieder geändert
worden, denn man hätte dem
König
erwiesen, daß in Franckreich wenig Frauenzimmer über 14 Jahr anzutreffen, welche
sich mit Unrecht Madame nennen. Ihro
Majestät würden
also viel besser fahren, wenn sie den
Befehl änderten, und auf den unrechten
Gebrauch des Wortes Demoiselle etwas gewisses legten, weil man sowohl
in Franckreich als andern
Ländern
wahrgenommen, daß dieser Titel trefflich gemißbrauchet, und mancher
Mensch
dadurch betrogen würde. |
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Nachdem man heutiges Tages bey den Benennungen, die man dem andern zu seinen
Ehren
beylegen will, nicht mehr auf die
Verdienste, wie vor diesen, sondern grösten
Theils auf sein eigen Interesse siehet, wie man den andern etwa zu Beförderung
seiner Absichten gebrauchen kan, und einem jeden eine ziemliche unumschränckte
Freyheit
hierinne zustehet, so trifft wohl bey der gantzen
Welt
ein, was Guevarra in seiner Beschreibung des Hof- und
Land-Lebens p. 76. nur von dem Hofe sagt: Es will ein jedweder nur ein
Wiedertäuffer seyn, in Mittheilung und Veränderung der
Nahmen.
Einen Hoffärtigen nennet man Edel und Vest, einen Verschwender Achtbar und
Fürnehm, einen Verzagten, einen strengen
Herrn,
einen Unbarmhertzigen und Gestrengen, einen
gnädigen Herrn, einen Heuchler,
Fürsichtig, einen Ertzbösewicht, Hochweise, einen Zungendrescher, Hochge- |
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{Sp.480} |
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lahrt, einen Ehebrecher, einen
Menschen,
der sich beliebt zu machen weiß, einen Hannß in allen Gassen einen Emsigen,
einen Schwätzer beredt, einen Geitzhals, häußlich und sparsam, und einen stillen
Menschen heißt man einen Narren. |
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